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Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
Vertragsverletzung Positive Vertragsverletzung: Schlechterfüllung und Verletzung von Nebenpflichten Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Die Leistungsstörungen
In Art. 97 – 109 regelt das OR die Voraussetzungen und Folgen der Nichterfüllung. Man spricht in diesem Zusam-menhang auch vom Recht der Leistungsstörungen. Dem Gesetzgeber ist es freilich nicht gelungen, eine in sich geschlossene Regelung der Leistungsstörungen zu schaffen. So wird beispielsweise die anfängliche Unmöglichkeit in Art. 20 OR geregelt, während die nachträgliche Leistungsunmöglichkeit in Art. 97 und 119 OR geregelt ist. Umstritten ist auch, wo die subjektive Leistungsunmöglichkeit einzuordnen ist, bei Art. 97 OR (wenn vom Schuldner zu verantworten) und bei Art. 119 OR (wenn vom Schuldner nicht zu verantworten) [so die h.M.] oder beim Verzug [so Gauch/Schluep/Schmid/Rey]. Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Verhältnis zwischen Art. 97 OR und der Mängelhaftung des Besonderen Teils Im Kaufvertragsrecht bejaht das BGer Alternativität zwischen Art. 97 ff. OR und den Gewährleistungsregeln des Kaufvertragsrechts. Voraussetzung ist allerdings eine recht-zeitige Mängelrüge. Im Werkvertragsrecht verneint das Bundesgericht eine Alternativität zwischen den Mängelrechten und Art. 97 OR. Kein Fall von Gewährleistung liegt vor, wenn der Schuldner ein „aliud“ (eine andere Sache) liefert. Der Gläubiger kann weiterhin Erfüllung verlangen und muss nicht seine Mängelrechte geltend machen. Der Schuldner gerät in Verzug. Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Übersicht über die Leistungsstörungen
Beginn Vertrags-verhandlungen Abschluss Vertrag culpa in contrahendo Anfängliche Unmöglichkeit Schuldnerverzug positive Vertragsverletzung: Verletzung von Neben-pflichten/Schlechterfüllung Nachträgliche Unmöglichkeit Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Positive Vertragsverletzung
Beim Begriff der positiven Vertragsverletzung handelt es sich um einen Sammelbegriff für Verletzung von Nebenpflichten und fehlerhafte Leistungserbringung. Der Begriff umfasst nach heutiger Meinung alle Fälle von Leistungsstörungen, die sich nicht als Unmöglichkeit oder Verzug qualifizieren. Art. 97 OR erfasst jedes vertragswidrige Verhalten (vgl. Art. 99 Abs. 3 OR), also auch jede fehlerhafte Erfüllung i.S. der positiven Vertragsverletzung, soweit nicht besondere Bestimmungen (Mängelhaftung) vorgehen. Als positive Vertragverletzung gilt auch die Verletzung einer Unterlassungspflicht sowie die antizipierte Erfüllungsverweigerung. Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Positive Vertragsverletzung
Schlechterfüllung Positive Vertragsverletzung Verletzung von Nebenpflichten Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Schlechterfüllung Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Schlechterfüllung Eine Schlechterfüllung liegt vor, wenn der Schuldner die Leistung zwar erbringt, jedoch nicht in der vertraglich geschuldeten Qualität. Mit der Schlechterfüllung verletzt der Schuldner den Vertrag; es liegt jedoch keine Unmöglichkeit oder Verzug vor. Nach praktisch einhelliger Meinung erfassen die Art OR als „nicht gehörige“ Erfüllung auch die Schlecht-erfüllung und den daraus entstehenden Schaden. Voraussetzung ist jedoch, dass keine speziellen Regeln des Besonderen Teils des OR über die Mängelhaftung vorgehen. Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Mängelhaftung und Mängelrechte
Die Haftung des Schuldners (z.B. Verkäufers, Ver-mieters oder Unternehmers im Werkvertrag) für Mängel einer Sache ist eine besonders geordnete Rechtsfolge der nicht richtigen Erfüllung. Die Mängelhaftung besteht darin, dass der Schuldner für die Mangelhaftigkeit des Vertragsgegenstandes einzu-stehen hat. Die Mängelhaftung setzt typischerweise kein Verschul-den voraus (Ausnahme [Haftung für weiteren Schaden]: Art. 208 Abs. 3 und 368 OR). Die Regelung der Mängelhaftung sieht bestimmte (alternative) Mängelrechte des Gläubigers vor. Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Mängelhaftung und Mängelrechte
Im Einzelnen stehen dem Gläubiger folgende Mängel-rechte zu: Recht zur Wandelung (z.B. Art. 205 Abs. 1 und 368 Abs. 1 OR). Recht zur Minderung der Vergütung (Art. 205 Abs. 1 und 368 Abs. 2 OR). Recht (nur des Bestellers!) auf Nachbesserung (Art. 368 Abs. 2 OR) bzw. Beseitigung des Mangels (Art. 259a Abs. 1 lit. a und Art. 288 OR). Recht (des Käufers und Verkäufers!) auf Nachlieferung währ-hafter Ware (Art. 206 Abs. 1 OR). Kumulativ zu seinen Mängelrechten kann der Gläubiger (bei Verschulden des Schuldners [vgl. aber Art Abs. 2 OR]) stets Ersatz seines Mangelfolgeschadens verlangen. Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Mängelhaftung und positive Vertragsverletzung
Wo die Gewährleistungsbestimmungen des Beson-deren Teils exklusiv zur Anwendung kommen (wie im Werkvertragsrecht) ist es dem Besteller verwehrt, statt Wandelung, Minderung oder Nachbesserung (inkl. Ersatz für Mangelfolgeschäden) aus Art. 97 OR Schadenersatz zu verlangen. Wo sich die (positive) Vertragsverletzung nicht in einem Mangel manifestiert, der Unternehmer beispielsweise den Besteller durch Unachtsamkeit verletzt, bleiben Schadenersatzansprüche aus Art. 97 OR selbstver-ständlich möglich (Gauch, Werkvertrag, N 853 ff.). Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Schlechterfüllung bei Dienstleistungen
Verpflichtet sich der Schuldner zu einer Dienstleistung, bereitet die Beurteilung der Schlechterfüllung Schwierigkeiten. Hier besteht die Pflichtverletzung regelmässig in einer Sorgfaltspflichtverletzung. Es stellt sich also die Frage, ob diese Sorgfalt Teil der geschuldeten Leistung ist oder bloss eine Nebenpflicht darstellt. Nach meiner Auffassung ist die Sorgfalt Bestandteil der Leistungspflicht; es gibt keine Sorgfalt an sich (BK-Fellmann, Art. 398 N 17). Verletzung der erforderliche Sorgfalt ist also Schlecht-erfüllung (z.B. ärztlicher Behandlungsfehler). Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Verletzung von Nebenpflichten
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Grundlage der Nebenpflichten
Die traditionelle schweizerische Lehre leitet aus Art. 2 ZGB zahlreiche Neben- und Verhaltenspflichten ab. Diese werden gewissermassen automatisch zum Vertragsinhalt. Da der Einbezug dieser Pflichten in den Konsens der Parteien eine Fiktion ist, hat die deutsche Lehre diese Pflichten vom Parteiwillen gelöst und stützt sie heute auf ein so genanntes „einheitliches gesetzliches Schuld-verhältnis“. In der Schweiz folgen neuere Lehrmeinungen dieser Dogmatik (vgl. etwa BasK-Wiegand, Einl. Art N 5 und 13; Gauch/Schluep/Schmid/Rey, N 2516). Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Einheitliches gesetzliches Schuld-verhältnis (BasK-Wiegand, Einleitung Art N 13) Aus dem einheitlichen gesetzlichen Schuldverhältnis ergibt sich eine Grundstruktur für Verhaltenspflichten und deren Verletzung. Sie entstehen mit dem Beginn des rechtsgeschäftlichen Kontakts und dauern bis zu dessen Beendigung. Die Verletzung solcher Pflichten qualifiziert sich stets als Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis. Die Konsequenzen richten sich daher nach den für das Vertragsrecht geltenden Regeln (Verschuldensvermutung, Haftung für Hilfspersonen nach Art. 101 OR, Verjährung nach Art. 127 OR). Vor Vertragsschluss stellen sie eine culpa in contrahen-do, nach Vertragsschluss eine positive Vertragsver-letzung dar. Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Struktur der Nebenpflichten
Die Nebenpflichten werden aus der auf dem Vertrauens-grundsatz basierenden Pflicht zu loyalem Verhalten ab-geleitet. Sie verpflichten die Parteien, aufeinander in umfassen-der Weise Rücksicht zu nehmen. Diese Pflicht konkretisiert sich im Einzelfall in Sorgfalts-und Obhutspflichten sowie in Aufklärungs-, Informations- und Beratungspflichten. Diese Pflichten sind in der Regel nicht selbständig klagbar. Ihre Verletzung begründet aber eine Schaden-ersatzpflicht. Die Anerkennung solcher Pflichten führt zu einer Haftungsausweitung und – verschärfung! Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Haftungsverschärfung!
Etwas überspitzt meint Hans Peter Walter (Unsorgfältige Führung eines Anwaltsmandats, Rz ): „Der Anwalt hat unter Beachtung seiner Beratungs-, Warn-, Aufklärungs-, Informations-, Hinweis-, Erörterungs-, Prüfungs-, Kontroll-, Schutz-, Sicherungs-, Verhütungs-, Betreuungs- und Interessenwahrungspflicht dafür zu sorgen, dass vermeidbare Nachteile vom Mandaten ferngehalten werden…“ Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Nebenpflichten - Erscheinungsformen
Bis heute sind die Nebenpflichten noch nicht systema-tisch erfasst. Man versucht aber, sie in Gruppen zu- sammen zu fassen. Rey (N 2547 ff.) unterscheidet etwa folgende Gruppen: Leistungsorientierte Verhaltenspflichten: Sie dienen der Erreichung des Vertragszweckes (z.B. Aufklärung des Arztes, Pistensicherung, Beratung der Bank hinsichtlich von Anlage-risiken). Obhuts- und Schutzpflichten: Sie schützen das Integritätsinter-esse der Parteien (Leib und Leben) und sind oft mit den leistungsorientierten Verhaltenspflichten identisch. Mitteilungs- und Aufklärungspflichten: Sie dienen dem Ausgleich des unterschiedlichen Informations- und Kenntnisstandes der Parteien und verpflichten insbes. den Fachmann, den Laien aufzuklären. Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Nebenpflichten - Erscheinungsformen
Verschaffungspflichten: Sie sollen dem Gläubiger die um-fassende Erfüllung seiner Forderung verschaffen, z.B. gehörige Versendung von Waren etc. Mitwirkungspflichten: Der Gläubiger muss bei der Erreichung des Leistungszweckes mitwirken. Ihn trifft beispielsweise auch eine Schadenminderungspflicht. Wie bereits erwähnt, lässt sich die Erfüllung solcher Nebenpflichten nicht erzwingen. Ihre Verletzung löst aber die Rechtsfolgen der Art. 97 ff. OR aus. Im Vorder-grund steht Schadenersatz. Denkbar ist aber auch ein Rücktritt. Bedeutsam ist, dass der Gläubiger auch die Verletzung von Nebenpflichten beweisen muss. Es gilt das be-kannte Schema: Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Haftungsvoraussetzungen des Art. 97 OR
Beweisthema des Gläubigers Schaden Vertragsverletzung Voraussetzungen der Haftung Kausalzusammenhang Beweisthema des Schuldners Exkulpations- beweis Verschulden Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Problematik des Beweises
Bei Nicht- oder Schlechterfüllung ist die Pflichtverletzung in der Regel leicht zu beweisen. Problematischer ist hingegen der Nachweis eines Sorgfaltsverstosses bei Dienstleistungen. So muss der Geschädigte beispielsweise bei der Ver-letzung einer Informationspflicht nicht nur diese Pflicht-verletzung nachweisen, sondern auch dartun, dass er sich bei richtiger Information anders verhalten hätte. Die Rechtsprechung behilft sich oft mit natürlichen Vermutungen oder Beweislastumkehr. Schwierig ist bei Sorgfaltspflichtverletzungen die Abgrenzung zwischen Vertragsverletzung (Beweislast des Geschädigten) und Verschulden (Beweislast des Schuldners). Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Vertragsverletzung und Verschulden
Bei Dienstleistungsobligationen ist der vom Gläubiger zu erbringende Beweis der Pflichtverletzung (Vertrags-verletzung) durch den Nachweis eines Verstosses gegen die vom fraglichen Berufsstand zu erwartende Sorgfalt („Kunstfehler“) zu erbringen. Der Schuldner kann sich exkulpieren, wenn er beweist, dass ihn kein Verschulden trifft. Aufgrund des objektivierten Verschuldensbegriffs decken sich die Begriffe der (vertraglichen) Sorgfalts-pflichtverletzung und der Fahrlässigkeit weitgehend. Mit dem Nachweis der vertraglichen Pflichtverletzung ist daher in der Regel auch der Verschuldensnachweis geleistet. Für eine Exkulpation bleibt kaum Raum! Im Ergebnis besteht daher im Vertragsrecht praktisch die gleiche Beweislast wie im Deliktsrecht. Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Vertrauenshaftung Die Besonderheit der vom Bundesgericht (BGE 121 II 331 ff., 121 III 350 ff. [Pra 85 Nr. 168] 124 III 297) entwickelten Vertrauens-haftung liegt darin, dass (noch) kein Vertrag vorliegt und die Haftung daher nicht aus einer Vertragsverletzung folgt. Mangels Widerrechtlichkeit des massgebenden Verhaltens liegt auch kein Delikt vor. Im Einzelnen setzt die Vertrauenshaftung folgende Elemente voraus: Rechtliche Sonderverbindung. Berechtigtes Vertrauen, das die andere Partei erweckt hat. Enttäuschung dieses Vertrauen durch die Partei, die es erweckt hat. Adäquat kausal verursachter Schaden. Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Vertrauenshaftung aber: mit Hans Peter Walter (ZSR 120 [2001] I 97 f.) bleibt festzuhalten: Vertrauen allein ist keine Verhaltensmaxime, die unter allen Umständen Schutz beanspruchen darf. Ein allgemein (blindes) Verkehrs- oder Systemvertrauen, d.h. der gute Glaube daran, dass man sich auf jemanden oder etwas verlassen kann, reicht nicht aus, um eine zivilrechtliche Haftung zu begründen. BGE 124 III 304: „Schutz verdient nicht, wer bloss Opfer seiner eigenen Unvorsichtigkeit oder der Verwirklichung allgemeiner Geschäftsrisiken wird, sondern nur, wessen berechtigtes Vertrauen missbraucht wird.“ Dies setzt ein Verhalten eines Dritten voraus, „das geeignet ist, hinreichend konkrete und bestimmte Erwartungen zu wecken.“ Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Drittschadensliquidation
Drittschaden liegt vor, wenn der Schaden nicht im Vermögen des ersatzberechtigten Gläubigers, sondern bei einem Dritten entsteht. Der Gläubiger hat keinen Schaden und der Dritte keine vertraglichen Schaden-ersatzansprüche. Die deutsche Lehre und Rechtsprechung gewährt dem Gläubiger in bestimmten Fällen ein Recht zur Dritt-schadensliquidation, nämlich: obligatorische Gefahrenentlastung (Ware wird im Auftrag des Verkäufers durch Speditionsfirma dem Käufer zugestellt und geht zufolge Verschulden der Speditionsfirma unter. Da Gefahr nach Art. 185 Abs. 2 OR übergegangen ist, erleidet Verkäufer keinen Schaden) indirekte Stellvertretung (Schaden entsteht auf Rechnung des indirekt Vertretenen) Obhutsverhältnisse (z.B. Mietvertrag) Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte
Ziel der Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte ist es, am Vertrag nicht beteiligten Dritten vertragliche Schadenersatzansprüche einzuräumen. Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte setzt voraus, dass der Dritte in Leistungsnähe des Vertrags steht und der Gläubiger ein Interesse am Schutz des Dritten hat, wie dies etwa beim Vermieter der Fall ist, der einem Handwerker den Auftrag erteilt, die Wohnung des Mieters neu zu streichen, bei welcher Arbeit der Handwerker dann fahrlässig eine Feuersbrunst verursacht, die das Mobiliar des Mieters zerstört. In der Schweiz wird diese Rechtsfigur kontrovers diskutiert (vgl. Gauch/Schluep/Schmid/Rey, N 4147 m.w.H.). Das Bundesgericht hat dazu noch nicht Stellung genommen. Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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