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Einführungskurs Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte: III: Modelle Gerd Grasshoff Universität Bern SS 2010 1.

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Präsentation zum Thema: "Einführungskurs Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte: III: Modelle Gerd Grasshoff Universität Bern SS 2010 1."—  Präsentation transkript:

1 Einführungskurs Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte: III: Modelle
Gerd Grasshoff Universität Bern SS 2010 1

2 Was sind Modelle? Modell (lat. modulus, Massstab) Verkleinerte „Kopie“
Reales Modell als Studienobjekt Modell mit inhaltlichem Bezug zum Gegenstand Repräsentation eines modellierten Gegenstandes

3 Aufgabe Erstellen Sie ein Beweisschema für das Argument. Ist das Argument schlüssig? Angenommen, die Sterne verhalten sich so, als ob sie auf einer Kugeloberfläche liegen, in der sich die Erde und wir Beobachter befinden. Angenommen, die Erde ist nicht im Zentrum dieser Kugel. Der sichtbare Horizont zeigt sich immer als Tangente an die Kugel der Erdoberfläche, die den Himmel in A und B schneidet. Der Ausschnitt des sichtbaren Himmels wäre der Ausschnitt zwischen A und B. Dieser Ausschnitt ist kleiner als die Hälfte des Himmels. Da wir aber nachts immer die Hälfte des Himmels sehen, kann die Erde nicht ausserhalb des Zentrums der Kugel liegen. Die Erde ist in der Mitte des Kosmos. 3

4 Lösung 1 Horizont ist gegeben durch Tangente AB A1 2
Sichtbarer Winkel des Horizonts ist der Winkel an M A2 3 Die Strecke EM ist deutlich grösser als 0, d.h. die Erde ist nicht im Mittelpunkt des Kosmos A3 4 M ist der Mittelpunkt eines kugelförmigen Kosmos A4 5 Winkel M << 180 Grad (da Winkelsumme im Dreieck = 180 Grad und die übrigen Winkel neben M ≠ 0 Grad sind) Euklid (A1-A4) A1-A4 6 Horizont ist 180 Grad Empirie A5 7 Mindestens eine Annahme A1-A5 ist falsch MTT 5, 6 A1-A5 8 A3 ist falsch A1,A2,A4,A5 4

5 Lichtmühle 5

6 Entwicklung Heinrich Geißler ( ) entwickelte 1857 in Bonn die sogenannte Quecksilberluftpumpe, mit deren Hilfe Absolutdrücke von 0,01 mbar in Glasgefäßen erzeugt werden konnten. Das Endvakuum dieser Pumpen lag also ziemlich dicht beim idealen Arbeitsdruck der Lichtmühlen. Der Londoner Chemiker und Physiker Sir (seit 1897) William Crookes, besonders bekannt wegen seiner Untersuchungen an Gasentladungen in Glasröhren (,,Crookes’scher Dunkelraum“) beobachtete den Radiometereffekt und entwickelte 1874 ein wissenschaftliches Instrument, das wir heute Lichtmühle oder Crookes‘sches Radiometer nennen. 6

7 Erste Veröffentlichungen
„On stresses in rarefied gases arising from inequalities of temperature“ James Clerk Maxwell, Royal Society Phil. Trans. (1879) „On certain dimensional properties of matter in the gaseous state“ Osborne Reynolds, Royal Society Phil. Trans., Pt. 2, (1879) 7

8 Zur Geschichte der Lichtmühle, Maxwell erklärt der Queen Victoria
Maxwell: „ ... I was sent for to London, to be ready to explain to the Queen why Otto van Guericke [of „Magdeburgh hemispheres“ fame] devoted himself to the discovery of nothing, and to show her the two hemispheres in which he kept it, and the picture of the 16 horses who could not separate the hemispheres, and how after 200 years W. Crookes had come much nearer to nothing and had sealed it up in a glass globe for public inspection. Her majesty however let us off very easily and did not make much ado about nothing, as she has much heavy work cut out for her all the rest of the day...” 8

9 Moderne Erklärung der Lichtmühle
9

10 Maxwell Modell : Beschreibungsebene
10

11 Modell und Erfahrung Modell der Lichtmühle Erfahrung, Empirie

12 Modelle vereinfachen Modelle „erklären“ den Gegenstand ihrer Modellierung. Hier: Modell erklärt Lichtmühle. Modelle vereinfachen einen zu erklärenden Gegenstand in der Regel Modelle abstrahieren von irrelevanten und gewissen relevanten Eigenschaften für die Erklärung des Modellgegenstandes. 12

13 Verhältnis Theorie/Modell/Gegenstände
Modelle nutzen die deduktiven Mittel von Theorien. Nur dadurch werden Eigenschaften der modellierten Gegenstände ableitbar. Modelle beziehen sich auf Gegenstände der Welt, die sie modellieren (Gegenstand im weitesten Sinn). 13

14 Fragen zu Modellen Wissenschaftstheoretische Fragen zu Modellen:
Beziehen sich Modelle auf Gegenstandstypen oder Einzelgegenstände? Modellbewertung: sind Modelle „wahr“, „angemessen“, „erklärend“, oder die Negation davon „falsch“? Modelltests: wie stützten sich Kriterien zur Modellbewertung auf empirische Daten? Modellvergleich: wie werden alternative Modelle miteinander verglichen? Modellentwicklung: wie erreiche ich erklärungskräftige Modelle? 14

15 Modelle und Instanzen 15

16 Anwendung von Modellen
Bei anwendbaren Modellen werden ihre abstrakten Eigenschaften auf konkrete Dinge bezogen. Wichtig: Gegenstände, die von Modellen dargestellt werden, müssen nicht die Konstruktionsbedingungen der Modelle streng erfüllen! Die Gegenstände müssen in einem noch zu präzisierenden Sinn den Eigenschaften der Modelle ähneln. 16

17 Beurteilungsregeln Das Ableitungsschema führt zu einem Verfahren der Beurteilung von Theorien und Modellen. Bei Verwendung von deduktiven Ableitungen können wir zwei wichtige Beurteilungsregeln annehmen: Wenn die Annahmen der Ableitung wahr sind, muss die Konklusion wahr sein Ist die Konklusion einer Ableitung falsch, dann muss mindestens eine der Annahmen falsch sein.. 17

18 Modelle, Beispiel Wie bei Euklid geehen bei einem Modell ein:
Konstruktionsannahmen Länge l, Masse m, Faden sei masselos Eigenschaften des Modells werden abgeleitet aus Theorie/n Schwingungsdauer als Funktion anderer Grössen 18

19 Approximationsbedingungen
Die Approximationsbedingung betrifft explizite und implizite Modellannahmen und fordert: Der Untersuchungsgegenstand verhält sich, als ob er die Eigenschaften des Modells hat. Differenzen zwischen Modelleigenschaften und Gegenstandseigenschaften sind irrelevant für die abgeleitete Hypothese (explizite Modellannahmen) Weitere Eigenschaften des vom Modell dargestellten Gegenstandes sind für die abgeleitete Hypothese irrelevant. 19

20 Allgemeine Aussagen von Modellen
Modelle treffen Aussagen über Klassen von Gegenständen, z.B. alle gleichseitigen Dreiecke Einfache Pendel Einem physikalischen Typus von Glühlampen Diese Aussagen sind allgemeiner Art Für alle Gegenstände x gilt: wenn x von der Art K ist, hat x die Eigenschaften E1, E2 etc. 20

21 Beurteilung durch Erfahrung
Modelle beziehen sich auf Gegenstände der Welt, deren Eigenschaften unabhängig festgestellt werden können. Dabei treten zwei Aussagen miteinander in Beziehung: Die allgemeine Aussage relativ zum Modell (und Theorie), dass alle Gegenstände x der Art K die Eigenschaft E1 haben. (Wir nennen die abgeleiteten theoretischen Eigenschaften „generelle Hypothesen“ von Modellen) Die unabhängige Beurteilung der Eigenschaften von Gegenständen der Art K. Diese können neben anderen Eigenschaften die Eigenschaft E1 haben. 21

22 Modellkonstruktion Modellgegenstand: Bewegungsverhalten von Menschenmassen Aufgabe: Ein Modell zu erstellen, mit dem die Bewegung von Menschen in grossen Gruppen durch Räume, Türen, Kreuzungen erklärt wird. 22

23 Modell 23

24 Aufgabe Rekonstruieren Sie Galileis Beweisführung für die Bestimmung der Berghöhen auf dem Mond. Benutzen Sie das Ableitungsschema Kennzeichnen Sie die Aussagen, die als Beobachtungen in das Ableitungsschema eingehen Leiten Sie nach Galilei die Aussage ab, dass die Berge auf dem Mond höher sind als die der Erde. 24

25 Siderius I 25

26 Siderius II 26

27 Zusatz zur Vorlesung: Lichmühle:Falsche Erklärungen I
Oft hört man die Erklärung, dass das Flügelrad durch den Lichtdruck in Drehung versetzt wird. So einen Strahlungsdruck gibt es zwar, aber er ist viel zu gering, um das Flügelrad in Bewegung setzen zu können. Wäre er die Ursache, sollte sich die Lichtmühle anders herum bewegen, da der Lichtdruck auf der reflektierenden Seite höher ist als auf der absorbierenden. Eine andere falsche Erklärung behauptet, dass durch die Wärme aus der dunklen Flügelseite gelöste Gase wie aus Sprudelwasser ausströmen und durch den entstehenden Rückstoß die bewegende Kraft erzeugen. Ebenfalls falsch ist die Annahme, dass per Photoeffekt austretende Elektronen den Rückstoß verursachen. Auch Konvektionsströme mit horizontaler Komponente fallen als falsch aus. 27

28 Falsche Erklärungen II
Einige halten die Erklärung durch erhöhten Gasdruck auf der warmen Seite auch für falsch. In einer geschlossenen Röhre mit Gas, die auf einer Seite wärmer ist als auf der anderen, ist der Druck überall gleich. Es gibt zwar ein Temperatur- und Dichte-, aber kein Druckgefälle. Das Gas bewegt sich nicht, es fließt nur Wärme. Nur beim Aufheizen gibt es einen kurzen Druckausgleich, der aber nicht für eine dauerhafte Bewegung sorgen kann. 28

29 Modell III Die korrekte Lösung des Problems soll im Effekt des thermischen Molekulardruckes bzw. der thermischen Transpiration liegen. Ist eine Gasleitung gegenüber der freien Weglänge der Gasmoleküle klein, wird durch eine Verengung innerhalb der Leitung und Aufrechterhaltung verschiedener Temperaturen T1 und T2 zu beiden Seiten der Verengung im Gleichgewicht eine Druckdifferenz aufrechterhalten: p1 / p2 = √( T1 / T2 ) = 29

30 Modell III Diese Erscheinung ist bei Druckmessungen zu beobachten, wenn Teile der Leitung verschieden dimensioniert und temperiert sind. Umgekehrt strömt bei gleichen Drücken Gas durch die Verengung zur wärmeren (!) Seite (thermische Transpiration). Bei der Lichtmühle sollen die Ränder der Flügel die Verengung bilden. Es strömt also Gas von der kühleren zur wärmeren (thermal creep) und erzeugt so die Kraft, die das Gerät in Bewegung setzt. 30


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