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Prof. Dr. Ansgar Staudinger
Aktuelles Schuld- im Landwirtschaftsrecht insb. zur Beherbergung fremder Tiere, Mast-, Aufzucht- und Pensionstierhaltung sowie zu Pfandrechten Prof. Dr. Ansgar Staudinger Prof. Dr. Ansgar Staudinger 1
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Inhaltsübersicht Aktuelle Rechtsprechung zur Tierhalterhaftung Folien 3-17 Aktuelles zur Schmerzensgeldbemessung Folien 18-21 Anspruch auf Hinterbliebenengeld Folien 22-38 Aktuelles zum Tierkauf Folien 39-49 Aktuelle Rechtsprechung zum Tierkauf Folien 50-54 Aktuelle Rechtsprechung zur Tierarzthaftung Folien 55-57 Versicherungsrechtliche Bezüge Folien 58-63 Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Aktuelle Rechtsprechung zur Tierhalterhaftung
Prof. Dr. Ansgar Staudinger Prof. Dr. Ansgar Staudinger 3
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Tierhalterhaftung © dpa Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Der gefräßige Esel LG Gießen, Urt. v – 4 O 110/17 (rechtskräftig) Orientierungssätze: Der Kläger fuhr mit einem Euro teuren Sportwagen auf einem Parkplatz rückwärts in Richtung eines eingezäunten Grundstücks. Der dort befindliche Esel hatte offensichtlich keinen Gefallen an dem Luxusfahrzeug, streckte seinen Kopf durch den Zaun und biss in das Fahrzeug. Da es dem Kläger vor Schreck nicht gelungen sei, mit dem Fahrzeug nach vorne zufahren, habe der Esel noch ein zweites Mal zugebissen. Nach Urteil des Landgerichts Gießen hat der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der Reparaturkosten sowie der Kosten des Unfallersatzwagens in Höhe von 5100 Euro (§ 833 S. 1 BGB). Bei dem Esel des Beklagten handelt es sich um ein sog. Luxustier i.S.v. § 833 S.1 BGB. Es ist nicht von dessen Eigenschaft, als sog. Nutztier i.S.v. § 833 S. 2 BGB gehalten zu werden, auszugehen. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Tierhalterhaftung Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Zur Tierhalterhaftung in Österreich
LG Innsbruck, Urt. v – 1 Jv /19x Orientierungssätze: Zur Schadensersatzpflicht eines Landwirtes (Halter einer Kuhherde) gegenüber den Hinterbliebenen einer tödlich verunfallten Urlauberin. Die Geschädigte ging mit ihrem angeleinten Hund spazieren und wurde von einer Kuhherde totgetrampelt. Nach Auffassung des Gerichtes hatte der Bauer nur unzureichend vor den Gefahren der Kühe gewarnt. Im Ergebnis sprach das LG Innsbruck dem Vater und Sohn der Verstorbenen eine Summe von etwa € zzgl. einer monatlichen Geldrente zu. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Zur Tierhalterhaftung in Österreich
OLG Innsbruck, Urt. v – 3 R 39/19p Pressemitteilung (Langfassung): 1. Zur Haftung des Landwirts: Die relevante Anspruchsgrundlage ist die Tierhalterhaftung gemäß § 1320 ABGB (hier noch in der alten Fassung). Es war die Frage zu beantworten, ob der Landwirt seinen Pflichten als Tierhalter in ausreichendem Maß nachgekommen ist. Der Tierhalter hat nach § 1320 ABGB bei der Verwahrung und der Beaufsichtigung des Tieres die objektiv erforderliche Sorgfalt einzuhalten. Welche Maßnahmen dabei im Einzelnen notwendig sind, richtet sich nach den dem Tierhalter bekannten oder erkennbaren Eigenschaften des Tieres und den jeweiligen Umständen. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Dabei spielen folgende, vom Höchstgericht jüngst wieder wiederholte Momente eine Rolle: a) die Gefährlichkeit des Tieres nach seiner Art und Individualität: Je größer die Gefährlichkeit, desto größere Sorgfalt ist anzuwenden. b) die Möglichkeit der Schädigung durch das spezifische Tierverhalten: Je größer die Schadensmöglichkeit, umso strengere Anforderungen müssen gestellt werden. c) Abwägung der Interessen: Stellt ein Tier eine Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit von Menschen, dem anerkannt höchsten Gut, dar, so muss die geforderte Verwahrung des Tieres durch Einzäunen, Anketten, Anlegen eines Maulkorbs oder Führen an der Leine als eine zumutbare Maßnahme anerkannt werden, die jedenfalls in keinem Verhältnis zu der andernfalls bestehenden Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit von Menschen steht. Anders gewendet: Bei der Interessenabwägung kommt der Unversehrtheit des Menschen ein besonders hoher Stellenwert zu. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Das bedeutet umgesetzt für den hier zu beurteilenden Sachverhalt: Der Landwirt hat die ihn gemäß § 1320 ABGB treffenden Pflichten nicht nur objektiv, sondern bereits in schuldhafter Weise verletzt. Maßgeblich waren folgende Feststellungen: • Auch die Mutterkühe des Landwirts waren – im Unterschied zum reinen Milchvieh – mit einem stärker ausgeprägten Mutterinstinkt ausgestattet. • Mutterkühe reagieren vergleichsweise früh und intensiv bei Annäherung von Menschen und/oder Tieren. • Mutterkühe sehen Hunde als akute Bedrohung für ihre Jungtiere an. • Dem Landwirt war bewusst, dass seine Mutterkühe sensibel und aggressiv auf Hunde reagieren, insbesondere wenn deren Kälber in der Nähe sind und der Pinnisweg vor allem von Wanderern, teils auch mit Hunden, stark frequentiert war. Er wusste zum Unglückszeitpunkt von der erhöhten Aggressivität seiner Kühe. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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• Der Unfallbereich bzw. der Bereich um die Almgebäude und das Gasthaus war der am stärksten von Wanderern und Kühen des Landwirts frequentierte Bereich im Weidegebiet. Unter Bedachtnahme auf diese konkreten Umstände war das bloße Aufstellen eines Warnschildes nicht ausreichend. Vielmehr hätte der Landwirt den neuralgischen Teil des Pinniswegs über ca 500m entlang seiner Weidefläche abzäunen müssen, um die von seinen Tieren ausgehende Gefahr für nichtsahnende Wanderer mit Hunden zumindest maßgeblich zu verringern, wenn nicht sogar auszuschließen. Eine solche Einzäunung über ca 500m, die einen vergleichsweise geringen Aufwand erfordert hätte (an Material jährlich knapp über € 200,-- und an Arbeitseinsatz jährlich rund zwei Tage), wäre dem Landwirt ohne weiteres zumutbar gewesen. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Der Landwirt hat bereits 2014 überall dort Zäune aufgestellt, wo es für seine Almwirtschaft zweckmäßig ist; so hat er Abzäunungen vorgenommen, einerseits um zu verhindern, dass fremdes Weidevieh in sein Weidegebiet eindringen kann, andererseits um zu verhindern, dass seine eigenen Tiere das Weidegebiet verlassen, und schließlich um ein Quellschutzgebiet zu schützen. Durch die notwendige Einzäunung des Pinniswegs über ca. 500 m wäre der Weidebetrieb des Landwirts nicht beeinträchtigt worden. 2. Zum Mitverschulden der zu Tode gekommenen Touristin: Nach der Rechtsprechung des Höchstgerichts ist von Hundehaltern zu verlangen, dass sie über die mit dem Halten von Hunden typischerweise ausgehenden Gefahren Bescheid wissen. Das heißt umgelegt auf den hier zu beurteilenden Fall, dass die Touristin wissen hätte müssen, dass Mutterkühe eine Gefahr für Hunde und damit zwingend auch für die Menschen, die diese Hunde führen, darstellen. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Dazu kommt, dass die Touristin das vom Beklagten angebrachte Warnschild mit der Aufschrift „Achtung Weidevieh – Halten sie unbedingt Distanz – Mutterkühe schützen ihre Kälber – Betreten und Mitführen von Hunden nur auf eigene Gefahr“ nicht beachtet hat. Entgegen der darin bestehenden Handlungsanweisung (Achten auf Distanz) ist sie in einem Abstand von nur ein bis zwei Metern an den nächststehenden Kühen vorbeigegangen. Diese Vorgehensweise der Touristin ist als Sorglosigkeit zu werten und begründet damit ein maßgebliches Mitverschulden. In untrennbarem Zusammenhang mit der nicht eingehaltenen Distanz zu den Kühen steht auch, dass die Touristin es verabsäumt hat, die Tiere im Auge zu behalten und die Leinenführung so zu gestalten, dass sie den Hund als primäres Angriffsziel rechtzeitig loslassen hätte können. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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3. Zur Verschuldensabwägung: Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Innsbruck besteht kein Anlass, die Verschuldensmomente einer der beiden Beteiligten stärker zu gewichten, sodass von einem gleichteiligen Verschulden des Landwirts und der Touristin auszugehen ist. 4. Ergebnis: Das dem Ehemann und dem Sohn anrechenbare Mitverschulden der Ehegattin bzw. Mutter im Ausmaß von 50 % hat eine dementsprechende Kürzung der berechtigten Ansprüche zur Folge: Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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• Ehemann: Zuspruch von € ,81 samt 4 % Zinsen seit Berechnung: bereits im erstinstanzlichen Verfahren unstrittige € ,74 bis fällige Rentenbeträge € ,89 Schmerzengeld € ,00 Gesamt € ,63 davon die Hälfte € ,81 Zuspruch einer monatlichen Rente von € 606,25 seit dem • Sohn: Zuspruch von € ,-- samt 4 % Zinsen seit Berechnung: € ,00 (unverändert laut erstinstanzlichem Urteil) davon die Hälfte € ,00 Zuspruch einer monatlichen Rente von € 176,25 ab dem Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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• Sowohl für den Ehemann als auch den Sohn besteht auch das Feststellungsbegehren im Ausmaß einer 50%-igen Haftung des Landwirts für zukünftige Schäden zu Recht. • Das darüber hinausgehende Leistungs- und Feststellungsbegehren wurde abgewiesen. 5. Zur Anfechtbarkeit: Alle Prozessparteien können die Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck binnen vier Wochen mit einer sogenannten außerordentlichen Revision bekämpfen. Dieses Rechtsmittel ist deshalb zulässig, weil die im Berufungsverfahren noch streitverfangenen Zahlungsbegehren des Ehemanns und des Sohns den Schwellenwert von je € ,-- übersteigen. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Das Oberlandesgericht Innsbruck hat die ordentliche Revision deshalb nicht für zulässig erklärt, weil den hier zu beurteilenden Rechtsfragen keine für die Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Außerdem konnte sich das Berufungsgericht auf eine gefestigte Judikatur des Höchstgerichts stützen. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Zur Ermittlung des Deliktsstatuts
EuGH, Urt. v , Rs. C-350/14, NJW 2016, 466 Leitsätze: Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO ist für die Bestimmung des auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus einem Verkehrsunfall anzuwendenden Rechts dahin auszulegen, dass Schäden im Zusammenhang mit dem Tod einer Person bei einem solchen Unfall im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnhafte nahe Verwandte dieser Person erlitten haben, als „indirekte Schadensfolgen“ dieses Unfalls im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind. Zum Urteil: Czaplinski jurisPR-IWR 1/2016 Anm. 4; Friesen r+s 2016, 196; Kadner Graziano RIW 2016, 227; Mankowski JZ 2016, 310; Staudinger NJW 2016, 468; Wurmnest LMK 2016, Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Tierhalterhaftung (1) BGH, Urt. v – VI ZR 25/17, VersR 2018, 1013 Leitsätze: Der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht auf die Verschuldenshaftung beschränkt, sondern erfasst auch die Gefährdungshaftung, insbesondere die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB (Fortführung von Senat BGHZ 55, 96 [98 ff.] = VersR 1971, 320). „Beteiligter“ i. S. v. § 830 Abs. 1 S. 2 BGB ist nur derjenige, dessen Tatbeitrag zu einer rechtswidrigen Gefährdung der Schutzsphäre des Betroffenen geführt hat und zur Herbeiführung der eingetretenen Verletzung geeignet war (Fortführung von Senat VersR 1989, 1051 = NJW 1989, 2943 [2944]). Im Fall der Gefährdungshaftung bedarf es hierzu einer konkreten Gefährdung des Betroffenen, die geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen. Im Fall der Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB ist für die Anwendung von § 830 Abs. 1 S. 2 BGB Voraussetzung, dass sich in dem Verhalten aller als Schadensverursacher infrage kommenden Tiere eine spezifische Tiergefahr gezeigt hat und dass diese spezifische Tiergefahr im Hinblick auf den eingetretenen Schaden kausalitätsgeeignet war. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Tierhalterhaftung (2) BGH, Urt. v – VI ZR 434/15, VersR 2017, 702 Leitsätze: 1. § 833 Satz 2 BGB räumt dem Tierhalter die Möglichkeit, sich von der Gefährdungshaftung des § 833 Satz 1 BGB zu entlasten, nur dann ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht worden ist, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters - d.h. einem wirtschaftlichen Zweck - zu dienen bestimmt ist. 2. Unter Erwerbstätigkeit im Sinne des § 833 Satz 2 BGB ist jede Tätigkeit zu verstehen, die auf Gewinnerzielung gerichtet ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Tätigkeit objektiv darauf angelegt ist und subjektiv von der Absicht getragen wird, Gewinn zu erzielen. Die bloße Gewinnerzielungsabsicht als solche, die in den objektiven Umständen keinen Niederschlag findet, genügt dagegen nicht. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Tierhalterhaftung (3) OLG Celle, Urt. v – 20 U 7/18, BeckRS 2018, 18459 Orientierungssätze: Ist für die Entstehung eines Schadens auch die Tiergefahr des eigenen Tieres des Geschädigten mitursächlich, so muss sich der Geschädigte dies entsprechend § 254 Abs. 1 BGB mindernd auf seinen Anspruch aus § 833 S. 1 BGB anrechnen lassen. Eine Schadensminderung infolge eigener Tiergefahr scheidet nicht deshalb aus, weil der Geschädigte die Tierhaltung gewerbsmäßig betreibt und sich daher auf § 833 S. 2 BGB berufen kann. § 833 S. 2 BGB ist weder dem Wortlaut noch seinem Gesetzeszweck und der Normhistorie nach anwendbar. Die Vorschrift will dem Nutztierhalter eine Haftungsprivilegierung verschaffen, sie bezweckt hingegen nicht eine Entschädigungsmaximierung des Nutztierhalters. Eine andere Sichtweise würde zu dem unbilligen Ergebnis führen, dass ein professioneller Tierhalter seinen eigenen Tierschaden vollständig ersetzt verlangen kann, obwohl sich das eigene unberechenbare Tierverhalten und die daraus resultierende Tiergefahr – möglichweise weit überwiegend – verwirklicht hat. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Tierhalterhaftung (4) OLG Stuttgart, Urt. v – 13 U 194/17, BeckRS 2018, 16107 Orientierungssätze: Das Privileg des Tierhalters, sich durch Nachweis pflichtgemäßen Verhaltens von der Haftung zu befreien, hängt davon ab, dass es sich bei dem schadensstiftenden Tier zugleich um ein Haustier und um ein Nutztier handelt, was bei einem Kamel nicht der Fall ist. Da § 833 S. 2 BGB auf die im Verkehr erforderliche Sorgfalt abstellt, ist der Begriff entsprechend dem der Fahrlässigkeit auszulegen. Abzustellen ist daher auf das Maß an Sorgfalt, das von einem besonnenen und umsichtigen Tierhalter in der jeweiligen Situation verlangt werden muss. Inhaltlich sind die Sorgfaltspflichten des Tierhalters vor allem darauf gerichtet, zu verhindern, dass das Tier außer Kontrolle gerät. Für Umfang und Intensität der Sorgfaltspflichten sind die allgemeingültigen Kriterien maßgeblich, also Art und Größe des drohenden Schadens sowie die Wahrscheinlichkeit seines Eintritts, wobei die Eintrittswahrscheinlichkeit vor allem von der Gefährlichkeit des konkreten Tiers abhängt. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Tierhalterhaftung (5) OLG Celle, Urt. v – 14 U 147/17, MDR 2018, 1180 Leitsatz: Sowohl beim Passieren als auch beim Begegnen eines Reiters sollte ein Fahrzeug – abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls – einen Seitenabstand von wenigstens 1,50 m bis etwa 2 m einhalten. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Tierhalterhaftung (6) OLG Köln, Urt. v – 5 U 128/16, NJW-RR 2018, 652 Leitsätze: Die Tierhaltereigenschaft kann im Rahmen einer vorzunehmenden Gesamtbetrachtung unabhängig von dem Eigentum an dem Tier gegeben sein, wenn es dauernd auf dem Hof des Halters verbracht ist und dort zur betrieblichen Nutzung, etwa als Reit- oder Kutschpferd eingesetzt werden soll. Für die Beurteilung der Nutztiereigenschaft im Sinne des § 833 BGB kommt es bei „potenziell doppelfunktionalen“ Tieren auf die allgemeine Widmung des Tiers, vor allem auf seine hauptsächliche Zweckbestimmung, an. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Tierhalterhaftung (7) OLG Frankfurt, Beschl. v – 11 U 153/17, BeckRS 2018, 6940 Orientierungssätze: Eine typische Tiergefahr (vgl. § 833 BGB) äußert sich in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbstständigen Verhalten des Tieres. Dies ist nicht der Fall, soweit es der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt. Der Grundsatz, dass die auf Seiten des Geschädigten mitwirkende Sach- und Betriebsgefahr den Ersatzanspruch beschränkt, gilt auch im Bereich der Tierhalterhaftung. Ein Geschädigter handelt selbstwidersprüchlich, wenn er sich Risiken bewusst aussetzt, die über die normale Tiergefahr hinausgehen und er bei Verwirklichung dieser besonderen Gefahr den Halter aus Halterhaftung auf Schadensersatz in Anspruch nimmt. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Tierhalterhaftung (8) OLG Saarbrücken, Urt. v – 2 U 30/15, VersR 2018, 1143 Leitsätze: Ein von einer gemeinnützigen GmbH in einer Jugendhilfeeinrichtung zum heilpädagogischen Reiten eingesetztes Pferd unterliegt nicht dem Nutztierprivileg des § 833 Satz 2 BGB. Der Haftung des Tierhalters gegenüber demjenigen, der ein Pferd zweimal wöchentlich im Rahmen einer auf Honorarbasis ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit bereitet, kann nicht entgegen gehalten werden, das Bereiten erfolge auf eigene Gefahr. Das Bestehen einer Tierhaftpflichtversicherung steht regelmäßig der Annahme eines stillschweigend vereinbarten Haftungsausschlusses zugunsten des Tierhalters entgegen. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Tierhalterhaftung (9) VG München, Urt. v – M 7 M , beck-aktuell v Orientierungssätze: Das VG München hat die Klage eines Mannes abgewiesen, dem die Waffenbesitzkarte entzogen wurde, nachdem sein Hund im Auto einen Schuss aus dem Jagdgewehr "ausgelöst" hatte. Der Transport einer geladenen und ungesicherten Waffe im Auto stelle eine Pflichtverletzung dar, welche die Annahme der Unzuverlässigkeit im Umgang mit Schusswaffen rechtfertige. Hintergrund ist ein kurioser Vorfall aus dem November 2016 im Jagdrevier des Klägers. Damals soll der Hund des Klägers in dessen Auto einen Schuss aus dem Jagdgewehr ausgelöst haben. Der Jäger, der sich gerade mit einer Passantin unterhielt, wurde am Arm verletzt. Das Landratsamt entzog ihm daraufhin die Waffenbesitzkarte, auch sein Jagdschein wurde nicht verlängert. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Zur Schmerzensgeldbemessung
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Rechtsprechung OLG Frankfurt, Urt. v. 18.10.2018 – 22 U 97/16 (1)
Leitsätze: Hat der Geschädigte Ansprüche auf Verdienstausfall, die ihm gegen den Schädiger zustehen, ausdrücklich an Arbeitgeber oder Krankentagegeld-Versicherung abgetreten, verliert er diesen Anspruch. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die von diesen erbrachten Leistungen nach der normativen Schadensberechnung auf den Ersatzanspruch anzurechnen wären. Für die Ermittlung des Haushaltsführungsschadens muss der Geschädigte im Einzelnen vortragen, in welchem Umfang er durch die Verletzung in der Erbringung der dafür erforderlichen Leistungen eingeschränkt war. Tabellenwerke zur Berechnung ersetzen den Sachvortrag nicht, dienen aber für den Richter zur Überprüfung der Plausibilität des Parteivortrags. Der Senat hält die dafür bisher zur Verfügung stehenden Quellen (z. B. Pardey, Haushaltsführungsschaden) – gerade im Bereich des Haushaltszuschnitts – für nicht mehr zeitgemäß und orientiert sich an den Tabellen von Schah Sedi, Praxishandbuch Haushaltsführungsschaden Für die fiktive Abrechnung des Schadens erscheint bei einfachen Arbeiten im Haushalt ein Stundensatz von 8,50 € angemessen, der aber hinsichtlich des Zuschnitts des Haushalts auf 10,– € angehoben werden kann. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Rechtsprechung OLG Frankfurt, Urt. v. 18.10.2018 – 22 U 97/16 (2)
Leitsätze: Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Schmerzensgeldentscheidungen anderer Gerichte sind weder Maßstab noch Begrenzung. Angesichts der mangelnden Vergleichbarkeit vieler Fallgestaltungen fehlt es oft an brauchbaren Kriterien, wie insbesondere auch die Dauer der Beeinträchtigung ausreichend berücksichtigt wird. Der Senat hält deshalb eine Methode, das Schmerzensgeld nach der Art der Behandlung (Krankenhaus, Reha) und der Dauer der Beeinträchtigung zu bemessen, für geeignet, eine angemessene und vergleichbare Entschädigung zu errechnen. Die im Handbuch Schmerzensgeld 2013 unter Berücksichtigung des Grads der Schädigungsfolgen dargelegten Ansätze können dazu dienen. Fundstelle: DAR 2019, 37 m. Anm. Wambach/Walter 43 sowie Engelbrecht 44 Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Aktueller Literaturhinweis
Lüttringhaus, Schmerzensgeldbemessung, VersR 2019, 973 Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Der neue Anspruch auf Hinterbliebenengeld
Prof. Dr. A. Staudinger
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Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Die Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld erfolgte am auf Grundlage des Gesetzes vom (BGBl I 2421). Die nachfolgenden Ausführungen zum neu hinzugefügten § 844 Abs. 3 BGB nehmen auf den Entwurf vom (BT-Drucks. 18/11397) Bezug. Prof. Dr. A. Staudinger 33
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Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
§ 844 Abs. 3 BGB: „(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.“ Prof. Dr. A. Staudinger 34
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Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Ausgangslage Der historische Gesetzgeber des BGB, welches zum 1. Januar 1900 in Kraft trat, stand dem Ersatz von Nichtvermögensschäden zurückhaltend gegenüber (BT-Drucks. 18/11397, S. 8). Ansprüche von unmittelbar und mittelbar Geschädigten (BT-Drucks. 18/11397, S. 8): Mit dem zweiten Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 hat der Gesetzgeber über die deliktische Verschuldenshaftung hinaus mit § 253 Abs. 2 BGB einen allgemeinen Anspruch auf Schmerzensgeld für die Gefährdungshaftung und für die Vertragshaftung eingeführt. Dieser Anspruch steht aber nur unmittelbar Geschädigten zu, die in eigenen Rechtsgütern betroffen sind. Mittelbar Betroffene, welche keine Verletzung in eigenen deliktisch geschützten Rechten erlitten haben, sind von dem geltenden Recht nur ausnahmsweise geschützt. Dieser Schutz betrifft im Falle einer fremdverursachten Tötung auch nur materielle Schäden (z.B. Beerdigungskosten, entgangenen Unterhalt, …). Immaterielle Schäden, welche die Hinterbliebenen regelmäßig in Folge einer fremdverursachten Tötung erleiden, werden vom geltenden Recht also als entschädigungslos hinzunehmendes Schicksal angesehen (z.B. erlittene Trauer und seelisches Leid). Prof. Dr. A. Staudinger 35
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Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Neuer Regelungsgehalt und Anwendungsbereich Hinterbliebenen, welche in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis zum Getöteten standen, soll nun ein auf angemessene Entschädigung in Geld gerichteter Anspruch gegen den Verantwortlichen für das zugefügte Leid eingeräumt werden. Demzufolge muss der für die Tötung Verantwortliche dem Hinterbliebenen nun also unabhängig vom Nachweis einer medizinisch fassbaren Gesundheitsbeeinträchtigung („Schockschaden“), Entschädigung für dessen seelisches Leid leisten (BT-Drucks. 18/11397, S. 8). Einbeziehung von Fällen der Gefährdungshaftung: Die Trauer der Hinterbliebenen um den Getöteten hängt nicht davon ab, ob dieser sein Leben durch die schuldhafte Handlung eines anderen oder durch eine haftungsbewehrte Gefahrenquelle verloren hat, deren Gefährlichkeit sich im Tod des Angehörigen und dem hierdurch bedingten Leid realisiert hat, und die ein anderer zu verantworten hatte (vgl. somit auch die Änderung der entsprechenden Normen im StVG [§ 10 Abs. 3 StVG-E] sowie ProdHaftG [§ 7 Abs. 3 ProdHaftG-E]; hierzu BT-Drucks. 18/11397, S. 15, 17). Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld besteht nur in Fällen einer fremdverursachten Tötung, nicht hingegen dann, wenn eine schwere Verletzung eines besonders nahestehenden Menschen der Grund für das zugefügte Leid ist. Prof. Dr. A. Staudinger 36
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Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Eine Ausdehnung des Anspruchs auf Hinterbliebenengeld über die Deliktshaftung hinaus auf die Vertragshaftung ist nicht erforderlich (BT-Drucks. 18/11397, S. 9). Die Hinterbliebenen sind regelmäßig nicht in den Schutzbereich eines zwischen dem Getöteten und dem für die Tötung Verantwortlichen geschlossenen Vertrag mit einbezogen. Mithin können sie aus diesem Vertrag also auch keine eigenen Ansprüche herleiten. Weiterhin bleibt zu berücksichtigen, dass nebeneinander bestehende vertragliche und deliktische Ansprüche wegen der Tötung eines Angehörigen zu weitgehend parallelen Ergebnissen führen würden. Eine Ausnahme hiervon bilden jedoch die §§ 618 Abs. 3 BGB, 62 Abs. 3 HGB. Sie erklären nach geltendem Recht die Vorschriften der §§ 844 bis 846 BGB für bestimmte Vertragsverhältnisse in der Vertragshaftung für entsprechend anwendbar. Eine weitere Ausnahme bildet die Passagierschadenshaftung im Luftverkehr. Diese beruht zwar auch auf einem Beförderungs- oder Reisevertrag. Allerdings würde aufgrund des Ausschlusses der allgemeinen deliktsrechtlichen Ansprüche des nationalen Haftungsrechts andernfalls ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld in den Fällen fremdverursachter Tötung im Luftverkehr entfallen. Gleiches gilt für die Passagierschadenshaftung im Eisenbahn- und Seeverkehr. Prof. Dr. A. Staudinger 37
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Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Zu § 844 Abs. 3 S. 1 BGB-E: § 844 Abs. 3 S. 1 BGB-E bestimmt, dass der Ersatzpflichtige dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis zu dem Getöteten stand, für das zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten hat (BT-Drucks. 18/11397, S. 12). Die Hinterbliebenen sind anspruchsberechtigt, wenn sie zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis standen. Ein solches liegt regelmäßig vor, wenn Familienangehörige betroffen sind (z.B. Ehegatte, Lebenspartner, Eltern oder Kinder des Getöteten). Für die eben aufgeführten Familienangehörigen enthält § 844 Abs. 3 S. 2 BGB-E eine gesetzliche Vermutung des besonderen persönlichen Näheverhältnisses. Andere Personen können unter Umständen auch anspruchsberechtigt sein. Sie müssen aber die Umstände, aus denen sich dieses Näheverhältnis ergibt, darlegen und ggf. beweisen. Prof. Dr. A. Staudinger 38
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Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Das besondere persönliche Näheverhältnis muss zwischen dem Getöteten und dem Hinterbliebenen bereits zur Zeit der Verletzung bestanden haben. Entscheidend ist die Verletzung des unmittelbar Betroffenen, die unmittelbar zu dessen Tod geführt hat. Tritt der Tod nicht sofort, sondern mit einer zeitlichen Verzögerung als mittelbare Folge einer durch unerlaubte Handlung beigebrachten Körperverletzung ein, so muss das besondere persönliche Näheverhältnis zur Zeit der Körperverletzung bestanden haben. Dabei lehnt sich § 844 Abs. 3 BGB-E an § 844 Abs. 2 BGB an, sodass die hierzu entwickelten Grundsätze zur Auslegung herangezogen werden können (BT-Drucks. 18/11397, S. 13). Prof. Dr. A. Staudinger 39
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Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Zu § 844 Abs. 3 S. 2 BGB-E: § 844 Abs. 3 S. 2 BGB-E enthält eine (widerlegliche) gesetzliche Vermutung für diejenigen Fälle, in denen eine formale familienrechtliche Beziehung zwischen den Hinterbliebenen und dem Getöteten bestand (BT-Drucks. 18/11397, S. 14). Die Hinterbliebenen, die zum Getöteten in einer formalen familienrechtlichen Beziehung nach § 844 Abs. 3 S. 2 BGB-E standen, sollen die Tatsachen, aus denen sich die Existenz eines besonderen persönlichen Näheverhältnisses ergeben, vor Gericht nicht darlegen und gegebenenfalls auch noch beweisen müssen. Diese Vermutung kann der Anspruchsgegner im Einzelfall widerlegen (§ 292 ZPO). Dies betrifft den Fall, dass zwischen dem Getöteten und einem nach § 844 Abs. 3 S. 2 BGB-E privilegierten Anspruchsteller etwa nur noch ein formales familienrechtliches Band bestand oder die Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner getrennt lebten (beachte auch die Voraussetzungen des § 1933 BGB bzw. des § 10 Abs. 3 LPartG). Einem Verwandten, der kein besonderes persönliches Näheverhältnis zu dem Getöteten mehr unterhielt, soll kein unerwarteter Vorteil zukommen. Prof. Dr. A. Staudinger 40
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Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Es sollen ebenso Personen anspruchsberechtigt sein, die mit dem Getöteten zwar nicht in einer formalen familienrechtlichen Beziehung nach § 844 Abs. 3 S. 2 BGB-E standen („Patchwork“-Familien), die tatsächlich gelebte soziale Beziehung in ihrer Intensität aber den in § 844 Abs. 3 S. 2 BGB-E aufgeführten Beziehungen entspricht (BT-Drucks. 18/11397, S. 15). Kritik: Die Länderkammer hat gefordert, den Kreis der Anspruchsberechtigten konkreter zu fassen, damit umfangreiche Beweisaufnahmen zur Aufklärung des Näheverhältnisses vermieden werden können. Die Bundesregierung hält jedoch am ursprünglichen Gesetzesentwurf mit der Begründung fest, dass das Hinterbliebenengeld das seelische Leid entschädigen solle, welches nicht notwendigerweise mit einem bestimmten Verwandtschaftsgrad zusammenhänge (BT-Mitteilung v , hib 189/2017). Prof. Dr. A. Staudinger 41
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Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Gesetzesfolgen Zu beachten ist, dass sich der Gesetzgeber bei der Festlegung der Höhe des Hinterbliebenengeldes an derjenigen Entschädigung orientiert, welche die Gerichte den Angehörigen in der Vergangenheit für die sog. „Schockschäden“ zugesprochen haben. Dabei soll allerdings der Umstand Berücksichtigung finden, dass der Anspruch auf Hinterbliebenengeld keine gesundheitliche Beeinträchtigung voraussetzt und somit ein „Minus“ im Vergleich zum Schockschaden darstellt (BT-Drucks. 18/11397, S. 14). Zudem wird auch ein mitwirkendes Verschulden des Getöteten nach § 846 BGB bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld berücksichtigt. Aufgrund des nicht höchstpersönlichen Charakters des Anspruchs kann dieser übertragen bzw. vererbt werden. Anwendung finden auch die für Schadensersatzansprüche geltenden Verjährungsregeln (30-jährige Verjährungsfrist bei vorsätzlicher Tötung gem. § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB; im Übrigen gilt die dreijährige Regelverjährung nach § 195 BGB und die dreißigjährige Höchstverjährungsfrist nach § 199 Abs. 2 BGB; vgl. BT-Drucks. 18/11397, S. 12). Prof. Dr. A. Staudinger 42
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Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Konkurrenzen Liegen gleichzeitig die Voraussetzungen auf Ersatz eines „Schockschadens“ nach § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 253 Abs. 2 BGB und diejenigen des § 844 Abs. 3 BGB-E vor, genieße der Anspruch auf Ersatz des „Schockschadens“ gegenüber der Forderung auf Hinterbliebenengeld Vorrang, bzw. wird der niedrigere Anspruch (Hinterbliebenengeld) von dem höheren (Schockschaden) konsumiert. (BT-Drucks. 18/11397, S. 12). Der Ansatz des Gesetzgebers ist allerdings abzulehnen (hierzu kritisch Hk-BGB/Staudinger § 844 Rn. 18). Reformbestrebungen i.R.d. OEG Im Hinblick auf die Höhe des Hinterbliebenengeldes ist im weiteren Zusammenhang auf die aktuelle Entwicklung des Opferschutzgesetzes (OEG) hinzuweisen. Infolge des Attentates am Breitscheid-Platz ( ) veröffentlichte der Opferschutzbeauftragte Kurt Beck jüngst den hierzu erstellten Abschlussbericht vom Darin plädierte der Bundesbeauftragte für eine Revision des OEG, da die derzeitigen Entschädigungssummen (bisher je nach Verwandtschaftsgrad oder 5.000€) zu niedrig seien. Daraufhin beschloss der Bundestag zuletzt am das Haushaltsgesetz für das Jahr 2018, wonach Ehe- und Lebenspartner, Kinder sowie Eltern eines durch einen Terroranschlag Getöteten nunmehr statt bislang EUR als Härteleistung erhalten sollen. Geschwister bekommen wiederum statt vormals EUR. 43 Prof. Dr. A. Staudinger
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Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Literaturhinweise Bischoff, Das „neue“ Hinterbliebenengeld, MDR 2017, 739 Burmann/Jahnke, Hinterbliebenengeld – viele Fragen und etliche Antworten, NZV 2017, 401 Fechner, Klare Anspruchsgrundlage für Hinterbliebene, DRiZ 2017, 84 Frank, Das neue Hinterbliebenengeld, FamRZ 2017, 1640 Huber/Kadner Graziano/Luckey, Hinterbliebenengeld, 1. Aufl. 2018 Jaeger, Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld, VersR 2017, 1041 Katzenmaier, Hinterbliebenengeld, JZ 2017, 869 Müller, Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld, VersR 2017, 321 Nugel, Das Hinterbliebenengeld bei Unfällen im Straßenverkehr – eine Herausforderung für die Praxis, ZfSch 2018, 72 Quaisser, Hinterbliebenengeld – Ein Zeichen der Anerkennung seelischen Leids, DAR 2017, 688 Rolfs, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht heute, SGb 2018, 523 Röthel, Deliktische Ansprüche beim Tod eines Menschen, Jura 2018, 235 Schwab, Das versicherungsrechtliche Problem beim Hinterbliebenengeld, DAR 2018, 284 Staudinger, in: Hk-BGB, § 844 Rn. 14 ff. Steenbuck, Das Hinterbliebenengeld, r+s 2017, 449 Wagner, Schadensersatz in Todesfällen - Das neue Hinterbliebenengeld, NJW 2017, 2641 Witschen, Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld bei tödlichen Arbeitsunfällen, JZ 2018, 490 44
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Rechtsprechung zu § 844 Abs. 3 BGB
LG Tübingen, Urt. v – 3 O 108/18 (1) Leitsätze: Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld besteht nur, wenn der Hinterbliebene keinen eigenen Schmerzensgeldanspruch hat. Der Gesetzgeber ist offensichtlich davon ausgegangen, dass der Schmerzensgeldanspruch nach §§ 823, 253 Abs. 2 BGB den Schaden für das zugefügte Leid mit umfasst und diesen konsumiert. Das Gericht kann, wenn der Hinterbliebene als Geschädigter einen Schmerzensgeldanspruch hat, das durch die Tötung hervorgerufene seelische Leid bei der Bemessung des Schmerzensgeldanspruchs berücksichtigen. Bei der Bemessung des Hinterbliebenengeldes ist als „Richtschnur“ ein Betrag i. H. v ,– € heranzuziehen. Weiterhin ist der Gedanke einer Ausgleichs- und eine Genugtuungsfunktion sowie im Einzelfall auch weitere Funktionen wie der Präventionsgedanke zu berücksichtigen. Prof. Dr. A. Staudinger 45
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Rechtsprechung zu § 844 Abs. 3 BGB
LG Tübingen, Urt. v – 3 O 108/18 (2) Leitsätze: Hätte der Gesetzgeber eine gleichförmige Entschädigung gewollt, wäre es ihm unbenommen gewesen, einen konkreten Betrag festzusetzen, wie es in anderen Rechtsordnungen teilweise geschehen ist. Indem der Gesetzgeber dem Gericht aber die Bemessung nach Billigkeit anvertraut, erscheint es konsequent, die hierzu ergangenen Entscheidungen zum Schmerzensgeld analog auf das Hinterbliebenengeld anzuwenden. Dabei mag die Genugtuungsfunktion bei einer verschuldensunabhängigen Haftung oder leichter Fahrlässigkeit in den Hintergrund treten. Das heißt aber nicht, dass diese Funktion nicht in anderen Fällen in die Bemessung des Hinterbliebenengelds einfließen kann. Fundstelle: DAR 2019, 468 m. Anm. Janeczek; beachte außerdem Staudinger DAR 2019 (im Erscheinen) Prof. Dr. A. Staudinger 46
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Rechtsprechung im Zusammenhang mit § 844 Abs. 2 BGB
BGH, Beschl. v – XII ZB 693/14 Leitsätze: Bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit für die Zahlung von Elternunterhalt ist ein von dem Unterhaltspflichtigen zusätzlich geschuldeter Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB als – gemäß § 1609 Nr. 2 BGB vorrangige – sonstige Verpflichtung i. S. des § 1603 I BGB von dessen Einkommen abzuziehen. Auf einen Familienselbstbehalt kann sich der in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebende Unterhaltspflichtige nicht berufen. Ein elternbezogener Grund zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts kann auch darin liegen, dass ein Elternteil das gemeinsame Kind im weiterhin fortdauernden Einvernehmen mit dem anderen persönlich betreut und deshalb voll oder teilweise an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Die Mitwirkung an einer solchen Gestaltung der nichtehelichen Gemeinschaft ist dem Pflichtigen im Verhältnis zu seinen unterhaltsberechtigten Eltern nach Treu und Glauben nur dann verwehrt, wenn sie rechtsmissbräuchlich erscheint (im Anschluss an Senats urteil v – XII ZR 189/04 –, FamRZ 2007, 1081). Fundstelle: FamRZ 2016, 887 m. Anm. Seiler 891; hierzu Löhnig FamRZ 2017, 1558 Prof. Dr. A. Staudinger 47
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Rechtsprechung im Zusammenhang mit Schockschäden
OLG Frankfurt, Urt. v – 6 U 216/16 Leitsätze: Die Angabe eines Mindestbetrages für ein gefordertes Schmerzensgeld setzt dem erkennenden Gericht keine Grenzen nach oben für die Bestimmung des Schmerzensgeldbetrages. In den Entscheidungsgründen eines Urteils sind nur die tragenden Erwägungen, nicht dagegen alle sonstigen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen wiederzugeben. Schockschäden infolge des miterlebten Todes naher Angehöriger, die zu pathologisch fassbaren Gesundheitsbeeinträchtigungen des Miterlebenden führen und über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Hinterbliebene bei der Benachrichtigung eines tödlichen Unfalls eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind, sind ersatzfähig. Fundstelle: VersR 2018, 560 m. Anm. Jaeger Hinweis: Das Gericht hat in dem Verfahren ein Schmerzensgeld von Euro zugesprochen. Prof. Dr. A. Staudinger 48
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Aktuelles zum Tierkauf
Prof. Dr. Ansgar Staudinger Prof. Dr. Ansgar Staudinger 49
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Zu § 476 Abs. 2 BGB EuGH, Urt. v. 13.7.2017 – C-133/16 [Ferenschild]
Leitsätze: Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter sind dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die es erlaubt, dass die Verjährungsfrist für die Klage eines Verbrauchers eine kürzere Dauer als zwei Jahre ab Lieferung des Gutes beträgt, wenn dieser Mitgliedstaat von der in der zweiten dieser Bestimmungen der Richtlinie eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, und wenn der Verkäufer und der Verbraucher für das betreffende gebrauchte Gut eine Haftungsfrist des Verkäufers vereinbart haben, die kürzer als zwei Jahre, nämlich ein Jahr, ist. Fundstelle: JZ 2018, 298 m. Anm. Leenen 284; hierzu auch Augenhofer, in: BeckOGK-BGB, § 476 Rn. 66 ff.; Ball, in: jurisPK-BGB, § 476 Rn ff.; Faust, in: BeckOK-BGB, § 476 Rn. 4; Jaensch jM 2019, 90; Kulke MDR 2018, 1025; Köhler GPR 2018, 37; Papadopoulos/Aslan DAR 2018, 544; Staudinger DAR 2018, 241; Xander AnwZert VerkR 14/2019 Anm. 2. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Zu § 476 Abs. 2 BGB Beachte im weiteren Zusammenhang, insbesondere im AGB-rechtlichen Kontext: Graf von Westfalen, Ersetzung einer missbräuchlichen Klausel durch dispositives nationales Recht? – Spannungsverhältnis zwischen EuGH- und BGH-Judikatur, BB 2019, 67. EuGH, Urt. v – C-96/16 (Rs. Demba), NZM 2018, 1029. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Zu § 476 Abs. 2 BGB Richterspruch gilt auch für Tierkäufe!
Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bezieht sämtliche körperlichen Gegenstände in ihren sachlichen Regelungsbereich ein. Darunter fallen nach Art. 1 Abs. 2 lit. b des Unionsrechtsaktes ebenso Tiere (MünchKommBGB/Lorenz § 474 Rn. 10). Dies werden jedenfalls nicht im Ausnahmekatalog der Vorschrift aufgeführt. § 476 BGB wurde insofern mit Blick auf Tiere nicht überschießend umgesetzt, so dass die Ferenschlid-Doktrin auch auf Tierkäufe zu übertragen ist. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Zu § 476 Abs. 2 BGB Folge der Richtlinienwidrigkeit:
§ 476 Abs. 2 Hs. 2 BGB sollte vom Gesetzgeber überarbeitet werden, um im Einklang mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und dem Richterspruch des Gerichtshofes zu stehen. So könnte man etwa den zweiten Halbsatz streichen und einen neuen Satz 2 und 3 mit folgendem Wortlaut einfügen: „Bei gebrauchten Sachen können die Parteien vereinbaren, dass der Verkäufer nur für einen Mangel haftet, der sich innerhalb eines bestimmten Zeitraumes seit der Ablieferung der Sache gezeigt hat. Dieser Zeitraum darf ein Jahr nicht unterschreiten.“ Diesen Änderungsvorschlag unterbreitete das BMJV gegenüber dem DAV, der sich in seiner öffentlichen Stellungnahme 46/2018 vom hierzu äußerte. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Zu § 476 Abs. 2 BGB Gegenvorschlag des DAV:
Anstelle des vom BMJV neu einzufügenden Satzes 3, schlug der DAV die Erweiterung des § 476 BGB um einen weiteren Absatz 3 vor, welcher seiner Ansicht nach wie folgt lauten sollte: „(3) Bei gebrauchten Sachen können die Parteien, auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen, vereinbaren, dass a. der Verkäufer nur für Mängel haftet, die sich innerhalb einer bestimmten Haftungsfrist seit Ablieferung der Sache gezeigt haben, und/oder b. der Verkäufer nur für Mängel haftet, die dem Verkäufer innerhalb einer bestimmten Rügefrist ab dem Zeitpunkt, in dem sich der Mangel gezeigt hat, angezeigt wurden. Die Haftungsfrist darf ein Jahr und die Rügefrist darf zwei Monate nicht unterschreiten. Eine Versäumung der Rügefrist ist unschädlich, wenn der Mangel vor Ablauf eines Jahres seit der Ablieferung der Sache in einer die Verjährung hemmenden Weise geltend gemacht wurde.“ Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Zu § 476 Abs. 2 BGB Bewertung des Gegenvorschlags:
Im Hinblick auf die vom DAV vorgeschlagene Rügefrist erscheint äußerst fraglich, ob diese den richtlinienkonformen Zustand des § 476 BGB wiederherzustellen vermag. Dem DAV zufolge ist eine vertragliche Rügefrist mit dem Mindestharmonisierungsgrundsatz der Richtlinie vereinbar, da deren Art. 8 Abs. 2 eine strengere Umsetzung im nationalen Recht zulasse. Art. 5 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gestattet den Mitgliedstaaten jedenfalls eine solche Rügefrist von zwei Monaten umzusetzen. Dies gilt ebenso für Art. 12 des aktuellen Vorschlags zur neuen Warenhandelsrichtlinie. Insofern wäre eine Rügefrist mit dem neuen Unionsrechtsakt weiterhin richtlinienkonform vereinbar. Rügefristen im UN-Kaufrecht: „Art. 39 CISG (1) Der Käufer verliert das Recht, sich auf eine Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie dem Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt, in dem er sie festgestellt hat oder hätte feststellen müssen, anzeigt und dabei die Art der Vertragswidrigkeit genau bezeichnet. (2) Der Käufer verliert in jedem Fall das Recht, sich auf die Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie nicht spätestens innerhalb von zwei Jahren, nachdem ihm die Ware tatsächlich übergeben worden ist, dem Verkäufer anzeigt, es sei denn, daß diese Frist mit einer vertraglichen Garantiefrist unvereinbar ist.“ Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Zu § 476 Abs. 2 BGB Ursprünglicher Vorschlag über eine Warenhandelsrichtlinie Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte vertragliche Aspekte des Warenhandels, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, KOM(2017), 637 endg. Die Richtlinie erstreckt sich nicht lediglich auf den Fernabsatz, sondern den gesamten Warenhandel zwischen Unternehmer und Verbraucher! „Art. 14 Fristen Der Verbraucher hat Anspruch auf Abhilfe der Vertragswidrigkeit der Waren, wenn die Vertragswidrigkeit innerhalb von zwei Jahren nach dem für die Feststellung der Vertragsmäßigkeit maßgebenden Zeitpunkt offenbar wird. Gilt nach nationalem Recht für die Ansprüche nach Artikel 9 eine Verjährungsfrist, so darf sie nicht vor Ablauf von zwei Jahren ab dem für die Feststellung der Vertragsmäßigkeit maßgebenden Zeitpunkt enden.“ Hierzu Druschel/Lehmann CR 2016, 244, 251; Papadopoulos/Aslan DAR 2018, 544, 548; Stiegler/Wawryka BB 2016, 903, 907; im Überblick BeckOGK-BGB/Augenhofer, , § 474 Rn. 30 ff. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Zu § 476 Abs. 2 BGB Art. 10 RL-E (Haftung des Verkäufers):
Beachte nunmehr den aktuellen Gegenvorschlag des Rates der Europäischen Union und des Europäischen Parlamentes über eine Warenhandelsrichtlinie, welcher vom Rat jüngst ( ) angenommen wurde (PE-CONS 27/19). Dort ist insbesondere auf die eingefügten Art RL-E hinzuweisen: Art. 10 RL-E (Haftung des Verkäufers): Der Verkäufer haftet dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit, die zum Zeitpunkt der Lieferung der Waren besteht und innerhalb von zwei Jahren nach diesem Zeitpunkt offenbar wird. Unbeschadet des Artikels 7 Absatz 3 gilt dieser Absatz auch für Waren mit digitalen Elementen. Ist im Falle von Waren mit digitalen Elementen im Kaufvertrag die fortlaufende Bereitstellung des digitalen Inhalts oder der digitalen Dienstleistung über einen Zeitraum hinweg vorgesehen, haftet der Verkäufer auch für jede Vertragswidrigkeit des digitalen Inhalts oder der digitalen Dienstleistung, die innerhalb von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt der Lieferung der Waren mit digitalen Elementen eintritt oder offenbar wird. Ist im Vertrag eine fortlaufende Bereitstellung über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren vorgesehen, haftet der Verkäufer für jede Vertragswidrigkeit des digitalen Inhalts oder der digitalen Dienstleistung, die innerhalb des Zeitraums eintritt oder offenbar wird, über den der digitale Inhalt oder die digitale Dienstleistung laut Kaufvertrag bereitzustellen ist. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Zu § 476 Abs. 2 BGB Die Mitgliedstaaten können längere Fristen beibehalten oder einführen als in den Absätzen 1 und 2 vorgesehen. Unterliegen die Abhilfen nach Artikel 13 gemäß nationalem Recht auch einer Verjährungsfrist, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass diese Verjährungsfrist dem Verbraucher ermöglicht, die Abhilfen nach Artikel 13 bei einer Vertragswidrigkeit, für die der Verkäufer gemäß den Absätzen 1 und 2 des vorliegenden Artikels haftet und die innerhalb des in diesen Absätzen genannten Zeitraums offenbar wird, in Anspruch zu nehmen. Ungeachtet der Absätze 1 und 2 des vorliegenden Artikels kann ein Mitgliedstaat nur eine Verjährungsfrist für die Abhilfen nach Artikel 13 beibehalten oder einführen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es diese Verjährungsfrist dem Verbraucher ermöglicht, die Abhilfen nach Artikel 13 bei einer Vertragswidrigkeit, für die der Verkäufer gemäß den Absätzen 1 und 2 des vorliegenden Artikels haftet und die innerhalb des in diesen Absätzen genannten Zeitraums offenbar wird, in Anspruch zu nehmen. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass sich der Verkäufer und der Verbraucher im Falle von gebrauchten Waren auf Vertragsklauseln oder Vereinbarungen über kürzere Haftungszeiträume oder Verjährungsfristen als in den Absätzen 1, 2 und 5 genannt einigen können, sofern diese kürzeren Fristen ein Jahr nicht unterschreiten. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Zu § 476 Abs. 2 BGB Art. 11 RL-E (Beweislast):
Bei Vertragswidrigkeiten, die innerhalb eines Jahres nach dem Zeitpunkt der Lieferung der Waren offenbar werden, wird vermutet, dass sie bereits zu dem Zeitpunkt der Lieferung der Waren bestanden haben, es sei denn, das Gegenteil wird bewiesen oder diese Vermutung ist mit der Art der Waren oder der Art der Vertragswidrigkeit unvereinbar. Dieser Absatz gilt auch für Waren mit digitalen Elementen. Statt der Frist von einem Jahr gemäß Absatz 1 können die Mitgliedstaaten eine Frist von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Lieferung der Waren beibehalten oder einführen. Ist im Falle von Waren mit digitalen Elementen im Kaufvertrag die fortlaufende Bereitstellung des digitalen Inhalts oder der digitalen Dienstleistung über einen Zeitraum vorgesehen, so trägt bei einer Vertragswidrigkeit, die innerhalb des in Artikel 10 Absatz 2 genannten Zeitraums offenbar wird, der Verkäufer die Beweislast dafür, dass der digitale Inhalt oder die digitale Dienstleistung innerhalb des in dem angeführten Artikel genannten Zeitraums vertragsgemäß war. Art. 12 RL-E (Rügeobliegenheit): Die Mitgliedstaaten können Bestimmungen beibehalten oder einführen, nach denen der Verbraucher zur Inanspruchnahme seiner Rechte den Verkäufer innerhalb eines Zeitraums von mindestens zwei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem er die Vertragswidrigkeit festgestellt hat, über diese Vertragswidrigkeit unterrichten muss. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Aktuelle Rechtsprechung zum Tierkauf
Prof. Dr. Ansgar Staudinger Prof. Dr. Ansgar Staudinger 60
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Tierkauf (1) Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v – 12 U 87/17, ZVertriebsR 2018, 387 Leitsatz: Bei einem zum Zeitpunkt der Versteigerung zweieinhalb Jahre alten Hengst handelt es sich um eine gebrauchte Sache im Sinne des § 474 Abs. 2 Satz 2 BGB. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Tierkauf (2) LG Kiel, Entscheidung v , beck-aktuell, becklink Beim Kauf eines kranken Pferdes muss der Käufer dem Verkäufer zunächst eine Nacherfüllungsfrist setzen zur Behebung des gesundheitlichen Mangels oder Nachlieferung eines anderen Pferdes und kann nicht ohne eine solche Fristsetzung zurücktreten. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Equidenpässe bei Pferden
OLG Stuttgart, Urt. v – 7 U 155/16, MDR 2017, 692 Dem Pferdeeigentümer kommt zu Lebzeiten des Tieres auch das automatische Besitzrecht an dem Equidenpass zu. Ein vom Pferd losgelöstes Recht an der Urkunde - mithin auch ein Zurückbehaltungsrecht - kann nicht begründet werden . Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Sonstige Rechtsverhältnisse im Zusammenhang mit Tieren
Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v – 11 U 47/18 Bei einem Pferdeeinstellvertrag kann eine Nebenpflichtverletzung des Stallbetreibers vermutet werden, wenn ein Pferd sich an den Eisenstangen seiner Box verletzt, da die Schadensursache aus dessen Gefahren- und Verantwortungsbereich stammt. Der Stallbetreiber hat diese Pflichtverletzung jedoch nicht zu vertreten, wenn er den Stall mit einer bestehenden FN-Zertifizierung übernommen hat. Allein aufgrund der Vergabe des Prüfsiegels darf davon ausgegangen werden, dass die verlangten Maßstäbe eingehalten wurden. Die Prüfergebnisse sind nur bei offensichtlichen, bei einer Sichtprüfung erkennbaren Mängeln zu hinterfragen. Auch nach Ende der Laufzeit der Zertifizierung darf man sich zunächst weiterhin darauf verlassen, dass der (vermeintlich) ordnungsgemäße Zustand noch fortbesteht. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Aktuelle Rechtsprechung zur Tierarzthaftung
Prof. Dr. Ansgar Staudinger Prof. Dr. Ansgar Staudinger 65
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Tierarzthaftung (1) BGH, Urt. v – VI ZR 247/15, NJW 2016, 2502 Leitsatz: Auch bei der Behandlung eines Tieres durch einen Tierarzt führt ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, regelmäßig zur Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Tierarzthaftung (2) OLG Dresden, Urt. v – 4 U 1028/18, BeckRS 2019, 320 Leitsätze: Auf die Beratungspflichten des Tierarztes vor der Operation eines Pferdes sind die in §§ BGB § 630a ff BGB kodifizierten Grundsätze nicht entsprechend anwendbar. Auch § BGB § 90a BGB erweitert den Umfang der Aufklärungspflichten nicht. Über das Risiko, dass ein narkotisiertes Pferd in der Aufwachbox stürzen und sich hierdurch erheblich verletzen kann, hat der Tierarzt ohne konkreten Anlass nicht aufzuklären. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Versicherungsrechtliche Bezüge
Prof. Dr. Ansgar Staudinger Prof. Dr. Ansgar Staudinger 68
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Gerichtsstand Leitsatz:
BGH, Urt. v – IV ZR 551/15 Leitsatz: § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG erfasst auch Klagen aus einem Versicherungsvertrag, dessen Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, wobei auf deren Sitz im Sinne des § 17 ZPO abzustellen ist. Fundstelle: VersR 2018, 182 m. Anm. Mankowski; ferner hierzu Armbrüster EWiR 2018, 63; Piontek r+s 2018, 113 Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Zu § 1357 BGB BGH, Urt. v. 28.2.2018 – XII ZR 94/17 Leitsatz:
Der Abschluss einer Vollkaskoversicherung für ein Familienfahrzeug der Ehegatten kann ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie i. S. v. § 1357 Abs. 1 BGB sein. Gleiches gilt für die Kündigung eines solchen Vertrags. Fundstelle: NZFam 2018, 327 m. Anm. Löhnig; hierzu auch Eckebrecht NJW 2018, 1315; Gundlach VersR 2018, 1109; Kemper FamRB 2018, 170; Rixecker ZfSch 2018, 514; Scheu jurisPR-IWR 8/2018 Anm. 1; Schwab FamRZ 2018, 675 Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Sachversicherungsrecht (1)
OLG Karlsruhe, Urt. v – 12 U 129/18 Leitsätze: Eine Feststellungsklage muss ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis betreffen. Ein solches liegt auch dann vor, wenn die Verpflichtung des Sachversicherers zur Schadensregulierung nach den Bedingungen der Neuwertentschädigung festgestellt werden soll, der Versicherungsnehmer die Voraussetzungen einer strengen Wiederherstellungsklausel aber noch nicht erfüllt hat. Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein wirtschaftlicher Totalschaden anzunehmen ist, der in der Sachversicherung zur Neuwertentschädigung - statt der Entschädigung auf Reparaturkostenbasis - führen kann. Fundstelle: VersR 2019, 754 Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Sachversicherungsrecht (2)
OLG München, Beschl. v – 14 U 1739/18 Leitsatz: Die Errichtung von drei Fertiggaragen anstelle eines durch Brand zerstörten Schuppens löst in der Feuerversicherung den Anspruch auf Erstattung der ortsüblichen Wiederherstellungskosten im Rahmen der gleitenden Neuwertversicherung bereits deshalb nicht aus, weil es an der Wiederherstellung einer Sache gleicher Zweckbestimmung fehlt. Fundstelle: VersR 2019, 26 Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Sachversicherungsrecht (3)
OLG Oldenburg, Urt. v – 5 U 161/13 Leitsätze: Fällt infolge Blitzschlags eine Alarmanlage aus, deren Zweck es ist, die Lüftungsanlage eines Schweinemaststalls zu überwachen, und kommt es sodann zu einem unbemerkten Ausfall der Lüftungsanlage infolge eines technischen Defekts mit der Folge, dass sämtliche Mastschweine verenden, ist dieser Schaden als versicherte Folge des Blitzschlags nach den ABL 08 zu erstatten. Beruft sich ein Versicherer erst in der Berufungsinstanz auf die Verletzung von Sicherheitsvorschriften, unterliegt dieser Einwand dem Novenausschluss nach § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO, wenn die tatsächlichen Umstände, auf denen der dem VN vorgeworfene Verstoß beruht, streitig sind. Bei einer sich geradezu aufdrängenden Pflichtverletzung des VN kann nicht von fehlender Nachlässigkeit der Partei i. S. d. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO ausgegangen werden. Fundstelle: VersR 2015, 1419 Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Gefahrerhöhung (1) BGH, Urt. v. 10.9.2014 – IV ZR 322/13
Leitsatz: Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 26 Abs. 1 S. 1 VVG wegen vorsätzlicher Gefahrerhöhung gemäß § 23 Abs. 1 VVG setzt das Bewusstsein des Versicherungsnehmers von der gefahrerhöhenden Eigenschaft der von ihm vorgenommenen Handlung voraus. Ein zum Leistungsausschluss führender Vorsatz des Versicherungsnehmers ergibt sich nicht allein aus der Kenntnis der gefahrerhöhenden Umstände. Fundstelle: VersR 2014, 1313 Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Gefahrerhöhung (2) LG Magdeburg, Urt. v. 17.1.2013 – 11 O 111/11
Orientierungssätze: Es besteht keine Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer oder einer seiner Repräsentanten, wenn der Versicherer den Nachweis einer Eigenbrandstiftung nicht geführt hat, weil noch nicht einmal Tatsachen behauptet werden, aus denen sich im Falle des Beweises Indizien für eine Eigen- oder Auftragsbrandstiftung herleiten lassen. Insofern führt der Umstand, dass keine natürliche Brandursache und keine Einbruchsspuren gegeben sind, zu keinem anderen Ergebnis, da dies kein zwingendes Indiz für eine Eigen- oder Auftragsbrandstiftung darstellt. Repräsentant des Versicherungsnehmers kann nur sein, wer befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln. Insofern reicht die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache für eine Repräsentantenstellung nicht aus. Das Einbringen von Stroh und Heu in einen Schweinemastbetrieb stellt keine Gefahrerhöhung dar, weil es sich insofern bereits um eine bei Vertragsschluss bekannte Gefahr handelt, welche somit auch keine Leistungsfreiheit des Versicherers begründen kann. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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Zur Betriebshaftpflichtversicherung
LG Münster, Urt. v – 115 O 169/17 Orientierungssätze: Ist bei den versicherten Risiken im Versicherungsschein unter Gewahrsamsschäden mit Bruchschäden von "kurzfristig geliehenen Sachen" ohne ausdrückliche Nennung von auch "gemieteten" Sachen die Rede, so kann ein Versicherungsnehmer diese Formulierung nur als verkürzte Darstellung verstehen, wenn in dem Bedingungswerk nicht zwischen "geliehen" und "gemietet" unterschieden wird, sich aber als Erläuterung unter dem Oberbegriff "Gewahrsamsschaden" die Aufzählung "gemietet, gepachtet, geliehen oder Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrages" befindet. Darüberhinaus wird im allgemeinen Sprachgebrauch nicht immer zutreffend zwischen "Leihe" und "Miete" im Rechtssinne unterschieden. Es besteht damit Versicherungsschutz in der Betriebshaftpflichtversicherung eines Landwirts, wenn ein zum Einsatz bei der Maisernte gemieteter Traktor beim Einsatz beschädigt wird und im Versicherungsschein als versicherte Risiken auch "Gewahrsamsschäden und Bruchschäden für die Beschädigung von kurzfristig geliehenen Sachen" genannt sind. Prof. Dr. Ansgar Staudinger
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