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Veröffentlicht von:Franka Diefenbach Geändert vor über 6 Jahren
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Levan Tsagareli Ilia State University, Tbilissi, Georgien
Das Subalterne im postsowjetischen Rückblick. Diskursanalytische Betrachtungen zu Nino Haratischwilis Roman Das achte Leben (für Brilka) Levan Tsagareli Ilia State University, Tbilissi, Georgien
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Nino Haratischwili: Das achte Leben (für Brilka) (2014)
eine umfassende Dekonstruktion des georgischen Selbstbildes ideologische Mechanismen hinter den Vorurteilen und Konstruktionen werden entblößt die Thematisierung des in dem Selbstbild unterdrückten „Anderen“ Bloßstellung der innerhalb der Diskursordnung vorherrschenden Hierarchie
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Das „andere“ des Diskurses
Selbstbild verbotene Lyrik, Musik, Literatur und Esoterik Deserteur, Intellektuelle/r und Künstler/in; Begabung, Religiosität und Homosexualität
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Ausgrenzung des „Wahnsinns“ (Sopio Eristawi)
subversiver Impetus im Erscheinungsbild adlige Abstammung, die in Lausanne verbrachten Jugendjahre (im Schweizer Exil), mit der Frauenbewegung in Berührung gekommen verfasst Gedichte Scheidung, eine unabhängige Frau, verkehrt sich in Dissidentenkreisen, Beziehung mit einem Architekten Teilnahme an Ausstellungen, Kelleraufführungen, Lyrikabenden und Frauenversammlungen die „neuen Wunder der Psychoanalyse“, Impressionisten, die symbolistischen Stücke eines Maeterlincks Publikationsverbot „Über diese Scheidung hat sich ganz Tbilissi das Maul zerrissen“ „nicht sonderlich […] gesellschaftsfähig“, „dubiose Frau“ Ihre Freunde - „allesamt pleite und trinkfreudig“ Hysterie und Wahnsinn psychiatrische Klinik
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Marginalisierung der nichtkonformen Haltung
Ida, die erste Liebe Kostja Jaschis aus einer wohlhabenden jüdischen Intellektuellenfamilie aus St. Petersburg Exil nach Paris Traum von der Karriere einer Künstlerin (Pianistin) - gescheitert Liebe zu einem Geiger elendes Dasein viele Bücher, das alte Klavier, der Grammophon das Brüchige, das Verlorene, das leicht Sarkastische ihres Verhaltens und ihrer Redeweise Trostlosigkeit und Hoffnungslosigkeit „Ist das nicht urkomisch, in was für einer Welt wir leben, mein Engel? Die größte Zeitung des Landes nennt dieses Abkommen, ich zitiere: ein Instrument des Friedens. Dabei geht es um zwei Irrsinnige, die sich gegenüberstehen und die Welt für sich und ihre Ideologien missbrauchen, die vor nichts haltmachen, ist das nicht wirklich komisch, Kostja? Zwei Irrsinnige werden es doch nicht zulassen, dass einer von ihnen größer wird als der andere.“ (Hervorh. im Original, 241 f.)
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Verfolgung des Künstlers (Miqa Eristawi)
wegen seiner künstlerischen Tätigkeit der Verfolgung ausgesetzt mit einem Besessenen und Wahnsinnigen verglichen der Rauswurf aus dem Institut, drohende Verwarnungen, Strafen und Berufsverbot der „antisowjetischen Agitation und Propaganda“ beschuldigt verhaftet, Tod in einem Gefängniskrankenhaus
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Verdrängung des „Parasiten“
der Freund Elenes, Aleko sozial beeinträchtigt es nur noch zum Tontechniker gebracht hat ein Möchtegernschriftsteller, der nicht einmal im Schriftstellerverband gelesen wird seine Kurzgeschichten von der Zeitung immer wieder abgelehnt ein geschiedener Ehemann „statt seine Energien in die verhasste Arbeit zu investieren, mit seinen Freunden nächtelang über „das System“ diskutierte und sich raubkopierte Indexfilme bei geschossenen Privatvorstellungen ansah, Gras rauchte und Bier mit Wodka trank“ (887) „Parasit“ genannt
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Verpönung der Homosexualität
Kitty Jaschis Beziehung mit Fred, einer Malerin aus Österreich David, der Lehrer der jungen Nizza einer der hellsten Köpfe seiner Generation und ein vielversprechender Physiker Hang zu verbotenen politischen und philosophischen Schriften vom Forschungsinstitut entlassen unterrichtete in einer Schule am Stadtrand (!) Physik und Mathematik als „Missgeburt“ (973), „pervers“, „krank“, „eine Gefahr für die Gesellschaft“ (974), „Pädarast“ (975) charakterisiert „Heuchler“ und „Lüstling“, „Lügner“ und „Bastard“
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Othering der Religiosität
Freunde Elenes Vollbart, merkwürdige Kleidung und ein schlichtes Holzkreuz auf der Brust Arbeitsverweigerung, Verachtung jeder Art von Besitz und Predigen von einem staatenlosen System Paradoxe Verbindung von Kriminalität , Anarchismus, Hedonismus und Religiosität: die Lektüre verbotener Bücher (z.B. de Sade) bestimmte Haarschnitte und Verkleidung (z.B. Bobhaarschnitt, lackierte Fingernägel, die an den Knien aufgerissenen Jeans) Musikgewohnheiten (z. B. raubkopierte Platten von Deep Purple, Pink Floyd oder Stones) gewisse Rituale (z.B. Rauchen von Hasch, Besuche von verschlossenen Filmvorführungen im „Haus des Films“) freie Formen der gemeinschaftlichen Lebens (Ablehnung der Institution der Ehe) Imaginäre Revolte: „die Küchengespräche, übermäßigen Alkoholkonsum und Selbststilisierung“ (728) „kriminelle Freunde“ (739), „Schmarotzertum“ und „religiöse Agitation“
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Bestrafung der Flucht Andro Eristawi, Deserteur
Als schwächlich und zerbrechlich, nett und rücksichtsvoll, selbstgenügsam und nachsichtig charakterisiert keinerlei Ambitionen, lebensfern und verträumt Die Lektüre der Bücher, Rezitation der Gedichte in mehreren Sprachen und das Anfertigung von Figuren aus Holz Traum, nach Wien zu führen in der georgischen Legion Deportiert und in ein Arbeitslager verschleppt das elende Leben eines verfolgten, gescheiterten, zutiefst traumatisierten Menschen als Verräters gebrandmarkt
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Schlüsse Überlaufen, Intelligenz, künstlerische und sonstige Begabung, Religiosität und Homosexualität als subalterne (Spivak) Eigenschaften Den Figuren Deserteur, Intellektuelle/r, Künstler/in, Gläubige/r und Homosexuelle/r - die „Stimme“, d.h. jegliches Recht auf Selbstrepräsentation innerhalb des herrschenden Diskurses verweigert. Diese subalternen Elemente sind Bestandteile eines Fremdbildes, dessen einzelne Erscheinungen bestraft, verfolgt oder verdrängt werden. Die Marginalisierung des Fremdbildes lässt die Hauptmerkmale des sowjet-georgischen Selbstbildes – die Unbeweglichkeit, Durchschnittlichkeit des Intellekts und der Begabung, Atheismus, Heteronormativität – deutlich hervortreten und als alternativlose Normen erscheinen. Die Thematisierung des innerhalb der Diskursordnung unterdrückten, als subaltern manifestierten „Anderen“ dient dazu, das idealisierte sowjet-georgische Eigenbild zu relativieren. Damit richtet sich Nino Haratischwilis Roman gegen den georgischen Ethnozentrismus und regt die Leser zu einer kritischen Reflexion über die im georgischen Denken etablierte und unreflektierte Wahrnehmung der sowjetischen Vergangenheit an.
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