Neuro-, Psycho- und Klinische Linguistik Wortarten im Gehirn
Wie werden unterschiedliche Wortarten im Gehirn verarbeitet? Fragestellung Wie werden unterschiedliche Wortarten im Gehirn verarbeitet?
Rückblick: Cell Assemblies Funktionale Einheiten bildende Neuronenverbände im Gehirn, die gemeinsam aktiv werden und zum Beispiel Sprachliches Wissen repräsentieren. „Eine Cell Assembly ist eine Gruppe kortikaler Neuronen, die untereinander stark exzitatorisch verknüpft sind, wobei sich die starke Verschaltung“ gemäß dem Hebbschen Gesetz „aufgrund häufiger gemeinsamer Aktivität ausgebildet hat“ (Pulvermüller 1994, 24)
Hypothese Cell Assemblies, die im Gehirn grammatikalische Funktionswörter (Pronomina, Artikel,…) repräsentieren, sind anders lokalisiert als Cell Assemblies, die bedeutungstragende Inhaltswörter (Nomen, Verben,…)betreffen.
Annahmen für… …Funktionswörter Cell Assemblies sind in der perisylvischen Sprachregion lokalisiert Wo genau, hängt vom jeweiligen Sprecher ab Rechtshänder: linke Hemisphäre Linkshänder: rechte Hemisphäre (diejenige Hemisphäre, welche die Sprache kontrolliert, liegt der dominanten Hand gegenüber)
Lokalisierung Funktionswörter
Annahmen für… …Inhaltswörter Cell Assemblies sind über den gesamten Cortex verteilt Weniger stark lateralisiert = nicht auf rechte oder linke Hemisphäre begrenzt
Experimente Wortverarbeitung von Funktions- und Inhaltswörtern nach tachistokopischer Darstellung (= sehr kurze Darbietung von visuellen Reizen) Elektro-chemische Signalübertragung im Nervensystem bei der Verarbeitung von Inhalts- und Funktionswörtern ( Elektrozephalogramm) Verarbeitung von Inhalts-und Funtkionswörtern bei Aphasikern mit Läsion im Wernicke-Zentrum
Experiment 1 Versuch und Methode Probanden: ALLE Rechtshänder dominante Hemisphäre befindet sich also links Fixierung eines Kreuzes in der Mitte des Bildschirms Bestimmung der Wortqualität: randomisierte Abfolge grammatischer und ungrammatischer Funktions- und Inhaltswörter Jedes Wort taucht einmal im rechten und einmal im linken visuellen Feld auf
Ergebnisse Rechts dargebotene Wörter: allgemein schnellere Reaktion im Vergleich zu links dargebotenen Inhaltswörter: kein signifikanter Unterschied in der Reaktionszeit zwischen rechtem und linkem visuellen Feld Funktionswörter: signifikanter Unterschied zwischen rechtem und linkem visuellen Feld deutlicher Verarbeitungsvorteil bei Erscheinen des Wortes im rechten visuellen Feld
Fazit Vorhersage des Cell-Assembly-Modells bestätigt sich Funktionswörter werden stark in der linken Hemisphäre verarbeitet Kaum Lateralisierung bei der Verarbeitung von Inhaltswörtern
Experiment 2 elektrophysiologischer Nachweis Hypothese Negativierung des ausgelösten Potentials = erhöhte neuronale Aktivität Das bedeutet… …bei Inhaltswörtern sollte eine Negativierung über den gesamten Kortex auftreten …bei Funktionswörtern sollte eine deutlich stärkere Negativierung über die linke Hemisphäre erkennbar sein Die Negativierung des ausgelösten Potential zeigt die Verteilung der Cell Assemblies für Funktions- und Inhaltswörter auf
Versuch und Methode Ergebnis Erneut: Bestimmung der Wortqualität Messung der Hirnströme mit Hilfe einer Elektrodenhaube und des Elektroenzephalogramms Ergebnis Bestätigung der Hypothese und des Ergebnisses von Experiment 1 Funktionswörter verursachen eine stärkere Negativierung über die linke Hemisphäre Inhaltswörter verursachen eine ungefähr gleich starke Negativierung über beide Hemisphären
Experiment 3 – Verarbeitung bei Aphasikern Hypothese Bei Aphasien sind Wortklassen-spezifische Ausfälle in Abhängigkeit des Läsionsortes zu erwarten Annahmen Bei Schädigung innerhalb der perisylvischen Region tritt Agrammatismus auf Bei Läsionen außerhalb der p.R. meist amnestische Aphasien (z.B. Wortfindungsstörungen)
Methode Probanden: zwei rechtshändige Patienten mit Läsionen im Wernicke-Zentrum Bestimmung der Wortqualität: diesmal werden die Begriffe allerdings gleichzeitig im linken und rechten visuellen Feld gezeigt
Ergebnis Zwar gibt es einen Unterschied in der Reaktionszeit der Aphasiker auf Inhalts- und Funktionswörter, allerdings wird in diesem Experiment deutlich, dass die Frequenz (=Vorkommen im Alltagsgebrauch) der Versuchswörter einen größeren Einfluss auf die Reaktionszeit hat als bisher angenommen.
Die Hypothese lässt sich also durch die Untersuchung der Reaktion auf Wortklassen nicht ausreichend beantworten, sondern muss auch auf Frequenzuntersuchungen und der damit verbundenen Cell Assembly Vernetzung erweitert werden!
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!
Quellenverzeichnis Pulvermüller F (1996) Neurobiologie der Sprache. Gehirntheoretische Überlegungen und empirische Befunde zur Sprachverarbeitung. Berlin: Pabst Science Publishers, Kapitel 3. Pulvermüller, F. (2001). Brain reflections of words and their meaning. Trends in Cognitive Sciences, 5(12), 517-524. http://www.neuro24.de/show_glossar.php?id=429 http://www.daeda.de/node4.html