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Verfassungsgeschichte der Neuzeit

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Präsentation zum Thema: "Verfassungsgeschichte der Neuzeit"—  Präsentation transkript:

1 Verfassungsgeschichte der Neuzeit

2 Einführung Was ist Verfassungsgeschichte? Wo fangen wir an?
Verfassungsbegriff Rechtliche Grundordnung des Gemeinwesens oder Staatsgrundgesetz Wo fangen wir an? Vormoderne Verfassungsgeschichte Bedeutung der Zeitenwende um 1500 Moderne vergleichende Verfassungsgeschichte

3 Ablaufplan Einführung: Grundzüge der vormodernen Verfassungsgeschichte
England: Besitzbürgertum und Verfassungsgedanke Nordamerika/USA: Rebellion und Pragmatismus Frankreich: Theorie und Revolution Deutschland: Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation Aufgeklärter Absolutismus (in Preußen) Deutscher Bund und Vormärz Die Revolution von 1848 – Paulskirchenverfassung Restauration, Reichsgründung und Spätkonstitutionalismus Weimarer Republik „Verfassung“ der NS-Diktatur Verfassungsentwicklung in Deutschland und Europa nach 1945 Abschlussklausur

4 Literatur Allgemeine Staats- und Verfassungsgeschichte Hans Fenske
Der moderne Verfassungsstaat. Eine vergleichende Geschichte von der Entstehung bis zum 20. Jahrhundert. Paderborn 2001. Werner Frotscher, Bodo Pieroth Verfassungsgeschichte. München, 16. Auflage 2017. Hans Hattenhauer Europäische Rechtsgeschichte. Heidelberg, 4. Auflage 2004. Wolfgang Reinhard Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart. München, 3. Auflage 2003. Friedrich Berber Das Staatsideal im Wandel der Weltgeschichte. Beck, München, 2. Auflage 1978 Manfred Botzenhart Deutsche Verfassungsgeschichte 1806 – 1949, Stuttgart/Berlin/Köln € 16,36

5 Literatur Deutsche Verfassungsgeschichte – Gesamtdarstellungen
Christian-Friedrich Menger Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit. Stuttgart, 8. Auflage 1993. Dietmar Willoweit Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Frankenreich bis zur Wiedervereinigung Deutschlands. München, 7. Auflage 2013. Reinhold Zippelius, Kleine deutsche Verfassungsgeschichte. Vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart. München, 7. Auflage 2013. Ernst Forsthoff Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit. Stuttgart, Nachdruck der 4. Auflage von 1972. € 14,70 Otto Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte. Baden-Baden. 2. Auflage 1987. Gedruckte Quellensammlungen Hans Boldt (Hrsg.) Reich und Länder. Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. München 1987. Arno Buschmann Kaiser und Reich. Teil 1: Vom Wormser Konkordat 1122 bis zum Augsburger Reichsabschied Baden-Baden, 2. Auflage 1994, € 22. Teil 2: Vom Westfälischen Frieden 1648 bis zum Ende des Reiches im Jahre Baden-Baden, 2. Auflage € 22,00 Günter Dürig, Walter Rudolf (Hrsg.) Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte. München, 3. Auflage € 20,50 Hanns Hubert Hofmann (Hrsg.) Quellen zum Verfassungsorganismus des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation 1495 – 1815 (=Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit, 13), Darmstadt € 69,00 Ernst-Rudolf Huber (Hrsg.) Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. 5 Bde. Stuttgart, 3. Auflage € 738,00 Willoweit/Seif (Hrsg.) Europäische Verfassungsgeschichte, München € 59,00

6 Literatur Wissenschaftsgeschichte des Verfassungsrechts
Manfred Friedrich Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft. Berlin 1997. Michael Stolleis Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. Bd. 1: München, 2. Auflage 2012; Bd. 2: München 1992; Bd. 3: München 1999; Bd. 4: München 2002 Ernst Forsthoff Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit. Stuttgart, Nachdruck der 4. Auflage von 1972. € 14,70 Otto Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte. Baden-Baden. 2. Auflage 1987. Gedruckte Quellensammlungen Hans Boldt (Hrsg.) Reich und Länder. Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. München 1987. Arno Buschmann Kaiser und Reich. Teil 1: Vom Wormser Konkordat 1122 bis zum Augsburger Reichsabschied Baden-Baden, 2. Auflage 1994, € 22. Teil 2: Vom Westfälischen Frieden 1648 bis zum Ende des Reiches im Jahre Baden-Baden, 2. Auflage € 22,00 Günter Dürig, Walter Rudolf (Hrsg.) Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte. München, 3. Auflage € 20,50 Hanns Hubert Hofmann (Hrsg.) Quellen zum Verfassungsorganismus des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation 1495 – 1815 (=Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit, 13), Darmstadt € 69,00 Ernst-Rudolf Huber (Hrsg.) Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. 5 Bde. Stuttgart, 3. Auflage € 738,00 Willoweit/Seif (Hrsg.) Europäische Verfassungsgeschichte, München € 59,00

7 Literatur, Quellensammlungen, Hilfsmittel
Ressourcen im Internet - Forum historiae iuris, Internetzeitschrift zur Europäischen Rechtsgeschichte auch mit verfassungsgeschichtlichen Beiträgen. - Server Frühe Neuzeit mit den Internetjournalen Zeitenblicke, Sehepunkte und Kunstform. - Historische Dokumente zu Staatsorganisation, Grund- und Menschenrechten, hrsg. v. Horst Dreier. - Yale Law School, The Avalon Project, Sammlung wichtiger verfassungshistorischer Texte mit Schwerpunkt Menschen- und Bürgerrechte im 18. Jahrhundert.

8 Einführung in die vormoderne Verfassungsgeschichte
Herrschaft, Verfassung und Verfassungsdenken im Hoch- und Spätmittelalter

9 Zeitlicher Überblick Römisches Reich  Weströmisches Reich
 Fränkisches Reich (7. bis 9. Jahrhundert) König Chlodwig (498: Taufe) Karl der Große (768 – 814) 843: Teilung des Reiches (Vertrag von Verdun)  West- und Ostfränkisches Reich  Heiliges Römisches Reich deutscher Nation

10 Ursprung: Fränkisches Königtum
Königsfamilie stammt von göttlichen Mächten ab (Königsheil) Königs“wahl“ durch Adlige Aufgaben: Frieden und Recht

11 Königtum Frieden und Recht Erlangung der Königswürde
Streitschlichtung und Abwehr äußerer Feinde Rechtsspruch Tugend, Gnade, Barmherzigkeit Erlangung der Königswürde Erbe/ Wahl/ Salbung durch Bischöfe (kein einheitliches System) Personale Herrschaftsverhältnisse: Rechtsstellung abhängig von Verhältnis zu König

12 Die Bestimmung des Königs
König grundsätzlich gewählt (gekürt) Wähler ursprünglich alle Adeligen Sachsenspiegel (1220/1231) nennt zwei wahlberechtigte Gruppierungen – Kurfürsten und des riches vursten alle, phaffen unde laien Kurverein von Rhense – 1338: Kurfürsten betonen konstitutive Wirkung ihrer Wahlentscheidung für die Position des Königs. 1356 – Goldene Bulle: Exklusives Wahlrecht allein für die – zu diesem Zeitpunkt - sieben Kurfürsten Reichsfürsten sind im 12. Jahrhundert etwa 90 geistliche und weltliche, mit herzoglicher Stellung ausgestattete reichsunmittelbare Herrscher. Kurverein von Rhense ist auch ein Bündnisvertrag zwischen diesen Fürsten. Andere Fürsten können ihre Mitsprache erst ab dem 15. Jhdt. durch die Einrichtung des Reichstages wieder stärken. Ausschnitt aus einer Prachthandschrift Wenzels – Abdruck bei A. Wolf (1978)

13 Kaisertum Die römische Tradition und die kaiserliche Titulatur
Karl der Große als imperator Romanum gubernans imperium translatio imperii Weltherrschaftsansprüche dignitas (höchste Würde) kaum mehr kaiserliche als königliche Herrschaftsrechte Otto I. als imperator augustus ( Romanorum ac Francorum) Otto II. als imperator Romanorum translatio imperii meint die Übertragung des Kaisertums durch den Papst und impliziert daran anknüpfende Kontrollrechte. – Datenblatt zur mittelalterlichen Geschichte – 476 Absetzung des Romulus Augustulus durch Odoakar – Ende des römischen Westreiches 482 – 511 Chlodwig König der Franken; 498 Taufe Chlodwigs 529/534 Codex Justinianus 533 Institutionen und Digesten 711/732 Arabische Invasion in Spanien/Schlacht bei Poitiers 751 Dynastienwechsel: Der karolingische Hausmeier Pippin wird unter Mitwirkung von Papst Zacharias König der Franken Karl (der Große) Alleinherrscher in Franken 800 Kaiserkrönung Karls durch Papst Leo III. in Rom 843 Vertrag von Verdun: Teilung des Frankenreiches in ein Mittelreich, ein Ost- und ein Westreich 879/880 Verträge von Verdun und Ribemont, Teilung in Ost- und Westfränkisches Reich (D/F), Burgund und Italien. Herrschaft der sächsischen Kaiserdynastie Otto I. (der Große) 96 2Kaiserkrönung Ottos – „Wiederaufrichtung“ des römischen Kaiserreichs Otto III. Herrschaft der salischen Kaiserdynastie 1054 Schisma von West- und Ostkirche 1059 Papstwahlordnung Nikolaus II. ( ) Papst Gregor VII. 1077 Canossagang Heinrichs IV. – Investiturstreit 1095 Synode von Clermont: Beginn der Kreuzzugsbewegung ( ) 1122 Wormser Konkordat Dynastie der Hohenstaufen Friedrich I. (Barbarossa) Innocenz III. Friedrich II. – Sizilianisches Königreich 1215Magna Charta Libertatum 1273 Wahl Rudolf von Habsburgs zum König 1291 Schweizer Eidgenossenschaft 1302 Bulle Unam Sanctam Bonifaz´ VIII. ( ) 1356 Goldene Bulle Abendländisches Schisma 1453 Fall von Konstantinopel/Byzanz Literatur: Einstieg (ausgezeichnete Überblicke): Hermann Kinder, Werner Hilgemann, dtv-Atlas zur Weltgeschichte, Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Französischen Revolution, 33. Auflage München vertiefend: Reinhard Schneider, Das Frankenreich, München 2001; Johannes Fried, Die Formierung Europas 840 – 1046, München 1993; Hermann Jakobs, Kirchenreform und Hochmittelalter, München 1999. Karl der Große, Albrecht Dürer, aus: Karl der Große und seine Zeit, hg. von Enzo Orlandi (1968) S. 2

14 Königtum und Kaisertum
BSB München, Clm 4453 Nur Herrscher der Christenheit oder – wie es der lateinische Titel nahelegt – der ganzen Welt? Wahrscheinlich eine Kombination, wenn man den Kreuzzugs- und Missionsgedanken mit berücksichtigt. Allerdings schloß dies – zumindest ab einem gewissen Zeitpunkt – die Möglichkeit von Verträgen mit nicht christlichen Herrschaftsträgern nicht aus. Auf der Grundlage göttlicher Legitimation und umfassender Schutzbefugnis für die gesamte Christenheit beansprucht der Kaiser, Herrscher der Christenheit zu sein – dominus mundi

15 Die päpstliche Krönung
Spirituelle Legitimierung des Königs (Königsheil) Kaiserkrönung durch den Papst seit Krönung Karls des Großen (800) Streben nach Stärkung gegenüber den starken partikularen Kräften führt zum Streben nach göttlicher Legitimation, die die päpstliche Salbung vermitteln soll. Bild zeigt verm. Leo III. bei der Krönung Karls des Großen.

16 König- und Kaisertum sonstige Herrschaftsrechte
König/Kaiser v. a. oberster Richter Verantwortung für pax et iustitia als Grundlage der Landfriedensnormen Verleihung von Regalien – Herrschaftsrechten: Zoll, Münze, Wegerechte Besetzung der Reichsämter (Magistratus) Landfriedensnormen seit dem 12. Jh. in königlicher Verantwortung.

17 Papst und Kaisertum Kaiserliches Schutzrecht
päpstliche Herrschaftsansprüche: „Konstantinische Schenkung“ Spirituelle (Innocenz III.), und weltliche Kontroll- und Überordnungsansprüche des Papsttums (Bonifaz VIII.). Streit um die Zweischwerterlehre insbesondere Johannes von Paris, 1260 – 1306, De potestate regia et papali, 1302 Seit sog. welfisch-staufischen Thronstreit beansprucht Papsttum (Innocenz III. – ) Prüfungsrecht Hintergrund zur Zweischwerterlehre: Lukas 22.38: Schwer zu deutende Bibelstelle. Es geht im Kontext, kurz nach dem Abendmahl, vor dem Verrat des Judas und der Verleugnung durch Petrus, vor dem Gang nach Gethsemane um die Frage der Zeit nach dem Tode Christi. Christus spricht von der Herrschaft und empfiehlt die Anschaffung eines Schwertes. Darauf die Jünger: „Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter. Er aber sprach zu ihnen: Es ist genug.“ Die daraus entstehende Zweischwerterlehre, deutet diese als Zeichen für weltliche und geistliche Herrschaft. Uneinigkeit bestand allerdings darin, wem diese Schwerter verliehen seien. Im Sachsenspiegel des Eike von Repgow heißt es dazu: „Twei swert let Got in ertrike to bescerme de kristenheit. Dem pavese is gesat dat geistleke, deme keisere dat werltleke“. Die darin liegende Gleichordnung und Trennung der Gewalten wurde allerdings von kirchlicher Seite widersprochen. Der Verfasser des Schwabenspiegels etwa vertrat die Ansicht, Gott habe beide Schwerter den Jüngern und damit dem Papst verliehen und dieser habe das weltliche an den Kaiser nur weiterverliehen. Hieraus resultiert der Investiturstreit, der sich zum einen um die direkte Einsetzung von Kaiser und Papst und zum anderen um die der Bischöfe dreht. Aus: Wolfenbütteler Bilderhandschrift Cod. guelf. 3.1 Aug. 2° fol. 10r

18 Der Investiturstreit Heinrich IV. vs. Gregor VII.
Reichskirchensystem Streit um die Laien-investitur vor allem der Bischöfe Bann Heinrichs und Canossagang Eroberung Roms und Absetzung Gregors Bedeutung der geistlichen Fürstentümer und damit der Investitur liegt vor allem in ihrer nicht Erblichkeit: immer wieder neue Einsetzung und größere Bereitschaft, Eigeninteressen hinter Reichsinteressen zurückzustellen. Besetzung frei gewordener Bistümer aus dem Kreis der Hofkappelane und damit durch dem jeweiligen Herrscherhaus besonders verbundene Personen. Unter Otto I. wird die Hofkapelle zu einem regelrechten Ausbildungszentrum für künftige Reichsbischöfe. Sog. ottonisch-frühsalisches Reichskirschensystem. Das ottonisch-salische Herrscherhaus geht überdies von der Gottunmittelbarkeit der eigenen Legitimation aus, wie sie etwa im Bild Heinrich II. zum Ausdruck kommt, auf dem dieser die Krone durch Jesus selbst aufs Haupt gesetzt bekommt. HEINRICH IV., seit 1056 König in Deutschland, Italien und Burgund, seit 1084 Römischer Kaiser, * in Goslar (?) als Sohn des Kaisers Heinrich III., † in Lüttich, beigesetzt im Dom zu Speyer. - Nach dem Willen des Vaters wurde H. im November 1053 in Trebur (Dorf bei Mainz, im Mittelalter Kaiserpfalz Tribur) zum König gewählt, am gekrönt und 1055 mit Bertha von Turin verlobt. Nach dem frühen Tod H.s III. († ) führte seine Witwe, Agnes von Poitou, für den noch nicht sechsjährigen Sohn die Regierung, erwies sich aber als dieser Aufgabe nicht gewachsen. Darum sann eine Verschwörung der Fürsten auf ihre Entfernung. An ihre Spitze trat Anno II., Erzbischof von Köln (s. d.). Er brachte im April 1062 durch einen Überfall in Kaiserswerth H. in seine Gewalt, entriß der Kaiserin-Witwe das Reichsregiment und wurde der alleinige Reichsverweser. Schon 1063 mußte Anno II. die Erziehung H. und die Reichsverwaltung mit Adalbert I., Erzbischof von Hamburg-Bremen (s. d.), teilen, der auf den jungen König starken Einfluß gewann und Anno II. immer mehr zurückdrängte, zumal nach der am in Worms erfolgten Mündigkeitserklärung Hs. Die Fürsten, an ihrer Spitze Anno II. und Siegfried von Mainz, zwangen im Januar 1066 auf dem Reichstag in Tribun H., Adalbert I. vom Hof zu weisen. Trotz aller Bemühungen gewann Anno II. nach der Verbannung seines Nebenbuhlers vom Hof seinen alten Einfluß auf H. nicht zurück. Im gleichen Jahr vermählte sich der König mit Bertha von Turin und führte die Regierung selbständig. Zur Sicherung seiner territorialen Machtgrundlage legte er im Gebiet des Harzes Burgen an. Es kam 1073 zum Aufstand des sächsischen Adels. Der König, in der Harzburg eingeschlossen, entkam zwar, mußte aber am in dem Vergleich von Gerstungen (bei Eisenach) die Schleifung der Burgen zusagen und den Aufständigen Straffreiheit zusichern. Aus der Kirchenschändung der Harzburg leitete H. das Recht ab, den Heerbann gegen die Sachsen aufzubieten. Mit Hilfe der süddeutschen Fürsten erfocht H. am bei Homburg an der Unstrut den entscheidenden Sieg und damit die bedingungslose Unterwerfung der Sachsen. - Bekannt ist H. durch den Investiturstreit mit Gregor VII. Auf der Fastensynode von 1075 in Rom eröffnete der Papst den Kampf mit dem deutschen Königtum. Auf dieser Synode erließ Gregor VII. das Verbot der Laieninvestitur. (Unter "Investitur" versteht das mittelalterliche kirchliche Recht die Übertragung des Bischofsamts mit seinen geistlichen und weltlichen Rechten durch den König durch Übergabe von Bischofsstab und später auch durch Bischofsring, ebenso die Amtsübergabe bei Äbten königlicher Klöster.) Als der Erzbischof Wido von Mailand 1071 abdankte und 1073 starb, brach ein heftiger Streit aus um die Wiederbesetzung des erzbischöflichen Stuhles. H. ernannte zum Nachfolger Widos den Grafen Gottfried von Castiglione; die "Pataria", eine revolutionäre demokratische Bewegung in Mailand in der Mitte des 11. Jahrhunderts (s. Arialdus), setzte sich für den Kleriker Atto ein. Nach der Niederwerfung des sächsischen Aufstandes mischte sich H. erneut in die Mailänder Angelegenheit ein: er besetzte den Erzstuhl von Mailand und die Bistümer Spoleto und Fermo. Im Dezember 1075 drohte Gregor VII. durch ein Schreiben und eine geheime mündliche Botschaft mit Bann und Absetzung. H. berief auf den nach Worms eine Versammlung ein, die von 26 Bischöfen besucht wurde. Sie sagten Gregor VII. den Gehorsam ab, weil er unrechtmäßig die Papstwürde erhalten habe; das unter Nikolaus II. auf der römischen Fastensynode von 1059 erlassene Papstwahldekret, das dem deutschen König das Recht der Mitwirkung bei der Papstwahl einräumte, sei verletzt worden. H. setzte Gregor VII. ab. Auf der römischen Fastensynode vom 14/ erwiderte der Papst mit Exkommunikation und Absetzung des deutschen Königs und der deutschen und oberitalienischen Bischöfe der vorjährigen Versammlung in Worms und löste die Untertanen vom Treueid. Es war die erste Absetzung eines deutschen Königs durch den Papst. Auf einer Fürstenversammlung in Tribur im Oktober 1076, an der auch päpstliche Legaten teilnahmen, mußte H. versprechen, dem Papst gehorsam zu sein und Genugtuung zu leisten; falls der König bis zum Jahrestag seines Bannes (Jahr und Tag) nicht von ihm gelöst werde, ginge er der Krone verlustig. Gregor VII, wurde auf den zu einem Fürstentag nach Augsburg eingeladen. Als der Papst schon auf der Reise nach Deutschland war, eilte ihm H. entgegen. Mitten im kalten Winter - der zugefrorene Rhein war damals noch bis Anfang April gangbar - kletterte H. mit seiner treuen Gemahlin Bertha und einigen Mannen über die vereisten Alpen, oft auf allen Vieren kriechend, eilends; denn der Jahrestag des Bannes nahte heran. Die Begegnung fand auf der Felsburg Canossa am nördlichen Abhang des Apennin statt. Drei Tage tat H. Kirchenbuße, ohne königlichen Schmuck, barfuß, im grobwollenen Büßergewand (25. bis 27.1.). So begehrte er Wiederaufnahme in die Kirche. Am (wesentlich durch die Vermittlung der Burginhaberin, der Markgräfin Mathilde von Tuszien) sprach ihn Gregor VII. vom Bann los. Das Absetzungsurteil nahm er nicht zurück. Die neuere Forschung betont den in dieser tiefen Selbstdemütigung liegenden politischen Sieg des Königs; doch hatte dessen Erniedrigung schwere Folgen für das mittelalterliche Ansehen des Kaisertums. Trotz der Lösung H.s vom Bann wurde am von den Fürsten in Forchheim bei Nürnberg Rudolf von Schwaben zum Gegenkönig gewählt. Gregor VII. verhielt sich zunächst abwartend. Als aber H. erstarkte, erklärte sich der Papst für Rudolf, erneuerte Bann und Absetzung über H. und löste seine Untertanen vom Treueid. Rudolf fand in einem Gefecht in Hohenmölsen (unweit der Weißen Elster) den Tod. H.s Macht wuchs. Am setzte er Gregor VII. ab. Die Synode zu Brixen wählte am Wibert von Ravenna zum Gegenpapst. H. drang auch in Italien zum Entscheidungskampf mit Gregor VII und 1082 zog der König vergeblich gegen Rom; aber 1083 gelang die Erstürmung der Stadt. Im März 1084 zog H. in Rom ein. Am wurde Wibert als Clemens III. (s. d.) inthronisiert und H. am von ihm zum Kaiser gekrönt. Gregor VII. wartete auf die Hilfe der Normannen. Da zog Robert Guiskard, der Normannenherzog, heran. Der Kaiser, dessen Heer stark zusammengeschmolzen war, mußte sich von Rom zurückziehen. Doch die als Befreier des Papstes erschienen waren, hausten als Feinde in der Stadt. Normannen und Sarazenen aus Sizilien raubten, plünderten und mordeten. Robert ließ die Stadt anzünden und zog unbekümmert um ihr Schicksal wieder zum Süden. In seinem Gefolge befand sich auch der Papst. In Salerno ließ man ihn zurück. In der Verbannung dort ist Gregor VII. am 25. Mai 1085 gestorben. - Die letzten 15 Lebensjahre des Kaisers waren überschattet von der Auseinandersetzung mit seinen Söhnen, die sich mit der Fürstenopposition verbanden. Seit 1090 in Italien, erlebte H den Abfall seines Sohnes Konrad, der 1087 in Aachen zum König gekrönt worden war hielt H. eine Reichsversammlung in Mainz, die Konrad absetzte und den jüngeren Sohn Heinrich zum Nachfolger bestimmte, der 1099 in Aachen gekrönt wurde. Konrad starb 1101 in Florenz. H. V. konspirierte seit 1104 aus Angst um seine Königswürde mit einer Fürstenrebellion im nördlichen Bayern. Der Kaiser wich 1105 nach Köln aus; Heinrich V. zog in Mainz ein. Unter trügerischen Bedingungen setzte der Sohn den Vater in der Burg Böckelheim an der Nahe gefangen. Dann zwang er ihn auf einem Reichstag zu Ingelheim am zur Abdankung. H. aber entkam nach Aachen, wandte sich an die Öffentlichkeit und gewann in Niederlothringen eine große Anhängerschaft. Vor dem Entscheidungskampf starb H. Gregor VII. (ca bis 1085 nach Christus) Er hieß Hildebrand und stammte aus der Toskana, wo er zwischen 1020 und 1025 zur Welt kam. Im Lateran erhielt er eine gute Erziehung und fungierte bis zu seiner Wahl zum Papst (1073) als päpstlicher Legat und Archidiakon. Gregor war Initiator der nach ihm benannten "Gregiorianen Reform", Investiturstreit mit Heinrich IV. versuchte er die päpstliche Zentralgewalt gegen kaiserliche Eingriffe abzusichern und exkommunizierte den König, den er erst durch dessen Bußgang nach Canossa vom Bann löste (1077). Das Wiederaufleben des Investiturstreites führte 1080 zur erneuten Bannung Heinrichs IV., der daraufhin einen Gegenpapst ernannte und sich von diesem 1084 in Rom zum Kaiser krönen ließ. Gregor VII. mußte sich in die Engelsburg zurückziehen, wurde kurz danach von den Römern vertrieben und starb am 25. Mai 1085 in Salerno.

19 „Reichskirche“ Wormser Konkordat 1122 kanonische Wahlen der Bischöfe
Einsetzung zu Herrschaftsträgern aber durch den König durch sog. Szepterlehen Lehensleute des Königs Der Erwählte soll … durch das Zepter die Regalien erhalten, und der soll das leisten, was er Dir [dem König] aufgrund dessen rechtens schuldet Reichskirche wird hier in Anführungszeichen gesetzt, weil es jedenfalls mit dem Aufstieg der Territorialstaaten und der Glaubensspaltung mitten in Deutschland anders als in anderen „Staaten“ Europas eben keine eigentliche Reichskirche gibt. Die Ausfertigung des Wormser Konkordats, aus: Archivio Segreto Vaticano, a cura die Terzo Natalini, Sergio Pagano, Aldo Martini (1991) Tafel 11 S. 75

20 Das Lehenswesen Bsp.: Barbarossa vs. Heinrich der Löwe
König als oberster Lehnsherr: grds. königliche Verleihung des beneficium 1180 Prozeß gegen Heinrich den Löwen: HdL als besonders mächtiger Lehensmann Verweigert die Gefolgschaft nach Italien Erscheint auf Vorladung nicht zum Lehensprozeß Wird seiner Lehen enthoben und muss ins englische Exil gehen Sein Erbe wird in den „Privat-besitz“ wieder eingesetzt. Reichskirche wird hier in Anführungszeichen gesetzt, weil es jedenfalls mit dem Aufstieg der Territorialstaaten und der Glaubensspaltung mitten in Deutschland anders als in anderen „Staaten“ Europas eben keine eigentliche Reichskirche gibt.

21 Kaiser und Reich: Die Kurfürsten
Sachsenspiegel: sieben Kurfürsten genannt (Bischöfe von Mainz, Trier, Köln sowie Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Sachsen, Markgraf von Brandenburg und – allerdings ohne Kürrecht – König von Böhmen) Goldene Bulle (1356) schreibt diesen Kreis dann endgültig fest und sichert den Kurfürsten besondere Privilegien zu – insbesondere privilegia de non appellando et non evocando Inhalt der Goldene Bulle (in wesentlichen Zügen): Regelung der Wahl des Königs durch die Kurfürsten (Vermeidung von Zweifel und Zwist durch eindeutige Rechtsnormen); Mehrheitswahl in Frankfurter Bartholomeuskirche (frist- und formgerecht angekündigt); Reihenfolge der Stimmen (Mainz hat Wahlleitung und ultima vox); Unteilbarkeit der Kurlande; Primogenitur- und Vormundschaftsregelung für die weltlichen Kurhäuser; beim Aussterben eines (weltlichen) Kurhauses Ernennung durch König (außer Böhmen); privilegium de non evocando (d.h. das für den Kaiser geltende Verbot, Verfahren an sich zu ziehen) , de non appellando (d.h. das für die Territorialuntertanen geltende Verbot, die kaiserliche Gerichtsbarkeit anzurufen); für beides gilt allerdings die Ausnahme der Rechtsverweigerung; auch gelten die Privilegien nicht für Böhmen; Gerichtshoheit, das Berg-, Salz-, Zoll- und Münzregal sowie den Judenschutz; Pfahlbürgerverbot; Verbot städtischer Einungen (aber Reservatsklausel: ständeübergreifende Landfriedenseinungen); Absage an die päpstlichen Approbationsansprüche: GB c. 2 § 4: Sofortige Bestätigung der kurfürstlichen Privilegien; rex romanorum in imperatorem promovendus (vgl. Gelöbnisse Karls vor dem Konsistorium 1346) Die drei Bilder der Wolfenbütteler Sachsenspiegelhandschrift illustrieren Landrecht III, 57 § 2. In der ersten Reihe stehen die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln, in der zweiten die weltlichen Kurfürsten: Der Pfalzgraf bei Rhein als Truchseß, der Herzog von Sachsen als Marschall und als Kämmerer der Markgraf von Brandenburg. Sie sind mit den Symbolen ihres Amtes ausgestattet. Die dritte Darstellung zeigt in zwei Fünfergruppen die Masse der "Wähler", die durch ihre auf den König hinweisenden Gesten ihre Zustimmung zur Wahl zu erkennen geben. Quelle: Wolfenbütteler Bilderhandschrift Cod. Guelf. 3.1 Aug. 2° fol. 51r

22 Kaiser und Reich Herzöge – Grafen – Reichsfürsten
urspr. vizekönigliche Herrschaftsträger ausgeprägte Herrschaftsräume Grafen: urspr. königliche Beauftragte Reichsfürsten: herausgehobene Gruppe von Herrschaftsträgern seit dem 12. Jhdt. herausgehobene Position aus kaiserlicher Belehnung (Fahnenlehen für die weltlichen, Szepterlehen für die geistlichen) Territorium Verpflichtung zum obsequium imperii (Reichsdienst) Herzöge: seit dem 12. Jahrhundert lehensrechtliche Beziehung zum König, Tendenz zur Verselbständigung Grafen: später zunehmend ebenso wie Herzöge verselbständigte Herrschaftsträger

23 Die Entstehung der Landesherrschaft
Bereits im 13. Jahrhundert gesteht der Kaiser den weltlichen und geistlichen Reichsfürsten weitgehende Befugnisse in ihren Territorien zu 1220 Confoederatio cum principibus ecclesiasticis 1232 Statutum in favorem principum Erstmals 1232 erscheint dabei der Begriff der Landesherrschaft/des Landesherrn – als dominus terrae Ausdruck dominus kennzeichnet dabei – in Anlehnung an die römischrechtliche Tradition - eine eigentumsähnliche Verfügungsmacht des Landesherrn Beachte: Diese Begrifflichkeit schafft keine neuen Herrschaftsverhältnisse – sie bildet eher einen Spiegel für die Situation des Herrschaftsgefüges im Verhältnis zwischen Kaisertum und lokalen Herrschaftsträgern Das Statut zugunsten der Landesfürsten von 1232 mußte Friedrich II., der Enkel Friedrich I. (Barbarossa), unterschreiben. Es verstärkte die Stellung der Reichsfürsten zu seinen Lasten, sicherte ihm (dem Mann aus Apulien) aber die Königswürde und damit die Möglichkeit der Kaiserkrönung.

24 Die Binnenstruktur der Landesherrschaften im Spätmittelalter
Die Herrschaftsbefugnisse der domini terrae sind ebenfalls von Anfang begrenzt Insbesondere neue Normen und Steuern (beden) können sie ohne den meliorum et maiorum terre consensus nicht erlassen (Reichsweistum 1231) Es entstehen Landtage (Prälaten, Städte, Adel) Beachte die Parallelität des Gegeneinanders von je zwei Polen Kaiser und Reich (Reichsfürsten, Kurfürsten) Landesherr und Landstände

25 Papsttum und Kaisertum Die Modernität der Staatslehre in Krisenzeiten
Marsilius von Padua (verm – 1342) Wird in Padua vermutlich als Sohn eines Notars und Universitätsangestellten geboren. Über seine genauen Lebensumstände ist wenig bekannt (vgl. vor allem Gewirth 1951, 20 ff.). Er studierte zunächst Medizin (und soll als Arzt später auch Ludwig gedient haben), wandte sich aber bald auch philosophischen und rechtlichen Studien sowie einer praktisch politischen Tätigkeit zu. In letzterer Funktion war er Teil einer Gesandschaft Sicher ist, daß er kurzzeitig (1313) Rektor der Universität von Paris war, weil er als solcher urkundlich erwähnt wird. Von Paris aus flieht er, nachdem seine Autorenschaft am Dp bekannt geworden ist, 1326 nach Nürnberg an den Hof Ludwig .... des Bayern. Mit Blick insbesondere auf diesen deutschen Kaiser ist der „Defensor pacis“ geschrieben: „ganz besonders auch im Blick auf Dich, der Du als Diener Gottes diesem Werke endgültige Erfüllung geben wirst, die, so wünscht es, ihm von außen zuteil werden soll, hochberühmter Ludwig, Römischer Kaiser; Dir ist ja aus altem, geradezu ganz besonderen Recht des Blutes und ebenso infolge Deiner einzigartigen heldenhaften Natur und Deiner herrlichen Tatkraft eingeboren und gesichert der Trieb, die Ketzer auszurotten, die Wahrheit des rechten Glaubens und jede wissenschaftliche Lehre zu fördern und zu erhalten, die Laster auszutilgen, den Bemühungen um die Tugend mehr Raum zu schaffen, die Streitigkeiten auszulöschen, Friede und Ruhe überall zu verbreiten und zu nähren; im Blick auf Dich habe ich diese Hauptergebnisse nach einer Zeit sorgfältiger und angespannter Forschung niedergeschrieben in der Überzeugung, aus ihnen könne eine Art Hilfe erwachsen für Deine wachsame Majestät; deren Sorge ist es doch, auf die vorhin beschriebenen Irrungen und andere, die auftauchen, und die Interessen des Staates ihre Aufmerksamkeit zu richten.“ (Teil I, 1. Kap.) werden Marsilius und der von der Kurie als Ko-Autor verdächtigte Johann von Jandun als Ketzer verdammt. Konkreter historischer Hintergrund des Werkes ist die Auseinandersetzung zwischen Ludwig dem Bayern und Papst Johannes XXII., der Ludwig bannt und am aller Herrschaftsrechte für verlustig erklärt. Genau zwischen diesen beiden Daten, nämlich am will Marsilius nach eigener Aussage seinen „Defensor pacis“ vollendet haben. Nachdem er 1326 als Autor der Schrift bekannt wird, muß er aus Paris fliehen und begibt sich mit seinem Kollegen und engen Freund Johann von Jandun, der in päpstlichen Quellen der Zeit als Mitverfasser des Defensors genannt wird, an den Hof Ludwigs. Dort stieg er schnell zu einem der Ratgeber des Königs auf. Unter seinem Einfluß soll sich Ludwig zu dem lange angekündigten Italienzug entschlossen haben. Am zog Ludwig in Rom ein und wurde nach einem vorhergängigen Plebizit des versammelten Volkes zum Kaiser gekrönt. Der Papst seinerseits wurde im April 1328 für abgesetzt erklärt. Nach dem im folgenden einsetzenden Mißerfolg des Romzuges kehrte Marsilius mit Ludwig nach Deutschland zurück. Von seinem weiteren Leben wissen wir wenig. Bekannt sind uns nur einige seiner weiteren Schriften insbesondere eine Art Zusammenfassung des Dp, der sog. „Defensor minus“ und eine Art Auftragsgutachten für Ludwig, eine Stellungnahme im sog. Tiroler .... , in der Marsilius, wie übrigens auch der gleichfalls am Hof weilende Wilhelm von Ockham, das Recht des Kaisers zur Ungültigerklärung der Ehe der .... mit ... von Luxemburg begründete. Mittels dieser Gutachten wurde der Weg geebnet für die „Wiederverheiratung“ mit... Das Werk ist nicht zuletzt eine Streitschrift in der wieder auflebenden Auseinandersetzung zwischen dem Papsttum und dem Kaiser. Ersteres wird von Marsilius als Quelle allen Unfriedens auf eine äußerst polemische Art angegangen und verurteilt. Von der Kirche wird in unverkennbarer Nähe zu Ideen des Franziskanerordens und der sog. „Spiritualen“ eine Beschränkung auf die geistliche Seelsorge und der Verzicht auf jede Einflußnahme auf weltliche Herrschaftsangelegenheiten verlangt. Demgegenüber wird der Staat als vollkommene Gemeinschaft bezeichnet, die sich selbst genüge. In der historischen Interpretation ist dies regelmäßig als (erstmalige?) theoretische Rechtfertigung des absoluten staatlichen Herrschaftsanspruchs insbesondere in der Auseinandersetzung mit der Kurie verstanden worden. Der „Defensor pacis“ gliedert sich in drei Teile, von denen der erste eine allgemeine Staatslehre enthält, während sich der zweite vor allem kritisch mit der Kurie auseinandersetzt und der dritte eine knappe Zusammenfassung wichtiger Thesen bringt. Die hier vor allem interessierende Staatslehre des ersten Teils lehnt sich jedenfalls ihrer eigenen Programmatik nach eng an die wiederentdeckten Schriften des Aristoteles an, der als nicht zu hinterfragende philosophische Autorität wesentliche Argumentationshilfe leisten soll. Im Anschluß an Aristoteles wird der Staat definiert als „vollkommene Gemeinschaft, die volles Selbstgenügen ohne jede Einschränkung besitzt und, wie man daraus schließen muß, also entstanden ist um des Lebens willen, aber um des Gutlebens willen da ist.“ (Teil I, 4. Kap.). Mit Rücksicht auf diese Anlehnung wird Marsilius von Padua vielfach als „homo Aristotelicus“ bezeichnet und der rationalistische und antireligiöse Zug des Werkes betont. Demgegenüber wird allerdings nicht zu Unrecht auf die im Werk gleichfalls zahlreich enthaltenen Bibelzitate und sonstige Hinweise auf das religiöse Schrifttum verwiesen. Die Interpretation des Werkes ist von einer besonderen Gegensätzlichkeit und Widersprüchlichkeit gekennzeichnet. Insbesondere stehen sich eine am progressiv anmutenden Wortlaut orientierte, „modernisierende“, und eine an den historischen Zeitumständen ansetzende Lesart gegenüber. Während erstere den vermeintlich „demokratischen“ und „revolutionären“ Charakter der Staatslehre des Marsilius betont, hebt letztere seine Verwurzelung im religiösen und staatspolitischen Denken seiner Zeit hervor (dazu vor allem Segall 1959). Mit der Papstkritik steht der „Defensor pacis“ nicht allein: schon in den vorangegangenen Auseinandersetzungen zwischen deutschen Kaisern und französischen Königen einerseits und der römischen Kurie andererseits, war eine Flut antikurialer Literatur entstanden. Die antipäpstliche Tendenz des Werkes zeigt sich dabei nicht allein in dem Bestreben, die Kurie aus dem Bereich weltlicher Herrschaftsformen auszugrenzen; auch hinsichtlich der Binnenordnung der Kurie plädiert Marsilius für eine klare Unterordnung des Papstes unter die Beschlüsse des Generalkonzils. Eine Teilverwirklichung dieser Ideen des Marsilius brachte demnach am das Konzil von Konstanz mit der von ihm verkündeten Dogma von der Unterordnung des Papstes unter die Beschlüsse des allgemeinen Konzils. Als Vorbild für die im Dp entwickelte Staatslehre werden vielfach die „Verfassungen“ der oberitalienischen Städte und insbesondere Paduas genannt, die Marsilius sicher in besonderem Maße vertraut waren (vgl. etwa Segall, 1959, 51 ff.). Auch hier war die Kurie ihrer Herrschaftsbefugnisse in weltlichen Angelegenheiten weitestgehend beraubt worden und war eine Herrschaft gewählter und von den sie Wählenden kontrollierter Zunftvorstände entstanden. Die aus heutiger Sicht so demokratisch und revolutionär anmutenden Vorstellungen des Marsilius entpuppten sich vor diesem Hintergrund als Übertragung kommunal-patrizischer Herrschaftsformen auf das Reich (eine These, die insbesondere von Sternberger angezweifelt wird). Das Gemeinwesen, die „civitas“, ist nach Marsilius das Produkt und der Ausdruck des gemeinsamen Wollens seiner Bürgerschaft: „Gesetzgeber ist das Volk (populus) oder die Gesamtheit der Bürger (universitas civium) oder deren einflußreicherer (oder wertvollerer?) Teil (valentior pars)“ (Teil I, Kap. XII § 3). Als besonders problematisch mutet dabei schon auf den ersten Blick der letztere Terminus an, den näher zu bestimmen Marsilius klug unterläßt (zur Absichtlichkeit der ungenügenden Definition Segall 1959, 67). Auch die moderne Forschung hat zu seiner näheren Bestimmung trotz umfänglicher Versuche nichts wesentliches beitragen können (Gewirth 1951, 182 ff.; Segall 1959, 59 ff.). Nicht zu der Gesamtheit der zur Gesetzgebung berechtigten Bürger zählen jedenfalls die Minderjährigen, die Frauen, die Fremden und die Hörigen (Teil I, Kap. XII § 4). Auszüge aus dem Defensor pacis: (hier in der problematischen Übersetzung, insbesondere dem Mehrheitsbegriff, Original kontrollieren) „Dem allein steht die primäre menschliche Vollmacht, Gesetze zu geben oder zu schaffen, schlechthin zu, von dem allein die besten Gesetze ausgehen können. Nun ist das die Gesamtheit der Bürger oder deren Mehrheit, die die Gesamt­heit vertritt. [...] Die Gewalt zur Einsetzung der Regierung oder deren Wahl kommt dem Gesetzgeber oder der Gesamt­heit der Bürger ebenso zu wie ... die Gesetzgebung, ferner jeder Tadel der Regierung, weiter die Absetzung, falls sie für das Allgemein­wohl geboten sein sollte. Denn das ist eine von den wichtigeren Aufgaben im Staate, die der Gesamtheit der Bürger zu­stehen, wie wir aus den Worten des Aristoteles ... geschlossen haben. Das Volk ist nämlich entscheidend in dem Wich­ti­geren, wie es ebenda hieß. Das Verfahren der eben­genannten Einsetzung oder Wahl wechselt vielleicht nach der Ver­schie­denheit der Länder. [...]“ Lupold von Bebenburg (1297 – 1363, Tractatus de juribus regni et imperii Romanorum): Unabhängigkeit des gewählten Königs von päpstlicher Bestätigung. Wilhelm von Ockham (1285 – 1349): Einführung quasigrundrechtlicher Positionen in europäische Geistestradition Marsilius von Padua (1290 – 1342, Defensor pacis, 1327): Legitimation herrscherlicher Macht unabhängig von göttlicher Einsetzung: Die eigentliche Gewalt liegt beim populus – der Herrscher wird gewählt. Inspiration durch die Verfassungspraxis der oberitalienischen Städte. Konziliarismus: Ausgelöst durch die Krise der Kirche im 14. Jahrhundert (Dauerschisma durch Doppelpapsttum in Rom und Avignon) maßgeblicher Theoretiker: Franciscus Zabarella, 1360 – 1417: Gleichordnung und später sogar Überordnung des Konzils

26 Rahmenbedingungen des Verfassungsdenkens
Theologie und Rechtswissenschaften als Leitwissenschaften Theologie: Leitwissenschaft seit etwa dem 13. Jahrhundert Siegeszug der Scholastik Rezeption von Aristoteles insbesondere durch Averroes (*1126 in Córdoba, † in Marokko) wiederentdeckt Höhepunkt: Thomas von Aquin (1225 – 1274) in der Summa Theologiae Kanonistik und Legistik: Seit dem 11. Jahrhundert Wiederentdeckung des römischen Rechts und Aufstieg der Kanonistik – der Wissenschaft vom Kirchenrecht Legistik: Corpus Iuris Civilis in der durch den Codex Florentinus und die littera boniensis überlieferten Form wird zur maßgeblichen Textgrundlage. Decretum Gratiani (um 1140) – Liber Extra 1234 – Liber Sextus 1298 bilden zentrale Textgrundlagen der Debatte.

27 Themen des Verfassungsdenkens Herrschaft und Gemeinschaft
Gemeinschaft wird seit etwa dem 13. Jahrhundert als verselbständigte Größe gesehen. Weniger allerdings in der Legistik – hier Operation mit der universitas, die gleichgesetzt wird mit ihren Mitgliedern. Anders dagegen in der Kanonistik: Unter dem Einfluss der Lehre von der Kirche als corpus mysticum entsteht die Theorie von einer verselbständigten normativen Entität, dem corpus und damit die Grundlagen juristischer Person (vgl. Innocenz IV., † 1254). Grundlegende Konsequenzen: Der Herrscher wird Teil des Corpus und damit zu dessen Organ, verliert also seine Ausnahmestellung. Insbesondere der Papst wird Teil der Kirche und die Möglichkeit entsteht, ihm andere Organe entgegen zu setzen. Mitwirkung aller Beteiligter des Corpus wird denkbar: Die Umformung des Satzes quod omnes tangit zu einer umfassenden Partizipationsregel wird gefördert.

28 Bilanz und Ausblick Ausformung von Herrschaftsstrukturen fast durchgängig gekennzeichnet von bipolaren Spannungsverhältnissen Papst und Kaiser Kaiser und Landesherren Landesherren und Landstände Im Lauf des Spätmittelalters brechen diese Konfliktlinien allmählich auf Land- und Reichsstände werden zu Reichstag und Landtagen Gegensatz Papst und Kaiser rückt in den Hintergrund Gleichrangige Herrschaftsträger organisieren sich zu Gruppen (bündisches Element)

29 Literaturhinweise Allgemein: Vertiefend:
Dietmar Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, §§ 4, 5, 8-14; Egon Boshof, Königtum und Königsherrschaft im 10. und 11. Jahrhundert, München 1993; Günther Theuerkauf, Art. „Reichsfürsten, -stand, -rat“, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte IV, Sp ; Werner Goez, Art. „Zwei-Schwerter-Lehre“, in: Lexikon des Mittelalters IX, S. 725 f. Vertiefend: Oskar Köhler, Die Ottonische Reichskirche. Ein Forschungsbericht, in: Josef Fleckenstein, Karl Schmid (Hrsg.), Adel und Kirche. Gerd Tellenbach zum 65. Geburtstag dargebracht von Freunden und Schülern, Freiburg/Basel/Wien 1968, Karl Heinemeyer, König und Reichfürsten in der späten Salier- und frühen Stauferzeit, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 122 (1986), 1-39. J. H. Burns (Hrsg.), The Cambridge History of Medieval Political Thought, c. 350 – c. 1450, Cambridge 1997 (Sign. Rechtshist. Bibl.: GER VIII J 44), S Kenneth Pennington, The Prince and the Law. Sovereignty and rights in the western legal tradition, Berkeley 1993 (Sign. Rechtshist. Bibl.: GER VIII J 43). Michael Wilks, The Problem of sovereignty in the later Middle Ages, Cambridge 1963 (ULB: 3D 15950) J. A. Watt, Spiritual and temporal powers, in: J. H. Burns (Hrsg.), The Cambridge History of edieval Political Thought c. 350 – c. 1450, Cambridge 1988 (Nd. 1997),


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