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© Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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Präsentation zum Thema: "© Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria"—  Präsentation transkript:

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Ökosoziale Marktwirtschaft – Phrase oder gesellschaftspolitische Notwendigkeit? Einleitung: Ökosoziale Marktwirtschaft – wo stehen wir heute? Der Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie zur Analyse der ökosozialen Marktwirtschaft Der Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente in einer ökosozialen Marktwirtschaft Abschließende Bemerkungen SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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1.Einleitung „Wieweit folgte der Patient den Anweisungen seines Doktors?“ → Untertitel einer wegweisenden Arbeit von R.W. Hahn [1989]. In seiner Arbeit wurden die Erfahrungen mit der ökosozialen Marktwirtschaft und hier im speziellen der Einsatz der handelbaren Zertifikate und Umweltsteuern in Amerika und in Europa beschrieben. R.W. Hahn führte aus, dass einige Länder bereits Versuche machten, die ökosozialen Marktwirtschaft einzuführen, der tatsächliche Einsatz der Instrumente der ökosozialen Marktwirtschaft wich weit von dem ab was sich die Ökonomen vorgestellt hatten. Auch vor seiner Arbeit hatten sich schon einige Autoren mit der Frage befasst, warum die ökosozialen Marktwirtschaft nicht stärker implementiert werde, d.h. deren marktwirtschaftliche Instrumente nicht mehr zum Einsatz kamen als beispielsweise bürokratische Instrumente wie Gebote oder Verbote. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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1.Einleitung – Forts. Drei Argumentationsstränge, die eine mögliche Antwort bieten: (i) Viele Nicht-Ökonomen haben beispielsweise grundsätzliche Einwände gegen den ökonomischen Ansatz und/oder das dahinter stehende Konzept des Homo Oeconomicus. Als mögliche Alternative wird das Konzept der „ökologischen Ökonomie“ angesehen. (ii) Andere haben zwar keine Einwände gegen den Einsatz des ökonomischen Ansatzes und/oder die Verwendung des Modells des Homo Oeconomicus an sich, allerdings wehren sie sich gegen die Annahme, dass Individuen nur aus Eigeninteresse handeln. Politiker zögern ihrer Ansicht nach monetär anreizorientierte Instrumente einzusetzen, da dadurch intrinsische Motivation verdrängt werden könnte, die erforderlich ist, um eine langfristige erfolgreiche Umweltpolitik durchzuführen. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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1.Einleitung – Forts. (iii) Die meisten Autoren verwenden den Ansatz der „Neuen Politischen Ökonomie“ und versuchen damit zu erklären, warum die Anwendung der marktwirtschaftlichen Instrumente in der ökosozialen Marktwirtschaft weder im Interesse der öffentlichen Verwaltung und/oder der politischen Entscheidungsträger noch im Interesse der betroffenen Industrien ist. (3) Genauere Betrachtung dieser Ansätze: Zur ersten Gruppe (i): Dieser Einwand ist nicht überzeugend, da das Konzept der Nachhaltigkeit problemlos auch in Modelle der neoklassisch orientierten umweltökonomischen Analyse aufgenommen werden kann. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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1.Einleitung – Forts. Zudem sind von den ökologisch orientierten Ökonomen keine neuen umweltpolitischen Instrumente vorgeschlagen worden, die nicht aus der traditionellen Umweltökonomie bereits bekannt wären. Was immer die Vorzüge dieses Ansatzes gegenüber der traditionellen Umweltökonomik sein mögen, er kann nicht erklären, weshalb die marktwirtschaftlichen Instrumente in der ökosozialen Marktwirtschaft bisher so wenig Berücksichtigung gefunden haben. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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1.Einleitung – Forts. Zur zweiten Gruppe (ii): Frey (1997) argumentiert, dass die Wahrscheinlichkeit der Verdrängung intrinsischer Motivation beim Einsatz bürokratischer Instrumente größer ist als bei marktwirtschaftlichen Instrumenten, weil letztere nicht nur effizienter sind, sondern den Individuen auch einen größeren Handlungsspielraum bieten. Falls es überhaupt einen solchen Verdrängungseffekt gibt, sollte dieser daher beim Ersatz bürokratischer durch marktwirtschaftliche Instrumente der Umweltpolitik geringer und nicht größer werden. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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1.Einleitung – Forts. Zur dritten Gruppe (iii): Wenn marktwirtschaftliche Instrumente als Herzstück der ökosozialen Marktwirtschaft heute kaum eingesetzt werden, kann der Grund darin liegen, dass diejenigen, die in der praktischen Umweltpolitik am meisten zu sagen haben, die politischen Entscheidungsträger und die Mitglieder der Umweltverwaltungen, sowie diejenigen, die von deren Entscheidungen am meisten betroffen sind, die Manager und Beschäftigten der entsprechenden Industrien, ein starkes Interesse haben, dass sie eine Phrase bleibt. Dies ist, was der Ansatz der neuen Politischen Ökonomie behauptet, und er deshalb von mir verwendet wird, um die in der Themenüberschrift gestellte Frage: „Ökosoziale Marktwirtschaft: Phrase oder gesellschaftspolitische Notwendigkeit?“ zu beantworten. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

8 2. Ein polit-ökonomisches Modell der ökosozialen Marktwirtschaft
 Exogene Einflüsse der Umwelt und der Weltwirtschaft  Politische Systeme Reg. Oppos. Parlament Verbände (traditionelle/ ökologisch orientierte)  WählerInnen Verwaltung Legislative Exekutive 1 2 3 4  Nationale  Wirtschaft Umwelt SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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2. Der Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie zur Analyse der ökosozialen Marktwirtschaft – (1) Wähler Beim Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie werden die einzelnen Akteure, die in einer ökosozialen Marktwirtschaft davon betroffen sind, analysiert, d.h. deren Nutzen und Kosten dargestellt. Es sind vier Gruppen von Akteuren zu unterscheiden: Wähler Politiker Bürokraten, d. h. die Verantwortlichen in der öffentlichen Umweltverwaltung, und die „Wirtschaft“, d.h. die Eigentümer, Manager und Beschäftigten der durch ökosoziale Maßnahmen betroffenen Industrien sowie deren Interessengruppen. Ebenso die aktiven Umweltgruppen, die Befürworter einer ökosozialen Marktwirtschaft sind. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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2. Der Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie zur Analyse der ökosozialen Marktwirtschaft – (1) Wähler 2.1 Die Wähler: Verglichen mit den siebziger Jahren hat die Sensibilität der Wähler hinsichtlich der Verbesserung der Umwelt und den damit verbundenen Einführung einer ökosozialen Marktwirtschaft stark zugenommen. Es ist allerdings offensichtlich, dass ökologische Ziele mit anderen Zielen der Wähler in Konkurrenz stehen, insbesondere mit den ökonomischen Zielen, wie z. B. der Sicherung des Arbeitsplatzes oder der Steigerung des persönlichen verfügbaren Einkommens oder des persönlichen Komforts (Auto vor der Tür! – jederzeit fahrbereit!!) SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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2. Der Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie zur Analyse der ökosozialen Marktwirtschaft – (1) Wähler Meistens gibt es einen Trade-off zwischen einer Verbesserung der Umweltsituation und der Produktion zusätzlicher Güter, d. h. die Wähler müssen zwischen einer Verbesserung der Umweltqualität und höherem Realeinkommen abwägen. In solchen Situationen hängt die Entscheidung der Wähler ab von ihrer Information über die Konsequenzen der Umweltprobleme, der Zeitspanne zwischen dem Ergreifen einer umweltpolitischen Maßnahme und der dadurch bewirkten Verbesserung der Umweltsituation (meistens 20 bis 50 Jahre!) sowie ihrer Diskontrate. Eigeninteressierte Individuen dürften insbesondere für Maßnahmen, welche (fast) ausschließlich zukünftigen Generationen zugute kommen, kaum Kosten auf sich nehmen.  Anteil von Grün-Wählern in den meisten OECD-Ländern zwischen 8-12%!! SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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2. Der Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie zur Analyse der ökosozialen Marktwirtschaft – (2) Regierung 2.2 Die Regierung: Im Public Choice Ansatz verfolgt die Regierung eine am Eigennutzen orientierte Politik, damit sie insbesondere im Wahljahr von einer Mehrheit der Wähler unterstützt wird. Falls daher die Wähler eine wenig strikte ökosoziale Marktwirtschaft akzeptieren oder sogar fordern, hat eine Regierung keinen Anlass, zur Verbesserung ihrer Wiederwahlchancen eine effiziente ökosoziale Marktwirtschaft einzuführen oder auszubauen. Doppelte Asymmetrie einer ökosozialen Marktwirtschaft für eine wiederwahlorientierte Regierung: Von Umweltmaßnahmen profitieren alle in einem Land oder gar global, Kosten werden von einigen wenigen zu tragen sein!! Nutzen fällt in der Zukunft an, viele erst in 50 bis 100 Jahren; Kosten (Steuern, Kauf von Zertifikaten) entstehen sofort und werden nie von allen Nutznießern getragen!! SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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2. Der Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie zur Analyse der ökosozialen Marktwirtschaft – (2) Regierung Falls eine ‚grüne‘ Partei in einer Regierungskoalition ist, kann eine Regierung durchaus eine intensivere ökosoziale Marktwirtschaft betreiben, als von einer Mehrheit der Wähler gewünscht wird, solange dadurch die Wiederwahl der Regierung insgesamt (und insbesondere des größeren Koalitionspartners) nicht gefährdet wird. Wenn andererseits ihre Klientel eher (traditionell) wirtschaftlich orientiert ist, wird sie kaum akzeptieren, dass die Höhe des offiziell gemessenen (und sich im Output von Konsumgütern ausdrückenden) Realeinkommens zugunsten einer Verbesserung der Situation der natürlichen Umwelt verringert wird. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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2. Der Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie zur Analyse der ökosozialen Marktwirtschaft – (2) Regierung Insgesamt ergibt sich, dass die Regierungen eher ein Interesse an einer wenig intensiven ökosozialen Marktwirtschaft haben. Wenn sie davon ausgehen können, dass der Mechanismus von den Wählern nicht durchschaut wird, haben sie sicherlich ein Interesse an einer symbolischen Politik, bei welcher Maßnahmen beschlossen und Gesetze erlassen werden, die jedoch kaum realwirtschaftliche Auswirkungen haben.  Dies wird häufig als „Öko-Schmäh“ bezeichnet!! Soweit sie marktwirtschaftliche Instrumente einsetzen, dürften sie Umweltsteuern den Umweltzertifikaten vorziehen. Grund: Ertragseffekt durch Steuern und „steuerbare“ Belastung:  Einsatz von Öko-Steuern: In 2/3 der Fälle dominiert der Ertragseffekt und nicht der Lenkungseffekt, daher sehr beliebt beim Finanzminister; zusätzliche Steuereinnahmen bei hoher Wählerakzeptanz!! SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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2. Der Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie zur Analyse der ökosozialen Marktwirtschaft – (3) öff. Verwaltung 2.3 Die öffentliche Verwaltung: Zumindest in Europa gilt, dass viele Mitglieder der öffentlichen Verwaltungen gegen den Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente in einer ökosozialen Marktwirtschaft sind und dirigistische Maßnahmen vorziehen. Wichtig für sie ist, dass die durchgeführte Politik ihre persönliche Situation in der Umweltverwaltung bzw. in der Umweltpolitik stärkt bzw. zumindest nicht beeinträchtigt. Marktwirtschaftliche Instrumente (z.B. Umweltsteuern) sind vergleichsweise wenig attraktiv für die Umweltbürokratie. Während die Umsetzung bürokratischer Maßnahmen viel Personal sowie andere Ausgaben erfordert, sind Steuern vergleichsweise kostengünstig. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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2. Der Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie zur Analyse der ökosozialen Marktwirtschaft – (4) Interessensgruppen 2.4 Die betroffenen Wirtschaftszweige und ihre Interessensgruppen: In offiziellen, oft aber nicht verbindlichen Verlautbarungen fordern Wirtschaftsverbände häufig den Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente in einer ökosozialen Marktwirtschaft; schließlich wollen gerade sie sich gerne als Vertreter einer ökologisch orientierten marktwirtschaftlichen Politik profilieren. Dies trifft allerdings nur dann zu, wenn die Debatte auf allgemeiner Ebene geführt wird oder wenn alle im gleichen Ausmaß von den Kosten betroffen sind und dies womöglich im globalen Rahmen geschieht. Der Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente in einer ökosozialen Marktwirtschaft macht aus gesamtwirtschaftlicher Sicht Sinn, da damit die Umweltziele mit minimalen (gesellschaftlichen) Kosten erreicht werden können. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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2. Der Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie zur Analyse der ökosozialen Marktwirtschaft – (4) Interessensgruppen Wird jedoch in einem Land konkret die Einführung eines anreizorientierten Instruments in einer ökosozialen Marktwirtschaft vorgeschlagen, sind sie meistens entschiedene Gegner dieser Maßnahme. Werden z. B. Umweltsteuern diskutiert, argumentieren die Wirtschaftsverbände dagegen und fordern anstatt dessen freiwillige Vereinbarungen oder den Einsatz bürokratischer Instrumente oder - bestenfalls - den Einsatz handelbarer Zertifikate. Bei letzteren fordern sie freilich, dass die Anfangsausstattung zum Nullpreis abgegeben werden soll. Da eine hohe Umweltqualität jedoch ein öffentliches Gut ist, sieht dies aus Sicht der einzelnen Firmen anders aus. Bei dirigistischen Maßnahmen wie Ge- und Verboten haben die einzelnen Firmen bei den Verhandlungen mit der Umweltbehörde einen (teilweise erheblichen) Spielraum. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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2. Der Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie zur Analyse der ökosozialen Marktwirtschaft – (4) Interessensgruppen Dabei haben sie vor der Behörde einen Informationsvorsprung: Im Gegensatz zu dieser kennen sie die erforderlichen Prozesse und die bei einer Emissionsreduktion anfallenden Kosten. Sie können mit einem Abbau der Beschäftigung und eventuell sogar mit einer Verlagerung der Produktion ins Ausland drohen. Wegen dieser starken Stellung ist es für die einzelne Firma aber auch für den einzelnen Interessenverband, vorteilhaft, in den politischen Prozess zu investieren. Dies ist häufig mit einer hohen Rendite verbunden: Firmen oder Verbände können durch geschicktes politisches Lobbying Ausnahmeregelungen erreichen, die ihnen unmittelbar nutzen und die Kosten der Allgemeinheit und/oder ihrer Konkurrenten aufbürden. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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2. Der Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie zur Analyse der ökosozialen Marktwirtschaft – (4) Interessensgruppen Ein ähnliches Argument ist, ob die Versteigerung der handelbaren Zertifikate mittels Grandfathering oder mit tatsächlichen Preisen durchgeführt wird: Werden die Zertifikate (nicht zum Nullpreis) versteigert, erhält die Regierung zusätzliche Einnahmen, die zur Reduktion anderer Steuern verwendet werden und damit der Allgemeinheit zugute kommen können. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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2. Der Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie zur Analyse der ökosozialen Marktwirtschaft – (4) Interessensgruppen Erhalten dagegen die bestehenden Firmen ihre Anfangsausstattung mit Zertifikaten umsonst, dann erhalten die existierenden Firmen zusätzliche Renten. Sie gewinnen darüber hinaus einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber Firmen, die neu in diesen Markt eintreten wollen, da diese dann meistens die dafür erforderlichen Zertifikate bezahlen müssen; d.h. das Grandfathering führt zu einer Markteintrittsbarriere. Daher ist es nicht überraschend, dass die bestehenden Firmen und ihre Interessenvertretungen das Grandfathering gegenüber der Versteigerung der Umweltzertifikate vorziehen. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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2. Der Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie zur Analyse der ökosozialen Marktwirtschaft – (4) Interessensgruppen Die Überlegenheit der traditionellen Verbände gegenüber den Umweltverbänden – Vier Gründe: Im Gegensatz zu den Umweltverbänden sind die traditionellen Verbände (z.B. Arbeitgeber und Arbeitnehmerverb.) schon sehr viel länger im politischen Prozess organisiert; sie sind im Parlament und in den entsprechende Ausschüssen stark vertreten und verfügen über beträchtliche finanzielle Mittel. Sie verfügen über genaue Informationen, in welchem Ausmaß sie von einer ökosozialen Marktwirtschaft betroffen wären, und sie können diese Information im politischen Prozess gezielt (z. B. mit der Drohung einer Standortverlagerung) einsetzen; d.h. ihre Marktmacht ist groß. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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2. Der Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie zur Analyse der ökosozialen Marktwirtschaft – (4) Interessensgruppen Dieser Informationsvorsprung ermöglicht es den traditionellen Wirtschaftsverbänden in stärkerem Maße als die Umweltverbände durch eigene Veröffentlichungen sowie durch gezielte Beeinflussung der Medien Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Im Vergleich dazu befinden sich die Umweltverbände nur dann in einer stärkeren Situation, wenn sie unterbliebene Umweltmaßnahmen aufzeigen oder, wie z. B. Greenpeace spektakuläre Aktionen starten; sie dadurch erheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinung erringen sowie den privaten Konsum beeinflussen und damit Druck auf einzelne Wirtschaftszweige ausüben, und sie damit auch Einfluss auf Wählerentscheidungen in ihrem Sinne nehmen. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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3. Der Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente in einer ökosozialen Marktwirtschaft – ökologische Steuerreform 3.1 Die ökologische Steuerreform: Die Situation in der Umweltpolitik hat sich hinsichtlich des Einsatzes marktwirtschaftlicher Instrumente in den letzten 10 Jahren verbessert. In den Vereinigten Staaten wurden verstärkt handelbare Zertifikate eingesetzt, während eine ganze Reihe europäischer Länder, wie z. B. die skandinavischen Länder, die Niederlande, Deutschland und das Vereinigte Königreich, ökologische Steuerreformen eingeleitet haben. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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3. Der Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente in einer ökosozialen Marktwirtschaft – ökologische Steuerreform In vielen Ländern sprechen sich nicht nur ‚grüne‘, sondern auch (andere) Parteien für eine Öko-Steuer-Reform aus, und sie werden auch teilweise von den Gewerkschaften unterstützt. Der Antrieb für eine solche Politik liegt bei Parteien bei der „sogenannten“ doppelten Dividende: Einmal werden Umweltziele erreicht und zum anderen können zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Meistens ist der zweite Effekt quantitativ bescheiden, aber hilft wesentlich in der Durchsetzung einer ökologischen Wirtschaftspolitik. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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3. Der Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente in einer ökosozialen Marktwirtschaft – ökologische Steuerreform Darüber hinaus haben Umweltsteuern für linke Parteien einen zusätzlichen Reiz, da diese traditionell einen höheren Staatsanteil anstreben. Generell haben „Öko-Steuern“ die folgenden Vorteile: Umweltsteuern treffen auf weniger Widerstand als andere Steuern, und die Einnahmen können für die Finanzierung neuer Projekte eingesetzt werden. (ii) Dies ist wichtig angesichts der Tatsache, dass die sozialen Systeme in vielen Ländern heute nicht mehr nachhaltig finanziert sind und neben Strukturänderungen neue Quellen der Finanzierung zur Erhaltung dieser Systeme benötigt werden. Somit besteht die Möglichkeit, dass eine der Umwelt dienliche Politik verfolgt wird, mit der jedoch hauptsächlich andere Ziele angestrebt werden. Dies funktioniert allerdings nur, solange der Ertragseffekt über den Lenkungseffekt dominiert, was leider der Normalfall ist. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

26 3. Der Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente in einer ökosozialen Marktwirtschaft – ökologische Steuerreform Figur 3.1.: Staatliche Einnahmen aus umweltbezogenen Steuern in % der gesamten Steuereinnahmen Quelle: EEA, OECD SS 2009 SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria 26

27 Figur 3.2.: Prinzip des Emissionshandels
3. Der Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente in einer ökosozialen Marktwirtschaft – ökologische Steuerreform Figur 3.2.: Prinzip des Emissionshandels Quelle: Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt SS 2009 SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria 27

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3. Der Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente in jüngerer Zeit – Handelbare Zertifikate (2) 3.2 Der Einsatz handelbarer Zertifikate in der internationalen Klimapolitik: Auf den ersten Blick scheint der Einsatz handelbarer Zertifikate (z.B.) in der internationalen Klimapolitik eine ideale bzw. optimale Lösung zu sein. Die globale Erwärmung ist ein echtes globales Übel, und der Schaden, welcher durch die CO2-Emissionen angerichtet wird, ist unabhängig davon, wo dieses Gas auf der Erde emittiert wird. CO2-Zertifikate, die sicher stellen, dass der Preis pro emittierte Tonne auf der ganzen Welt gleich ist, wären das ökonomisch effizienteste Instrument, um dieses Problem zu bewältigen. Eine zentrale Frage ist jedoch, wie die Rechte zur Emission von CO2 vor Beginn des Handels verteilt werden sollen. Der gleichsam natürliche Weg wäre, sie pro Kopf zu verteilen: SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

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3. Der Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente in jüngerer Zeit – Handelbare Zertifikate (2) Jeder Mensch auf der Erde hat das gleiche Recht, die Atmosphäre mit Schadstoffen zu belasten. Dies würde zu einer gewaltigen Umverteilung von den Industrie- zu den Entwicklungsländern führen. Aus einer globalen Perspektive ist dies sinnvoll, es ist jedoch utopisch anzunehmen, dass die Industrieländer (insbes. die USA) einer solchen Umverteilung zustimmen würden, da dies ihr Realeinkommen massiv verringern würde. Darüber hinaus gibt es bisher keine internationale Institution, die nicht nur den Handel organisieren würde, sondern die auch durchsetzen könnte, dass kein Land mehr CO2 emittiert, als ihm gemäß den von ihm gehaltenen Zertifikaten zusteht. Die hier erforderliche Sanktionsgewalt unterscheidet die hier notwendige Institution von einer reinen Warenbörse. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

30 Figur 3.3: Emissionen von Treibhausgasen – Index der Gesamttreibhausgasemissionen und Kyoto-Zielwerte – in CO2-Äquivalenten (Basisjahr = 100); ausgewählte Länder Quelle: Eurostat; Oktober 2009 SS 2010 SS 2009 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria 30

31 4. Abschließende Bemerkungen
Zwei zentrale Fragen: Warum wird eine ökosoziale Marktwirtschaft nicht eingeführt oder verstärkt ausgebaut, wo sie doch von den Ökonomen so klar empfohlen werden? Welchen Einfluss hatte die ökonomisch orientierte Beratung auf die Umweltpolitik? SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

32 4. Abschließende Bemerkungen
Die wichtigsten Entscheidungsträger, insbesondere die betroffenen Wirtschaftszweige und ihre Interessengruppen sowie die Politiker und deren Umweltbürokratie, sehen ihre eigenen Interessen mit der traditionellen Politik der Ge- und Verbote besser gewahrt als durch den Ausbau einer ökosozialen Marktwirtschaft. Für die Politiker gilt, dass gerade der nur sehr langfristig auftretende Nutzen einer ökologisch orientierten Marktwirtschaft im Hinblick auf zukünftige Generationen kaum Wählerstimmen zu lukrieren vermag. Erschwert wird dies dadurch, dass den derzeitigen Generationen sofort beträchtliche steuerliche Lasten auferlegt werden - ein Umstand, der dann zu einer noch geringeren Durchsetzbarkeit einer ökologischen Steuerpolitik im politischen Prozess führt. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria

33 4. Abschließende Bemerkungen
Die Regierungen in repräsentativen Demokratien haben wenig Interesse daran, ökologisch effiziente (d.h. mit Lenkungseffekten verbundene) Instrumente einzusetzen und sie werden eher auf die Instrumente zurückgreifen wird, mit denen eine symbolische Umweltpolitik („Öko-Illusion“ oder reine „Phrase“) betrieben werden kann. Die Erfahrung über die Entwicklung der ökosozialen Marktwirtschaft der letzten 20 Jahre macht deutlich, dass die Vorschläge der wissenschaftlichen Berater dann Chancen auf politische Umsetzung haben, wenn sie gleichzeitig den Interessen einflussreicher Akteure der Wirtschaftspolitik entsprechen. SS 2010 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, University of Linz, Austria


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