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Veröffentlicht von:Bathilda Gau Geändert vor über 11 Jahren
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Themenblock II: Sonderpädagogische Förderdiagnostik
Zum Stellenwert sonderpädagogischer Förderdiagnostik D.1 Theorien über Entwicklungs- und Lernprozesse und ihre Beeinträchtigungen SoSe 2008
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Mulitmodale und multimethodale sonderpädagogische Diagnostik
Multimodale Mehrebenendiagnostik Kognitive Ebene: Entwicklungs-, Intelligenz-, Leistungstests Emotionale Ebene: Befragung und psychometrische Tests Handlungsebene: Verhaltensbeobachtung und Verhaltensanalyse Multimethodale Erfassung Expertenurteil: Checklisten und Interviewleitfäden Elternurteil: systematische Exploration und Checklisten Verhaltensbeobachtung: systematisches und standardisiertes Beobachtungssystem Psychometrische Tests Je nach Problem und Störungsbereich sowie je nach Komplexität und Komorbidität im Einzelfall ist eine individuelle Kombination von verschiedenen Diagnoseebenen und diagnostischen Methoden notwendig. Soll z.B. der sonderpädagogische Förderbedarf eines Kindes mit externalisierenden Verhaltensstörungen und gleichzeitig auftretender Lern-/Leistungsschwierigkeiten abgeklärt werden, so ist auf der kognitiven Ebene eine differenzierte Intelligenzdiagnostik und auf der Handlungsebene eine systematische Verhaltensbeobachtung mit Verhaltensanalyse durchzuführen. Psychometrische Tests und Checklisten tragen zur Verhaltensdiagnostik bei. Wichtig: Primär- und Sekundärproblem abklären!! Sind die Lern- und Leistungsschwierigkeiten Folge der Verhaltensstörung? Oder ist die Verhaltensstörung Folge einer Teilleistungsstörung bzw. Lernbehinderung? Liegen verschiedene Verhaltensstörungen assoziiert vor und haben sie sich diversifiziert, z.B. liegt zusätzlich zu hyperkinetischen und aggressivem Verhalten auch eine depressive Störung vor? Der Schweregrad der Störung, deren Komplexität und Generalisierungsgrad spielt bei der Festlegung des Förderortes eine entscheidende Rolle. Petermann & Petermann, 2006
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Weitere Merkmale sonderpädagogischer Förderdiagnostik
Erfassung subklinischer Phänomene und Probleme Erfassen von Risiko- und Schutzfaktoren seitens des Kindes, seiner Familie, seines Lebensumfeldes, um den Rahmen der verfügbaren Ressourcen abzustecken. Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs im Hinblick auf Unterricht und Erziehung, Therapie und spezifisches Training, den optimalen Förderort.
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Förderschwerpunkte Sprache Hören und Kommunikation
Kognitive Entwicklung Lernen Sehen Emotionale und soziale Entwicklung Körperliche Entwicklung Motorische Entwicklung Sonderpädagogischer Förderbedarf besteht bei: Lern- und Entwicklungsstörungen (Lernbehinderung, Sprachbehinderung, Erziehungsschwierigkeiten) geistiger Behinderung Körperbehinderung Hörschädigungen (Gehörlosigkeit, Schwerhörigkeit) Sehschädigungen (Blindheit, Sehbehinderung) Autismus. Die Umsetzung der Förderung erfolgt z.B. in Allgemeinen Schulen (= gemeinsamer Unterricht, integrative Lerngruppen) Förderschulen sonderpädagogischen Förderklassen an allgemeinen Berufskollegs Schulen für Kranke.
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Lern- und Entwicklungsstörungen
Lernbehinderung: Lern- und Leistungsausfälle sind schwerwiegender, umfänglicher und lang andauernder Art durch Rückstand der kognitiven Funktionen und/oder der sprachlichen Entwicklung oder des Sozialverhaltens verstärkt. Sprachbehinderung: der Gebrauch der Sprache ist nachhaltig gestört und mit erheblichem subjektiven Störungsbewusstsein und Beeinträchtigungen in der Kommunikation verbunden durch schulbegleitende oder zeitlich begrenzte Maßnahmen nicht behebbar ist. Erziehungsschwierigkeit: ein Schüler verschließt sich der Erziehung nachhaltig oder widersetzt sich. Es ist keine nachhaltige Förderung im Unterricht möglich. Die eigene Entwicklung oder die der Mitschüler ist erheblich gestört oder gefährdet. Erste Hinweise auf das mögliche Vorliegen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs ergeben sich aus Mängeln in der Schulleistung und Problemen in der Sprachentwicklung sowie dem Arbeits- und Sozialverhalten. In der Regel treten mehrere Hinweise gleichzeitig auf. Bei Förderschülern liegt ein besonders hoher Ausländeranteil vor (Lauth & Schlottke, 2005). Im Regelfall muss man von kumulierten Entwicklungs- und Lerndefiziten ausgehen, die in ungünstigen Lernvoraussetzungen, einem problematischen Lernverhalten und einem ungünstigen sozialen Hintergrund (Familie, Lernumfeld) bestehen. 90 % der Schüler mit einer sonderpädagogischen Diagnose kommen aus der sozialen Unterschicht (Wocken, 2000).
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Hinweise auf einen besonderen sonderpädagogischen Förderbedarf
Schulleistungen deutliche Mängel in der Schulleistung (im Feld der unteren 10%) Leistungsmängel in mehreren wichtigen Schulfächern Sprachentwicklung deutliche Rückstände in der rezeptiven und/oder expressiven Sprache Sozial- und Arbeitsverhalten Massive Verhaltensstörungen Geringe Motivation am und geringes Interesse im Unterricht Probleme bei der Organisation von Lern- und Arbeitsprozessen Ressourcenmangel Unterdurchschnittliche kognitive Fähigkeiten, körperliche Beeinträchtigungen Massive Einschränkungen der emotionalen und sozialen Kompetenzen Risiken im sozialen Umfeld Keine/unzureichende Unterstützung durch die Familie Massive Mängel in Qualität, Passung oder Koordination bestehender Förderangebote
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Der förderdiagnostische Prozess
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Erstellen einer Eingangsdiagnose
Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs Feststellung des Förderschwerpunktes und -ortes Erstellen einer Förderdiagnose Erstellung eines differenzierten Entwicklungs- und Förderprofils Ableitung von Feinzielen der Förderung Festlegung eines detaillierten Förderplans Schließen eines Förderkontraktes Prozessbegleitende Diagnostik Feststellung des Lern- und Entwicklungsverlaufs Bewertung der Fortschritte unter Beachtung der Kontextbedingungen Zentrale Fragestellungen nach Arnold & Kretschmann (2002): Liegt sonderpädagogischer Förderbedarf vor? Wenn ja, in welchem Umfang und an welchem Förderort (= Eingangsdiagnose)? Welche Förderziele in welchen Förderbereichen sollen mit welchen Fördermethoden in welcher Reihenfolge bzw. zeitgleich realisiert werden (= Förderdiagnose im engeren Sinne)? Welche spezifischen Lernschritte und Lernschwierigkeiten treten im Prozess der Förderung auf (= Prozessdiagnose)? Wie ist die geplante Förderung verlaufen und welche Spezifizierungen bzw. Änderungen des Förderplans müssen vorgenommen werden (= Fortschreibungsdiagnose)? Fortschreibung des Förderbedarfs Evaluation des Förderbedarfs ggf. Aktualisierung des Förderplans Modifikation des Förderkontraktes
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Begründungskonzepte aus der Entwicklungspsychopathologie
Verfahren und Methoden zur Beurteilung des Lern- und Entwicklungsstandes, der Lernpotenziale, der Ressourcen eines Schülers und seines sozialen Umfeldes. Modelle normaler und abweichender Entwicklung Biopsychosoziales Erklärungsmodell der Entstehung von Störungen, Risiko- und Schutzfaktorenkonzept Konzept der Vorläuferfähigkeiten Hinweise auf die multimodalen und multimethodalen Diagnosestrategien Neben der Entwicklungsdimension muss im Bereich der sonderpädagogischen Diagnostik aber auch der Kulturspezifität von Testaussagen Rechnung getragen. Nach einer aktuellen Übersicht von Lauth & Schlottke (2005) sind Kinder mit ausländischer Herkunft in der Sonderschule stark überrepräsentiert; ihr Anteil beträgt ca. 20%. Studien zur Kulturabhängigkeit einzelner Testverfahren müssen verstärkt in Angriff genommen werden!! Besonders bei der Förderung sehr junger Kinder sind die Grenzen zwischen präventiven und rehabilitativen Konzepten schwer abgrenzbar. Vielfach wird man große Kindergruppen durch Screenings im Hinblick auf mögliche Entwicklungsrisiken untersuchen müssen. Wenngleich sich Screenings häufig an den Störungskonzepten der Kinder- und Jugendpsychiatrie oder der Klinischen Kinderpsychologie orientieren, besitzen sie in der Regel auch für die Sonderpädagogik Aussagekraft. In manchen Fällen müssen sie jedoch durch situations- und schulspezifische Aspekte ergänzt werden.
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ICF – eine sonderpädagogische Klassifikationshilfe
ICF = International Classification of Functioning, Disability and Health (Schuntermann, 2005) Sinnvolle Ergänzung und Erweiterung der ICD-10 und DSM-IV um Einbezug der Dimensionen Körperstruktur und –funktion (statt Schädigung), Aktivitäten und Partizipation (statt Disability und Handicap) entwicklungsfördernde und –hemmende Kontextfaktoren (Umwelteinflüsse), Mehrebenenklassifikation, gemeinsame Sprachform bezüglich Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, Erfassung der psychosozialen Ressourcen. Entstanden aus der Kritik am medizinischen Modell und der Orientierung am Defizitmodell in der Psychologie, was v.a. seinen Niederschlag in der Übernahme der psychiatrischen Klassifikationssysteme ICD und der DSM in der Klinischen Psychologie fand. Die generelle Aussagekraft solcher Diagnoseklassen und vor allem ihre prognostische Validität wurde seitens der Sonderpädagogik wiederholt in Frage gestellt (Eggert, 1998; Schuck, 2000).
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Zum Alltag sonderpädagogischen Diagnostizierens
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Studie von Hofmann (2002): Praxis der sonderpädagogischen Diagnostik in Hessen
Befragung von N = 159 Sonderpädagogen Informelle vs. standardisierte Testung 5,2% gaben an nur informell zu testen, 38,5% gaben an nur standardisiert zu testen, 56,3% setzte zur Urteilsfindung informelle und standardisierte Verfahren ein. 90% der Befragten verwenden Intelligenz- und Schulleistungstests. Bevorzugte theoretische Sichtweise (Mehrfachnennungen möglich) 87% Entwicklungsorientierung, 54% Lernorientierung, 32% systemische Sichtweise, 29% Interaktionstheorie, 25% medizinische Sichtweise, 13% Tiefenpsychologie, 8% Sonstiges. Die sonderpädagogische Praxis ist somit eher pragmatisch orientiert und teilt die testkritische Haltung der akademischen Sonderpädagogen kaum. Die beiden bevorzugten theoretischen Sichtweisen unterstreichen diese Aussage: Der Großteil der Praktiker stützt sich bei der Bearbeitung förderdiagnostischer Fragestellungen auf eine entwicklungsorientierte oder lerntheoretische Sichtweise. Die Verwendung des Begriffes „entwicklungsorientiert“ drückt dabei das Interesse an der ganzheitlichen Betrachtung der Entwicklung eines Kindes aus.
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Schlussfolgerungen und Ausblick
Diagnostisches Handeln besteht immer aus Klassifizieren, Bewerten und Entscheiden. Gerade Indikationsstellungen müssen auf der Basis einer wissenschaftlich abgesicherten und in der Praxis aussagefähigen Diagnostik erfolgen. Diagnosestellung und –fortschreibung erfolgt idealerweise unter Beteiligung verschiedener Fachdienste Schulärztlicher Dienst, Schulpsychologischer Dienst, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Klinischer Kinderpsychologie.
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Vorlesungsziele Welche Fortschritte in der psychologischen Diagnostik sind für die sonderpädagogische Förderdiagnostik nutzbar? Welches Schlussfolgerungen lassen sich für das eigene Vorgehen im Beobachtungspraktikum ziehen? Wie gehe ich vor? Welches „Handwerkszeug“ habe ich? Welches sind die Möglichkeiten und Grenzen dieses „Handwerkszeugs“? Was brauche ich ergänzend? Wie interpretiere ich meine Beobachtungen? Wie schreibe ich einen Förderplan/den Praktikumsbericht?
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