Die Bedeutung der amtlichen Einwohnerzahl in Deutschland und ihre Ermittlung beim Dr. Michael Fürnrohr Berlin, 8. April 2011
Gliederung 1. Definition der amtlichen Einwohnerzahl 2. Bedeutung der amtlichen Einwohnerzahl … 2.1. bei Wahlen 2.2. beim Finanzausgleich 2.3. auf kommunaler Ebene 3. Fortschreibung der Bevölkerung 4. Zensus 2011 4.1. Registergestützter Zensus – Melderegister 4.2. Ergebnisse des Zensustests 2001 4.3. Maßnahmen zur Qualitätssicherung
Definition der amtlichen Einwohnerzahl Die amtliche Einwohnerzahl einer Gemeinde ist die Gesamtzahl der Personen, die ihre alleinige oder Hauptwohnung in der Gemeinde haben. Hat eine Person mehrere Wohnungen, dann ist die Hauptwohnung die vorwiegend benutzte Wohnung. Bei verheirateten oder eine Lebenspartnerschaft führenden Personen ist die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie oder des Lebenspartners die Hauptwohnung.
2. Bedeutung der amtlichen Einwohnerzahl … 2.1. bei Wahlen Bundestagswahlen Einteilung der Wahlkreise (§ 3 Bundeswahlgesetz (BWahlG)) Einteilung der Wahlbezirke (§ 12 Bundeswahlordnung) Landtagswahlen Einteilung des Wahlgebietes in Wahlkreise (Landesgesetze) Einteilung der Wahlkreise Zahl der Wahlkreise in den einzelnen Ländern abhängig von deren Bevölkerungsanteil Jeder Wahlkreis soll die gleiche Anzahl an wahlberechtigten Personen aufweisen (derzeit 250 000 Wahlberechtigte) Abweichungen von 25 % über/unter der durchschnittlichen Personenzahl je Wahlkreis machen eine Neuabgrenzung der Wahlkreise erforderlich (§ 3 Abs. 1 BWahlG). Einteilung der Wahlbezirke Ein Wahlbezirk umfasst maximal 2500 Wahlberechtigte Einteilung des Wahlgebietes in Wahlkreise Bezugsgröße: amtliche Einwohnerzahl
2. Die Bedeutung der amtlichen Einwohnerzahl … 2.1. bei Wahlen Stimmenverteilung im Bundesrat Gemäß Artikel 51 Absatz 2 Grundgesetz (GG) erhält jedes Land mindestens 3 Stimmen Mehr Stimmen erhält ein Land, wenn es: über 2 Millionen Einwohnern hat ► 4 Stimmen über 6 Millionen Einwohnern hat ► 5 Stimmen über 7 Millionen Einwohnern hat ► 6 Stimmen
2. Bedeutung der amtlichen Einwohnerzahl … 2.1. bei Wahlen Aufteilung der Bundesländer nach ihrem Stimmenanteil im Bundesrat
2. Bedeutung der amtlichen Einwohnerzahl … 2.2. beim Finanzausgleich Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern: Umsatzsteuerverteilung Länderfinanzausgleich Bundesergänzungszuweisungen (z.B. für Regionalverkehr) Länderfinanzausgleich Ziel: Einnahmeunterschiede zwischen den Ländern weiter zu verringern Feststellung der Ausgleichszahlungen Gegenüberstellung der Finanzkraft je Einwohner des Landes mit der durchschnittlichen Finanzkraft je Einwohner im Bund Finanzkraft eines Landes ist die Summe seiner Einnahmen und anteilig (zu 64 %) die Summe der Einnahmen seiner Gemeinden Volumen der Ausgleichszahlungen 2010¹: 6,985 Milliarden Euro ¹Quelle: BMI: Ergebnisse des Länderfinanzausgleichs 2010
2. Bedeutung der amtlichen Einwohnerzahl … 2.2. beim Finanzausgleich Länderfinanzausgleich für das Ausgleichsjahr 2010 Zahlungen der Geberländer (in Mio. €) Baden-Württemberg 1 694 Bayern 3 491 Hamburg 62 Hessen 1 738 Zuweisungen an die Nehmerländer (in Mio. €) Berlin 2 884 Brandenburg 397 Bremen 444 Mecklenburg-Vorpommern 393 Niedersachsen 256 Nordrhein-Westfalen 358 Rheinland-Pfalz 263 Saarland 89 Sachsen 843 Sachsen-Anhalt 491 Schleswig-Holstein 100 Thüringen 466
2. Bedeutung der amtlichen Einwohnerzahl … 2.2. beim Finanzausgleich Finanzausgleich zwischen Land und Gemeinden Ein Anteil der Gemeinschaftssteuern, ist von den Länder an die Kommunen weiterzuleiten (Art. 106 Abs. 7 GG) Höhe des Anteils länderabhängig (Finanzausgleichsgesetze der Länder) Mittel für die Schlüsselzuweisung werden aus dem Gemeinschafts-steueranteil entnommen Ermittlung der Schlüsselzuweisung durch Feststellung des fiktiven Finanzbedarfs der Gemeinden Für die Ermittlung des fiktiven Finanzbedarfs ist die Einwohnerzahl relevant Beispiel: Bayern verteilte 2010 insgesamt ca. 2,6 Milliarden Euro als Schlüsselzuweisungen
2. Bedeutung der amtlichen Einwohnerzahl … 2.3. auf kommunaler Ebene Kommunale Volksvertretung: unterschiedliche Bezeichnungen in den Ländern z.B. Gemeinderat, Gemeindevertretung, Stadtrat Zahl der Mitglieder des Gemeinderates/Stadtrates je nach der Einwohnerzahl der Gemeinde gestaffelt Kommunalparlamente können zwischen 8 und über 90 Mitgliedern aufweisen Gesetzliche Regelung durch die Gemeindeordnungen der Länder (nach Art. 70 des GG) Einwohnerabhängig können auch berufsmäßige Gemeinderatsmitglieder (Wahlbeamte) bestimmt werden Besoldung der Bürgermeister nach Landesrecht; abhängig von der Einwohnerzahl
3. Fortschreibung der Bevölkerung Methode der laufenden Bevölkerungsfortschreibung Einwohnerzahlen der letzten Volkszählung plus Geburten plus Zuzüge minus Sterbefälle minus Fortzüge Aktuelle amtliche Einwohnerzahl
3. Fortschreibung der Bevölkerung
4.1. Registergestützter Zensus 2011 Melderegister - Basis der amtlichen Einwohnerzahl Allgemeine Meldepflicht nach § 11 Melderechtsrahmengesetz (MRRG) Dezentrale Führung der Melderegister durch Einwohnermeldeämter der Gemeinden ca. 10 320 Registerführende Stellen Unterschiedliche Meldefristen durch die Meldegesetze der Länder Zensusrelevante Merkmale, die u.a. aus den Melderegistern gewonnen werden: Geschlecht Alter Familienstand Staatsangehörigkeit Wohnstatus (Hauptwohnung/Nebenwohnsitz)
4.2. Ergebnisse des Zensustests 2001 Einwohnerzahl der Melderegister 5.12.2001 82 030 576 Einwohnerzahl der Fortschreibung 31.12.2001 82 440 307 „wahre“ Einwohnerzahl Ursachen für die Differenz zwischen der Einwohnerzahl der Melderegister und der Fortschreibung: methodische Unterschiede zwischen statistischer Bevölkerungsfortschreibung und der Führung der Melderegister Eingabefehler bei den Meldebehörden und Korrekturbuchungen in den Melderegistern, die nicht an die Statistik weitergegeben werden. Ursachen für die Differenz zwischen der Einwohnerzahl der Melderegister bzw. der Fortschreibung und der „wahren“ Einwohnerzahl: Meldeverhalten der Bürger z.B. wenn ein Bürger sich nicht rechtzeitig anmeldet (Untererfassung) oder ins Ausland wegzieht und sich nicht abmeldet (Übererfassung) Fortschreibungsfehler der amtlichen Einwohnerzahl geschätzt auf 1,2 – 1,5 Millionen Personen
4.2. Ergebnisse des Zensustests 2001 Karteileichen und Fehlbestände in den Melderegistern Bevölkerung am Ort der Hauptwohnung¹ Gemeinde- größenklasse Personen im MR Karteileichen Fehlbestände Bereinigte MR-Daten 1000 1000 % 1000 Prozent 1000 Gemeinden mit Einwohnern von … bis unter … unter 10 000 22 947,5 459.5 2,0 303,6 1,3 22 791,6 10 000 – 50 000 26 112,7 643,4 2,5 348,4 1,3 25 817,7 50 000 – 800 000 23 944,5 801,6 3,4 509,3 2,1 23 652,2 800 000 oder mehr 6 980,2 416,3 6,0 207,1 3,0 6771,0 Insgesamt 79 984,9 2 320,8 2,9 1 368,4 1,7 79 032,5 ¹ohne Sonderbereiche
4.2. Ergebnisse des Zensustests 2001 Erkenntnisse aus dem Zensustest Registerfehler resultieren nur zu einem kleinen Teil aus Verwaltungsdefiziten Registerfehler streuen sowohl regional als auch über Bevölkerungsgruppen 90% der Karteileichen „entstanden“ in den letzten 10 Jahren, über 60% in den letzten 5 Jahren Karteileichen und Fehlbestände sind nicht korreliert!
4.3. Maßnahmen zur Qualitätssicherung Mehrfachfallprüfung Haushalts- stichprobe Gemeinden ≥ 10 000 Einwohner Gemeinden < 10 000 Einwohner Primärstatistische Rückfragen Erhebung in Sonderbereichen
4.3. Maßnahmen zur Qualitätssicherung - Mehrfachfallprüfung Person, die mehr als einmal mit Haupt- oder alleinigem Wohnsitz gemeldet ist, bedeutet eine Übererfassung im Melderegister Fall 2 Person, die nur mit Nebenwohnsitz gemeldet ist, bedeutet eine Untererfassung im Melderegister Methode: Bundesweiter Abgleich des Zensusdatenbestandes der Melderegister Maschinelle Korrektur/Direkte Befragung Umfang der durch die Mehrfachfallprüfung zu klärenden Übererfassungen lt. Zensustest ca. 500 000 Personen
4.3. Maßnahmen zur Qualitätssicherung - Haushaltsstichprobe Primärer Zweck: Schätzung der Karteileichen und Fehlbestände in Gemeinden mit 10 000 oder mehr Einwohnern Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl: durch statistische Korrektur der Personenzahl im Melderegisterdatenbestand um geschätzte Karteileichen (-) und geschätzte Fehlbestände (+) Art der Erhebung: Direktbefragung durch Interviewer Umfang: ca. 9,6 % der Bevölkerung bzw. 7,9 Millionen Personen Umsetzung der je Gemeinde festgestellten (hochgerechneten) Karteileichen und Fehlbestände in den Einzeldaten im Rahmen der Haushaltegenerierung
4.3. Maßnahmen zur Qualitätssicherung - Erhebung in Sonderbereichen Sensible Sonderbereiche z.B. Justizvollzugsanstalten, Krankenhäuser, Behindertenwohnheime, Erziehungsheime Nicht – sensible Sonderbereiche z.B. Studentenwohnheime, Internate, Klöster Aus der Volkszählung 1987 ist bekannt, dass in Sonderbereichen mit hohen Registerfehlern zu rechnen ist. hohe Fluktuation unterschiedliches Melderecht in den Ländern Art der Erhebung: Vollerhebung Befragung von Bewohnern durch Interviewer in nicht – sensiblen Bereichen Befragung der Einrichtungsleitungen durch Interviewer in sensiblen Bereichen (Onlinemeldung präferiert) Umfang: 45 000 Anschriften
4.3. Maßnahmen zur Qualitätssicherung - Primärstatistische Rückfragen Ziel: Qualitätssicherung in Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohnern Methode: Aufdeckung von Unstimmigkeiten zwischen den Melderegisterdaten und den Daten der Gebäude- und Wohnungszählung in Einfamilienhäusern Art der Erhebung: Direktbefragung durch Interviewer Umfang: Schätzung ca. 336 000 Anschriften oder 1 Million Personen
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Weitere Fragen beantworten ich Ihnen gerne! Dr. Michael Fürnrohr Abteilungsleiter Tel.: 089/21 19 382 Mail: michael.fuernrohr@lfstad.bayern.de Mehr Informationen auch im Internet unter: www.statistik.bayern.de/zensus