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Sozialraum Gemeinwesen Sozialplanung.

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Präsentation zum Thema: "Sozialraum Gemeinwesen Sozialplanung."—  Präsentation transkript:

1 Sozialraum Gemeinwesen Sozialplanung

2 Sozialraumorientierung als Fachkonzept Sozialer Arbeit
Marcus Hußmann u.a. 2017 In der breiten, mittlerweile sehr unübersichtlichen Diskussion um Sozialraumorientierung in der Kinder- und Jugendhilfe werden im Sinne eines inhaltlich-konzeptionellen Kerns immer wieder folgende Elemente betont, welche das Spezifische dieses Handlungskonzeptes ausmachen:

3 Sozialraumorientierung als Fachkonzept Sozialer Arbeit
Marcus Hußmann u.a. 2017 1. Konsequenter Ansatz am Willen und an den Interessen der Adressat*innen: Sozialraumorientierte Kinder- und Jugendhilfe nimmt ihren Ausgang bei den Sichtweisen, Interessen und den Willen der Adressat*innen. Betont wird in diesem Zusammenhang die Bedeutung einer entsprechenden fachlich-reflexiven Haltung auf Seiten der Fachkräfte, die gekennzeichnet ist durch das Bemühen herauszufinden, was der jeweilige (leistungsberechtigte) Mensch will, und einer Kommunikation, die einen darauf gerichteten, von gegenseitigem Respekt getragenen Austausch ermöglicht. Zudem meint Orientierung am Willen der Adressat*innen nicht (nur), ihren Wünschen zu entsprechen. Vielmehr soll Hilfe an die Veränderungsbe-reitschaft der Adressat*innen angesichts belastender Lebenssituationen anknüpfen und aktive, auf die Verwirklichung eigener Interessen und Ziele gerichtete Beiträge systematisch aufgreifen.

4 Sozialraumorientierung als Fachkonzept Sozialer Arbeit
Marcus Hußmann u.a. 2017 2. Aktivierung von Selbsthilfekräften und Eigeninitiative der Adressat*innen: Dieses Prinzip betont die Eigentätigkeit und Selbsthilfe von Adressat*innen bzw. deren Aktivierung und Förderung vor betreuender, expertokratischer und damit bevormundender Hilfe. Sozialstaatliche Leistungen können ihre Wirkung nur dann entfalten, wenn sie anschlussfähig sind an die Eigenkraft der Menschen, denen sie helfen sollen, weil sie zu deren Alltag passen müssen. Grundgedanke ist dabei, im Anschluss an den Willen der Adressat*innen deren Selbstwertgefühl und Handlungsfähigkeit zu befördern und unterstützend zu stärken, ohne ihnen dabei notwendige Hilfeleistungen vorzuenthalten. Vielmehr geht es darum, an den Stärken der Betroffenen anzusetzen und diese gezielt in die Planung und Umsetzung einer Hilfemaßnahme einzubeziehen.

5 Sozialraumorientierung als Fachkonzept Sozialer Arbeit
Marcus Hußmann u.a. 2017 3. Orientierung an personalen und sozialräumlichen Ressourcen der Adressat*innen und deren Nutzung: Personale und sozialräumliche Ressourcen spielen eine wichtige Rolle bei der Planung und Ausgestaltung von Hilfen. Dazu zählen die individuellen, familiären und sozialen Ressourcen, Kompetenzen und Beziehungen der Betroffenen ebenso wie deren Ziele. Darüber hinaus sollen Ressourcen im Sozialraum, d.h. sowohl im Wohnquartier bzw. unmittelbaren sozialen Lebensumfeld der Adressat*innen als auch mit Blick auf bspw. die Gesamtstadt (Nach-barschaften, soziale Infrastruktur, kommunale Dienstleistungen, räumlich-materielle Struktur, Vereine etc.) im Rahmen einer konkreten Hilfe, aber auch zur Unterstützung von Menschen in besonderen Lebenssituationen (Senior*innen, Alleinerziehende, arbeitslose Jugendliche etc.) ermittelt, aktiviert und genutzt werden.

6 4. Zielgruppen-, handlungsfeld- und bereichsübergreifende Arbeit:
Sozialraumorientierung als Fachkonzept Sozialer Arbeit Marcus Hußmann u.a. 2017 4. Zielgruppen-, handlungsfeld- und bereichsübergreifende Arbeit: Eine sozialräumlich ausgerichtete Kinder- und Jugendhilfe (bzw. Soziale Arbeit) verbindet verschiedene Handlungsfelder und (Verwaltungs-)Bereiche mit dem Ziel der Entwicklung und Umsetzung möglichst passgenauer Hilfeleistungen im Einzelfall jenseits von Zuständigkeits- und Finanzierungsgrenzen. Relevant ist die Ermittlung individueller Bedarfe. Gleichzeitig fordert das Prinzip der zielgruppen- und bereichsübergreifenden Arbeit die Entwicklung von Arrangements, an denen sich alle Bürger beteiligen können. Damit ist eine räumliche, d.h. quartiersbezogene wie stadtweite Ebene angesprochen, die auf die Aktivierung, Nutzbarmachung und Verknüpfung unterschiedlicher Ressourcen, Kompetenzen und Strukturen im Interesse von Adressat*innen der Kinder- und Jugendhilfe wie Bewohner*innen eines Stadtteils gerichtet ist.

7 Sozialraumorientierung als Fachkonzept Sozialer Arbeit
Marcus Hußmann u.a. 2017 5.1. Koordination, Kooperation und Vernetzung relevanter Akteure, Einrichtungen und Dienste: Sowohl bezogen auf Einzelfallhilfen als auch mit Blick auf andere Gruppen im Wohnquartier arbeiten Professionelle und andere Akteure aus verschiedenen Handlungsfeldern (der Kinder- und Jugendhilfe) und (Verwaltungs-)Bereichen zusammen, tauschen sich über Entwicklungen im Sozialraum aus, entwickeln und realisieren gemeinsame Projekte, spinnen ein Netz abgestimmter Aktivitäten und Ressourcen zur Unterstützung von Menschen mit Lebensbewältigungsproblemen.

8 Sozialraumorientierung als Fachkonzept Sozialer Arbeit
Marcus Hußmann u.a. 2017 5.2. Koordination, Kooperation und Vernetzung relevanter Akteure, Einrichtungen und Dienste: Das Reden vom „Fall im Feld“ bzw. von der fallübergreifenden und der fallunspezifischen Arbeit findet hier einen seiner zentralen konzeptionellen Bezugspunkte. Kooperation und Vernetzung geht dabei weit über die Zusammenarbeit sozialpädagogischer Fachkräfte hinaus und schließt andere Professionen, Verwaltungsressorts, Wirtschaft, vor allem aber auch den Bereich der Vereine, Verbände, Kirchgemeinden, Initiativen und die nicht organisierten Bürger mit ein.

9 Sozialraumorientierung als Fachkonzept Sozialer Arbeit
Marcus Hußmann u.a. 2017 Diese fünf Maximen oder Prinzipien sozialräumlicher Sozialer Arbeit bzw. Kinder- und Jugendhilfe unterstreichen die gewissermaßen Mehrdimensionalität dieses Handlungskonzeptes: eine Planung, Ausgestaltung und Umsetzung von Einzelfallhilfen bei strenger Orientierung an den Bedarfen und Ressourcen der Adressat*innen sowie der konsequenten Berücksichtigung ihrer Interessen und ihres Willens …

10 … Sozialraumorientierung als Fachkonzept Sozialer Arbeit
Marcus Hußmann u.a. 2017 die Aktivierung und Nutzbarmachung, die Stärkung und den Ausbau von strukturellen und infrastrukturellen Ressourcen sowohl im unmittelbaren Lebensumfeld von Menschen als auch in der Gesamtstadt und die Überwindung von Fachbereichs-, Zuständigkeits- und Maßnahmelogiken auf Seiten der Kinder- und Jugendhilfe bzw. der Sozialen Arbeit wie – Verwaltung, Politik, Sozialplanung – darüber hinaus.

11 Insofern verbindet Sozialraumorientierung Handlungsansätze, die
Sozialraumorientierung als Fachkonzept Sozialer Arbeit Marcus Hußmann u.a. 2017 Insofern verbindet Sozialraumorientierung Handlungsansätze, die auf verschiedenen Ebenen (Steuerung, operative Leitung, Sozialplanung, Einzelfallhilfe) liegen, verschiedene Arbeitsweisen der Sozialen Arbeit (Einzelfallhilfe, Gemeinwesenarbeit, Empowerment, Vernetzung) betreffen, zentrale Maximen der Sozialen Arbeit (soziale Gerechtigkeit, lernende Organisationen, Effektivität und Effizienz) betonen.

12 Sozialraumorientierung als Fachkonzept Sozialer Arbeit
Marcus Hußmann u.a. 2017 Sozialraumorientierung ist ein mehrdimensionaler Handlungsansatz, der immer entsprechendes Mehrebenenhandeln der Sozialarbeiter erforderlich und möglich macht. Ihn kennzeichnet die Orientierung weg von einer defizitorientierten und damit einzelnen Lebensbewältigungsproblemen verhafteten Perspektive hin zur Inblicknahme komplexer Lebenssituationen und Lebenswelten von Kindern und Familien, die Schaffung von Verbindungen zwischen pädagogisch unterstützten Aneignungsprozessen, sozialer und räumlicher Infrastruktur und Gemeinwesenarbeit und die Kenntnis der Möglichkeiten und Grenzen, der Belastungen und Potenziale eines Stadtteils und seiner Bewohner*innen.

13 Sozialraumorientierung als Fachkonzept Sozialer Arbeit
Marcus Hußmann u.a. 2017 Sozialraumorientierung hinterfragt überkommene Strukturen und fachliche Routinen, kritisiert die (übermäßige) Spezialisierung von Leistungsangeboten, nimmt sich expertokratischer Sicht- und Handlungsweisen auf Seiten der Professionellen an, macht Ernst mit Beteiligung, Vernetzung und Kooperation, erschüttert etablierte und darin vermeintlich bewährte Problemwahrnehmungen, irritiert darin vermeintlich ebenso bewährte Reaktionsweisen der Jugendhilfe und stellt damit nicht zuletzt bekannte Grenzen und Abgrenzungen zwischen ihren Handlungsfeldern in Frage.

14 Sozialraumorientierung als Fachkonzept Sozialer Arbeit
Marcus Hußmann u.a. 2017 Streng genommen und darin sehr reduziert bildet das Verhältnis von Prävention und Intervention bzw. dessen konzeptionelle und strukturelle Neubestimmung den Kern des Fachkonzeptes Sozialraumorientierung. Es geht ihm darum, Antworten auf die Frage zu befördern bzw. Wege aufzuzeigen, wie grundsätzlich hilfreiche Potenziale im unmittelbaren Lebensumfeld von Menschen (nicht nur von Adressat*innen) aktiviert und nutzbar gemacht werden können, um die Entstehung von Lebensbewältigungsproblemen und damit Interventionsbedarfen auf Seiten der Kinder- und Jugendhilfe zu vermindern, zu verlangsamen oder zu verhindern.

15 Sozialraumorientierung als Fachkonzept Sozialer Arbeit
Marcus Hußmann u.a. 2017 Auf der anderen Seite geht es um die Nutzbarmachung genau dieser Potenziale, um im Einzelfall passgenaue, adressat*innen- und bedarfsgerechte, und das heißt lebensweltbezogene, Hilfeleistungen zu ermöglichen. Insofern redet Sozialraumorientierung weder der unbedingten Prävention das Wort, noch weist sie die Tatsache von sich, dass gewissermaßen klassische Interventionen der Kinder- und Jugendhilfe im Falle von individuellen Lebensbewältigungsproblemen notwendig sind. Im Fachkonzept Sozialraumorientierung sind Prävention und Intervention vielmehr aufeinander bezogen, ist ihr Verhältnis im Einzelfall immer wieder neu zu bestimmen, was entsprechende Strukturen, Konzepte, Finanzierungsmodalitäten und nicht zuletzt Haltungen voraussetzt.

16 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Folgt man der aktuellen „sozialpädagogischen Rede von der Sozialraumorientierung“, so scheint eines der Hauptprobleme darin zu liegen, wie man das diffuse Gebilde ‚Sozialraum‘ denn am besten mit Zahlen messbar und damit handhabbar machen kann.

17 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 So wird mit unterschiedlichen Konzeptionen von Sozialraum versucht, geografische Einheiten messbar zu machen. Typischer Weise werden dafür anhand sozialökonomischer (und kriminalstatistischer) Daten Sozial- und Kriminalitätsatlanten erstellt, um auf der Basis einer solchen „Sozialkartographie“ möglichst präzise Instrumente der sozialpädagogischen und sozialarbeiterischen Intervention erarbeiten zu können.

18 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Hinter dieser Idee eines in Quadratmeter messbaren Raums steckt aus sozialgeografischer Perspektive die Gefahr der Verdinglichung des Sozialraums. Oftmals wird im aktuellen Sozialraumdiskurs die stadtsoziologische Logik des Schneidens von Territorien anhand von strukturellen ‚objektiven‘ Daten übernommen, ohne dass hinterfragt wird, was dies für Konsequenzen für die Bewohnerinnen und Bewohner hat.

19 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Hinter der stadtsoziologischen Vorgehensweise steht ein Prozess der Verräumlichung bzw. Verdinglichung des Sozialen. Es wird so getan, als ob die räumlichen Einheiten der Stadt, wo soziale Phänomene (insbesondere in Form einer Kumulierung von Problemlagen) auftreten, selbst die Eigenschaft dieser Phänomene besitzen würden.

20 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Durch die Verdinglichung der Sozialen Räume als „Behälterräume“ drohen biografischen Bewältigungsaufgaben sowie Perspektiven von Kindern, Jugendlichen und deren Familien, die ihren Wohnsitz in solchen ‚Sozialraumcontainern‘ haben, in der Unsichtbarkeit zu versinken. Deshalb muss vor jeglicher Verdinglichung des Sozial-raums gewarnt werden.

21 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Aus diesem Grund darf nicht das Konturieren eines einzigen Territoriums betrachtet werden; vielmehr muss jeweils die ganze Stadt bzw. die strukturellen gesamtgesellschaftlichen Bedingungen in den Blick genommen werden. Denn: wir wissen regelmäßig viel zu wenig über die sozialstrukturelle Entwicklung und Veränderung von Lebenslagen verschiedener Bevölkerungsgruppen in den Städten und ihren Teilräumen.

22 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Die Folgen des Strukturwandels der kapitalistischen Arbeitsgesellschaft - die gespaltene Stadt Bislang galt die Stadt als ‚Integrationsmaschine‘, in welcher Menschen mit verschiedener sozialer und kultureller Herkunft eine Möglichkeit fanden dazuzugehören. Herausragendes Merkmal der europäischen Stadt des 20. Jahrhunderts war und ist, dass sich zwischen soziale Ungleichheit und Wohnbedingungen ein Puffer schob, der die Verdoppelung von Benachteiligung durch sozialräumliche Ausgrenzung verhinderte.

23 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Im Kontext des Strukturwandels der Arbeitsgesellschaft, im Rahmen des „digitalen Kapitalismus“ und in Abgrenzung zum industriellen Kapitalismus geht es immer mehr um (versperrte) Zugänge zur Arbeit. Damit droht die Stadt die integrative Kapazität zu verlieren, da der Mithaltedruck für immer mehr Bewohner*innen ständig ansteigt und immer mehr Menschen „überflüssig“ werden.

24 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Die Konfliktpotenziale, welche sich aus der Entwicklung ergeben, bewirken eine Spaltungstendenz der Städte. Der wirtschaftliche Strukturwandel führt zu einer Polarisierung von Regionen und Städten in solche, in denen weiterhin die Wachstumsperspektive dominiert, und in solche, wo Tendenzen ökonomischer Stagnation und sozialer Marginalisierung deutlicher hervortreten. Zum anderen führt der Strukturwandel zu einer Polarisierung innerhalb der Städte, indem sich soziale Unterschiede verschärfen und sozialräumlich deutlich sichtbar werden.

25 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Es kommt zunehmend zu einer räumlichen und sozialen Polarisierung der Bevölkerung der Städte und letztlich der Stadt selbst. Das (im Falle von Deutschland seit den 1970er Jahren) erneute Auseinanderdriften von Chancen im Arbeits- und Wohnungsmarkt, der Erreichbarkeit öffentlicher Einrichtungen und des Angebots an (Aus )Bildungschancen führt zu einer Spaltung der Bewohner einer Stadt.

26 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 In einer globalen Wirtschaft geht es um die internationale Konkurrenz der Produktionsstandorte. Damit muss sich eine Stadt auf dem internationalen Markt behaupten und sich auf den internationalen Wettbewerb einlassen. Nach Sassen (1996) erhalten die Städte innerhalb des Geflechts der globalisierten Ökonomie die Rolle von Katalysatoren, indem sich transnationale Firmen in den Städten niederlassen können, um die internationalen Personal-, Kapital- und Warenströme zu organisieren. Die Stadt ist dafür verantwortlich, eine Umwelt bereitzustellen, die für Unternehmensgründungen und -ausdehnungen förderlich ist. Es geht da-bei um die Frage, was die Städte für die Unternehmen leisten.

27 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Die so genannte ‚unternehmerische Stadt‘ ist nicht mehr eingebunden in eine größere (territoriale oder soziale) Einheit, sondern ist unter globalen Bedingungen der Wirtschaft vielmehr zu sehen als eine Konkurrentin anderer Kommunen, Städte und Regionen in einem globalen Wettbewerb. Die Stadt muss sich auf dem internationalen Markt behaupten und sich als erfolgreiches Produkt anpreisen und verkaufen.

28 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Um dies möglichst erfolgreich und gewinnbringend zu tun, wird eine Politik zur Steigerung der Standortqualität verfolgt. In der heutigen Stadtpolitik geht es darum, ‚den Herausforderungen durch die Globalisierung‘ zu begegnen. Bei der Umsetzung der Standortpolitik lassen sich neue Strategien lokaler (Wirtschafts-)Politik unterscheiden:

29 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 So schließen sich Städte mit Unternehmen zusammen und es kommt zur Privatisierung traditionell öffentlicher Bereiche. Beispielsweise indem die Stadtreinigung oder sogar Krankenhäuser von privaten Firmen übernommen werden und geht soweit, den privaten Sektor damit zu beauftragen, „soziale Probleme“ möglichst effizient und kostengünstig zu lösen.

30 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 In einer erfolgreichen Stadtpolitik zur Herstellung eines positiven Geschäftsklimas müssen zunehmend die ‚weichen‘ Standortfaktoren gefördert werden. Bei weichen‘ Standortfaktoren geht es um die Steigerung der Attraktivität eines Standortes. Hierzu zählen beispielsweise Bemühungen um die Ansiedlung privater Kultur- und Freizeit-einrichtungen, welche als ‚Inszenierung‘ von ‚Kultur‘, resp. ‚Kulturalisierung‘ der Politik beschrieben wird. Investitionen in Kunst, Subventionen für Theater und Musicalanbieter, die Unterstützung von kulturellen Großereignissen wie internationalen Kongresse, Ausstellungen, Festivals usw. steigern die Attraktivität einer Stadt.

31 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Im Zusammenhang mit der Förderung der ‚weichen‘ Standortfaktoren ist die Ästhetisierung des Stadtbildes entscheidend. In diesem Zuge werden Innenstädte saniert, alte leer stehende Fabrikanlagen auf originelle Weise umgebaut und multifunktional genutzt, es entstehen neue moderne Bauten, die die Attraktivität der Städte für Touristen und Geschäftsleute steigern sollen. Sowohl die Inszenierung von ‚Kultur‘ als auch die Ästhetisierung des Stadtbildes sind beim Aufbau eines Images entscheidend. Bei der Vermarktung des Produktes ‚Stadt‘ geht es um eine erfolgreiche Werbung und um den Verkauf des Images.

32 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Bei der Schaffung von hochwertigen Zonen u.a. für Gebäude und Geschäfte im IT- und Dienstleistungsbereich kommt es zur massiven Ausdehnung dieser Gebiete innerhalb der Stadt. Die erneute Ausdehnung der städtischen Zentren führt in vielen Fällen zu Konflikten, da sie lange Zeit vernachlässigte Quartiere und Bevölkerungsschichten betrifft.

33 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Bei dieser Art der Stadtpolitik geht es verstärkt um die Macht des einen Teils der Bevölkerung, der seine Interessen wahrnehmen und sich breit machen kann, während der andere weichen muss. Architektur und Raumplanung sind auf diese Verdrängung ausgerichtet und es kommt im Rahmen des postmodernen Städtebaus zur ‚Expandierung und Eroberung‘ von neuen Gebieten der Stadt für Unternehmen, deren Angestellte und privilegierte Bevölkerungsgruppen. Die neuen Formen der Architektur setzen „wachsende gesellschaftliche Macht in die Beherrschung neuen städtischen Territoriums um“.

34 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Zu einem großen Teil der Stadtentwicklungspolitik geht es um die Förderung des Standortes im globalen Wettbewerb. Der hauptsächliche Teil der Energien und Ressourcen wird also auf die Verfolgung der Ziele, die zur Förderung des Standortes dienen, ausgerichtet. Bei der Umsetzung einer Stadtpolitik im aufgezeigten Sinne kommt es zu einer Öffnung der Schere zwischen Arm und Reich.

35 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Die Verdrängungsprozesse von einkommensschwachen Gruppen aus den Altbaugebieten der großen Städte sind darüber hinaus Anzeichen dafür, dass sich mit dem ökonomischen Strukturwandel in den Städten auch die politischen Prioritäten verschoben haben. Die Probleme der Bewohner*innen interessieren die ‚unternehmerischen Stadt‘ nicht. Die konsequente soziale und räumliche Ausgrenzung der Menschen mit sozialen Problemlagen ist die Konsequenz und „hilfreich“ für die Umsetzung der Standortpolitik, da sie das Leben innerhalb der Zentren stören.

36 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Nach Dangschat (1999) ist die soziale und räumliche Ausgrenzung hilfreich für die Sicherung, dass es keinen ernsthaften Widerstand gegen die Interessen des Kapitals gibt. Die soziale Ausgrenzung gelingt durch die immer größeren Einschränkungen der Leistungen und Absicherung des Sozialstaates. Die räumliche Ausgrenzung ist wiederum Voraussetzung dafür, Wohlstand und Reichtum in Seelenfrieden genießen zu können (segregierte und bewachte Wohnviertel, Sicherung des ‚Erlebniseinkaufs‘ und Kommerzialisierung insbesondere des mit moderner Architektur gestylten öffentlichen Raumes).

37 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Durch die ungleiche Verteilung von Macht und Einfluss droht die Stadtentwicklungspolitik sich hauptsächlich auf die so genannte ‚erste Stadt‘ zu konzentrieren. Häußermann und Siebel (1995) sprechen im Rahmen der sozialen und räumlichen Ausgrenzung von einer Dreiteilung der Stadt:

38 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Die ‚erste Stadt‘ ist dabei organisiert hin auf die Konkurrenz mit anderen Metropolen und deshalb ausgerichtet auf die Anforderungen und Bedürfnisse einer international orientierten Schicht von Geschäftsleuten, Kongress- und Messebesuchern. Auf diesen Teil der Stadt konzentriert sich die Entwicklungspolitik der Stadtregierung zunehmend. In diesem Zusammenhang wird die so genannte zweite Stadt als „Versorgungs- und Wohnstadt“ der Mittelschicht gesehen. Schließlich ist die dritte Stadt „die marginalisierte Stadt der Randgruppen, der Ausgegrenzten, der dauerhaft Arbeitslosen, der Ausländer, der Drogenabhängigen und der Armen“.

39 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Die Entwicklung der ersten Stadt geht auf Kosten der dritten, marginalisierten Stadt und in der Stadtpolitik geht es lediglich darum, dass diese Gebiete nicht so groß werden, dass sie eine Bedrohung für die erste Stadt werden könnten. Konflikte, die den ‚sozialen Frieden‘ stören könnten, sollen vermieden werden. In der ‚aus den Augen, aus dem Sinn‘-Taktik geht es aber nicht um ein wirkliches Lösen der Probleme, sondern lediglich um kosmetische Maßnahmen. Der Irrtum besteht „im Glauben, Benachteiligung sei geringer, wenn sie nicht so gut sichtbar ist“.

40 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Die soziale und räumliche Ausgrenzung der Randgruppen führt mehr und mehr zur Entstehung und Verstärkung einer unsichtbaren Mauer, entlang welcher es zu einer Spaltung der Stadt kommt. Durch Architektur und Infrastruktur wird eine unsichtbare Mauer gebaut, die sozial benachteiligte Menschen aus der ‚ersten‘ Stadt verdrängt - ästhetische Codes und dominante Verhaltensweisen symbolisieren in diesem Räumen, wer ‚dazu‘ und wer ‚nicht dazu‘ gehört.

41 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Obdachlose, bettelnde oder sonst wie ‚abweichende‘ Menschen können - wenn sie durch die Ästhetisierung nicht ohnehin abgeschreckt werden - aus diesen Räumen verbannt und ausgegrenzt werden, um den Aufenthalt und das ‚Erlebnis‘ derjenigen nicht zu stören, die durch ihre Umsätze für die notwendige Rentabilität dieser Räume sorgen. Aus der Sicht der ersten Stadt bzw. der damit zusammenhängenden Stadtpolitik geht es vorrangig darum, die ‚Abgehängten‘, ‚Unerwünschten‘ oder ‚Verlierer‘ dieser Entwicklung von diesen Orten fernzuhalten.

42 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 In Städten und Stadtregionen findet eine zunehmende Form der Besitznahme von Raum durch die Sieger ökonomischer Umstrukturierung bei gleichzeitiger Einengung der Verlierer in wenig attraktiven und benachteiligten Räumen statt. Diese Räume sind ihrerseits durch räumliche Konzentrationen weiter struktureller Nachteile gekennzeichnet (Wohnungsnot, Obdachlosigkeit, Unterversorgung in der Nahrungsversorgung, der Bildung und der Gesundheit). Damit ist die Basis für eine weitergehende stadtgesellschaftliche Desintegration und stadtstrukturelle Erosion gelegt.

43 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Die Ausgrenzung aus dem größten Teil städtischer Raumsegmente, aber auch die symbolische Ausgrenzung aus öffentlichen Räumen führt dazu, dass immer mehr Menschen am kulturellen und sozialen Leben nicht teilhaben können. Räumliche Ausgrenzung ist so zweifach wirksam. Zum einen schränkt sie den Zugang zu Orten ein, zum anderen führt sie gleichzeitig zu einer geringeren Beteiligung am sozialen städtischen Leben.

44 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Die Polarisierungstendenzen innerhalb der Sozialstruktur führen zum vermehrten Auseinanderdriften der ersten oder ‚unternehmerischen Stadt‘ und der dritten ‚abge-hängten Stadt‘. Diese Spaltung erhöht sich weiter durch die laufende Einschränkung der Möglichkeiten von sozialen Gruppen aus der ‚überflüssigen Stadt‘, sich den Raum anzueignen.

45 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Es kommt zu einer Verstärkung der sozialen Segregation, da Nutzen und Aneignungsmöglichkeiten von Orten, (Definitions-)Macht über räumliche Ausschnitte der Stadt sowie die Verfügung von sozialen, ökonomischen und kulturellen Ressourcen auseinander driften und immer ungleichmäßiger verteilt sind. Aus diesem Grund werden die sozialen und räumlichen Unterschiede der Städte immer größer. Die Spaltung der Städte schreitet so stetig voran.

46 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Es kommt zu einer anwachsenden Polarisierung zwischen Stadtgebieten. Gebiete, die von einer Bevölkerung mit hohem Einkommen geprägt sind, werden zudem wohlhabender, und Stadtgebiete mit Bewohnern mit geringerem Einkommen weiten sich in der Fläche aus und werden ärmer.

47 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Durch ungleiche Verteilung von Ressourcen sind auch die Chancen der Menschen in der Stadt ungleich verteilt. Diejenigen Bevölkerungsgruppen, die nicht zum Kern von Unternehmern, Managern und hochqualifizierten Fachkräften zählen, lassen sich als Bewohner der ‚Stadt der Verlierer‘ bezeichnen. Diese Bevölkerungsgruppe ist keineswegs homogen, sondern stark fragmentiert und umfasst die unterschiedlichsten Wertvorstellungen, Lebensstile und Kulturen.

48 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Neben zusätzlicher Benachteiligung durch Wohnbedingungen und Wohnumfeldbedingungen (schlechter Zustand der Wohnung, benachteiligende Sozial- und unzureichende Infrastruktur, mangelnde Erreichbarkeit, schlechtes Image („sozialer Brennpunkt“), eingeschränkter Zugang zu öffentlichem und halböffentlichem Raum, sind sozial benachteiligte Stadtgebiete oft von einer schleichenden Abwertung betroffen, die die Situation der Bewohner weiter verschlechtert.

49 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Je stärker sich Stadtteile nach dem sozialen Status unterscheiden, die räumlichen Partizipationsmöglichkeiten ungleich verteilt sind und benachteiligte Menschen sich in bestimmten Stadtgebieten konzentrieren und sich ihre Lebenswelten stärker in diesen Gebieten abspielen, weil sie weder über finanzielle, soziale oder kulturelle Ressourcen verfügen, andere Orte zu nutzen, desto mehr greifen die Folgen dieser Ausgrenzung.

50 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Die räumliche Ausgrenzung in ihrer Gesamtheit wird selber zu einem Faktor, der soziale Ungleichheit und Benachteiligung erzeugt und die Lebenslagen von Betroffenen nachhaltig verschlechtert. Besonders weil räumlich bedingte Ausgrenzungsformen zur sowieso schon durch Mangel gekennzeichneten Lebenssituation erschwerend hinzukommen.

51 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Auf die Erkenntnisse der stadtsoziologischen Diskussion bauen Städteförderungsprogramme wie die „Soziale Stadt“ auf, die sich an die Verlierer der beschriebenen Entwicklungen richten: In den Blick geraten abgehängte städtische Territorien. D. h., Orientierung nicht an bestimmten Zielgruppen, sondern hin zu bestimmten Territorien.

52 Einführende Überlegungen zu städtischen Räumen
Christian Reutlinger, 2009 Diese Strategie liegt seit den 1990er-Jahren im Trend vom wissenschaftlichen und stadtentwicklungspolitischen Diskurs: Das Wohnquartier als sozialräumliche „Einheit“ gewann so einen immer größer werdenden Stellenwert. Insbesondere der „Quartiersansatz“ ging davon aus, dass im überschaubaren Rahmen der Wohnquartiere oft ungenutzte Ressourcen politischer, sozialer und ökonomischer Teilhabe und neue Chancen integrierter Politikansätze vorhanden sind. Dabei stehen neben klassischen ‚Sanierungszielen‘ die Bedürfnisse und die ‚Aktivierung‘ der Bewohner, die Nutzung lokal existierender Ressourcen sowie die Vernetzung wichtiger Akteure im Vordergrund. .

53 Die Rede vom Sozialraum und der wohlfahrtsstaatliche Kontext
Einführende Fragen Was ist mit der Rede vom „sozialen Raum“ gemeint? Wie lassen sich „sozialarbeiterische Handlungsansätze“ mit „sozialen Räumen“ in einen Zusammenhang bringen? Was ist Soziale Arbeit, Was sind die gesellschaftlich-politisch-sozialstaatlichen Bedingungen bzw. Voraussetzungen sozialarbeiterischer und sozialpädagogischer Praxis, Was ist der Gegenstand Sozialer Arbeit, Welche Funktionen und Aufgaben ergeben sich daraus für die Soziale Arbeit?

54 Die Rede vom Sozialraum
Die Orientierung am „Sozialraum“ als konzeptionelle Grundlage hat Konjunktur und erfreut sich gerade auch in der Sozialen Arbeit großer Beliebtheit. Allerdings findet insbesondere in der Praxis der Sozialen Arbeit regelmäßig weder eine Klärung des Begriffes „Sozialraum“ bzw. „Sozialraumorientierung“ statt, noch eine Reflexion der Bedingungen oder der Konsequenzen dieses so unscheinbaren Konzeptes.

55 Vorstellungen vom Sozialraum
Es dominieren Vorstellungen von Sozialräumen, die sich primär auf den geografischen, den physisch-materiellen Raum (Gebäude, Straßen, Stadtteile) beziehen und zugleich auf vermeintlich homogene Gruppen bzw. Bewohner in diesen Räumen. Und es dominieren Vorstellungen von sozialen Räumen, in denen der gesellschaftlich-politisch-sozialstaatliche Kontext ausgeblendet wird. Dabei ist die diskursive Dominanz sozialräumlicher Orientierungen nicht ohne ihre Kontextualisierung im Rahmen neuartiger Formen der (Sozial- und Kriminal)Politik zu verstehen.

56 Wohlfahrtsstaat und Sozialraum
Zu erinnern ist daran, dass wohlfahrtsstaatliche Arrangements immer auch eine staatliche Regulierungsstrategie bedeutet haben. Und es ging folglich gerade auch der Sozialen Arbeit immer darum, die Lebensführung der Einzelnen als Teil der Bevölkerung so zu justieren, dass diese den Anforderungen der industriellen Produktionsprozesse, der kulturell vereinbarten Verhaltensweisen und dem Modell der (klein)familiären Reproduktion gerecht werden (können). Entsprechend musste sich der Einzelne seit jeher (im Rahmen der Homogenisierung menschlicher Lebensführung) den vorherrschenden Normalitätsformen weitgehend anpassen (Normalisierung).

57 Hier wird der Kitt gesucht, der die Gesellschaft zusammen halten soll.
Wohlfahrtsstaat und Sozialraum Mit der Transformation des bisherigen wohlfahrtsstaatlichen Sicherungssystems hin zum neoliberalen/neosozialen aktivierenden Staat wird der Zivilgesellschaft eine bedeutende Rolle in der Regulation des Sozialen zugewiesen und dabei der gesellschaftliche Großraum des Sozialen durch die nahräumliche Gemeinschaft als zentraler Referenz- und Verortungsrahmen gesellschaftlicher Prozesse abgelöst. Hier wird der Kitt gesucht, der die Gesellschaft zusammen halten soll.

58 Wohlfahrtsstaat und Sozialraum
Im Nahraum identifizierte und markierte Einheiten der Familie, der Nachbarschaft oder des Vereins sollen neue kleinformatige Gemeinschaften (Räume der Inklusion) entstehen und damit zugleich zum Bezugspunkt politischer und pädagogischer Programme werden. Innerhalb dieser räumlichen Einheiten sollen Bevölkerungsgruppen aktiviert, also zur Eigenverantwortung motiviert werden.

59 Wohlfahrtsstaat und Sozialraum
So werden soziale Probleme infolge gesellschaftsstruktureller Entwicklungen zunehmend zu räumlichen und/oder individuellen Problemen umdefiniert und damit entpolitisiert. Erwerbslosigkeit, Armut oder fehlende Bildungsmöglichkeiten werden zu Problemen so genannter benachteiligter Bevölkerungsgruppen in bestimmten Quartieren oder Stadtteilen erklärt.

60 Wohlfahrtsstaat und Sozialraum
Durch kleinräumige Aktivierungsstrategien wird eine Aktivierung wechselseitiger Selbsthilfe und Förderung der Selbstkoordinationsfähigkeit der Bewohner innerhalb ihres nahräumlichen Kontextes fokussiert. Ziel ist ein Arrangement informeller Netze zu einem wesentlichen Bestandteil öffentlicher Versorgung: Probleme im Stadtteil sollen immer mehr aus eigener Kraft gelöst werden.

61 Wohlfahrtsstaat und Sozialraum
Die (Re-)Aktivierung sozialer Bindemittel in kleinen lokalen Gemeinschaften wird in vielen Politikbereichen gefordert. Auch soziale Ungleichheit soll mit dieser Strategie behoben werden. Mit der Implementierung von Stadtentwicklungsprogrammen und quartiersbezogenen Aktivierungsmaßnahmen wird eine nahraumorientierte Inklusion von Bewohner*innen sogenannter benachteiligter Quartiere angestrebt. Individuelle Eigenverantwortung bzw. subjektive Selbstorganisation wird der Vorrang vor staatlicher Intervention eingeräumt. (…) Staatliche Sicherungssysteme sollen nun weniger versorgen als aktivieren.

62 Sozialraum als „sozialer Brennpunkt“
Zunehmend geraten bestimmte Stadtteile unter eine besondere Beobachtung: sie werden als „benachteiligt“ oder sogar „gefährlich“ beschrieben, das heißt, sie geraten in den Sog einer neuen Stigmatisierung. Außerdem führt dies häufig dazu, dass deren Bewohner als eine homogene Einheit erfasst werden, obwohl ein genauerer Blick schnell zeigt, dass von homogenen Bevölkerungsgruppen keineswegs die Rede sein kann.

63 Sozialraum als „sozialer Brennpunkt“
So werden Sozialräume, in denen ein vergleichsweise hoher Anteil von armen und erwerbslosen bzw. prekär beschäftigten Gesellschaftsmitgliedern oder relativ viele Menschen mit Sozialhilfebezug leben, sozial kartografiert und damit als „benachteiligte Stadtteile“ (oder „soziale Brennpunkte“) identifiziert, und dann häufig einer verstärkten polizeilichen und kriminalpräventiven und vor allem sozialpädagogischen Bearbeitung ausgesetzt.

64 Sozialraum als „sozialer Brennpunkt“
Die aktuelle Rede vom Raum und die damit verbundene Neuordnung des Räumlichen ist nicht weniger als eine Auseinandersetzung darum, wie in Zukunft soziale Zusammenhänge ausgestaltet werden sollen. Die Rede vom Raum und der Kampf um die Neuordnung des Räumlichen meint also immer eine (sozial)politische Auseinandersetzung um die Gestaltung des Sozialen. Solche (konstruierten) Raumordnungen prägen dann die Wahrnehmung und das Handeln der Gesellschaftsmitglieder sowie der sozialpädagogischen Fachkräfte oder der (sozial)politisch Verantwortlichen.

65 Reflexive räumliche Haltung
Allerdings haben vor allem die Arbeiten Foucaults den Blick dafür geschärft, dass Räume bzw. räumliche Anordnungen nicht nur physikalisch-materieller Natur sind, sondern vor allem (politische) Ordnungen gesellschaftlicher Formierungen. Räume in dieser Weise sozialwissenschaftlich zu verstehen, bedeutet sie in Beziehung zu sozialen und politischen Akteuren zu sehen, als Beziehung zwischen physisch-materiellen Orten und den Akteuren im gesellschaftlichen „sozialen Raum“.

66 Reflexive räumliche Haltung
In der Konsequenz bedeutet das zum Einen, Raumbilder als Deutungsmuster zu begreifen, das heißt als (kontingente) Erklärungszusammenhänge, die es den Akteuren erlauben (sollen), soziale Erfahrungen in einen generelleren Sinnzusammenhang zu stellen. Zum Anderen bedeutet das, so entstandene räumliche Ordnungen immer als Ausdruck sozialer Praktiken zu begreifen.

67 Reflexive räumliche Haltung
So sollte das Interesse einer Sozialraumperspektive dem von den Menschen konstituierten Raum der Beziehungen gelten, der Interaktionen und der sozialen Verhältnisse. Mit „Sozialraum“ werden somit der Gesellschaftliche Raum und der menschliche Handlungsraum bezeichnet, das heißt, der von den handelnden Akteuren (Subjekten) konstituierte Raum (und subjektiv erlebte Raum) und nicht nur der verdinglichte Raum (Objekte).

68 Reflexive räumliche Haltung
Für die sozialraumorientierte Soziale Arbeit würde das in der Konsequenz bedeuten, dass sie von den sozialen Beziehungsstrukturen der beteiligten Akteure ausgeht, von deren Handlungsweisen und Konstruktionsprozessen. Raumbezogene Vorgehensweisen, die dies nicht reflektieren, laufen Gefahr zu übersehen, in welchem Kontext sie agieren. Raumbezogene Praktiken müssen hingegen die Macht- und Herrschaftsverhältnisse, in die sie eingebunden sind, realisieren und sich bewusst dazu positionieren (reflexive räumliche Haltung).

69 Reflexive räumliche Haltung
Wichtig für Soziale Arbeit ist also eine reflexive räumliche Haltung. Diese ist sich grundsätzlich der Relevanz der Raumdimension für die Soziale Arbeit bewusst und sucht ihren Ansatzpunkt gerade nicht in einer anzustrebenden Homogenisierung bzw. Normalisierung, sondern im Aushalten von Nicht-Homogenität; sie zielt auf eine Kontextualisierung situationsspezifischer Raumbezüge Sozialer Arbeit und eine explizite (politische) Positionierung der Beteiligten; und sie impliziert einen bewussten und geplanten Umgang mit Komplexität auf der Grundlage einer kollektiven Teilhabesicherung.

70 Reflexive räumliche Haltung
In diesem Zusammenhang ist es wichtig im Rahmen von Sozialraum- und Lebensweltanalysen subjektive Sichtweisen, subjektiven Sinn sowie die von Kindern und Jugendlichen subjektiv konstituierten Räume in den Blick zu nehmen bzw. zu verstehen. Hier geht es darum zu verstehen, wie die Subjekte die Welt und den Sozialraum sowie ihre Lebenswelt erleben, und wo sie Behinderungen einer selbstbestimmten und ausreichend versorgten Existenz erkennen.

71 Reflexive räumliche Haltung
Orte mittelbaren und unmittelbaren Anknüpfens an eingeschränkte und einschränkende, an ausschließende ökonomische, kulturelle, institutionelle Bedingungen, an alte und neue Ungleichheiten und Benachteiligungen, an der Ermöglichung positiver Lebensbedingungen sind die Gemeinwesen und die Sozialräume, als Teil der Lebenswelten der Individuen. Hier sind die Auswirkungen ökonomischer, struktureller, gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge und Ungleichheitsverhältnisse spürbar; hier werden Menschen stigmatisiert und ausgegrenzt; hier sind aber auch erste gestaltende Handlungs-schritte möglich.

72 Reflexive räumliche Haltung
Entsprechend müssen sich sozialpädagogische bzw. sozialarbeiterische Bemühungen dem Gemeinwesen zuwenden, ohne dabei diese Bemühungen räumlich zu begrenzen: die gesellschaftlichen, diskursiven Bedingungen sozialer Ungleichheit, von Benachteiligung und Prozessen sozialer Ausschließung gilt es grundsätzlich – mit dem Ziel der Veränderung – im Blick zu haben. So muss eine subjekt- und lebensweltorientierte sozialräumliche Orientierung Sozialer Arbeit prinzipiell die formale, geografische Bedeutung, die mit dem Begriff des Sozialraums assoziiert wird, überschreiten.

73 Reflexive räumliche Haltung
Das Ziel der Verwendung von Verfahren der qualitativen Sozialforschung durch Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen im Kontext sozialraumorientierter Lebensweltanalysen im Rahmen von Konzeptentwicklung oder im Rahmen von Jugendhilfeplanung muss daher sein, über die Erhebung harter Daten wie beispielsweise Bestands- und Infrastrukturdaten hinauszugehen.

74 Reflexive räumliche Haltung
Es gilt ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie die objektiven Gegebenheiten (auch des Sozialraums) individuell erlebt und gedeutet werden, welche Möglichkeiten oder auch Behinderungen Kinder und Jugendliche erkennen… … um in der Konsequenz nicht nur adäquate sozialpädagogische Angebote bzw. Institutionen vorzuhalten, sondern ebenfalls in den diskursiven Arenen auf diese Behinderungen, auf die eingeschränkten und einschränkenden aber auch ausschließenden ökonomischen, kulturellen, institutionellen Bedingungen aufmerksam zu machen und entsprechende Veränderungen zu bewirken.

75 Reflexive räumliche Haltung
Eine so verstandenen Sozialraumorientierung im Rahmen von subjekt- und lebensweltorientierter Sozialer Arbeit darf nicht missverstanden bzw. funktionalisiert werden als „kleinräumige Aktivierungsstrategie“. Vielmehr muss eine so verstandene Sozialraumorientierung in eine Strategie eingebettet sein, die die jeweiligen Sozialräume nicht isoliert betrachtet, sondern als Teil eines ganzen Gemeinwesens, einer Gesamtstadt, einer Gesellschaft. Sozialraumorientierung ist als anspruchsvolles, umfassendes Programm zu formulieren und auszugestalten, dem neben einer Subjekt- und Lebensweltorientierung eine Gemeinwesenarbeit als Arbeitsprinzip zugrunde zu legen ist.


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