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Der Einfluss kognitiver Täuschungen auf richterliche Urteilsfindung

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Präsentation zum Thema: "Der Einfluss kognitiver Täuschungen auf richterliche Urteilsfindung"—  Präsentation transkript:

1 Der Einfluss kognitiver Täuschungen auf richterliche Urteilsfindung
Mark Schweizer

2 Übersicht 1. Teil: Ideengeschichte 2. Teil: Anwendung
American Legal Realism Law and Economics Behavioral Law and Economics Empirical Legal Realism? 2. Teil: Anwendung Framing Kompromisseffekt Ankereffekt

3 American Legal Realism: Vater
Oliver Wendel Holmes (1897): „The prophecies of what the courts will do in fact, and nothing more pretentious, are what I mean by the law.“ Von 1902 bis 1932  Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Viele Rechtsrealisten waren aktive Anwälte. Vorhersage der gerichtlichen Entscheidung ist zentral für Arbeit eines Anwalts.

4 American Legal Realism: Kern
Recht ist unbestimmt Normativ: Rechtsregeln allein können Urteile nicht rechtfertigen Deskriptiv: Rechtsregeln allein können Urteile nicht voraussagen Normativ: Moreover, it is no longer possible to respond convincingly to an argument to make landlords strictly liable for harms to tenants by saying that "it is in the nature of a lease to be a conveyance of property and therefore the tenant, as owner of the leasehold, is responsible for looking out for herself." Although this was standard legal reasoning in 1890, it simply does not fly anymore as a convincing legal argument. The terms of legal discourse have shifted from the deduction of consequences from abstractions to the attempt to justify the law in terms of policy, morality, and institutional concerns. This revolutionary change in legal discourse represents a monumental achievement. (Joseph Singer, Legal Realism Now, California Law Review, , 1988 ) Deskriptiv: „A statute cannot go beyond its text“ und „to effect ist purpose, a statute must go beyond its text“ (Llewellyn, 1950). Präudizien können eng oder weit verstanden werden (Llewellyn, 1930). Darf nicht falsch verstanden werden: bezieht sich auf die schwierigen Fällen, die vor Berufungsgerichten verhandelt werden. RR haben nie bestritten, dass Rechtsregeln den Ausgang zahlreicher „einfacher“ Fälle bestimmen.

5 American Legal Realism: Kern
Recht ist unbestimmt Normativ: Zweckmässigkeits-überlegungen müssen Resultat rechtfertigen Deskriptiv: Soziologie und Psychologie helfen, Resultat vorauszusagen Normativ: Richter machen das ohnehin, sie stellen Zweckmässigkeitsüberlegungen an („policy considerations“). Sie sollen dies lieber offen tun. „Proto-Posnerian“ (Brian Leiter, Chicago). RR waren die ersten Juristen, die selber empirisch forschten.

6 American Legal Realism: Blüte
Soziologischer Flügel „Idiosynkratischer“ Flügel Karl N. Llewellyn (1931) Jerome Frank (1931) Soziologischer Flügel: Urteilsfindung wird verständlich und voraussehbar, wenn man die sozialen Faktoren kennt, die den Richter beeinflussen. Idiosynkratischer Flügel: Richter folgt beim urteilen seinem „hunch“, hängt von der Persönlichkeit des Richters ab, ist nicht vorhersehbar. „what the judge had for breakfast“ (so nie gesagt). Herman Oliphant (1928)

7 American Legal Realism: Erbe
Instrumentales Rechtsverständnis kein Verstecken mehr hinter „dogmatischen Klimmzügen“ eröffnet Möglichkeit ausserrechtlicher Rechtfertigung rechtlicher Urteile „unfruchtbarer Scharfsinn“ (Eugen Ehrlich, Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft, Leipzig 1903)

8 Law and Economics: Anfänge
Ronald Coase, The Problem of Social Cost, 1961 Guido Calabresi, Some Thoughts on Risk Distribution and the Law of Torts, 1961 Coase: „The Problem of Social Cost“ Das so genannte Coase-Theorem besagt, dass es keine Rolle spielt, wem das (Eigentums-)recht an einem Gut zugeordnet wird, wenn die Transaktionskosten gering sind. Das Gut wird letztendlich, über eine Reihe von freiwilligen Transaktionen, bei demjenigen landen, der ihm den höchsten Wert beimisst. Die Marktteilnehmer können somit Probleme, die durch externe Effekte (wie der Lärm einer Schneiderei oder der Funkenflug einer Eisenbahn in den Beispielen von Coase) auftreten, selber lösen, wenn sie über die Allokation der Ressourcen verhandeln und diese ohne Kosten transferieren können. Calabresi: “Some Thoughts On Risk Distribution And The Law Of Torts” erste Versuch, ein ganzes Rechtsgebiet durch ökonomische Prinzipien zu erklären. Calabresi wandte Einsichten aus der Ökonomik über Risiko und Versicherung auf das ausservertragliche Haftungsrecht an, wobei er das Haftungsrecht zumindest teilweise als Versicherungssystem rekonzipierte. Calabresi konnte demonstrieren, dass einige wenige ökonomische Prinzipien die Struktur des Haftungsrechts besser erklären können als zahlreiche überkommene rechtliche und moralische Regeln und Gebote. Posner: erstes Lehrbuch, Versuch der ökonomischen Analyse des gesamten Rechts, inkl. Verfassungsrecht Richard Posner, Economic Analysis of Law, 1973

9 Law and Economics: Grundlagen
Deskriptiv: „common law“ lässt sich als Sammlung effizienter Allokationsregeln verstehen Normativ: „Effizienz“ als Rechtsziel

10 Law and Economics: Grundlagen
Deskriptiv: Mensch als „homo oeconomicus“, rational und nutzenmaximierend Rechtsregeln als „Preise“ Normativ: eine Rechtsregel ist gut, wenn sie zu einer potentiellen Pareto-Verbesserung führt Das Kaldor/Hicks-Kriterium, auch als potentielle Pareto-Verbesserung bezeichnet, besagt, dass ein Zustand X der Welt besser ist als ein Zustand Y, wenn die Vorteile der Gewinner bei Zustand X so gross sind, dass sie die Verlierer kompensieren könnten – ungeachtet dessen, ob die Kompensation tatsächlich stattfindet.[1] Um feststellen zu können, ob das Kaldor/Hicks-Kriterium erfüllt ist, muss eine Kosten-/Nutzenanalyse durchgeführt werden. [1] Eidenmüller, FN 56, 51.

11 Law and Economics: Kritik
Deskriptiv: Menschen sind nicht (immer) rational und nutzenmaximierend Normativ: war da nicht mal was mit „Gerechtigkeit“?

12 Behavioral Law and Economics
Menschen verletzen die Axiome der Erwartungsnutzentheorie Präferenzen sind kontextabhängig Wahrscheinlichkeiten werden gewichtet, falsch berechnet

13 Behavioral Law and Economics
Amos Tversky Richard Thaler Robert Ellickson Kahneman and Tversky, „'Prospect theory: An Analysis of Decision Under Risk, Econometrica 1979 Ellickson "Bringing Culture and Human Frailty To Rational Actors: A Critique of Classical Law-and-Economics," (1989): appelliert auch an das rationale Eigeninteresse junger Juristen, ökonomische Modelle zu komplex, Grenznutzen gering Cass Sunstein: Most cited lawyer under 50; jetzt in Obama‘s Regierung, letzes Werk „Nudge“ (mit Richard Thaler) on „libertarian paternalism“, „Sunstein number“ analog „Erdös number“ Daniel Kahneman Cass Sunstein

14 Behavioral Law and Economics: Erfolg

15 Behavioral Law and Economics: Kritik
„rhetorisches Duett“ (Kelman) erschöpft sich in Kritik an Ökonomik Formalistisch

16 Zukunft: Empirical Legal Realism
Towards a New Legal Realism (Farber, 2001) Empirical Legal Realism (Symposium, Northwestern University, 2003) Das Recht hat sich historisch auf „Modelle“ menschlichen Verhaltens gestützt, die anekdotisch, introspektiv und ideologisch begründet wurden. Die Ökonomische Analyse des Rechts hat dem eine kohärente, ausformulierte Theorie menschlichen Verhaltens gegenüberstellt, die aber keine empirische Basis hat. Die moderne Psychologie bietet wissenschaftliche, empirisch abgestützte Theorien menschlichen Verhaltens. Die Rechtswissenschaft wird profitieren, wenn sie sich diese Erkenntnisse vermehrt zu Nutzen macht. Aber nicht notwendigerweise unter dem Titel „BLE“

17 Drei (vier) Beispiele Ankereffekt (anchoring) Framing Kompromisseffekt
Fehler der Beweiswürdigung (base rate neglect und inverse fallacy)

18 Ankereffekt (anchoring)
65 10

19 10 65 25% 45% (35%)

20 Ankereffekt (anchoring)
Strafantrag: 12 Monate 34 Monate Strafmass: 28 Monate 36 Monate

21 Spiel um Gewinne Würden Sie lieber Fr. 240 sicher erhalten oder
eine Chance von 25%, Fr. 1‘000 zu gewinnen und eine Chance von 75%, nichts zu gewinnen?

22 Spiel um Verluste Würden Sie lieber Fr. 750 bezahlen oder
ein Risiko von 75% eingehen, Fr. 1‘000 zu verlieren und eine Chance von 25%, nichts zu verlieren?

23 Erwarteter Wert 1. Fr. 240 < 0,25 x Fr. 1‘000 84%
87%

24 Risikoscheu bei möglichen Gewinnen

25 Risikogeneigt bei möglichen Verlusten

26 Kläger wählt zwischen möglichen Gewinnen

27 Beklagter wählt zwischen möglichen Verlusten

28 Darstellungseffekt Folge: Beklagte gehen zu hohe Risiken ein und schlagen selbst günstige Vergleichsangebote aus

29 Kläger Beklagte 50% 50%

30 Kläger Beklagte 70% 30% Erstens bedeutet es, dass Beklagte zu grosse Risiken eingehen. Wie kann man das prüfen? Man kann es dann prüfen, wenn man sowohl das letzte Vergleichsangebot kennt als auch den Ausgang des Verfahrens. Erhalten die Beklagten im Urteil systematisch weniger zugesprochen, als sie gemäss letztem Vergleichsangebot erhalten hätten, verhalten sie sich irrational und nehmen zu grosse Risiken auf sich. Wie Rachlinski nachgewiesen hat, ist genau das der Fall: die Beklagten wären im Schnitt $ 66'106 besser gefahren, wenn sie sich verglichen hätten, während die Kläger vom Urteil im gleichen Umfang profitierten.[1] Dies gilt auch dann, wenn beide Parteien juristische Personen sind (die sich theoretisch rationaler verhalten sollten). Die unterlassene Einigung kostete die beklagten juristischen Personen im Schnitt $ 550'282 pro Streitfall – ohne Anwaltskosten. [Erfolgsquote vor Arbeitsgericht Bern: Kläger gewinnen 69% der Verfahren (2003) HG AG: 78% der Klagen ganz oder teilweise gutgeheissen (2002)

31 Vergleichsangebot Kläger: Fr. 50‘000 sicherer Gewinn oder
Beklagter zahlt Fr. 50‘000 an Kläger Kläger: Fr. 50‘000 sicherer Gewinn oder 50% Chance Fr. 100‘000 zu gewinnen und 50% Chance nichts zu gewinnen Beklagter: Fr. 50‘000 sicherer Verlust oder 50% Risiko Fr. 100‘000 zu verlieren und 50% Chance nichts zu verlieren Zweitens sind es nicht nur die Parteien, die sich von der Perspektive beeinflussen lassen. Auch Richter raten in einem Forderungsprozess einem Kläger eher zum Vergleich als einem Beklagten.[1] Damit trifft der Vergleichsdruck genau diejenigen verstärkt, die ohnehin schon (zu) risikoscheu sind, nämlich die Kläger.[2]

32 Vergleichsempfehlung durch Richter
___ Vergleichsempfehlung durch Richter Sicht Kläger Sicht Beklagter CH 57% 43% USA 40% 25%

33 Kompromisseffekt € 169.- 50% 22% 50% € 239.- 50% 57% 29% € 469.- 21%
50% 22% 50% 50% 57% 29% 21% 21%

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35 Obere Gruppe Qual. Mord 13% Mord 57% Vors. Tötung 30% Fahrl. Tötung - Untere Gruppe - 38% 55% 7%

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37 Ohne Gefängnis 65% Ordentl. Verwahrung 35% Mit 45% 53% 2% Lebensl. Verwahrung

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40 Von hundert getesteten Autofahrern ist einer betrunken.
Bei 95% der betrunkenen Autofahrer zeigt das Röhrchen an, dass sie betrunken sind. Bei 5% der nicht betrunkenen Autofahrern zeigt das Röhrchen ebenfalls an, dass sie betrunken sind. Das Röhrchen zeigt ein positives Resultat. Wie gross ist die Wahrschein-lichkeit, dass der getestete Autofahrer betrunken ist?

41 Der Trugschluss des Anklägers
10‘000 betrunken nüchtern 9‘900 100 5% 95% 95 5 495 9‘405 95 : ( ) = 0,16

42 „Nur 0,01% aller Männer, die ihre Frau schlagen, bringen sie auch um.“
(Dershowitz) Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine ermordete Frau von ihrem schlagenden Mann getötet wurde?

43 Inverse fallacy Wahrscheinlich-keit, dass ein schlagender Mann seine Frau tötet Wahrscheinlich-keit, dass eine getötete Frau von ihrem schlagenden Mann getötet wurde (0,1%)

44 Inverse fallacy Gemäss Dershowitz: 1 von 1‘000 Männern, die ihre Frau schlagen, bringen diese irgendwann um. Nehmen wir an, die Beziehung dauert im Schnitt 10 Jahre, bis es zum Mord kommt. Dann wird jedes Jahr eine von 10‘000 geschlagenen Frauen von ihrem Mann ermordert. Irvin Good: das Risiko für jeden Amerikaner, in einem beliebigen Jahr vorsätzlich getötet zu werden, beträgt 1 zu 10‘0000 (25‘000 Morde pro 250 Mio. Einwohner; Zahlen 1995, heute rund die Hälfte. ERGO: siehe nächste Slide.

45 Inverse fallacy Von 10‘000 geschlagenen Frauen wird eine von ihrem Mann getötet, und eine weitere von einem Dritten. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine geschlagene Frau von ihrem Mann getötet wurde, beträgt daher 50%.

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