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Arbeitsrechtliche Neuerungen

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Präsentation zum Thema: "Arbeitsrechtliche Neuerungen"—  Präsentation transkript:

1 Arbeitsrechtliche Neuerungen
o. Univ.-Prof. Dr. Franz Schrank HRBC Salzburg,

2 1. Teil: Gesetzliche Neuerungen
Schrank, AR-Neuerungen

3 Schrank, AR-Neuerungen
A. Jüngste Neuerungen aufgrund von Initiativanträgen BGBl. I 2017/153 und 154 Schrank, AR-Neuerungen

4 1. Entgeltfortzahlung Krankenstände (1) Inkrafttreten 1.7.2018
Angestellte bekommen materiell das Arbeiter-Entgeltfortzahlungs-System: Kontingent 6 bis 12 Wo 100% plus je weitere 4 Wo 50% pro Arbeitsjahr, auch bei durchlaufenden Krankenstän-den, sowie zusätzlich gesonderte Ansprüche von 8 bzw. 10 Wochen je Arbeitsunfall/Berufskrankheit (bzw. für Folgekrankenstände je Arbeitsjahr). Arbeiter und Angestellte haben (statt nach 5) nach 1 Jahr 8 statt 6 Wochen 100% EF. Umstellung durch KV oder BV vom Arbeits- auf das Kalenderjahr wie bei Arbeitern möglich,nach den Bedingungen des § 8 Abs. 9 AngG. Schrank, AR-Neuerungen

5 1. Entgeltfortzahlung Krankenstände (2) Inkrafttreten 1.7.2018
Zeitenzusammenrechnung § 2 Abs. 3 und 3a EFZG wurde für Angestellte nicht übernommen. Über das Ende des AV hinaus gebührt EF nun auch – für Angestellte und Arbeiter –, wenn das Dienstverhältnis a) „während“ eines Krankenstandes oder b) „im Hinblick auf“ einen Krankenstand einvernehmlich beendet wird (auch in Probezeit?). Erhöhte Teilerstattung 75% statt 50% durch AUVA für KMU bis 10 AN (11-50 AN weiterhin nur 50%). Lehrlinge: Für das Jahreskontingent erhöht sich die 100% EF-Frist je Lehrjahr von 4 auf 8 Wochen plus 4 Wo Teilentgelt, jedoch bleiben die nach Erschöpfung zusätzli-chen 3 Tage 100% und 6 Wo Teilentgelt je KStd aufrecht. Schrank, AR-Neuerungen

6 1. Entgeltfortzahlung Krankenstände (3) Inkrafttreten 1.7.2018
Inkrafttretensregelungen AngG, EFZG, BAG: Inkrafttreten der verbesserten EF , jedoch erst für Dienstverhinderungen, die in nach dem begonnenen Arbeitsjahren (Lehrjahren) eingetreten sind; für zum laufende Dienstverhinderungen ab Be-ginn des Arbeitsjahres (das nach beginnt). Inkrafttreten der EF (AngG, EFZG) bei einvernehmlichen Auflösungen mit , „die eine Auflösung des DV nach dem bewirken.“ Kollektivvertragliche Besserstellungen Ang. beim Grundkontingent (Abs. 1) bleiben aufrecht; solche beim WE-Kontingent (50% bzw. 25%) bis zu Neuregelung. Schrank, AR-Neuerungen

7 2. Sonstige Dienstverhinderungen Arbeiter Inkrafttreten 1.7.2018
§ 1154b Abs. 6 ABGB (also die Abweichungsermächti-gung für Kollektivverträge) entfällt mit Ablauf des , dadurch Gleichstellung der Arbeiter mit Angestell-ten insofern, als ab der Arbeiter-KV nicht mehr unter die gesetzlichen Ansprüche gehen kann (analog § 8 Abs. 3 AngG). Damit entfallen kollektivvertragliche Einschränkun-gen der Ansprüche automatisch ab Auch bei Arbeitern können Kollektivverträge für die Zeit ab nur mehr Besserstellungen gegenüber der gesetzlichen Generalklausel (§ 1154b Abs. 6 ABGB) vorsehen. Bestehende Besserstellungen bleiben! Schrank, AR-Neuerungen

8 3. Internatskosten Lehrlinge: 1.1.2018
Während bisher Lehrlinge die Internatskosten aus der Lehrlingsentschädigung zu finanzieren haben (mit teils beachtlichen kollektivvertraglichen Besserstellungen), hat ab der Arbeitgeber die durch den Aufent-halt in einem für die Schüler der Berufsschule bestimm-ten Schülerheim zur Erfüllung der Berufsschulpflicht ent-stehenden Unterbringungs- und Verpflegskosten zu tragen, ebenso bei Unterbringung in einem anderen Quartier (bis zur Höhe der bei Unterbringung in einem Schülerheim entstehenden Kosten). Diese Kosten dürfen daher nicht mehr von der LE abgezogen werden! Ungünstigere KV-Regelungen seit unwirksam! Die getragenen Internatskosten sind AG über Antrag durch die Lehrlingsstellen zu erstatten (ausgenom-men Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände). Schrank, AR-Neuerungen

9 4. Kündigungszeiten Angestellte 1.1.2018
Die für Angestellte bei Teilzeit unter 1/5 der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Normalarbeits-zeit vorgesehene Ausnahme von den Angestellten-Kündigungszeiten, mit der Folge einer für diesen Personenkreis kurzen Kündigungsfrist von 2 Wochen, ist seit aufgehoben. Damit greifen auch für solche teilzeitbeschäftigte (inklu-sive geringfügig beschäftigte) Angestellten bei allen nach ausgesprochenen Kündigungen die dienstzeitabhängigen langen Kündigungszeiten, dies samt Quartalskündigung, außer es ist bzw. wird 15. oder Letzter eines Kalendermonats vereinbart (geht auch durch Betriebsvereinbarung mit BR) Schrank, AR-Neuerungen

10 5. Kündigungszeiten Arbeiter 1.1.2021 (1)
Die für Angestellte dienstzeitabhängig vorgesehenen Kündigungszeiten 6 Wochen, 2, 3, 4 oder 5 Monate zum Quartalsende bei Arbeitgeberkündigung bzw. die einmonatige Kündigungsfrist zum Monatsletzten bei Selbstkündigung gelten, so der nov. § 1159 ABGB, ab grundsätzlich für alle Arbeiter. Zulässig ist die Vereinbarung der Kündbarkeit zum 15./Letzten statt Quartalsende, soweit dies der KV nicht ausschließt. Schon jetzt für alle Neueinstellungen für die Zeit ab Geltung einzel- oder betriebsvereinbaren? Nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfs verein-barte Dienstverhältnisse können im ersten Monat jeder-zeit mit einwöchiger Kündigungsfrist gelöst werden (ersetzt aber echte Probezeitauflösung nicht). Schrank, AR-Neuerungen

11 5. Kündigungszeiten Arbeiter 1.1.2021 (2)
Die relativ zwingende Neuregelung macht für Arbeiter ungünstigere KV-Bestimmungen (meist nur für die AG-Kündigung) grundsätzlich ab 2021 unwirksam, aber erst für nach dem ausgesprochene Kündigungen. Die Regelung sieht jedoch vor, dass durch Kollektivver-trag „für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs. 6 ArbVG überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden“ können. Diese Abweichungen können auch arbeitnehmerungüns-tiger sein (als die neuen, dem AngG gleichen Zeiten). Bereits jetzt in Saisonbranchen geltende kollektivvertrag-liche Kündigungszeiten bleiben richtigerweise wohl auf-recht (analog Jud. § 19d Abs. 3f AZG). Schrank, AR-Neuerungen

12 Schrank, AR-Neuerungen
B. Sonstige Neuerungen aufgrund von vorher beschlossenen Gesetzen per 1.7., 1.8., bzw oder Schrank, AR-Neuerungen

13 Schrank, AR-Neuerungen
1. „Entschärfung“ des erhöhten ArbVG-Alterskündigungsschutzes für nach dem Eingestellte In § 105 Abs. 3b ArbVG, wonach altersbedingte Schwächen langjähriger An nur bei erheblich nachteilig berührten Interessen herangezogen werden dürfen und die höheren Arbeitsmarkt-probleme Älterer bei der wesentlichen Interessenbe-einträchtigung und beim Sozialvergleich zugunsten des älteren AN zu berücksichtigen sind, wenn bei der Einstellung bereits 50-Jährige über 2 Jahre da sind, entfällt für Einstellungen ab überhaupt, sodass sie auch später nicht greift. Die realen Auswirkungen werden kaum spürbar sein. Schrank, AR-Neuerungen

14 Schrank, AR-Neuerungen
2. Sonstige Änderungen? Mit : b) Familienhospiz bei schwerstkranken Kindern bei medizi-nisch notwendiger Therapie zweimal zu-sätzlich verlängerbar um je 9 Monate c) Förderbare Wiedereingliede-rungsteilzeit (Details Folien 2017) Mit : a) BR-Funktion: Verlängerung auf 5 Jahre bei Konstituierung nach , plus Anpassung Dauer der BR-Bildungs-freistellung je Periode, mittlerweile auch für Behindertenvertrauens-personen (aller Ebenen) erfolgt Schrank, AR-Neuerungen

15 3. Deregulierungsgesetze 2017 3.a Allgemeines per 1.7.2017
Entfall Auflagepflicht von Gesetzen: - AZG, ARG - KA-AZG - BäckAG - MSchG - KJBG, AZ-Aushang auch elektronisch - GlBG - HeimAG - ASchG - BEinstG Schrank, AR-Neuerungen

16 3. Deregulierungsgesetze 3b. Arbeitnehmerschutz per 1.8.2017 (1)
ASchG, v.a.: - Nichtraucherschutz: Rauchverbot für AG und AN in Arbeitsstätten in Gebäuden, wenn Nicht-raucher beschäftigt (ab ) - Arbeitsstäten 1-10 AN (Büros u. Vergleichbares): Begehungen statt 1 x in 2 nur mehr in 3 KJ (1.8.17) ArbIG: Schutzaufforde-rungen des AI an SVP zur Kenntnis, wenn kein BR ( ) AZG und ARG: - Entfall behördlicher Pausenverlängerungen - Entfall Erstmeldungen erlaubter Tätigkeiten nach § 10 Abs. 2 ARG - Außergewöhnliche Fälle (§ 20 AZG, § 11 ARG): Frist zur Meldung an AI 10 statt 4 Tage - Gebührenbefreiung für Meldungen nach § 11 Abs. 2 und 4 ARG - (alles ) Schrank, AR-Neuerungen

17 Dazu: Bisheriger Nichtraucherschutz
Bis Ende April 2018 geltender Text § 30 ASchG: (1) Arbeitgeber haben dafür zu sorgen, dass Nichtraucher vor den Einwirkungen von Tabakrauch am Arbeitsplatz geschützt sind, soweit dies nach der Art des Betriebes möglich ist. (2) Wenn aus betrieblichen Gründen Raucher und Nichtraucher gemein-sam in einem Büroraum oder einem vergleichbaren Arbeitsraum arbeiten müssen, der nur durch Betriebsangehörige genutzt wird, ist das Rauchen am Arbeitsplatz verboten. (3) Durch geeignete technische oder organisatorische Maßnahmen ist dafür zu sorgen, daß in den Aufenthaltsräumen und Bereitschaftsräumen Nichtraucher vor den Einwirkungen von Tabakrauch geschützt sind. (4) In Sanitätsräumen und Umkleideräumen ist das Rauchen verboten. Schrank, AR-Neuerungen

18 Neuer Nichtraucherschutz
Neuer Text § 30 ASchG ab : (1) AG haben dafür zu sorgen, dass nicht rauchende AN vor den Einwirkungen von Tabakrauch am Arbeitsplatz geschützt sind, soweit dies nach der Art des Betriebes möglich ist. (2) In Arbeitsstätten in Gebäuden ist das Rauchen für AG und AN verbo-ten, sofern Nichtraucher/innen in der Arbeitsstätte beschäftigt werden. (3) Ist eine ausreichende Zahl von Räumlichkeiten in der Arbeitsstätte vorhanden, kann der AG abweichend von Abs. 2 einzelne Räume ein-richten, in denen das Rauchen gestattet ist, sofern es sich nicht um Arbeitsräume handelt und gewährleistet ist, dass der Tabakrauch nicht in die mit Rauchverbot belegten Bereiche der Arbeitsstätte dringt und das Rauchverbot dadurch nicht umgangen wird. Aufenthalts-, Bereitschafts-, Sanitäts- und Umkleideräume dürfen nicht als Raucher/innenräume eingerichtet werden. (4) Abs. 1 bis 3 gelten auch für die Verwendung von verwandten Erzeugnissen und Wasserpfeifen im Sinn des Tabak- und Nichtraucher-innen- bzw. Nichtraucherschutzgesetzes – TNRSG, BGBl. Nr. 431/1995. Schrank, AR-Neuerungen

19 3b. Arbeitnehmerschutz (2)
MSchG - Vorzeitiges absolutes Beschäftigungsverbot: -- VO-Diagnosen dazu, -- auch FA-Zeugnisse genügen ( ), dazu Mutterschutz-VO BGBl. II 2017/ Wochengeldvoraus-setzungen angepasst ( ) MSchG - Nachtarbeitsverbot für Theater-AN von 22 auf 24 Uhr gelockert - Sonn- und Feiertags-arbeitsverbot: Ausnahme für vor der Meldung der Schwan-gerschaft ausschließlich an Samstagen, Sonn-tagen oder Feiertagen beschäftigte DN ( ) Schrank, AR-Neuerungen

20 Schrank, AR-Neuerungen
4. AN-Vertreter in Aufsichtsräten Etappe zur Geschlechtergleichbehandlung AktG, GmbHG, SEG, GenG, ArbVG: - Entsendungen AN-Ver-treter in den AR nicht nur für bestellte sondern schon zu bestellende AR-Mitglieder (§ 110 Abs. 1) - In börsenotierten Unternehmen sowie in Unternehmen mit dauernd mehr als 1000 AN müssen ab beide Geschlechter zu mindestens 30% bestehen, sofern der AR aus mi. 6 Mitgl. und die Belegschaft zu mi. 20% aus beiden Geschlechtern besteht. Gleiches und daher beides gilt für die zu entsendenden AN-Vertreter Schrank, AR-Neuerungen

21 5. Lenkprotokoll-Verordnung
Ersetzt ab die bisherige veraltete Fahrtenbuch-Verordnung, doch können 2018 noch die alten persönlichen Fahrtenbücher verwendet werden. Die Lenkprotokolle sind personen- und tagesbezogen zu führen, auch der Einsatz elektronischer Geräte ist gemäß deren § 5 Abs. 4 zulässig. Die Ausnahmen entsprechen im Wesentlichen den bisherigen FB-Ausnahmen, vor allem für PKW und nebenberufliches Lenken von Güterbeförderungs-fahrzeugen bis zu 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht. Schrank, AR-Neuerungen

22 6. SV-Zuordnungsgesetz 1.7.2017: DV, freie DV, WV?
Verfahren zur Klärung 1. aufgrund amtswegiger Sachverhaltsfeststellung (GPLA-Prfg.), 2. bei SV-Anmeldung in Fälle von GKK und SVA bestimmter freier Gewerbe 3. auf Antrag (Versicherte oder Auftraggeber) Direkte Gegenverrechnung SV-Beiträge SVA-GKK bei Umqualifizierungen Abgrenzung zwischen ASVG und GSVG, also v.a. zwischen Werk- und Dienstverträgen Bindungswirkung: - „Ja“ durch GKK und DG bei GPLA bindet auch SVA und Finanz, sonst GKK-Bescheid, auf Dauer des Sachverhalts - SVA muss GKK von Anmeldung verständi-gen und Unterlagen übermitteln Schrank, AR-Neuerungen

23 Schrank, AR-Neuerungen
C. Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) idF Novelle Nicht weniger als 72 §§ mit in Summe beachtlichen Änderungen/Neuerungen im Detail und einem heiklen Verweisungsdschungel Schrank, AR-Neuerungen

24 Schrank, AR-Neuerungen
1. LSD-BG: Novelle Transportwirtschaft: Anpassung der Meldepflichten und Lohnunterlagenbereithaltepflicht bei vorübergehender Entsendung mobiler AN nach Österreich Elektronische Vorausanmeldungen dieser AN (neuer § 19 Abs. 7) für jeweils einen Zeitraum von 6 Monaten (aber Meldung nachträglicher Änderungen) Lohnunterlagen-Bereithaltung (§ 22, Abs. 1a): AV/DZ und Arbeitszeitaufzeichnungen bereits ab Ein-reise in das Bundesgebiet im Fahrzeug bereitzuhalten und bei Kontrolle in elektronischer zugänglich zu ma-chen: Lohnzettel, Zahlungsnachweise oder Überwei-sungsbelege und Einstufungsunterlagen sind auf Ver-langen für Kontroll- und vorangegangen KMonat binnen 14 Tagen ab Ende Kontrollmonat zu übermitteln. Schrank, AR-Neuerungen

25 2. LSD-BG: Komplexes Geltungssystem (1)
Wer ist erfasst? Folgen Zwingendes KV-Entgelt (§ 3) bei LD-Sanktion (§ 29) Falls keine der wenigen Ausnahmen des § 1 (5) oder (6): Zwingend fikt. KV-Entgelt, LD-Sanktion (§ 29) [außer bei Montageprivileg bis zu 3 Mo: § 3 (5)], Sicherheits-leistungsrisiko (§§ 33,34) Lohnunterlagen-Bereithalte-pflicht durch AG / Inlandsbe-schäftiger (§ 22), mit hoher Strafbarkeit (§ 28) Höchst-AZ und Mindest-RZ sowie alle KV-AZ- und AR-Regelungen! (§ 5) Alle AV mit gewöhnlichem Arbeitsort Österreich Alle (dienstleistungsver-tragsunabhängig) zur Er-bringung einer Arbeits-leistung nach Ö entsandte oder grenzüberschreitend überlassene AN Schrank, AR-Neuerungen

26 LSD-BG: Komplexes Geltungssystem (2)
Erfasst? Folgen Wenn aus EU, EWR oder Schweiz: Wenn aus Drittstaat: ZKO-Meldepflicht (§ 19) sowie Melde-, SV- und Genehmi-gungsunterlagen vor Ort [hard copy oder elektronische Zugänglichkeit] (§ 21), bei hoher Strafbarkeit (§ 26) Bau-Auftraggeberhaftung (§ 9) bzw. Auftragsweitergabehaf-tung (§ 10) bei öffentlichen oder Sektorenauftraggebern Keine ZKO-Meldepflicht Unternehmerauftraggeber haften (§ 8) als Bürge/Zahler, bei Überlassungen als Bürge nach § 14 AÜG Schrank, AR-Neuerungen

27 Schrank, AR-Neuerungen
§ 29 Abs. 1 erster und dritter Satz LSD-BG: Wer als Arbeitgeber einen Arbeitnehmer beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und Entgeltzahlungen, die das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt übersteigen, sind auf allfällige Unterzahlungen im jeweiligen Lohnzahlungszeit-raum anzurechnen. Gilt für Zahlungszeiträume ab ! Schrank, AR-Neuerungen

28 LD kann jeden treffen: 13 teure Irrtümer ... (1)
Lohndumpingstrafbarkeit und auch das neue LSD-BG gilt nur für aus dem Ausland entsandte AN ... Leider nein: Sie gelten auch für alle heimischen Unternehmen, ob groß oder klein, hier kontrolliert sogar die GPLA-Profitruppe. Lohndumping verlangt vorsätzliche Unterzahlungen ... Großer Irrtum, auch ab 2017: Alle Straftatbestände sind „Ungehor-samsdelikte“ iSd § 5 VStG, daher erfüllen schon bloße Auslegungs- und Faktenfehler den LD-Straftatbestand. AG muss sich in Bezug auf Verschulden vielmehr „freibeweisen“!!! Wer überkollektivvertraglich zahlt, hat kein LD-Risiko ... Leider nein: Überzahlungen werden auf allf. Unterzahlungen grund-sätzlich nur im jeweiligen Monat angerechnet, es gibt nach wie vor keinen generellen Jahresbezugsvergleich! Sind die AN zufrieden, kann nichts passieren… Leider nein: Offizialdelikte, GPLA entscheidet, anzuzeigen oder nicht. Wenn ja, informiert die GKK auch die betroffenen AN schriftlich! Schrank, AR-Neuerungen

29 Teure Irrtümer im Personalbereich ... (2)
Lohndumping erfasst nur Grundlohnverstöße … Weit gefehlt: Es betrifft seit alle kollektivvertraglichen Entgelte wie Sonderzahlungen, Zuschläge und Zulagen. Richtig zahlen ist einfach … Großer Irrtum: Es bedarf der Kenntnis und richtigen Auslegung zahlreicher kollektivvertraglicher Vorschriften im Zusammenhang mit einer Reihe arbeitsrechtlicher Gesetze. Viele davon sind schwierig und unklar, viel hängt aber auch von den notwendigen Fakten ab! Wir haben eh eine gute Personalabteilung bzw. Per-sonalverrechnung bzw. einen Top-Steuerberater Das ist gut, aber leider nicht gut genug! Sie brauchen auch perfekte Informationsflüsse und Dokumentationen. Sie bedürfen auch eines die richtige Bezahlung nach menschlichem Ermessen sicher stellenden aktiven und effizienten Vorbeuge- und Kontrollsystems (Entgelt-Qualitätssicherungs- oder Entgelt-Compli-ancesystems), um Organisationsverschulden bei der Entgeltfindung und Entgeltleistung erfolgreich auszuschließen. Schrank, AR-Neuerungen

30 Teure Irrtümer im Personalbereich ... (3)
Das bzw. die Kosten dafür tun wir uns nicht an: Wird ja alles nicht so heiß gegessen … Haben von stren-gen Kontrollen heimischer Betriebe nichts gehört. Irrtum: Erstens spricht man ja nicht öffentlich von laufenden GPLA-Kontrollen. Zweitens haben die Kontrollen ja für Zeiträume zwischen mindestens drei bis zu fünf Jahren Verfolgungsverjährungszeit!!! Voll-Nachzahlungen machen ohnedies straffrei ... Großer Irrtum: Nur vor der Behördenkontrolle erfolgte beweis- und zuordenbare Vollnachzahlungen helfen sicher. Später helfen sie nur bei geringen Beträgen oder bei beweisbar leichter Fahrlässigkeit! Bis zu 10% schützen auch spätere Nachzahlungen … Nur die Hoffnung lebt. Auch im neuen LSD-BG steht diese Grenze leider nicht drinnen, auch sonst Rechtsverbindliches fehlt dazu!!! Die Nachzahlungen müssen nur soweit erfolgen, als AN noch Forderungen durchsetzen können … Irrtum: AR Verfalls- und Verjährungsfristen schützen nicht! Schrank, AR-Neuerungen

31 Teure Irrtümer im Personalbereich ... (4)
Das größte Risiko liegt in allenfalls unrichtigen Einstu-fungen; dieses ist aber für uns „überschaubar“ Leider auch ein Irrtum: Denken Sie auch an die komplexen Vorzeiten-anrechnungsbestimmungen, vielleicht auch in Ihrem KollV, und die dadurch zeitvorrückungsbedingt zu niedrigen oder zeitverzögert zu spät erhöhten Entgelte. Überdies: Viel größer ist aber das Risikopotential arbeitszeitrecht-licher Auslegungs-, Abgrenzungs- und Faktenfehler! Dort geht es meist um systemische Fehler, die sich sofort kumulativ-multiplizierend auf alle oder viele AN erstrecken und daher jeder GPLA-Prüfung bei relativ einfachem Finden hohes Gesamtstrafen-Potential mit wenig Arbeit bescheren. Siehe dazu unten. Schrank, AR-Neuerungen

32 3. Ausgewählte Auslegungsergebnisse zu zentralen LSD-BG-Bestimmungen
Schrank, AR-Neuerungen

33 Schrank, AR-Neuerungen
Zur Vertiefung, Detailanalyse und Grundproblematik F. Schrank/V. Schrank/M. Lindmayr, LSD-BG Kommentar Juni 2017 (Transportnovelle bereits eingearbeitet), 844 Seiten, € 135,- Verlag LexisNexis Wien Auch wegen der inhaltlichen Zusammenhänge F. Schrank, Arbeitszeit Kommentar November 2017, 4. Auflage, 1150 Seiten, € 198,-, Lindeverlag Schrank, AR-Neuerungen

34 Schrank, AR-Neuerungen
a) Ausnahmefragen Ausnahmen: Vom Gesetz überhaupt? Ausnahme Montageprivileg? Ausnahmen nur von Melde- und Meldebereithaltebestimmungen? Wo liegen die Unterschiede? Entsendungen nach Ö: Konzernrelevante Ausnahmen § 1 Abs. 5 (Arbeiten v. geringem Umfang und kurzer Dauer: allgemeine Z 1 bis 4, 5, nur Konzerne Z 8) und Abs. 6 (bes. Fachkräfte für „interne“ Konzernzwecke, bis zu 2 Monaten/KJ) Unterschied grenzüberschreitende Überlassung von Arbeitskräften und bloße Entsendung eines Überlas-senen für Direktarbeit in Ö (nicht für Dritte)? Schrank, AR-Neuerungen

35 b) Wann LD, wann nur schlichte Anspruchsverletzungen?
LD, wenn/soweit gesetzliche oder kollektivvertragliche Ansprüche in Höhe der normativ zustehenden KV-Ent-gelte unterschritten werden; auch andere Ansprüche sind selbstverständlich einzuhalten, für SV relevant und auch vom AN einklagbar, LD sind sie aber nicht! Kollektivvertragliche Istlohnerhöhungen? Nichtvollzug zwar Anspruchsverletzung, aber kein LD Entgeltfortzahlungen? LD nur, wenn Ausfallsprinzip und Anspruchsdauer ME-Niveau des KV unterschritten Überstunden- bzw. All-in-Deckungsprüfungen? LD bei 12-Mo-Unterdeckung auf KV-Niveau, Anspruchs-verletzung schon bei Unterdeckung auf Ist-Niveau Schrank, AR-Neuerungen

36 c) Kontrollvereitelungsstrafbarkeit (1)
Mittelbare Kontrollvereitelungen: a) Melde- und Bereithalteverstöße (§ 26 zu §§ 19 und 21): Wer? AG oder Überlasser aus EWR oder Schweiz, Nicht-bereithaltung erhaltener Unterlagen auch Beschäftiger Was? ZKO-Melde- und –Unterlagenbereithaltung Strafhöhe? Je AN wie LD, Beschäftiger, letztere nur ½ der Basisrahmen ohne Sprung bei mehr als 3 AN b) Nichtbereithalten der Lohnunterlagen (§ 28 zu § 22) Wer? AG, Überlasser, auch aus Drittstaaten, Beschäftiger Was? Nichtbereithaltung Lohnunterlagen (§ 22) Strafhöhe? Je AN wie LD Schrank, AR-Neuerungen

37 c) Kontrollvereitelungsstrafbarkeit (2)
Kontrollvereitelungen ieS: Delikte des § 27 Wer? AG/Überlasser/Beschäftiger bei Abs. 1 (EWR und Drittstaaten), ebenso und sonstige Zutrittsvereiteler bei Abs. 2, ebenso Einsichtnahmeverweigerer bei Abs. 3, AG bei Abs. 4-Einsichts- oder Übermittlungsverweigerung gg. GKK Was? U-Nichtübermittlung an Finanzpolizei (Abs. 1), Kon-troll-/Zutrittsverweigerungen bzw. –behinderungen (Abs. 2), Einsichtsverweigerung in Melde-, SV-, Bewilligungs- und Lohnunterlagen gg. Finanzpolizeit (Abs. 3) sowie Einsicht-nahmeverweigerung gg. GKK (Abs. 4) Strafhöhe? Je AN Hälfte des LD-Basissatzes bei Abs. 1, voller LD-Satz bei Abs. 2, LD-Satz ohne Sprung über 3 AN bei Abs. 3 und 4 Schrank, AR-Neuerungen

38 d) LD-Strafbarkeit: Grundsätzliches (1)
Anrechnung außer- o. überkollv-lichen Entgelts: jedes Entgelt, aber nur im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum Wo zählt statt der lohnzahlungszeitraumbezogenen An-rechnung ein Jahr? Sonderzahlungen, Pauschalvereinbarungen, ständig schwankende Entgeltarten AN-bezogenes fortgesetztes Delikt oder fälligkeitsbe-zogene monatliche Kumulation der Strafen je AN? Alle noch nicht abgestraften Unterzahlungen sind je AN ein einziges Delikt, Fehler in mehreren einzelnen Mona-ten sind daher ein einheitliches „fortgesetztes“ Delikt Schrank, AR-Neuerungen

39 d) LD-Strafbarkeit: Altes/neues Recht? (2)
Was bedeutet die erleichternde Änderung der Anrech-nungsklausel als Teil des Straftatbestands für Altfälle 2015 und 2016? Wenn auch noch seit Fehler, einheitliche Strafbarkeit schon nach § 29 LSD-BG, daher keine Strafbarkeit, wenn nach der neuen Anrechnungs-klausel auch 2015/2016 kein LD vorläge Was bedeutet die erleichternde Änderung der Strafbe-freiungen bei rechtzeitigen Nachzahlungen? Wenn auch noch seit Fehler, einheitliche Straf-barkeit schon nach § 29 LSD-BG, daher keine Strafbar-keit, wenn auch 2015/2016 nur Differenz auf den KV nachgezahlt wurde. Schrank, AR-Neuerungen

40 e) LD-Strafverfolgung
Lauf Verfolgungs- und Strafverjährungsfrist (3 bzw. 5 Jahre): Beide Fristen beginnen erst ab Fälligkeit des LZ-Zeitraumes zu laufen, bei durchgehend mehrere LZ-Zeiträume umfassenden Unterentlohnungen erst ab Fälligkeit des letzten UE-Lohnzahlungszeitraums. In letzteren Fällen kann die reale Verjährungszeit daher auch mehr als 3 oder 5 Jahre umfassen! Wann verkürzen sich diese Fristen auf 1 bzw. 3 Jahre bei Nachzahlung? Bei fehlerhaft-irrtümlich zu geringer Nachzahlung entfällt die Strafbarkeit vorzeitig, wenn bzw. soweit die Verfolgung erst mehr als ein Jahr nach der Nachzahlung eingeleitet wurde! Nachzahlungsbeleg! Keine Verfahrenseinstellung wegen mangelnder Strafwürdigkeit (§ 29 Abs. 3 vorletzter Satz) Schrank, AR-Neuerungen

41 f) LD-Beitragstäter HR/Personalverrechner?
Andere Personen als GF kommen beim LD-Straftatbestand nur als vorsätzliche Beitragstäter wegen Anstiftung und Beihilfe (§ 7 VStG) in Betracht. Erforderlich ist ein qualifizierter, auf Unterzahlung gerichteter Vorsatz. FStrG nicht LD-einschlägig. Ist eine Einstufung/Verrechnung nicht von einem solchen Vorsatz getragen,sind, da die LD-Organisationsverantwortlich-keit nur bei GF liegt, angestellte Personalreferenten und -ver-rechner mE selbst bei grober Fahrlässigkeit nicht strafbar. Auch auf konkrete Weisung erfolgende Fehleinstufungen etc. begründen noch keinen Unterzahlungsvorsatz des Durchfüh-renden, zumal dann, wenn er/sie in einem arbeitsrechtlichen Abhängigkeitsverhältnis steht. Gleiches muss sinngemäß für selbständige Personalver-rechner und Steuerberater gelten. Schrank, AR-Neuerungen

42 f) Beitragstäterschaft HR/PV bei LD?
Wer den AG warnt (aber nicht gehört wird) oder nicht warnt, ist noch kein Beitragsstraftäter, zumal die Verantwortlichkeit nach § 29 Abs. 1 LSD-BG ausschließlich beim AG liegt. Auch sind fehlerhafte Verrechnungen noch besser als Nichtzahlun-gen, zu denen es sonst kommen müsste (im Innenverhältnis besteht ja keinie Befugnis zur höheren Zahlung). Zumal in § 29 der Versuch eindeutig nicht für strafbar erklärt ist, können nach § 8 Abs. 1 VStG selbst vorsätzliche Unterzah-lungsversuche weder für den AG noch für sonstige Personen Beitragsstraftäterschaft begründen. Auch fehlende Aufklärung, fehlender Widerspruch oder das Dulden der Umsetzung einer Weisung, die man persönlich als inhaltsrechtswidrig bzw. kv-widrig einschätzt, kann daher noch keinen Unterzahlungsvorsatz begründen, auch nicht durch Annahme bloßer Inkaufnahme der Unterzahlung! Schrank, AR-Neuerungen

43 Schrank, AR-Neuerungen
LD-Grundprobleme Schrank, AR-Neuerungen

44 A. Eignung bloßer „Unterentlohnung“ als Straftatbestand?
Anknüpfung an nach Gesetz und KollV jeweils individuell gebührende Mindestentgelt nur scheinbar einfach, son-dern in Verbindung mit den vielfältigen Arbeitsrechts-gesetzen, v.a. auch den gesetzlichen und kollektivver-tragliche AZ-Bestimmungen, (zu) hochkomplex. Hohe Zahl von 874 völlig unterschiedlichen KollV, die mit ihren jeweiligen Lohnordnungen, Weiterverästelun-gen und Entgeltdifferenzierungen im Ergebnis hunderte, tausende oder zehntausende Strafschwellen produzie-ren, noch dazu Monat für Monat varierend, verstößt mE klar gegen Grundsatz, dass strafbares Verhalten dem Normunterworfenen erkenn- und abgrenzbar sein muss. Schrank, AR-Neuerungen

45 ... Eignung als Straftatbestand?
Diese überhohe Genauigkeit, die schon geringste Ver-stöße zu LD hochstilisiert, verfehlt als bloßes Ungehor-samsdelikt von vornherein das Hauptziel wettbewerbs-relevanten (echten) Lohndumpings, zumal trotz über-kollektivvertraglicher Jahresentgelte LD vorliegen kann! Sie ist infolge ihrer gänzlichen Intransparenz v.a. für Entsender völlig ungeeignet. Selbst wenn LD gegenüber Entsendern durchsetzbar sein sollte, stärkt diese Schwächung der Konkurrenz uns noch keineswegs. Auch Stimmungs- und Nachbar-schafts- bzw. Reziprozitätsfragen zählen. Marktverluste? Standortverlagerungen? Abnehmende Bereitschaft, in Ö zu beschäftigen? Wird Ziel nicht erreicht und LD trotz-dem nicht aufgehoben, bliebe heimische Abwärtsspirale. Schrank, AR-Neuerungen

46 B. Rechtsstaatliche Probleme?
Keine Strafe ohne Gesetz! Dazu kann (die vorhandelne) formale Deckung nicht reichen. Tatbestand hat in der Substanz nur eine – ungeheuer breitflächige und intransparente – dynamische Verwei-sung auf kollektivvertragliche Entgeltnormen zum Ge-genstand. De facto liegt damit die Strafbarkeit bei Drit-ten, die dazu vom GG nicht ermächtigbar sind. Intransparenz der Strafschwellen durch mühevolle, zeit-aufwändige gesetzliche und kollektivvertragliche Verwei-sungsketten kann dem Legalitätsprinzip nicht entspre-chen, umso weniger die dynamische Verweisung auf fremde Rechtsetzer ohne Vorgabe von Betragsgrenzen. Mehr als rechtsstaatlich-gleichheitsrechtlich kritisch ist auch das Fehlen differenzierter Anforderungen an das Schrank, AR-Neuerungen

47 ... Rechtsstaatliche Probleme?
Verschulden oder an die Höhe von Unterzahlungen. Die Einordnung als Ungehorsamsdelikte und die massiv längeren Verfolgungsverjährungsfristen sind in diesem Gesamtkontext rechtsstaatlich untragbar. V.a. werden die Normunterworfenen in der Strafbarkeit nur formal gleichbehandelt. § 29 Abs. 1 normiert, an sich schon gleichheitsrechtlich untragbar, eine Unzahl materiell völlig unterschiedlicher sog. LD-Standards. Dies bewirkt zusätzlich wertungsmäßig Untragbares: Je höherentwickelt und AN-günstiger ein KV, desto eher greift die Strafbarkeit! KV-Hochlohnbranchen ungleich stärker mit Mitteln d. Verwaltungsstrafrechts vor Kon-kurrenz abzuschotten, ist unsachlich gleichheitswidrig. Schrank, AR-Neuerungen

48 C. Unionsrechtliche Probleme?
Entsende-RL lässt keine Ermächtigung zur generellen Strafbarkeit von Unterschreitungen der KV-Standards erkennen. Dies verlangt besondere – im gesamten LSD-BG-System zweifellos nicht gewährleistete Verhältnis-mäßigkeit infolge Eignung der Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit im Binnenmarkt. Der „Übergenauigkeits“tatbestand ist auch geeignet, einzelne Unterzahlungs“peanuts“ zu pönalisieren. Jedenfalls in Verbindung mit den andern Anforderungen und Strafbarkeiten liegt mE zudem ein unionsrechtlich unzulässiger Eingriff Österreichs in die Regelungsstän-digkeit der Rom-I-VO vor, den Entsendestaaten nicht zu akzeptieren brauchen (siehe f. Ö. OGH 9 ObA 53/16h!). Schrank, AR-Neuerungen

49 Schrank, AR-Neuerungen
Deutsches MiLoG: Entgeltdifferenz auf € 8,50 für Flughafentaxitransfers Salzburg – München? (1) LE-AS Nr.38, Art. 8 Abs. 2, 9 Abs. 1, 2, 3 Satz 1 und 2 Rom I-VO (EG Nr 593/2008) §§ 1 Abs. 2, 2, 20, 21 Abs. 1 Z 9 deutsches MiLoG, Kollektivvertrag Personenbeförderungsgewerbe PKW   Die §§ 1, 20 deutsches MiLoG sind für die Zeiten in Deutschland bei einem Taxifahrer nicht anzu- wenden, wenn geringen Nachteilen für diesen – konkret 0,36 Cent pro Arbeitsstunde – dem Arbeitgeber gravierende Folgen aus den Vorausmelde-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten erwachsen, die spontane Fahrtenübernahmen verunmöglichen Die nötige Abwägung mit den Interessen der deutschen Eingriffsnorm ergibt daher, dass dieser für Flughafentransfer-Taxifahrten Vollzeitbeschäftigter zwischen Salzburg und München nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 der Rom-I-VO die Wirkung zu versagen ist, sodass es nach Art. 8 Abs. 2 Rom I dabei bleibt, den Lohn auch für die Arbeit in Deutschland nach österreichischem Recht zu beurteilen. 3. Bei Eingriffsnormen iSd Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO setzt deren unmittelbare Anwendung nach Abs. 3 Satz 1 voraus, dass den Eingriffsnormen des Staates Wirkung verliehen wurde Dabei sind Art und Zweck dieser Normen sowie die Folgen aus ihrer Anwendung oder Nichtanwen- dung zu berücksichtigen (Art. 9 Abs. 3 Satz 2 Rom I-VO) Dies ermöglicht dem Richter eine materiell-rechtliche Bewertung der ausländischen Eingriffsnorm: Der deutsche Gesetzgeber wollte durch die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns Arbeitnehmer vor unangemessen niedrigen Löhnen schützen. Zugleich trage dieser dazu bei, dass der Wettbewerb zwischen den Unternehmen nicht zu Lasten der AN durch immer niedrigere Löhne, sondern um die besseren Produkte/Dienstleistungen stattfinde. Auch könne das Fehlen eines Mindest-lohns ein Anreiz sein, einen Lohnunterbietungswettbewerb zwischen den Unternehmen auch zu Lasten der sozialen Sicherungssysteme zu führen. Der Mindestlohn schütze damit die finanzielle Stabilität der sozialen Sicherungssysteme Der Zweck des deutschen MiLoG betrifft vorrangig Arbeitnehmer, die ständig bzw. längerfristig und nicht nur vorübergehend ihre Arbeitstätigkeit in Deutschland verrichten. Schrank, AR-Neuerungen

50 Schrank, AR-Neuerungen
Deutsches MiLoG: Entgeltdifferenz auf € 8,50? (2) Dies trifft auf einem AN, der nur fallweise und kurzfristig mit Arbeitseinsätzen in Deutschland betraut und nach dem österreichischen Kollektivvertrag entlohnt wurde, im Zweifel nicht zu Zudem ist eine Lohndumpinggefahr durch österreichische AG in Deutschland bei einem österrei- chischen kollektivertraglichen Stundenlohn incl. Sonderzahlungen von 8,14 € brutto und einem Unter- schied zum d. Mindeststundenlohn von 8,50 €, also bei 0,36 Cent pro Arbeitsstunde, nicht evident Auch kommt der Zweck, die finanzielle Stabilität der sozialen Sicherungssysteme zu schützen, nicht zum Tragen, wenn (infolge Österreich-Pflichtversicherung) keine Teil­nah­me am deutschen sozialen Sicherungssystem vorliegt Demgegenüber sind die Folgen der Anwendung des deutschen Mindestlohngesetzes für einen Arbeitgeber mit Sitz in Österreich gravierend, da er durch schriftliche Melde- und Dokumentations- pflichten (§§ 16, 17 MiLoG) beschränkt wird, wenn er Arbeitnehmer an einzelnen Tagen und kurzfristig mit der teilweisen Verrichtung von Arbeitstätigkeiten auch in Deutschland betraut Damit wäre jede spontane Tätigkeit in Deutschland (zB eine sofortige Taxifahrt nach Anruf eines Kunden von Salzburg nach München) faktisch unmöglich Arbeitgeber mit Sitz im Ausland müssen gemäß § 16 Abs. 1 MiLoG schon vor Beginn jeder Werk- oder Dienstleistung eine schriftliche Meldung in deutscher Sprache bei der zuständigen Zollverwaltung vorlegen, in der ua Name, Beginn, Dauer und Ort der Beschäftigung zu nennen sind, sowie Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertags aufzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufbewahren, wenn die Nichtgeltungsausnahme der §§ 16, 17 MiLoG für Arbeitnehmer, deren monatliches Entgelt € brutto überschreitet oder € brutto bei nachweislicher Zahlung für die letzten vollen 12 Monate, auf das Arbeitsverhältnis nicht zutrifft.   OGH , 9 ObA 53/16h OLG Linz , 12 Ra 2/16z-16, LG Salzburg , 10 Cga 68/15w-9 Fazit: Stellt auch LSD-BG-Mechanismen massiv in Frage, vor allem deren Durchsetzbarkeit im Ausland! Schrank, AR-Neuerungen

51 D. Arbeitsrechtliche Vorhaben der neuen Regierung
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52 Schrank, AR-Neuerungen
1. Arbeitszeit (1) Stärkung der Betriebsebene: Betriebe sollen im Einvernehmen mit dem BR bzw. dem AN mehr Möglichkeiten zur Gestaltung erhalten. Anhebung Gesamt-AZ-Grenze auf 12/60 Std. pro Tag/Woche (§ 9 AZG; bei gleich-bleibendem Regelungsregime der Zuschläge) Anhebung Gleitzeitgrenze auf 12 Std., fünfmal pro Woche bei gleichem Regelungsregime Sonderüberstunden § 4 und 4a AZG: Erleichterter Zugang (Wegfall Arbeitsmediziner und Vereinbarung für jeden Einzelfall) Schrank, AR-Neuerungen

53 Schrank, AR-Neuerungen
1. Arbeitszeit (2) Wochenend- und Feiertagsruhe: Ausnahmemöglichkeit von der auch auf Betriebsebene maximal vier Mal im Jahr Mehrmalige Übertragungsmöglichkeit von Zeitguthaben und Zeitschulden in den jeweils nächsten Durchrechnungszeitraum durch KV Saisonbranchen: Mehr Arbeitszeitspielräume zur Saisonverlängerung, z.B. Tourismus Tourismus: Verkürzung der täglichen Ruhezeit von 11 auf max. 8 Stunden bei geteilten Diensten Schrank, AR-Neuerungen

54 Schrank, AR-Neuerungen
2. Sonstiges (1) Angleichung der Belegschaftsorgane (BRe) Wählen mit 16 statt JVR. Stärkung der Betriebsebene: Mehr Möglichkeiten zur Gestaltung der Arbeitsverhältnisse Entgeltfortzahlung im Krankenstand: Nur dann über das AV hinaus, wenn der Krankenstand dem AG vor dem Ausspruch der Kündigung mitgeteilt wurde. Altersteilzeit: Anhebung des Zugangsalters (schrittweise von 53/58 auf 55/60) Praxisgerechte Wiedereingliederungsteilzeit: Klarstellung, dass sie nicht unmittelbar nach zumindest sechswöchigem Krankenstand beginnen muss Schrank, AR-Neuerungen

55 Schrank, AR-Neuerungen
2. Sonstiges (2) EU-Richtlinien: Kein Golden Plating Angleichung Arbeiter und Angestellte Schaffung eines modernen einheitlichen AN-Begriffs, Bedachtnahme auf unterschiedliche Branchenstrukturen und die Kollektivvertragslandschaft Transparenter Lohn- und Gehaltszettel Abgrenzung zwischen EPU und AN: Prüfung Gesetzlicher Urlaubs- und Weihnachtszuschuss, wenn keine KV-Regelung vorhanden ist: Prüfung Familie: Anpassung Dauer KS und VersS an längstmögliches KBG-Variante. Schrank, AR-Neuerungen

56 Schrank, AR-Neuerungen
3. Lohndumping (1) Bekämpfung soll auf echte Fälle von Lohndumping fokussiert, die Bürokratie reduziert werden: Beibehaltung des Entgeltbegriffs für die hauptsächlich betroffene Baubranche, ansonsten Prüfung Entbürokra-tisierung durch Einschränkung auf Grundlohn plus SZ Erweiterung der Ausnahmen, insbesondere ausdrück-liche gesetzliche für Schulungen Prüfung: Klarstellung, dass Jahresprämien auf Unter-entlohnungen während des Jahres anzurechnen sind Abgrenzung Arbeitskräfteüberlassung – Werkvertrag analog EU-Recht: Gesamtabwägung aller Umstände Schrank, AR-Neuerungen

57 Schrank, AR-Neuerungen
3. Lohndumping (2) Sanktionen auch für AN, die sich am Sozialbetrug beteiligen (zB Erschleichung von Sozialleistungen und Sozialversicherungsschutz) Erweiterung der Auftraggeberhaftung (§ 67a ASVG, 82a EStG) auf den Auslandsbereich (EU-Recht) Verstärkte Unterstützung durch die Polizei, zB bei Verkehrskontrollen Effektuierung des Vollzuges im Ausland durch Verbes-serung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Behörden im In- und Ausland Schrank, AR-Neuerungen

58 4. Entbürokratisierung; AN-Schutz
Überarbeitung des Kumulationsprinzips zur Verhinde-rung von Strafexzessen (z.B. eine Strafe statt Mehrfach-bestrafung, Verhältnismäßigkeit der Strafen) Arbeitnehmerschutzvorschriften: generelle Durch-forstung, Abbau der Regulierungslast Abbau von Aufzeichnungs-, Melde-, Übermittlungs- und sonstige Bürokratiepflichten Prinzip „Beraten statt Strafen“ beim Arbeitsinspektorat effektiv umsetzen und es stärker als Serviceeinrichtung etablieren Prüfung: Agentur für Unfallverhütung, Arbeitsinspektion und Arbeitsschutzberatung Schrank, AR-Neuerungen

59 Schrank, AR-Neuerungen
II. Top-Judikatur-Update Die interessantesten und wichtigsten „OGH-Leitentscheidungen“ v.a. aus 2017 (Bekanntwerden) Was bedeuten sie, wo wirken sie sich (auch) aus, was ist besonders praxiswichtig? Schrank, AR-Neuerungen

60 Schrank, AR-Neuerungen
Nachfolgende Leitsätze   finden Sie zusammen mit den o       Sachverhalten, o       Prozessverläufen, o       Volltexten der Entscheidungsgründe o       sowie Anmerkungen zu Bedeutung und Auswirkungen   in LE-AS: Leitentscheidungen der Höchstgerichte zum Arbeits- und Sozialrecht   Aufbereitet und kommentiert für die Praxis von F. Schrank   Grundwerk inkl. Ergänzungen in derzeit achtzehn DIN A-5 Bänden, Stand Erg.Lfg. Feber 2017, Juni 2017 und Oktober    seit im Verlag LexisNexis Wien Schrank, AR-Neuerungen

61 Grundsätzliches, Arbeitszeit, Entgelt
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62 Schrank, AR-Neuerungen
Vermeintliche Werkverträge: Frühere Nichtanmeldung eines Zeitungskolporteurs zur SV Schuldhaft zugefügter Pensionsschaden? LE-AS Nr.1, § 5 Abs. 1 Z 13 ASVG idF vor Novelle BGBl I 139/1997 §§ 2, 3, 4 Abs. 1, 18 Abs. 1 AuslBG idF BGBl 218/1975   Zwar enthebt eine einzelne Entscheidung des VwGH den Dienstgeber noch nicht von der eigen- ständigen Prüfung, ob die für einen Dienstvertrag maßgeblichen Kriterien auf einen als vermeintlich selbständigen Zeitungskolporteur zutreffen Anderes kann gelten, wenn eine solche Prüfung in einem größeren rechtlichen Kontext zu sehen ist, insbesondere vor dem (damaligen) Hintergrund der Zusammenfassung des Hauptverbandes der öster- reichischen Sozialversicherungsträger über die Gesprächsergebnisse zur 54. ASVG-Novelle, in der explizit festgehalten ist, dass nach Ansicht des BM für Finanzen und des BM für Arbeit, Gesundheit und Soziales die Berufsgruppen der Kolporteure und Zeitungszusteller dem selbständigen Bereich zuzuordnen sind Es ist auch nicht ersichtlich, wie sich aus der fehlenden Beschäftigungsbewilligung ein bei der Sozialversicherung anmeldbares Dienstverhältnis ergeben hätte können Die Verneinung eines haftungsbegründenden Verschuldens des Dienstgebers (Pensionsschaden wegen Nicht­anmel­dung zur SV) ist nicht korrekturbedürftig.   OGH , 9 ObA 142/16x OLG Graz , 7 Ra 25/16z-25, LGZ Graz , 9 Cga 42/15y-20 Schrank, AR-Neuerungen

63 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsübungen: Objektives Vertrauen-Dürfen in Billigung bezahlten Pausenkonsums zwischen 6:00 und 14:00 Uhr? LE-AS Nr.32, § 863 ABGB, § 19 Abs. 4 PTSG, § 10a Abs. 6 DO (KollV) Post, Art. 2 und 4 RL 93/104/EG   Eine Betriebsübung kann – nicht anders als eine Individualübung – durch eine regelmäßig wieder- holte oder kontinuierliche Verhaltensweise jedenfalls konkludent Eingang in den Individualvertrag finden Ausgehend davon ist aber die Annahme, dass die AG aufgrund ihres eigenen schlüssigen Erklä- rungsverhaltens, nämlich einer jahrelangen vorbehaltlosen Duldung einer Pausenkonsumation einer Zu- stellerin in der Arbeitszeit (Wissen und Duldung der Vorgesetzten) entweder nach dem Sortieren der Post im Aufenthaltsraum, an einem auswärtigen Postamt oder sonst auswärts, einen Anspruch auf Gewährung einer halbstündigen bezahlten Pause in der Arbeitszeit begründet hatte, nicht zu beanstanden Für das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs aufgrund einer Betriebsübung ist entscheidend, welchen Eindruck die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Überlegung von dem schlüssigen Erklärungs- verhalten des Arbeitgebers haben durften Es ist nur objektiv zu prüfen, ob sie auf die Verbindlichkeit der Vergünstigung vertrauen durften Ob jeder einzelne Arbeitnehmer darauf vertraut hat, ist nicht zu prüfen.   OGH , 9 ObA 34/17s OLG Innsbruck , 13 Ra 53/16s-35 Schrank, AR-Neuerungen

64 Schrank, AR-Neuerungen
Kollektivvertragsangehörigkeit: Faktische WK-Mitgliedschaft Was gilt bei Richtigstellung einer vorübergehenden Fehlzuordnung durch die WK? (1) LE-AS Nr.13, § 8 Z 1 ArbVG, § 44 Abs. 1, 7 bis 11 WKG, § 2 Abs. 13 GewO   Nach stRsp unterliegt die Frage der Mitgliedschaft des Arbeitgebers zu einer bestimmten Fachgruppe im Rahmen seiner Wirtschaftskammer-Mitglied­schaft und damit jene nach dem anzuwendenden Kollek- tivvertrag im Hinblick auf die Ausschließlichkeitskompetenz der Selbstverwaltung der Kammer nicht der Beurteilung durch das Gericht Für die Kollektivvertragsunterworfenheit ist die Mitgliedschaft in der Form maßgeblich, wie sie faktisch gehandhabt wird, also durch Zuordnung durch die Kammer zu einem bestimmten Fachverband oder einer bestimmten Innung Auch zur Frage, ob für AN eines Unternehmens der KollV für Angestellte der Industrie oder des Gewerbes anzuwenden ist, ist ausschließlich auf die die Gerichte bindende Zuordnung durch die Kammer abzustellen Es liegt nicht in der Hand des AN, mittels Klage die Geltung eines anderen KollV zu erzwingen, als jenen, in dessen von den KV-Parteien autonom festgelegten Geltungsbereich der jeweilige AG fällt. Bei auch aus der Sicht der Kammer unrichtiger Umreihung, die von ihr richtiggestellt wurde und zu keiner weiteren „faktischen“ Handhabung einer Fachgruppenzugehörigkeit geführt hatte, besteht nach dem gesetzlichen Konzept der ex-lege-Mitgliedschaft (der Eintrag im Mitgliederverzeichnis soll die Zugehörigkeit zwar konkretisieren, nicht aber – im Widerspruch zur auf die Berechtigung aufbauenden Mitgliedschaft – erst begründen) kein Grund, sich gerichtlich über die Selbstverwaltungstätigkeit der Kammer hinwegzusetzen, wenn die Kammer mit ihrer Korrektur nur die Richtigkeit der Eintragung wiederherzustellen bestrebt war. Schrank, AR-Neuerungen

65 Schrank, AR-Neuerungen
Kollektivvertragsangehörigkeit: Faktische WK-Mitgliedschaft Was gilt bei Richtigstellung durch die WK? (2) LE-AS Nr.13, Dass hier bezüglich der Fehlzuordnung und deren Richtigstellung ein weiterer Schutzbedarf gegenüber der Arbeitgeberin bestünde, ist nicht ersichtlich In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer auch nicht die – zur Anwendbarkeit des „richtigen“ Kollektivvertrags iSd § 2 Z 13 GewO 1994 ergangene – Rsp ins Treffen führen Ob bei einem auf das Bestehen eines Anspruchs entstandenen Vertrauen anders zu urteilen wäre, ist nicht zu prüfen, wenn im Arbeitsvertrag korrekt ausgewiesen war, dass er keinem Kollektivvertrag unterlag und der Arbeitnehmer auf nichts anderes vertraut hat.   OGH , 9 ObA 16/17v OLG Linz , 12 Ra 88/16x-13 LG Salzburg , 16 Cga 103/16v-9 Schrank, AR-Neuerungen

66 Schrank, AR-Neuerungen
Retentionsrecht bei fälligem Entgeltrückstand: Arbeitsbereitschaft und Berufung auf den Rückstand? LE-AS Nr.2, § 1155 ABGB   Ein Arbeitnehmer ist berechtigt, seine Arbeitsleistung solange zurückzuhalten, bis der Arbeitgeber einen bereits fällig gewordenen Lohnrückstand gezahlt hat Ein zusätzlicher „Rechtfertigungsgrund“ für das Unterbleiben der Arbeitsleistung ist in diesem Fall nicht erforderlich Daher ist die Frage, ob (auch) die Arbeitsbereitschaft erklärt wurde, nicht relevant Auch muss der Zurückhaltegrund im Zeitpunkt der Ablehnung der Arbeit nicht vorgebracht werden § 1155 ABGB ist auch auf die Zurückbehaltung der Arbeitsleistung wegen Entgeltverzugs anzuwenden Die Formulierung „zur Leistung bereit war“ stellt nur auf die grundsätzliche Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers ab, wenn und solange der Arbeitgeber seine Lohnzahlungspflicht erfüllt. In diesem Sinn ist daher § 1155 ABGB teleologisch einschränkend auszulegen Eine Arbeitnehmerin, deren offene Gehaltsansprüche (für zwei Monate) auch der Arbeitgeber nicht in Zweifel zieht, hat daher einen Entgeltfortzahlungsanspruch.   OGH , 9 ObA 139/16f OLG Linz , 11 Ra 53/16t-21, LG Wels , 17 Cga 50/15h-17 Schrank, AR-Neuerungen

67 Schrank, AR-Neuerungen
Verwarnungen aus Personalakt zu entfernen? LE-AS Nr.12, §§ 30 Abs. 2 und 3, 61ff LDG   Für ein behauptetes Recht des Dienstnehmers, nicht unrichtig fachlich beurteilt zu werden (bzw. Begehren auf Entfernung der Verwarnung aus dem Personalakt), fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. Für die Beurteilung eines Landeslehrers sieht das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG 1984) ein eigenes Verfahren zur Leistungsfeststellung vor Will der Landeslehrer eine Weisung nicht befolgen oder hält er sie für rechtswidrig, hat er die in § 30 Abs. 2 und 3 LDG 1984 normierte Vorgangsweise einzuhalten Nach stRsp ist die „schlichte“ Abmahnung (hier: Verwarnung wegen dienstlicher Pflichtwidrigkeiten) vor allem zukunftsbezogen gestaltet Der Dienstgeber übt damit seine vertraglichen Rügerechte aus, indem er den Dienstnehmer zu vertragsgerechtem zukünftigen Verhalten anhält und vor Konsequenzen für den Bestand oder Inhalt des Dienstverhältnisses bei weiteren Verletzungen warnt Die Unwirksamkeit einer „schlichten“ Abmahnung ist daher nicht feststellungsfähig.   OGH , 9 ObA 20/17g OLG Linz , 11 Ra 77/16x-16 LG Linz , 7 Cga 28/16x-12 Schrank, AR-Neuerungen

68 Schrank, AR-Neuerungen
Mobbing ohne Absicht bzw. ohne Verschulden LE-AS Nr.36, §§ 1157, 1295 ABGB, § 18 AngG   Bei Mobbing handelt es sich um eine konfliktbelastete Kom­munikation am Arbeitsplatz unter Kollegen und Kolleginnen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet Für Mobbing ist das systematische, ausgrenzende und prozesshafte Geschehen über einen längeren Zeitraum typisch, etwa durch systematische Verweigerung jeder Anerkennung, Isolation, Zurückhaltung von Informationen, Rufschädigung etc Ob Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz Mobbing zugrunde liegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab Waren gegen den Arbeitnehmer gerichtete Maßnahmen nicht dazu gedacht, ihn zu diskriminieren oder zu schikanieren und ergibt sich kein nach den Gesamtumständen unsachliches Vorgehen des Arbeitgebers, ist es vertretbar, Schadenersatz begründendes Verschulden zu verneinen Inwieweit die Handlungen „geeignet“ waren, als Mobbing wahrgenommen zu werden, ist daher nicht wesentlich.   OGH , 9 ObA 32/17x OLG Linz , 11 Ra 10/16v-33 Schrank, AR-Neuerungen

69 Schrank, AR-Neuerungen
Überstundenentgelt trotz Untersagung? LE-AS Nr.24, §§ 6, 10 AZG, § 863 ABGB   Überstunden sind abzugelten, wenn sie ausdrücklich oder schlüssig angeordnet wurden, oder wenn der Arbeitgeber Arbeitsleistungen entgegennimmt, die auch bei richtiger Ein­teilung der Arbeit nicht in der normalen Arbeitszeit erledigt werden können Nimmt der Arbeitgeber unter gewöhnlichen Umständen Über­stunden entgegen, bedeutet dies bei objektiver Betrachtungsweise, dass er diese duldet und der Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers auf dessen Einverständnis schließen darf. Die vorbehaltlose Entgegennahme der Überstundenleistungen entspricht einer schlüssigen Anordnung Verlangt der Arbeitgeber unter solchen Umständen die Erbringung von Arbeitsleistungen, die sich in der normalen Arbeitszeit nicht ausgehen, erklärt aber gleichzeitig, dass keine Überstunden geleistet werden sollen, kommt dies einem venire contra factum proprium bzw. einem Verstoß gegen Treu und Glauben gleich. Dieses bzw. dieser kann grundsätzlich nicht zu Lasten des Arbeitnehmers gehen Will er in einer solchen Situation tatsächlich das Unterbleiben der Überstunden, so hat er gegenüber dem Arbeitnehmer unmissverständlich klarzustellen, dass entgegen der bisherigen Übung ab sofort nur mehr ausdrücklich angeordnete Überstunden zu leisten sind; gleichzeitig hat er den Arbeitsumfang an die Normalarbeitszeit anzupassen Solange er aber bei vernünftiger Einschätzung der Arbeitsleistung die Notwendigkeit der erbrachten Überstunden erkennen muss und den Arbeitsumfang nicht entsprechend anpasst, sind die erbrachten Überstunden abzugelten.   OGH , 8 ObA 21/17x OLG Wien , 9 Ra 114/16z-29 Schrank, AR-Neuerungen

70 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitszeitstrafbarkeit: Betriebliches Vorbeuge- und Kontrollsystem samt Sanktionsvorsorge? LE-AS Nr.3, § 28 Abs. 5 und 6 AZG, § 27 Abs. 2, 2c ARG, §§ 5 Abs. 1, 9 Abs. 1 VStG VO (EG) 561/2006   Nur wenn der Verantwortliche nach § 9 Abs. 1 VStG glaubhaft macht, dass ein Verstoß gegen Arbeitszeitvorschriften durch einen Lenker trotz Bestehens und Funktionierens eines solchen, von ihm im einzelnen darzulegenden Systems ohne sein Wissen und ohne seinen Willen erfolgt ist, kann ihm sein Verstoß in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht zugerechnet werden „Stichprobenweise“ durchgeführte Kontrollen der Aufzeichnungen der Arbeitszeiten vermögen ein wirksames Maßnahmen- und Kontrollsystem nicht zu ersetzen Ein geeignetes Kontrollsystem hat nicht nur Vorkehrungen für die Kontrolle durch den Arbeitgeber (fallbezogen: Verkehrsunternehmer), sondern auch ein geeignetes Sanktionssystem bei Zuwiderhandeln des Arbeitnehmers (fallbezogen: des Lenkers) zu enthalten Zur Glaubhaftmachung der Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems liegt es am Verantwort- lichen, auch darzustellen, wie die Kontrollen und Sanktionierungen konkret durchgeführt werden.   VwGH , Ra 2016/11/0112 Erk. LVwG NÖ , LVwG-S-686/ , BH Tulln Schrank, AR-Neuerungen

71 Schrank, AR-Neuerungen
Religionsdiskriminierende Karfreitagsregelung? LE-AS Nr.5, Art. 21, 10, 20, 47 GRC, Art. 1, 2 Abs. 2 lit. a, 2 Abs. 5, 7 Abs. 1 RL 2000/78/EG, §§ 2, 7 Abs 2 und 3, 9 ARG   Vorabentscheidungsantrag an den EuGH Steht das Unionsrecht bei privaten Arbeitsverhältnissen einer Regelung entgegen, nach der nur für Angehörige der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch- methodistischen Kirche auch der Karfreitag ein Feiertag ist, für den bei Beschäftigung trotz Feiertags- ruhe neben dem Entgelt für die infolge des Feiertags ausgefallene Arbeit auch Entgelt für die geleistete Arbeit gebührt, anderen Arbeitnehmern, die diesen Kirchen nicht angehören, jedoch nicht? Wird das Unionsrecht durch diese nationale Regelung, die nur einer verhältnismäßig kleinen Gruppe von Angehörigen bestimmter (anderer) Kirchen Rechte und Ansprüche einräumt, deshalb nicht berührt, weil diese Maßnahme in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, insbesondere des Rechts auf Freiheit der Religionsausübung, notwendig ist? Ist die nationale Regelung eine positive und spezifische Maßnahme zugunsten der Angehörigen der genannten Kirchen zur Gewährleistung deren völliger Gleichstellung im Berufsleben, um Benachteili- gungen dieser Angehörigen wegen der Religion zu verhindern oder auszugleichen, wenn ihnen damit das gleiche Recht auf Religionsausübung während der Arbeitszeit an einem für diese Religion hohen Feiertag eingeräumt wird, wie es sonst für die Mehrheit der Arbeitnehmer dadurch besteht, dass an den Feier- tagen der Religion, zu der sich die Mehrheit der Arbeitnehmer bekennt, generell arbeitsfrei ist? Bei Bejahung einer Diskriminierung: Hat nach dem Unionsrecht der private Arbeitgeber, solange vom Gesetzgeber keine diskriminierungsfreie Rechtslage geschaffen wurde, allen Arbeitnehmern, unge- achtet ihrer Religionsangehörigkeit, die dargelegten Rechte und Ansprüche in Bezug auf den Karfreitag zu gewähren? Oder hat die Regelung insgesamt unangewendet zu bleiben, sodass diese Rechte und Ansprüche am Karfreitag keinem Arbeitnehmer zuzugestehen sind?   OGH , 9 ObA 75/16v Schrank, AR-Neuerungen

72 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitsentgelt: Einstufung als technischer Angestellter? LE-AS Nr.42, § 1 AngG KollV technische Angestellte grafische Gewerbe   Für die Einstufung in eine Verwendungsgruppe kommt es auf die Tätigkeitsmerkmale, auf den Inhalt der Arbeit und die vorwiegend ausgeübte tatsächliche Tätigkeit an, zu lösen anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls Die Verwendungsgruppe IV des KollV setzt eine Tätigkeit als technischer Angestellter und daher die Voraussetzungen für eine Angestellteneigenschaft iSd § 1 AngG voraus Werden in der Tätigkeit eines Arbeitnehmers, dessen Haupt­aufgabenbereich die Inseratenaufträge eines bestimmten Kunden betraf, keine Qualifikation gesehen, die über jene eines Facharbeiters (Druckvorstufe) hinausginge, so ist dies vertretbar, wenn die Tätigkeit zwar computerunterstützt mit facheinschlägigen Programmen für den Digitaldruck durchzuführen war, die Druckunterlagen nach Maßgabe der Produktionspläne des Kunden jedoch bereits die Informationen zu Titel, Format, Druckverfahren, Erstellung der Druckunterlagen ua enthielten, das grundsätzliche Erscheinungsbild sowie Text und Bilder der Inserate von ihm nicht zu verändern waren, die Freigabe durch den Kunden erfolgte, ihm für die Abrechnung Preiskategorien vorgegeben und Angebote und Aufträge von der kaufmännischen Abteilung zu erstellen waren.   OGH , 9 ObA 24/17w OLG Wien , 10 Ra 106/16f-29 Schrank, AR-Neuerungen

73 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitsentgelt: Einstufungskriterien Verwendungsgruppen und Gruppenbeispiele? (1) LE-AS Nr.41, §§ 6, 7 ABGB, §§ 26, 32 Kollektivertrag Arbeitsmarktservice   Für die Einstufungsmodelle der Kollektivverträge ist die Tätigkeit des Arbeitnehmers zentral, weil aus ihr die Wertschöpfung für den Arbeitgeber folgt Für die Einstufung kommt es auf die Tätigkeitsmerkmale, auf den Inhalt der Arbeit und auf die tatsächlich vorwiegend ausgeübte Tätigkeit an Die bei Beschäftigungsgruppen angeführten Tätigkeitsbeispiele dürfen dabei nicht vernachlässigt werden, vielmehr kann idR aus dem Zutreffen eines Tätigkeitsbeispiels auf die Einstufung in diese Gruppe geschlossen werden Werden Mischtätigkeiten verrichtet, dann entscheidet im Allgemeinen das zeitliche Überwiegen Die Einstufung in eine Kollektivvertragsgruppe anhand der konkreten Tätigkeit kann naturgemäß nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden § 26 KollV AMS unterscheidet zwischen „normalen“ und „qua­lifizierten“ SachbearbeiterInnen. Die Tätigkeit qualifizierter Sachbearbeiter nach Gehaltsgruppe VI setzt eine höhere Sachkenntnis voraus als jene der Sachbearbeiter nach Gehaltsgruppe V Die Einstufung nach ihrem konkreten Tätigkeitsinhalt als Key-Account-Manager in die (niedrigere) Gehaltsgruppe V (als „Sachbearbeiter“) ist vertretbar, wenn die in die (höhere) Gehaltsgruppe VI einge- stuften Key-Account-Koordinatoren („qualifizierte Sachbearbeiter“) gegenüber den bloßen Key-Account- Managern zusätzliche Aufgaben wahrnehmen, etwa die Koordinierung der Key-Account-Mitarbeiter. Schrank, AR-Neuerungen

74 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitsentgelt: Einstufungskriterien Verwendungsgruppen und Gruppenbeispiele? (2) LE-AS Nr.41, Zwar ist richtig, dass die anderen in den Gehaltsgruppen V und VI genannten Dienstnehmergruppen aufgrund der an Leitungsfunktionen geknüpften Leistungszulagen (§ 32 KV) letztlich höhere Gehälter haben als Sachbearbeiter Den Kollektivvertragsparteien ist hier aber nicht zu unterstellen, dass sie Dienstnehmer mit völlig anderer Wertigkeit ihrer Tätigkeit für den Dienstgeber in ein und dieselbe Gehaltsgruppe einreihen Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Kollektivvertragsparteien die Tätigkeiten der in einer Gehaltsgruppe angeführten Dienstnehmer für qualitativ vergleichbar erachten Die im Kollektivvertrag vorgesehenen Leitungszulagen für bestimmte in den Gehaltsgruppen V und VI eingestufte DN gelten die dauernde Übernahme einer der angeführten Leitungsfunktionen ab Dass die Arbeitnehmer (als Key-Account-Manager) „überregional tätig“ sind, spricht nicht notwen- digerweise für eine bedeutend höhere Qualifikation als „sonstige“ Sachbearbeiter (Call-Center-Agent) derselben Gehaltsgruppe V und für eine Gleichstellung der Key-Account-Manager mit den Key-Account- Koordinatoren der Gehaltsgruppe VI Wäre für die Kollektivvertragsparteien die „überregionale“ Tätigkeit eines Key-Account-Managers in einem geringen Teilbereich von ausschlaggebender Bedeutung für die Einstufung in die Gruppe VI ge- wesen, so hätten sie dies wohl deutlicher als Qualifikationsmerkmal hervorgehoben Die Verweigerung der gleichen Einstufung eines Arbeitnehmers bei gleicher Tätigkeit kann ein Willkürakt sein und den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen, jedoch ist im Anlassfall der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt.   OGH , 9 ObA 40/17y OLG Linz , 11 Ra 88/16i-41 LG Linz , 9 Cga 126/13v-3 Schrank, AR-Neuerungen

75 Schrank, AR-Neuerungen
Servicedesk: Allgemeine oder spezielle Tätigkeiten? LE-AS Nr.40, §§ 6, 7 ABGB, § 15 Abs. 4 IT-Kollektivvertrag   Für die Einstufung in eine bestimmte Tätigkeitsfamilie des IT-KV ist – wie sich insbesondere auch aus dessen § 15 Abs. 4 ergibt – die Art der ausgeübten Tätigkeit maßgeblich Die bei den einzelnen Beschäftigungsgruppen angeführten Tätigkeitsbeispiele dürfen bei der Beurteilung nicht vernachlässigt werden Vielmehr kann in der Regel aus dem Zutreffen eines Tätigkeitsbeispiels auf die Einstufung in die betreffende Beschäftigungsgruppe geschlossen werden Werden Mischtätigkeiten verrichtet, dann entscheidet im Allgemeinen das zeitliche Überwiegen. Hat sich das Berufungsgericht, ausgehend von umfassenden Feststellungen zu den erbrachten verschiedenen Tätigkeiten, ausführlich mit den Kriterien für die Tätigkeitsfamilien „Allgemeine Tätigkeit (AT)“ bzw. „Spezielle Tätigkeiten (ST1)“ auseinandergesetzt, müsste die Revision eine korrektur- bedürftige Fehlbeurteilung der darauf beruhenden Einzelfalleinstufung aufzeigen Die Einstufung „ST1“ setzt die Verrichtung spezieller administrativer, kaufmännischer, technischer sowie IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie)-Tätigkei­ten, die durch Qualifikation und/oder Verantwortung definiert werden, und auch deren selbständige Verrichtung voraus Hatte eine AN keine eigenständige Handlungs- oder Entscheidungskompetenz, trifft ST1 nicht zu Kontrollfunktionen bei Datenerfassungen genügen für ST1 nicht, wenn sich diese Kontrolle auf offensichtliche Unrichtigkeiten (Plausibilitätskontrolle) beschränkt und keine Berechtigung zur selbständigen Fehlerbehebung besteht Ist Help-Desk/Support – im Wesentlichen eine Anlaufstelle für Serviceanfragen innerhalb einer Organisationsstruktur – eine der Tätigkeitsbeschreibungen des KollV für die Einstufung in „Allgemeine Tätigkeit (AT)“, rechtfertigt die vergleichbare Servicedesk-Tätigkeit keine höhere Einstufung.   OGH , 8 ObA 68/16g Schrank, AR-Neuerungen

76 Schrank, AR-Neuerungen
KollV-Einstufung: Aufklärungs- und Fürsorgepflicht Vordienstzeitenbekanntgabe und Nachweisaufforderung (1) LE-AS Nr.13, §§ 5 Abs. 2, 44 Abs. 5, 46 Z. 4, 49 Abs. 3 lit. a, 50 Abs. 6, 67 KollV Universitäten § 94 Abs. 2 Z 3 UG, § 54 Abs. 1 ASGG iVm § 228 ZPO   Der Zweck von kollektivvertraglichen Klauseln zur Bekanntgabe anrechenbarer Vordienstzeiten besteht darin, den AG schon anlässlich der Begründung des AV in die Lage zu versetzen, Kenntnis über die Berufserfahrung des Einzustellenden und die dadurch auftretenden Lohnkosten verschaffen können Die Pflicht des Arbeitnehmers zur Bekanntgabe (allenfalls) anrechenbarer Vordienstzeiten ist ihrem Wesen nach eine im KollV positivierte vorvertragliche Aufklärungspflicht Hat der Arbeitnehmer seiner Bekanntgabepflicht (voll) entsprochen und schließt der Arbeitgeber daraufhin mit ihm sofort den Arbeitsvertrag ab, so gibt er damit mangels eines Vorbehalts idR zu erkennen, dass er zur Anrechnung der bekannt gegebenen Vordienstzeiten in den im KollV vorgesehenen Ausmaß bereit ist, da er damit rechnen muss, dass es dem Arbeitnehmer gelingen wird, die bekannt gegebenen Vordienstzeiten durch Unterlagen nachzuweisen In dieser Situation trifft auch den Arbeitgeber eine korrespondierende Aufklärungspflicht bzw. (nach Vertragsab­schluss) eine entsprechende Fürsorgepflicht Er hat den AN darauf hinzuweisen, dass die Anrechnung der im Bewerbungsschreiben bzw. bei den Vertragsverhandlungen erwähnten Verwendungsgruppen noch eines zusätzlichen Nachweises durch Zeugnisse oder Arbeitspapiere bedürfen, falls er darauf noch einen Wert legt. Schrank, AR-Neuerungen

77 Schrank, AR-Neuerungen
Kollektivvertragseinstufung: Vordienstzeitenbekanntgabe und Nachweisaufforderung (2) LE-AS Nr.13,   So wurde zu vergleichbaren kollektivvertraglichen Regelungen eine Verpflichtung des AG angenom- men, den AN zu befragen und ihn zur Vorlage von Nachweisen aufzufordern, wenn dieser auf Vordienst- zeiten im Ausland hingewiesen hatte oder in seinem Lebenslauf eine einschlägige Tätigkeit erwähnte Diese Fürsorgepflicht besteht ungeachtet der im KollV normierten Nachweispflicht des AN Erfolgt eine derartige Aufforderung nicht, darf der Arbeitnehmer im Zweifel davon ausgehen, dass seine Vordienstzeiten in der konkreten Gehaltsvereinbarung bereits berücksichtigt wurden bzw. mit einer vorzunehmenden Einstufung berücksichtigt werden Haben AN ihre Tätigkeit als Projektmitarbeiter bei der Arbeitgeberin zeitlich unmittelbar vorher absolviert, können sie auch ohne konkreten Hinweis auf diese Tätigkeit davon ausgehen, dass diese dem AG sowohl dem Umfang als auch dem Inhalt nach hinlänglich bekannt sind Es wäre daher an ihm gelegen gewesen, sollte er tatsächlich zusätzlichen Nachweis für erforderlich halten, die Arbeitnehmer darauf hinzuweisen.   OGH , 8 ObA 3/16y OLG Innsbruck , 15 Ra 51/15k-19, LG Innsbruck , 42 Cga 83/14y-15 Schrank, AR-Neuerungen

78 Schrank, AR-Neuerungen
Sonderzahlungen: Bemessung bei Arbeitszeitausmaß- Änderungen im Anspruchszeitraum - Mischberechnung? LE-AS Nr.12, § 16 Abs. 2 AngG, §§ 6, 7 ABGB, § 19d Abs. 5 AZG, § 15j Abs. 7 MSchG § 11 Abs. 2 AVRAG, § 13 KollV Angestellte Metallgewerbe   Sieht der Kollektivvertrag keine bestimmte Regelung für den Fall vor, dass es innerhalb des Kalenderjahres im aufrechten Arbeitsverhältnis zur Änderung des Beschäftigungsausmaßes kommt, ist die Höhe der Sonderzahlungen durch eine zeitliche Mischberechnung zu ermitteln Nimmt der Kollektivvertrag (nur) auf das Entgelt eines konkreten Monats Bezug, liegt keine abwei- chende, die Aliquotierung verhindernde Regelung für diesen Fall vor Auf diese daher planwidrige Regelungslücke sind die für vergleichbare Fälle erfolgten gesetzlichen Mischberechnungs­regelungen zur Herstellung eines gerechten Ausgleichs analog anzuwenden Diese gesetzlichen Mischberechnungsregelungen machen die Höhe der Sonderzahlungen vom tatsächlich verdienten Entgelt abhängig und nicht von einer möglicherweise bloß zufälligen Bezugsgröße zum Fälligkeitszeitpunkt Anzuwenden sind sie sowohl bei Wechsel von Teilzeit auf Vollzeit (und umgekehrt) als auch im Fall bloßer Erhöhung oder Senkung des Teilzeitausmaßes Die Alternative des arithmetischen Mittels der Gehaltsansätze für die Sonderzahlungsberechnung könn­te kein rechnerisch sachgerechtes, mit der zeitlichen Aliquotierung auch nur annähernd gleichwertiges Ergebnis erzielen.   OGH , 8 ObS 12/16x OLG Wien , 10 Rs 37/16h-12, ASG Wien , 12 Cgs 175/15k-8 Schrank, AR-Neuerungen

79 Schrank, AR-Neuerungen
Sonderzahlungs-Bemessung: Durchschnitt der letzten drei Monate - Was gilt bei entgeltfreien letzten drei Monaten? LE-AS Nr.13, §§ 6 und 7 ABGB, § 13 Arbeiter-KollV Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger   Sieht der Kollektivvertrag eine Berechnung auf Grundlage des Durchschnitts der Wochenentgelte der letzten 13 Wochen oder der Monatsentgelte der letzten 3 Kalendermonate vor der jeweiligen Fälligkeit vor, macht er mit dieser Durchschnittsberechnung – im Gegensatz zu einer der Höhe nach fixen Sonder- zahlung – erkennbar die Höhe des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration von der durchschnittlichen Höhe des in den letzten 13 Wochen vor der Mailohnaus­zahlung bzw. Oktoberlohnauszahlung bezogenen Entgelts abhängig Damit nehmen die KollV-Parteien bewusst in Kauf, dass ein in diesem Zeitraum hoher Entgeltbezug zu einer entsprechend hohen Sonderzahlung, ein geringer Bezug hingegen zu einer entsprechend geringen Sonderzahlung führt Diese Regelung hat zwangsläufig zur Folge, dass ein dem Grunde nach bestehender Anspruch auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration der Höhe nach auch Null sein kann, wenn in den jeweils angeführten Zeiträumen kein Entgelt (Lohn/Gehalt oder im Falle der Krankheit Fortzahlung des Lohns/Gehalts) bezogen wird Die Frage, ob nur für entgeltfreie und daher auch für entgeltfortzahlungsfreie Zeiten keine Sonder- zahlungen gebühren, stellt sich in einem solchen Fall nicht Auch für entgeltpflichtige Zeiten des Anspruchszeitraums gebühren daher keine Sonderzahlungen, wenn im Fall einer Krankheit in den letzten 13 Wochen vor dem bzw (Ende des Arbeitsverhältnisses) kein Entgeltfortzahlungsanspruch mehr bestand.   OGH , 9 ObA 58/17w OLG Linz , 11 Ra 96/16s-12 LG Wels , 17 Cga 69/16d-8 Schrank, AR-Neuerungen

80 Schrank, AR-Neuerungen
Sonderzahlungen: UZ nach Urlaubsverbrauch bei vorzeitigem Austritt ohne w.G. noch rückforderbar? LE-AS Nr.12, §§ 6, 7 ABGB, Abschnitt XVI Punkt 5 und 6 lit. a und b KVAÜ   Der normative Teil eines Kollektivvertrags ist gemäß den §§ 6 und 7 ABGB nach seinem objektiven Inhalt auszulegen. Dabei ist in erster Linie der Wortsinn – auch mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text ergebende Absicht der KollV-Parteien zu berücksichtigen Punkt 5 des Abschnitts XVI KVAÜ gilt klar nur für AN, deren AV nach Verbrauch eines Urlaubs und Erhalt des UZ endet, während Punkt 6 jene AN erfasst, deren AV vor Verbrauch eines Urlaubs endet Punkt 5 regelt auch den nur teilweisen Urlaubsverbrauch. Punkt 6 gilt nur für den Fall, dass gar kein Urlaub verbraucht wurde Nach dem eindeutigen Wortlaut haben die Kollektivvertrags­parteien für unterschiedliche Gruppen von Arbeitnehmern unterschiedliche Rechtsfolgen in Bezug auf die Rückverrech­nung bzw. Rückzahlung zu viel erhaltenen Urlaubs­zu­schusses normiert Der Anspruch auf den aliquoten Teil des UZ entfällt bei Entlassung aus Verschulden des AN und Austritt ohne wichtigem Grund nur hinsichtlich jener AN, deren AV vor Verbrauch eines Urlaubs endet (XVI Punkt 6 lit. a und b KVAÜ) Für AN, deren AV nach Verbrauch eines Urlaubs und Erhalt des Urlaubszuschusses endet (XVI Punkt 5 KVAÜ), findet sich hingegen keine Regelung, die den grundsätzlichen Anspruch auf den der zurückgelegten Dienstzeit entsprechenden Urlaubszuschuss bei bestimmten schädlichen Beendi- gungsarten wieder entfallen lässt Solche AN haben auch dann Anspruch auf den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses entsprechend ihrer jeweils im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit (je Woche 1/52), wenn das Arbeitsverhältnis durch Austritt ohne wichtigen Grund beendet wurde.   OGH , 9 ObA 120/16m OLG Graz , 6 Ra 16/16v-13, LG Leoben , 21 Cga 124/15k-9 Schrank, AR-Neuerungen

81 Schrank, AR-Neuerungen
Sonderzahlungen: Rückverrechnung Urlaubszuschussüberhang auch bei Dienstgeberkündigung? LE-AS Nr.13, §§ 6, 7 ABGB § 13 Abs. 6 KollV Denkmal-, Fassaden und Gebäudereiniger   Zusammenfassend beurteilt, haben die Parteien des Kollektivvertrags das Schicksal eines anteilig überbezahlten Urlaubszuschusses bei bestimmten Beendigungsarten abschließend geregelt Die von § 13 Abs. 6 des Kollektivvertrags erfassten Fälle, in denen ein Arbeitnehmer zur vollstän- digen oder anteiligen Rückzahlung des erhaltenen Urlaubszuschusses verpflichtet ist, lassen keinen Raum für ein Verständnis dahin, dass im Fall der Arbeitgeberkündigung eine Rückerstattung der Über- zahlung durch Anrechnung auf die Endabrechnungsansprüche eines Arbeitnehmers in Frage käme.   OGH , 9 ObA 146/16k OLG Linz , 11 Cga 34/16z-13, LG Salzburg , 11 Cga 34/16k-9 Schrank, AR-Neuerungen

82 Schrank, AR-Neuerungen
Bonuszusage für Sanierungs-„Turnaround“: Was gilt bei unterlassener oder gescheiterter Zielfestlegung? (1) LE-AS Nr.18, §§ 914, 915, 1152 ABGB   Für die Frage, ob Bonuszahlungen dem Grunde nach zustehen, kommt es auf die Vereinbarungen an. Die für die Auslegung von Willenserklärungen nach den §§ 914 ff ABGB maßgeblichen Grundsätze sind anzuwenden War die Absicht der Parteien darauf gerichtet, dass dem DN (Geschäftsführer) dann, wenn der „Turn­around“ geschafft ist, grundsätzlich jährlich eine Bonuszahlung zustehen sollte, die Details dafür aber jeweils abhängig vom Budget und dem erzielten Ergebnis der Gruppe einvernehmlich festgelegt werden sollten, und sollte die „Turn­around“-Voraussetzung nicht nur für das erste Jahr gel­ten, kann der Dienstnehmer aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers annehmen, dass ihm bei erfolgreicher Sa­nierung dem Grunde nach ein Bonus gewährt wird, die Höhe des Bonus jedoch einer jährlichen Abrede bedurfte, können in Aussicht gestellte 20 % des Jahresfixgehalts nur als Orientierungswert verstanden werden, den der Bonus nach Möglichkeit erreichen sollte Sollen nach der Vereinbarung für den Bonus einerseits Parameter und Ziele festgelegt werden, lässt dies auf den Zweck des Bonus im Sinn eines Anreizes für Leistungen im künftigen Geschäftsjahr schließen, aber auch darauf, dass der DN auch bei deutlicher Verbesserung in der Unternehmensentwicklung „dann seinen Bonus erhalten“ soll. Damit ist der Bonus für jenes Jahr als nachträgliche Belohnung für dieses Zielerreichen gedacht Stand zu Beginn des Geschäftsjahres noch nicht fest, ob der Sanierungserfolg schon erzielt wird, kommt nur ein Bonus im Sinn einer nachträglichen Belohnung in Betracht Die Gewährung eines nachträglichen Bonus bedarf keiner Festlegung von Parametern und Zielen Das Schreiben „schwarzer Zahlen“ ist noch kein nachhaltiger „Turnaround“ (nachhaltige Sanierung) Wird dann über die Bonushöhe keine andere Einigung erzielt, kommt ein Rückgriff auf § 1152 ABGB in Frage („angemessenes Entgelt“). Dabei ist die von den Parteien in Aussicht genommene Bonushöhe (hier: von 20 % des Jahresfixums) beachtlich Soweit es für die Bonuszahlung auf die Festlegung von Parametern und Zielen für das künftige Geschäftsjahr ankommen sollte, kommt es auf die Rahmenvereinbarung an, wenn diese die jährliche Festlegung konkretisie- render Ziele vorsieht, diese jedoch nicht zustande kommt Ist die Rahmenzielvereinbarung nicht ausreichend bestimmt und bestimmbar, um bereits als solche Rechts- folgen auszulösen, kann sie dennoch über eine unverbindliche Absichtserklärung hinausgehen Dies ist der Fall, wenn der Zusammenhalt des schriftlichen Dienstvertrags mit der mündlichen Zusage auf einen Verpflichtungswillen schließen ist, der auch die Pflicht umfasst, mit dem DN in jährliche Verhandlungen zu treten und die anspruchsbegründenden Ziele festzulegen. Schrank, AR-Neuerungen

83 Schrank, AR-Neuerungen
Bonuszusage an CEO für „Turnaround“? (2) LE-AS Nr.18, §§ 914, 915, 1152 ABGB   Wird die Verhandlungspflicht verletzt oder scheitern die Verhandlungen, bedeutet das Fehlen einer konkreten Zielvereinbarung nicht, dass der Rahmenzielvereinbarung keinerlei rechtliche Bedeutung zukäme und der AN keine Bonifikation beanspruchen könnte, hätte es doch sonst der AG in der Hand, einseitig den Anspruch des AN auf den Bonus zu vereiteln In Bezug auf eine Bonuszahlung ist in erster Linie der Parteiwille maßgeblich. Im Fall einer unbewussten Vertragslücke ist dafür auf die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung zurückzugreifen Für diese ist zunächst der hypothetische Wille der Parteien zu ermitteln. Lässt sich ein solcher nicht fest- stellen, gilt unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des Vertragszwecks jene Regelung, die vernünftige und redliche Parteien getroffen hätten Haben die Vertragspartner in der Rahmenvereinbarung noch keine Ziele für die Bonuszahlungen festgelegt, weil sie davon bewusst absehen und sie jährlichen Zielvereinbarungen vorbehalten wollten, liegt insofern noch keine ergänzungsbedürftige Lücke vor Unbewusst ungeregelt blieben in einem solchen Fall nur die Folgen der Verletzung einer Verhandlungspflicht bzw. das Scheitern von Verhandlungen über die Zielvereinbarung, sodass zu fragen ist, was die Parteien für einen solchen Fall vereinbart hätten Dafür lassen sich keine allgemeinen Aussagen treffen, weil je nach den Umständen des Falls verschiedene vertragliche Ergänzungen in Frage kommen können In jedem Fall ist zu berücksichtigen, dass es den Interessen der Vertragspartner entsprach, die Parameter und Ziele der Bonuszahlung im Einvernehmen festzulegen, was für gewöhnlich gegen eine ergänzende Vertragsaus- legung sprechen wird, die nur die Interessen eines Vertragspartners (unrealistisch hohe bzw. niedrige Parameter) oder beliebige Ziele im Auge hat Eine an den Interessen der Vertragspartner sowie an Treu und Glauben orientierte Auslegung kann aber auch zu einem „angemessenen“ Bonus iSd § 1152 ABGB führen, der gegebenenfalls an der in Aussicht genommenen Bonushöhe (hier 20 % des Jahresfixums) orientiert werden kann.   OGH , 9 ObA 163/16k OLG Graz , 7 Ra 35/16w-51, LGZ Graz , 43 Cga 85/13v-46 Schrank, AR-Neuerungen

84 Schrank, AR-Neuerungen
Allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz: Stichtags- differenzierungen über unterschiedliche Dienstordnungen? LE-AS Nr.25, § 16 ABGB   Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz hindert den Arbeitgeber nicht daran, in zeitlicher Hinsicht zu differenzieren und Vergünstigungen den ab einem bestimmten Zeitpunkt in Betracht Kommenden nicht mehr zu gewähren Auch bei der Bestimmung der Kriterien für eine (freiwillige) Besserstellung ist der Dienstgeber frei; er darf sie nur nicht im Einzelfall willkürlich und ohne sachlichen Grund zum Nachteil eines einzelnen Dienstnehmers verlassen Der Dienstgeber kann ohne Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus sachlichen Gründen stichtagsbezogen Leistungen auch ausweiten Das Herausnehmen einzelner bevorzugter Detailregelungen („Rosinentheorie“) – so die Behauptung, dass die Anwendung der DB V gegenüber den früheren DB IV insgesamt eine Vergünstigung darstelle – ist unschlüssig Ob die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmer­gruppen dem Gebot der Sachlichkeit entspricht, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab Im Anlassfall wurde durch Anwendung unterschiedlicher DB auf Dienstnehmergruppen zeitlich und damit sachlich differenzierend der Gleichbehandlungsgrund­satz nicht verletzt.   OGH , 8 ObA 52/16d OLG Wien , 7 Ra 15/16a-29 Schrank, AR-Neuerungen

85 Schrank, AR-Neuerungen
Dienstverhinderungen (Krankenstände inkl. Unfallschutz, sonstige sowie dienstgeberseitige), Urlaub Schrank, AR-Neuerungen

86 Schrank, AR-Neuerungen
Verhalten im Krankenstand: Genesungsbeeinträchtigendes Verhalten – Mit Lebensgefährten zu Konzert seiner Band? Beipackzettel zu Medikamenten? LE-AS Nr.23, § 27 Z 1 dritter Fall AngG   Begleitet eine Arbeitnehmerin während des Krankenstandes ihren Lebensgefährten zum Konzert seiner Band und hat dies weder eine Verlängerung des Krankenstandes noch Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes zur Folge, liegt kein Entlassungsgrund vor, wenn ihr von den Ärzten sogar geraten wurde, am sozialen Leben teilzunehmen und das zu tun, was für sie angenehm ist, zumal dann, wenn sich ihr psychischer Gesundheitszustand innerhalb weniger Monate auch tatsächlich wieder gebessert hat Beipackzettel zu Medikamenten sind in diesem Zusammenhang ein vollkommen untaugliches Beweismittel, da sie eine konkrete ärztliche Einschätzung von vornherein nicht zu beeinflussen vermögen Ein Beipackzettel enthält allgemeine Informationen vor allem über die Zusammensetzung, Anwen- dungsgebiete, Gegenanzeigen, Neben- und Wechselwirkungen und Dosierung eines Arzneimittels, um dem Verbraucher eine Hilfestellung für die Anwendung zu geben.   OGH , 8 ObA 21/17x OLG Wien , 9 Ra 114/16z-29 Schrank, AR-Neuerungen

87 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitszeitrechtliche Besserstellung durch „Nachtfaktor“: Weitergutschrift bei Entgeltfortzahlung? LE-AS Nr.12, § 8 AngG, § 2 EFZG, § 19c AZG, § 8 ÖBB Arbeitszeit KollV   Soll nach dem KollV-Kon­zept grundsätzlich die Sollarbeitszeit im Durchrechnungszeitraum durch den Erwerb der (um einen Nachtfaktor erhöhten) Zeitwerte erreicht werden, entsteht im Regelfall (durch entsprechende Berechnung der Arbeitszeit im Durchrechnungszeitraum) kein Zeitguthaben Bei Nichtanwendung eines solchen kollektivvertraglichen Nachtfaktors für Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer zwar nach der jeweils geltenden Diensteinteilung zur Nachtarbeit eingeteilt ist, seine (geplante) Arbeitsleistung jedoch (insbesondere wegen Krankheit) nicht erbringen kann, hätte daher der Arbeitnehmer für seine (krankheitsbedingte) Abwesenheit – im Ausmaß des nicht erworbenen Zeitgut- habens – zusätzliche Arbeitszeit zu leisten, um den Krankenstand teilweise einzuarbeiten Dieses Ergebnis liefe dem Wesen der Entgeltfortzahlung zuwider, wonach der Arbeitnehmer in den Entgeltfortzahlungsfällen so gestellt werden soll, als hätte er die ausgefallene Arbeit tatsächlich erbracht, also so, als wäre die Arbeitsleistung nicht entfallen Für Zeiten der Entgeltfortzahlung ist daher auch die entfallene Arbeitszeit aus besserstellenden Nachtfaktoren, die ohne die Dienstverhinderung gebührt und zu einer Verringerung der Arbeitszeit geführt hätten, anzuerkennen und dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben Eine solche Zeitanerkennung setzt zwar einen Entgeltfortzahlungsanspruch voraus, ist jedoch kein Entgelt.   OGH , 9 ObA 107/16z OLG Wien , 10 Ra 9/16s-15, ASG Wien , 31 Cga 32/14y-11 Schrank, AR-Neuerungen

88 Schrank, AR-Neuerungen
Krankenstände: Zuschüsse zur Entgeltfortzahlung Normale Krankenstände: Lauf des Arbeitsjahres nach Unterbrechung bis zu 60 Tagen? LE-AS Nr.5, § 53b Abs. 2 ASVG, § 2 Abs. 1, 3 und 4 EFZG, § 4 Abs. 2 EF-ZuschussVO   Nach dem Wortlaut des § 2 EFZG (insb arg „nach Antritt des Dienstes“) und nach zu billigender herrschender Auffassung der Lehre hat die in § 2 Abs. 3 EFZG angeordnete Zusammenrechnung von Arbeitszeiten keinen Einfluss auf die Lage des jeweiligen Arbeitsjahres; dafür ist nur der Beginn des letzten Arbeitsverhältnisses maßgebend Im Hinblick darauf kann § 2 Abs. 3 EFZG keine Grundlage für eine Lücke sein, zumal auch keine planwidrige Unvollständigkeit des § 53b ASVG (Lücke) vorliegt, die Voraussetzung einer Analogie wäre Mit einem Wiedereintritt beginnt daher ein neues Arbeitsjahr und damit ein jeweils neuer Fortzah- lungsanspruch auch dann, wenn die vorangegangene Unterbrechung 60 Tage nicht überschritten hat Bei einem durchgehenden Krankenstand, der in ein neues, vom Wiedereintrittsdatum abhängiges Arbeitsjahr herüberreicht, hat die AUVA daher für das gesetzliche Krankenentgelt dieses Arbeitsjahres wieder den gesetzlichen Entgeltfortzahlungszuschuss für 42 Tage zu leisten.   OGH , 10 ObS 54/17i OLG Linz , 12 Rs 10/17b-9 LG Ried , 19 Cgs 154/16t-5 Schrank, AR-Neuerungen

89 Schrank, AR-Neuerungen
Entgeltfortzahlung: Kündigung im Krankenstand Säumnis (Bestätigungsnichtvorlage) auch nach Ende AV? LE-AS Nr.13, §§ 4 Abs. 1 und 4, 5 EFZG §§ 8 Abs. 8, 9 Abs. 1 und 3 AngG   Die Anzeige der Verhinderung dient im aufrechten Arbeitsverhältnis der unverzüglichen Information des Arbeitgebers über den Ausfall des Arbeitnehmers Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber Dienstverhinderungen umgehend mitteilen und glaubhaft darlegen, um ihm die Möglichkeit rechtzeitiger Disposition zu geben, aber auch, um dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Abwägung zu verschaffen, ob das Fernbleiben des Arbeitnehmers sachlich gerechtfertigt ist beziehungsweise war Dieses besondere Informationsbedürfnis, dessen Schutz die Sanktion des § 4 Abs. 4 EFZG (§ 8 Abs. 8 AngG) dient, endet aber mit dem Arbeitsverhältnis Mit der Auflösung des Dienstverhältnisses endet auch die Vorlagepflicht nach § 4 Abs. 1 EFZG für Zeiträume nach Ende des Arbeitsverhältnisses Insoweit kann (bei erwiesen andauernder Arbeitsunfähigkeit) auch keine Säumnisfolge greifen.   OGH , 8 ObA 56/16t OLG Graz , 7 Ra 29/16p-21 Schrank, AR-Neuerungen

90 Schrank, AR-Neuerungen
Unfallversicherung: Wegunfälle Umwege (Abwege): Lebensmitteleinkauf nach Nachtdienst Ausrutschen auf Supermarkt-Parkplatz? LE-AS Nr. 7, § 175 Abs. 2 Z 1 ASVG   Unfallversicherungsschutz nach § 175 Abs. 2 Z 1 ASVG ist zu verneinen, wenn sich der Unfall auf einer Phase des Weges ereignete, der ausschließlich eigenwirtschaftlichen (per­sönlichen) Interessen diente, also grundsätzlich keine Weggefahr verwirklicht wird So bei Ausrutschen auf dem Parkplatz eines Supermarkts für einen kurzen Lebensmitteleinkauf Der Sachverhalt des Anlassfalls ist durchaus mit jenem in 10 ObS 45/ 14m vergleichbar Bei Essmöglichkeit während des Nachtdienstes ändert der Umstand, dass die Arbeitnehmerin während des Nachtdienstes Nahrungsmittel nicht einkaufen konnte und der Nachtdienst zumindest zwölf Stunden dauerte, nichts an der Beurteilung, dass ein fünfminütiger Lebensmitteleinkauf am Heimweg von der Arbeitsstätte ausschließlich eigenwirtschaftlichen (persönlichen) Interessen diente Ereignete sich der Unfall nach dem Ende der Arbeitszeit, liegt auch kein Fall des Abs. 2 Z 7 ASVG vor Auch liegt kein 10 ObS 93/98v (SSV-NF 12/45) vergleichbarer Sachverhalt vor, für welchen der Unfall- versicherungsschutz auf der Zufahrt zu einer unmittelbar am Weg gelegenen Tankstelle für das Tanken und auf dem anschließenden Weg zum Kassenraum bejaht wurde, wenn das Tanken auf dem Weg zur Arbeits- stätte notwendig wird Ein Lebensmitteleinkauf ist indessen keine Maßnahme zur Fortsetzung des eingeschlagenen Wegs.   OGH , 10 ObS 158/16g OLG Wien , 9 Rs 103/16g-23 Schrank, AR-Neuerungen

91 Schrank, AR-Neuerungen
Unfallversicherung: Wegunfälle Um- und Abwege Nächtliche Sohnabholung von Geburtstagsfeier? (1) LE-AS Nr. 8, § 175 Abs. 2 Z 1 ASVG   Nach § 175 Abs. 2 Z 1 ASVG ist grundsätzlich nur der direkte Weg zwischen der Arbeits- oder Ausbildungsstätte und der Wohnung geschützt. Dies ist in der Regel die streckenmäßig oder zeitlich kürzeste Verbindung zwischen Ausgangs- und Zielpunkt des Arbeitswegs, wobei der Versicherte zwischen im Wesentlichen gleichwertigen Möglichkeiten frei wählen kann Auf einem durch Umweg längeren Weg besteht in der Regel kein Versicherungsschutz, außer wenn der an sich kürzeste Weg unter Bedachtnahme auf das benützte private oder öffentliche Verkehrsmittel über- haupt nicht (zB wegen einer Verkehrssperre) oder nur unter – vor allem für die Verkehrssicherheit – wesent- lich ungünstigeren Bedingungen (zB Witterungs-, Straßen- oder Verkehrsverhältnissen) benützt werden oder der Versicherte solche günstigere Bedingungen wenigstens annehmen konnte. Durch derartige Umstände erzwungene Abweichungen vom Weg berühren daher den Versicherungsschutz nicht Sonstige Um- und Abwege sind hingegen im Allgemeinen nicht vom Schutz umfasst. Wurde nicht der kürzeste Weg eingeschla­gen, so entfällt der Schutz somit dann, wenn für die Wahl des Weges andere Grün- de als die Absicht, den Ort der Tätigkeit bzw. auf dem Rückweg die Wohnung zu erreichen, maßgebend gewesen sind und wenn die dadurch bedingte Verlängerung der Weg­strecke unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände als erheblich anzusehen ist Bei den jeweiligen Umständen des Einzelfalls sind alle nach der allgemeinen Verkehrsanschauung zu berücksichtigenden Umstände in Betracht zu ziehen, insbesondere der Wunsch, den Weg möglichst störungsfrei und zweckmäßig zurückzulegen. Dabei sind auch objektive Kriterien zu berücksichtigen Hat der Arbeitnehmer zum Unfallzeitpunkt den direkten und kürzesten Weg bereits aus eigenem Willensentschluss wegen rein privater Gründe verlassen, ohne dass aus etwa witterungsbedingten oder verkehrstechnischen Gründen diese Strecke in der Unfallnacht eine dem direkten Arbeitsweg gleichwertige Verbindung darstellen sollte, ist der Schutz abzulehnen Die Annahme der Unzumutbarkeit der Einhaltung des kürzesten Weges wegen wesentlich ungünstigerer Umstände scheidet aus, wenn der AN in der Unfallnacht zur Erreichung seines Wohnhauses nicht die Um- fahrungsstraße benutzt hätte (sondern in den Ort gefahren wäre), hätte er nicht seinen Sohn abholen wollen. Schrank, AR-Neuerungen

92 Schrank, AR-Neuerungen
Nächtliche Sohnabholung von Geburtstagsfeier? (2) LE-AS Nr. 8, § 175 Abs. 2 Z 1 ASVG   Auch dass objektiv die längere Strecke eine Ortsdurchfahrt sowie eine scharfe Kurve vermeidet, machte die kürzere Route noch nicht unzumutbar Dass die kürzere Route etwa im Winter witterungsbedingt im Hinblick auf eine scharfe Kurve und steile Anfahrt zum Wohnhaus unzumutbar sein kann, ist für August nicht maßgeblich Die Annahme der Unzumutbarkeit der Einhaltung des kürzesten Weges wegen wesentlich ungünstigerer Umstände scheidet aus, wenn der AN in der Unfallnacht zur Erreichung seines Wohnhauses nicht die Um- fahrungsstraße benutzt hätte (sondern in den Ort gefahren wäre), hätte er nicht seinen Sohn abholen wollen Auch dass objektiv die längere Strecke eine Ortsdurchfahrt sowie eine scharfe Kurve vermeidet, machte die kürzere Route noch nicht unzumutbar Dass die kürzere Route etwa im Winter witterungsbedingt im Hinblick auf eine scharfe Kurve und steile Anfahrt zum Wohnhaus unzumutbar sein kann, ist für August nicht maßgeblich Allerdings ist der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht nur gegeben, wenn diese den alleinigen Grund für das Zurücklegen des Weges bildete. Diente der Weg sowohl der versicherten Tätigkeit als auch eigenwirtschaftlichen Interessen („gemischter Weg“), ist für den Versicherungsschutz bedeutsam, ob sich der zurückgelegte Weg eindeutig in zwei Teile zerlegen lässt, von denen der eine der versicherten und der andere der nichtversicherten Tätigkeit gedient hat Soweit diese Aufteilung nicht möglich ist, besteht der innere Zusammenhang, wenn der Weg zumindest auch wesentlich der versicherten Tätigkeit zu dienen bestimmt war Im Anlassfall sind die beiden Wegstrecken im Hinblick darauf, dass die gewählte Strecke um fast 4 km länger sei und auch deutlich mehr Fahrzeit in Anspruch nehme, nicht gleichwertig und auch aufteilbar Ist die Umweg-Teilstrecke, auf der sich der Unfall ereignete, nicht mehr der versicherten, sondern einer nichtversicherten Tätigkeit bzw. einem eigenwirtschaftlichen Interesse (näm­lich sei­nen Sohn abzuholen) zuzuordnen, besteht dafür kein Unfallversicherungsschutz Es handle sich bei der kürzeren und der längeren Route doch um gleichwertige Varianten des Arbeits- weges, weshalb ein „gemischter Weg“ gegeben sei, kann an der Vertretbarkeit der Ablehnung nichts ändern.   OGH , 10 ObS 167/16f OLG Innsbruck , 25 Rs 80/16z-11 Schrank, AR-Neuerungen

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Unfallversicherungsleistungen: Wegunfälle Sonstige Ausschlussfälle: Kongress-Dienstreise München Überspringen hoher Biergartenmauer im Dunkeln? LE-AS Nr. 8, § 175 Abs. 2 Z 1 ASVG   Die stRsp verneint den Kausalzusammenhang zur versicherten Tätigkeit, wenn der Unfall auf einem völlig unvernünftigen und unsinnigen Verhalten des Versicherten beruht, das eine besondere Gefährdung auslöst, weshalb die versicherte Tätigkeit nicht mehr wesentliche Bedingung für den Unfall ist Ähnlich wird judiziert, wenn sich der Versicherte ohne jeden inneren Zusammenhang mit seiner ge- schützten Tätigkeit einer leicht erkennbaren Gefahr aussetzt und von dieser Gefahr ereilt wird Ob ein Verhalten in so hohem Maß vernunft­widrig war und zu einer solchen besonderen Gefährdung geführt hat, dass die versicherte Tätigkeit nicht mehr wesentliche Bedingung für den Unfall ist, hat stets nach den Umständen des Einzelfalls zu erfolgen Auch wenn die wesentliche Bedingung in nicht unähnlichen Sachverhalten – einzelfallbezogen aus einer ex ante-Sicht – bejaht wurde, hält sich die im Anlassfall von den Vorinstanzen erzielte Ver­neinung im Rahmen der hg Rsp Zuletzt hat etwa 10 ObS 86/15t beim Versuch, ein Haus über ein Fenster im ersten Stock mittels einer provisorisch angelegten Leiter zu betreten, den Schutz verneint Liegt daher die einzelfallorientierte Entscheidung des Berufungsgerichts im von der hg Rsp vorgegebenen Rahmen, ist sie mangels erheblicher Rechtsfrage nicht revisibel.   OGH , 10 ObS 163/16t OLG Graz , 6 Rs 56/16a-10 Schrank, AR-Neuerungen

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Unfallversicherungsleistungen: Weg zu Feuerwehrübung Wann ist er auch von drittem Ort geschützt? LE-AS Nr. 6, §§ 175 Abs. 2 Z 1, Abs. 5, 176 Abs. 1 Z 7 lit.a ASVG   Gemäß § 176 Abs. 5 ASVG ist für den Unfallversicherungsschutz von Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehren § 175 Abs. 2 Z 1 ASVG „entsprechend anzuwenden“. Danach ist der mit der Beschäftigung zusammenhängende direkte Weg zur oder von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte versichert, der in der Absicht zurückgelegt wird, die versicherte Tätigkeit aufzunehmen bzw. nach ihrer Beendigung wieder in den privaten Wohnbereich zurückzukehren. Ausgangspunkt ist somit der ständige Aufenthaltsort Wird der Weg nicht von der Wohnung („dritter Ort“) aus angetreten, müssen für den Schutz objektive Gründe vorliegen, die den Versicherten veranlassen, seine Wohnfunktion an einem anderen Ort auszuüben, etwa weil seine ständige Wohnung unbenützbar oder ihre Benutzung wegen Reparaturarbeiten unzumutbar ist Andere Gründe sind nur beachtlich, wenn sie in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Ein versicherter Arbeitsweg liegt daher auch dann vor, wenn der Versicherte außerplanmäßig von einem zufälligen Aufenthaltsort zur Arbeit gerufen wird Diese Grundsätze sind „entsprechend“ (§ 176 Abs. 5 ASVG) auf die Teilnahme eines Mitglieds einer freiwilligen Feuerwehr an einer vom Versicherungsschutz erfassten Feuerwehr-Übung anzuwenden Demnach stehen Unfälle auf Wegen zu oder von einer Übung unter Unfallversicherungsschutz, deren Ausgangs- bzw. Endpunkt der Wohnort ist. Der Schutz auf dem Weg von einem „dritten Ort“ zu einer Übung ist dann nicht ausge- schlossen, wenn für den Aufenthalt an diesem Ort Gründe bestehen, die mit der versicherten Tätigkeit (Ausübung der im Rahmen der Übung obliegenden Pflichten) in innerem Zusammenhang stehen Dies daher z.B. dann, wenn die Übung von diesem anderen Ort aus leichter und gefahrloser erreicht werden kann (etwa wenn eine Übung so terminisiert ist, dass ein einer unselbständigen Beschäftigung nachgehendes Mitglied einer freiwilligen Feuerwehr nur teilnehmen kann, wenn es den Weg von der Arbeitsstätte aus antritt) oder wenn ein Feuer- wehrmitglied außerplanmäßig von einem zufälligen Aufenthaltsort zur Übung gerufen wird Befand sich der Betroffene zum Unfallszeitpunkt nicht auf einem derartigen Weg, sondern auf dem Weg von einem ausschließlich aus eigenwirtschaftlichen (privaten) Motiven, also aus nicht in einem inneren Zusammenhang mit der erst für Stunden später anberaumten Übung stehenden Gründen, aufgesuchten Ort, liegt indessen kein geschützter Feuerwehr-Weg­unfall vor.   OGH , 10 ObS 128/16w OLG Linz , 11 Rs 69/16w-11, LG Salzburg , 19 Cgs 117/15v-7 Schrank, AR-Neuerungen

95 Schrank, AR-Neuerungen
Unfallversicherungsleistungen: Gleichgestellte Unfälle Hilfeleistung bei Parkplatzunfall Dritter? (1) LE-AS Nr. 7, §§ 175 Abs. 2 Z 7, 176 Abs. 1 Z. 2 ASVG   Der Weg des Versicherten von seiner Arbeitsstätte zum nahe gelegenen Kaufhaus im Ort zur Besorgung einer Jause während einer Arbeitspause ist nach § 175 Abs. 2 Z 7 ASVG geschützt Entscheidet sich der Versicherte in diesem Zuge, bei der Trennung verunfallter Kleintransporter zu helfen, bestand zu diesem Zeitpunkt keine Gefahrensituation und entstand die Gefahr erst später, als der Kastenwagen nach seiner Loslösung vom anderen Fahrzeug ins Rollen geriet, stellt diese Hilfeleistung lediglich eine nicht geschützte Gelegenheitsursache dar Bei den in § 176 ASVG den Arbeitsunfällen „gleichgestellten“ Tätigkeiten kommt es bei Unfällen indes- sen auf die betriebliche Tätigkeit bzw. die Motive für die Unterbrechung seines Weges nicht an. Wer bei Unglücksfällen, in allgemeiner Gefahr oder Not Hilfe zu holen versucht, besitzt Unfallversicherungsschutz Geschützt ist ua, wer – ohne besondere rechtliche Verpflichtung – einen Unfall bei der Rettung eines Menschen aus tatsächlicher oder vermuteter Lebensgefahr oder dem Versuch einer solchen Rettung (Fall- gruppe 1), oder einen Unfall bei der Hilfeleistung in sonstigen Unglücksfällen oder allgemeiner Gefahr oder Not erleidet (Fallgruppe 4) Die bisherige Rsp erfasst Fälle der Hilfeleistung für Menschen und nicht nur Tieren oder Sachen Die Schutzbereiche der ersten fünf Fälle des § 176 Abs. 1 Z 2 ASVG erfordern die Abwendung einer gegenwärtig drohenden Gefahr oder zumindest ein Dringlichkeitsmoment. Die Gefahrenlagen, in denen der Helfer tätig wird, dürfen noch nicht abgeschlossen sein. Es genügt, dass der Unglücksfall einzutreten droht. Die Hilfeleistung muss positives Handeln zugunsten eines Dritten sein, wobei spontanes Handeln genügt Der Versicherungsschutz eines bei einem Unglücksfall oder einer gemeinen Gefahr oder Not Hilfe Leistenden erfordert, dass dessen Tätigkeit auch subjektiv wesentlich von der Vorstellung bestimmt sein muss, einen gefährlichen Zustand zu beseitigen. Schrank, AR-Neuerungen

96 Schrank, AR-Neuerungen
Unfallversicherungsleistungen: Gleichgestellte Unfälle Hilfeleistung bei Parkplatzunfall Dritter? (2) LE-AS Nr. 7, Versichertes Hilfeleisten bei einem Unglücksfall liegt auch vor, wenn ein Helfer eingreift, um den Schaden an einem anderen wichtigen Individualrechtsgut als der körperlichen Unversehrtheit zu beseitigen oder eine Gefahr für ein solches Rechtsgut abzuwenden Der Unfallversicherungsschutz gemäß § 176 Abs. 1 Z 2 Fallgruppe 4 ASVG ist zu bejahen, nicht jedoch im ersten Abschnitt des Geschehens, als der Versicherte helfen wollte, die ineinander verkeilten Kleintrans- porter voneinander zu lösen, wohl aber im zweiten Abschnitt, der mit der Lösung der Kleintransporter voneinander begann, als der Kastenwagen zu rollen begann, weil die Handbremse nicht angezogen war Auf einer abschüssigen Straße mitten im Ortsgebiet besteht durch unkontrolliertes Rollen erhebliche Gefahr für Menschen und Sachen (auch für den Kleintransporter selbst) Dieses plötzliche Ereignis ist von § 176 Abs. 1 Z 2 Fallgruppe 4 ASVG erfasst. Ob nach objektiven Um- ständen auch eine allgemeine Gefahr bestanden hätte, ist nicht zu prüfen, da diese Situation nach dem Gesetz nur alternativ zu einem Unglücksfall vorliegen muss Greift der Versicherte spontan und aktiv in einer unmittelbaren, noch nicht beendeten Gefahrensitu- ation mit der Absicht ein, den (fremden) Wagen am Wegrollen zu hindern, handelt er zugunsten eines Dritten, sodass Hilfeleistung in einem Unglücksfall vorliegt. Dass die rettende und helfende Tätigkeit bei allgemein Menschen gelten muss, bedeutet nicht, dass in allen Fällen ein Mensch gerettet werden muss Spontanes Handeln genügt für den Versicherungsschutz. Selbst wenn das Handeln nur der Rettung des Kastenwagens gegolten hätte, hätte es nicht lediglich der Abwehr eines „Bagatellschadens“ gegolten.   OGH , 10 ObS 93/16y OLG Linz , 11 Rs 38/16m-9 Schrank, AR-Neuerungen

97 Schrank, AR-Neuerungen
Sonstige Dienstverhinderungen: Grundsätze, Wahlzeugen LE-AS Nr.4, § 8 Abs. 3 AngG, § 1154b Abs. 4 ABGB, § 23 BRWO, § 4 Abs. 2 UrlG   Für die Tätigkeit als Wahlzeuge einer Betriebsratswahl hat der AN bei überwiegendem Interesse an dieser Tätigkeit gegenüber dem Arbeitsleistungsinteresse des Arbeitgebers nach § 8 Abs. 3 AngG bzw. § 1154b Abs. 4 ABGB Anspruch auf Freistellung gegen Entgeltfortzahlung Andere wichtige, die Person des Dienstnehmers betreffende Gründe iSd § 8 Abs. 3 AngG sind auch solche, die ihn entweder durch ihre unmittelbare Einwirkung an der Dienstleistung hindern oder nach Recht, Sitte oder Herkommen wichtig genug erscheinen, um ihn davon abzuhalten Die Kollision von Vertragspflichten mit einer höherwertigen Pflicht kann dann im Einzelfall das ansonsten pflichtwidrige Unterlassen der Dienstleistung rechtfertigen Es hat daher eine Interessenabwägung stattzufinden. Dabei sind die Interessen an der (bezahlten) Freistellung den Interessen des AG an der Erbringung der Arbeitsleistung gegenüberzustellen Ein Dienstverhinderungsgrund setzt seitens des AN ein wichtiges Interesse voraus, das schwerer wiegt als der Nachteil, den der AG durch das Unterbleiben der Dienstleistung erleidet Neben familiären oder faktischen Hinderungsgründen sind öffentlich-rechtliche Pflichten anerkannt Allgemein ist auch anerkannt, dass die Ausübung des Wahlrechts einen wichtigen Grund darstellt Die Tätigkeit als Wahlzeuge bei einer Betriebsratswahl dient den Interessen der AN des Unterneh- mens und damit letztlich auch den betrieblichen Interessen am gesetzmäßigen Ablauf einer BR-Wahl und ist wie jene bei allgemeinen Wahlen für das Funktionieren einer demokratischen (Betriebs-)Gemein­schaft von essentieller Bedeutung Sie stellt damit für den einzelnen AN eine so wesentliche gesellschaftliche Verpflichtung dar, dass vom Vorliegen eines Dienstverhinderungsgrundes auszugehen ist Hat zur notwendigen Interessenabwägung mit den Interessen des AG an der Arbeitsleistung dieser kein diesbezügliches Vorbringen erstattet, ist vom überwiegenden Interesse des AN auszugehen.   OGH , 9 ObA 121/16h OLG Linz , 11 Ra 44/16v-9, LG Linz , 11 Cga 4/16x-5 Schrank, AR-Neuerungen

98 Schrank, AR-Neuerungen
Bewertung PKW-Entzug – welcher Geldersatz? Kosten? Fiktiver Mietaufwand? KM-Geld? 12-Mo.schnitt? (1) LE-AS Nr.5, Nr.13, § 1155 ABGB, § 273 ZPO   Können Naturalleistungen nicht in Anspruch genommen werden, sind sie mit Geld abzulösen Stand ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung und war dieser für den Zeitraum des Entlassungsanfechtungsverfahrens entzogen, hat der AN grundsätzlich Anspruch auf eine entspre- chende geldwerte Leistung in Höhe des tatsächlichen Wert des Naturalbezugs Dieser Geldersatz stellt ebenfalls Entgelt dar und ist damit auch lohnsteuer- und sv-pflichtig Die Höhe richtet sich nach dem Vorteil, der dem Dienstnehmer durch den Naturalbezug entstanden ist, also danach, was er sich durch die Naturalleistung erspart hat Zweck der Abgeltung von Naturalbezügen ist es, ein entsprechendes Äquivalent zu ermitteln Dass wiederholt die nach der Sachbezugswerteverordnung vorzunehmende fiskalische Bewertung als brauchbare Orientierungshilfe akzeptiert wurde, ändert nichts daran, dass Naturalbezüge grund- sätzlich mit ihrem tatsächlichen Wert zu berücksichtigen sind Bei erheblichem Auseinanderfallen der fiskalischen Bewertung vom tatsächlichen Wert kann daher auf diese Berechnungshilfe nicht zurückgegriffen werden Für diese Fälle wurden wiederholt die Wiederbeschaffungskosten als angemessen bezeichnet Dabei wurde aber zugleich darauf verwiesen, dass der Wiederbeschaffungswert im Einzelfall zu schwierigen Bewertungsproblemen führen könne. Es sei allenfalls nach § 273 Abs. 1 ZPO vorzugehen Das amtliche Kilometergeld stellt als Richtwert eine Pauschalabgeltung für alle Kosten dar, die durch die Verwendung eines privaten Kraftfahrzeugs für Fahrten im Zuge einer Dienstreise anfallen Es soll sämtliche mit der Anschaffung und Erhaltung verbundenen Kosten angemessen abzudecken Grundsätzlich kann daher das amtliche Kilometergeld eine angemessene Berechnungshilfe für den Geldersatz darstellen, entspricht es doch am ehesten den Kosten, die bei Nutzung eines eigenen Wagens statt eines Dienstwagens entstehen (Wertverlust, Treibstoff, Versicherungen, Steuern und Gebühren) Schrank, AR-Neuerungen

99 Schrank, AR-Neuerungen
Bewertung PKW-Entzug – welcher Geldersatz? (2) LE-AS Nr.5, Nr.13, Das beantwortet aber nicht, in welchem Umfang Anspruch auf Geldersatz zusteht, sondern nur, wie dieser gegebenenfalls angemessen bewertet werden kann Da der Geldersatz ein Äquivalent für die entzogene Naturalleistung darstellt, hat er sich notwendiger- weise daran zu orientieren, in welchem Umfang der AN Anspruch auf Naturalleistung hatte Lässt sich aus der Auslegung der konkreten Vereinbarung ein bestimmter Nutzungsumfang nicht ableiten, wird sich die Bewertung nach der betrieblichen Übung bzw. nach der einvernehmlich gelebten Übung zu orientieren haben Diese kann aber nicht aus der Fahrleistung nach dem Entzug des Dienstwagens, sondern nur aus der durchschnittlichen Privatnutzung vor diesem Zeitpunkt abgeleitet werden Dies ist dies im Zweifel auch für den Fall anzunehmen, dass die Privatnutzungsmöglichkeit für einen Dienstwagen zwischen den Parteien nicht beschränkt wurde So führt die bloße Möglichkeit der Privatnutzung ohne tatsächliche Inanspruchnahme noch zu keinem Sachbezug Auch kann der AN üblicherweise aus der Überlassung des Dienstfahrzeugs nicht auf einen Willen schließen, jeglicher Art und jedem Umfang einer privaten Nutzung zuzustimmen, dies losgelöst von der dienstlichen Verwendung oder der sich aus der arbeitsrechtlichen Verpflichtung üblicherweise rein faktisch ergebenden zeitlichen und örtlichen Beschränkungen Mangels konkreterer Vereinbarungen über den Umfang des Naturalbezugs richtet sich die Ermittlung des Werts daher an der tatsächlichen Nutzung bis zum Entzug Da der Ermittlung des Geldwerts von Naturalbezügen gerade im Zusammenhang mit Abfertigungen besondere Bedeutung zukommt, kann bei Errechnung des Geldwerts unregelmäßiger Naturalbezüge auch auf die für Abfertigungen geltende Regelung abgestellt werden Bei schwankendem Monatsentgelt zählt daher der Monatsdurchschnitt des letzten Jahres. Schrank, AR-Neuerungen

100 Schrank, AR-Neuerungen
Bewertung PKW-Entzug – welcher Geldersatz? (3) LE-AS Nr.5, Nr.13, Soweit der AN ab einem bestimmten Zeitpunkt die Möglichkeit hatte, im Unternehmen zu tanken, und auf diese Weise die entzogene Naturalleistung wieder teilweise erhalten hat, bestehen gegen einen Abzug von einem Drittel des Kilometergeldes keine Bedenken Einem fiktiven Mietaufwand für ein Kfz der gehobenen Mittelklasse ist entgegenzuhalten, dass kein in seinem Vermögen stehendes Fahrzeug entzogen wurde, sondern nur die Nutzungsmöglichkeit Da diese vom Wert des Fahrzeugs zu unterscheiden ist, be­steht weder ein Anspruch auf die Kosten eines tatsächlich angeschafften Fahrzeugs noch auf jene eines fiktiv anzuschaffenden, dem im Vermögen des Arbeitnehmers ja auch ein adäquater Gegenwert gegenüberstehen würde Aber auch Mietwagenkosten sind nicht zu ersetzen Ein Mietentgelt entspricht nicht dem, was sich der AN durch die Nutzungsmöglichkeit erspart hat Durch Zuspruch der vollen Leasingraten würde ihm daher letztlich mehr zukommen, als durch die zuvor eingeräumte Privatnutzungsmöglichkeit des Dienstwagens Im Fall einer erfolgreichen Anfechtung werden die nach § 1155 ABGB nachzuzahlenden Entgelt- ansprüche mit der Rechts­kraft des stattgebenden Anfechtungsurteils fällig. Daher läuft die Verjäh- rungszeit erst ab diesem Zeitpunkt.   OGH , 9 ObA 25/16s OLG Graz , 6 Ra 86/15m-40 LG Klagenfurt , 32 Cga 219/12k-32 Schrank, AR-Neuerungen

101 Schrank, AR-Neuerungen
Urlaub: Dienstfreistellung und Anordnung Urlaubsverbrauch in Kündigungsschreiben? (1) LE-AS Nr.1, §§ 4 Abs. 1, 10 Abs. 1 UrlG, § 863 ABGB   Die Auslegung eines Kündigungsschreibens, dass darin die Dienstfreistellung sowie der Verbrauch des Resturlaubs angeordnet und zum Ausdruck gebracht wurde, dass eine Arbeitsleistung des DN jedenfalls nicht mehr erwünscht sei, ist nicht korrekturbedürftig Damit liegt keine Vereinbarung über den Urlaubsverbrauch während der Kündigungsfrist vor Das Vereinbarungsgebot gilt jedoch auch während der Kündigungsfrist Ebenso bedarf es für den Urlaubsverbrauch im Fall einer Dienstfreistellung eines Angebots des DG zum Abschluss einer Urlaubsvereinbarung und der Annahme durch den AN Auch bei einer Dienstfreistellung kann der DN nicht zum Urlaubsverbrauch gezwungen werden Für die Anwendbarkeit der Rsp, wonach es mit der Treuepflicht nicht vereinbar wäre, im gekündigten DV das Angebot des DG zum Abschluss einer Urlaubsvereinbarung während der Dienstfreistellung abzu- leh­nen, dann aber doch die bezahlte Freizeit zu einem erheblichen Teil für Zwecke zu verwenden, die die Gewährung von Urlaub erfordern (8 ObA 81/08g; 8 ObA 48/15i), bedarf es eines diesbezüglichen Vorbringens und Feststellungen zur Nutzung der Dienstfreistellung für Urlaubszwecke Davon abgesehen fehlt es für eine treuepflichtbedingte Rückmeldungspflicht nach der Diktion im Kündigungsschreiben an einem Angebot des DG zu einer Vereinbarung über den Urlaubsverbrauch. Schrank, AR-Neuerungen

102 Schrank, AR-Neuerungen
Urlaub: Dienstfreistellung und Anordnung Urlaubsverbrauch in Kündigungsschreiben? (2) LE-AS Nr.1, §§ 4 Abs. 1, 10 Abs. 1 UrlG, § 863 ABGB   Auf die Rsp zu einer stillschweigenden Vereinbarung aufgrund einer angemaßten Weisung kann sich der Dienstgeber nicht berufen, wenn weder von einer Zustimmung noch von einer Befolgung der Anord- nung durch den Dienstnehmer auszugehen ist Der Informationspflicht (Rückmeldungspflicht) kommt zudem nur dann Bedeutung zu, wenn der Dienstgeber entsprechend hätte reagieren können Letzterem steht entgegen, wenn der Dienstgeber mit dem Kündigungsschreiben zum Ausdruck bringt, dass eine Arbeitsleistung jedenfalls nicht mehr erwünscht sei Wird zudem im Schreiben nur um eine Verständigung hinsichtlich der Vorgangsweise beim Dienst- fahrzeug ersucht, aber zur Dienstfreistellung samt Urlaubsverbrauch keine Aufklärung verlangt, durfte der Dienstgeber weder insofern mit einer Antwort rechnen noch Grund zur Annahme seines Einver- ständnisses zum Urlaubsverbrauch haben Noch offener, mit Ersatzleistung abzugeltender Urlaub ist daher nicht korrekturbedürftig.   OGH , 8 ObA 20/17z OLG Wien , 8 Ra 48/16m-21 Schrank, AR-Neuerungen

103 Schrank, AR-Neuerungen
Elternschutz Schrank, AR-Neuerungen

104 Schrank, AR-Neuerungen
Elternteilzeit: Auch bei Festhalten, dass es sich um keine Elternteilzeit handelt? Vertraglicher Ausschluss? LE-AS Nr.2, §§ 10, 12, 15i, 15h, 15n MSchG, §§ 863, 914 ABGB, § 19d AZG   Liegt „Elternteilzeit“ nach §§ 15h oder 15i MSchG vor, so hat die Dienstnehmerin besonderen Kündi- gungs- und Entlassungsschutz gemäß den §§ 10 und 12 MSchG Ist zwischen den Arbeitsvertragsparteien – knapp ein Jahr nach der Geburt des Kindes – eine Ver- einbarung über eine Teilzeitbeschäftigung im Anschluss an die Karenz zustande gekommen, kann fraglich sein, ob es sich um eine Vereinbarung von „Elternteilzeit“ iSd MSchG handelt Kommt der Zweck der begehrten Teilzeit, die Kinderbetreuung sicherzustellen, zum Ausdruck und sind die relevanten Umstände dem Dienstgeber bekannt, ist bei objektiver Betrachtung der Schluss zu ziehen, dass eine Vereinbarung über „Elternteilzeit“ iSd MSchG zustande gekommen ist Diese Grundsätze gelten sowohl für die Vereinbarung einer „Elternteilzeit“ nach § 15h MSchG (mit Rechtsanspruch) als auch nach § 15i MSchG Äußert eine Dienstnehmerin ihren Wunsch nach einer Reduktion der Arbeitszeit iZm der Beendigung der Karenz und gibt sie als Grund dafür die notwendige Betreuung ihres Kindes an, muss dem Dienst- geber klar sein, dass der Teilzeitwunsch mit der Kinderbetreuung zusammenhängt Wird weder der Begriff „Elternteilzeit“ noch das MSchG erwähnt, einigt man sich aber auf eine Herabsetzung der Arbeitszeit, ergibt sich aus den konkreten Umständen eine kündigungsgeschützte „Elternteilzeitvereinbarung“ Ein Schreiben des DG, dass es sich dabei nicht um eine „Elternteilzeit“ handle, ist bedeutungslos Der einmal erworbene Kündigungsschutz des § 15n MSchG ist zwingend und vertraglich nicht ausschließbar.   OGH , 9 ObA 20/16f OLG Wien , 9 Ra 53/15b Fazit: Der fachlich vorhersehbare Schluss- und Höhepunkt einer Entscheidungsserie seit 2008! Schrank, AR-Neuerungen

105 Schrank, AR-Neuerungen
Elternteilzeit: „Großer Anspruch“ – Einseitiger Teilzeitantritt nach Ersatzkarenz ohne Einwilligungsverfahren? LE-AS Nr.6, §§ 15, 15j, 15h Abs. 1, 15k Abs. 1, 2 und 3, 15m Abs. 1 Z 1 und 2 MSchG   Hat die AN mangels Einigung mit dem AG letztlich Ersatzkarenz nach § 15m MSchG angetreten und während dieser neuerlich eine konkrete Teilzeit für die Zeit nach dem 2. Geburtstag bis zum 7. Lebensjahr des Kindes verlangt, die der AG ohne den gesetzlichen Einigungsversuch beim ASG ablehnte, kann sie (im Anlassfall auch noch einen Monat nach Ablauf der Ersatzkarenz) die begehrte Elternteilzeit antreten Ähnlich der Karenz kann der Anspruch auf Teilzeit dem Grunde nach einseitig (durch einseitiges Gestaltungsrecht) durch die DN bestimmt werden, doch bedürfen Dauer und Lage einer Vereinbarung § 15h Abs. 1 MSchG überlässt es dem Ermessen der DN, ob und wann sie innerhalb des Maximal- zeitraums von ihrem Anspruch Gebrauch macht oder nicht Der Anspruch wird durch Bekanntgabe innerhalb der vorges. Fristen (§ 15j MSchG) geltend gemacht Ohne Einigung müsste der DG das dazu vorgesehene gerichtliche Verfahren einleiten, wenn die DN auf ihre Bedingungen der Teilzeit beharrt Nach Scheitern der innerbetrieblichen Einigung kann die DN nach § 15m Abs. 1 Z 2 MSchG bis zur gerichtlichen Entscheidung (Ersatz-)Karenz nehmen, soweit ihre Maximaldauer noch nicht abgelaufen ist Durch § 15m Abs. 1 Z 1 MSchG soll die DN auch eine gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden können. Es wird ihr die Bürde abgenommen, auf der beantragten Teilzeit zu beharren Ein Wechsel in die Ersatzkarenz ist gerade keine normale Verlängerung der Karenz Auf die Meldefristen der §§ 15 und 15j MSchG kommt es diesfalls nicht an, sieht doch § 15m Abs. 1 MSchG eine eigene Frist für den Wechsel in die Ersatzkarenz vor Ein Wechsel in die Ersatzkarenz ist auch ohne gerichtliches Verfahren (hier § 15k MSchG) möglich Es besteht das Wahlrecht, entweder gleich in die Ersatzkarenz zu wechseln (Z 1) oder auf dem Teilzeitverlangen (den Bedingungen) zu beharren und den Prozess abzuwarten Da bei Wechsel in die Ersatzkarenz zwar ursprünglich eine Teilzeit beantragt, aber nicht in Anspruch genommen wurde, kann auch nach Inanspruchnahme der Ersatzkarenz ein Verlangen auf Elternteilzeit gestellt werden, sofern noch keine Elternteilzeit in Anspruch genommen (angetreten) hat und die Maximaldauer der Teilzeit noch nicht abgelaufen ist.   OGH , 8 ObA 72/16w Schrank, AR-Neuerungen

106 Schrank, AR-Neuerungen
Elternteilzeit: „Kleiner Anspruch“ – Teilzeiteinigung für weiteres Kind mit gleichem Arbeitzeitausmaß früherer Elternteilzeit neue geschützte Elternteilzeit? LE-AS Nr.7, §§ 10 Abs. 6, 15i, 15p MSchG   War eine AN infolge der Geburt ihres zweiten Kindes erneut berechtigt, eine Elternteilzeit- vereinbarung iSd § 15i MSchG zu treffen, betrug die wöchentliche Normalarbeitszeit ursprünglich 38 Stunden, erfolgte die der Geburt ihres ersten Kindes folgende Arbeitszeitreduktion zwecks Kinder- betreuung und verfolgte auch die Vereinbarung der zweiten Teilzeitarbeit dieses Ziel, war dies auch der Arbeitgeberin bekannt und bewusst, handelt sich es auch sich auch bei der zweiten Teilzeitvereinbarung um eine solche iSd § 15i MSchG Dass das Ausmaß der Arbeitszeit bereits vor der zweiten Teilzeit wöchentlich 24 Stunden betrug, hat keine ausschlaggebende Bedeutung, wenn auch die zweite Vereinbarung nur der Ermöglichung einer kinderbetreuungsbedingten Teilzeitbeschäftigung diente, ohne dass dadurch das Aus­maß der eigentlichen Normalarbeitszeit (38 Stunden-Wo­che) in Frage gestellt worden wäre Daher kann es auch dahin gestellt bleiben, ob sich die vereinbarte Lage der neuen Teilzeitarbeit so weit von der vorangegangenen unterschied, dass von einer „Änderung“ der Lage der Arbeitszeit iSd § 15p MSchG auszugehen wäre.   OGH , 9 ObA 158/16z OLG Wien 25. Oktober 2016, 10 Ra 78/16p-25 Schrank, AR-Neuerungen

107 Schrank, AR-Neuerungen
Elternteilzeit („kleiner Anspruch“): Diskriminierende Kündigung wegen Ansuchens um Teilzeit LE-AS Nr.14, §§ 3 Z 7, 12 Abs. 7, §§ 15i, 15l MSchG   Reagiert der Arbeitgeber auf ein (Anm.: offenbar für den besonderen Kündigungsschutz noch zu vages) Ansuchen auf Elternteilzeit mit der Kündigung, ohne der Arbeit-nehmerin Gelegenheit zur Verhandlung der Frage der Arbeitszeit oder zur gerichtlichen Klärung dieser Frage zu geben und hat er auch keine Alternativen angeboten, stellt sich die Frage nach einer allenfalls erforderlichen Umstrukturierung im Betrieb nicht Eine (noch sonderschutzfreie) Kündigung, deren wesentlicher Grund im Ersuchen auf Elternteilzeit liegt, verstößt jedoch gegen das Diskriminierungsverbot nach dem Geschlecht und berechtigt bei Nichtanfechtung zum Ersatz des Vermögensschadens Einer Interessenabwägung bedarf es nur Elternteilzeitbewilligungsverfahren, nicht jedoch im Diskriminierungsprozess Die Bemessung des Schadenersatzes – im Anlassfall mit EUR – stellt grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage dar und berechtigt daher nicht zur Revision.   OGH , 8 ObA 63/16x OLG Wien , 9 Ra 110/15k-25 Schrank, AR-Neuerungen

108 Abfertigung alt und neu, Verfall, Verjährung
Schrank, AR-Neuerungen

109 Schrank, AR-Neuerungen
Abfertigung Alt: Alljährliche kurze Unterbrechungen von unter 1 Monat bei Saisonbetrieb – Zusammenrechnung? LE-AS Nr.6, § 23 Abs. 1 Satz 3 AngG   Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 AngG sind alle Zeiten, die der AN in unmittelbar vorausgegangenen Dienstverhält­nissen zum selben DG zurückgelegt hat, für die Abfertigung zu berücksichtigen Die verlangte unmittelbare Aufeinanderfolge setzt kein fugen­loses Anschließen des einen Arbeits- verhältnisses an das nächste voraus Den erforderlichen Konnex zwischen zwei Arbeitsverhältnissen jedoch längere Unterbrechungen – etwa solche, die die Zeit der Betriebsferien übersteigen – stets aus Ob eine solche längere für eine Zusammenrechnung schädliche Unterbrechung vorliegt, hängt vom Einzelfall ab Dabei kommt es weniger darauf an, ob die Unterbrechung einen Tag länger oder kürzer gedauert hat, sondern darauf, welche konkreten Umstände die Unterbrechung begleiteten Zwar wurde eine Unterbrechung von 25 Tagen bereits als für den Konnex zwischen den Arbeits- verhältnissen schädlich angesehen (9 ObA 21/03h), doch kann daraus keine allgemeine Maximalfrist abgeleitet werden Wurde das Arbeitsverhältnis eines Hotel-Küchenchefs in fünf aufeinanderfolgenden Jahren jeweils in der Zeit zwischen Mitte/Ende November und Anfang Dezember beendet, weil das Hotel saisonal-betriebs- bedingt geschlossen war (die Unterbrechungen waren unterschiedlich und je an die Dauer der Betriebs- schließung angepasst), während die Tätigkeit des Arbeitnehmers bis zuletzt unverändert dieselbe blieb, deuten auch alle Umstände auf eine sachliche Zusammengehörigkeit der Arbeitsverhältnisse hin Die Zusammenrechnung ist bei solchen – unterschiedlich langen, auch im längsten Fall jedoch weniger als ein Monat dauernden – Unterbrechungen nicht zu beanstanden.   OGH , 9 ObA 114/16d OLG Innsbruck , 15 Ra 60/16k-13 Schrank, AR-Neuerungen

110 Schrank, AR-Neuerungen
Kindesbetreuungsteilzeit für Abfertigungsbemessung? LE-AS Nr.12, § 23 Abs. 1 AngG, § 14 Abs. 2 Z 2, Abs. 4 AVRAG, § 15i MSchG   War eine Arbeitnehmerin rund 17 Jahre vollzeitbeschäftigt, anschließend in Karenz, dann über den „kleinen Anspruch“ auf Elternteilzeit (also über das vierte Lebensjahr des Kindes) hinaus vereinbarungs- gemäß auf unbestimmte Zeit in 15 Wochenstunden Teilzeit, um ihr Kind zu betreuen, ist sie dann auf Grund eines weiteren Kindes in Karenz und wird das Dienstverhältnis während dieser einvernehmlich beendet, bemisst sich die gesetzliche Abfertigung nach dem Durchschnitt der der während der für die Abfertigung maßgeblichen Dienstjahre geleisteten Arbeitszeit Die Betreuungsteilzeit nach § 14 Abs. 2 Z 2 AVRAG ist nicht auf Fälle der Pflege von Kindern mit besonderem Betreuungsbedürfnis zu beschränken Jedenfalls in jenen Fällen, in denen die Voraussetzungen nach dem MSchG und VKG nicht erfüllt sind, kommt eine Anwendbarkeit des § 14 AVRAG in Betracht Steht fest, dass beiden Parteien des Arbeitsvertrages bewusst war, dass die Arbeitnehmerin auch nach der Elternteilzeit die Teilzeit zur Betreuung ihres Kindes wünschte und benötigte, reicht dies für die Annahme einer Vereinbarung nach § 14 Abs. 2 Z 2 AVRAG aus Auch Betreuungsleistungen für gesunde Kinder sind nicht von § 14 Abs. 2 Z 2 AVRAG ausgeschlossen Ihr Betreuungsbedarf kann jedenfalls bis zum 7. Lebensjahr als notorisch bezeichnet werden, er ergibt sich nicht nur aus der Wertung des Gesetzgebers Ist die Weiterführung der Teilzeitarbeit durch die Betreuungssituation ihres Kleinkindes verbunden mit den dadurch im Haushalt anfallenden Tätigkeiten bedingt, steht also fest, dass die Leistungen selbst erbracht wurden, liegt auch keine relevante Änderung des Betreuungsaufwands vor, wenn die Tochter halbtags einen Kindergarten besucht Die Rechtsfrage, ob sich der Arbeitnehmer auf § 14 Abs. 2 Z 2 AVRAG berufen kann, wenn er die Betreuungsleistungen an Dritte auslagert, bedarf daher im konkreten Fall keiner Beurteilung.   OGH , 9 ObA 41/17w OLG Linz , 11 Ra 94/16x-20 Schrank, AR-Neuerungen

111 Schrank, AR-Neuerungen
Abfertigungsbemessung bzw. Abfertigungsfaktor: Nichteinbeziehung von Drittanstellungen Umgehung? LE-AS Nr.16, § 23 Abs. 1 AngG, § 879 Abs. 1 ABGB   Im Gegensatz zum Scheingeschäft wird das Umgehungsgeschäft von den Parteien wirklich gewollt und auch realisiert, wenngleich nicht um dieses Geschäfts willen, sondern zur Sicherstellung des wirt- schaftlichen Erfolgs eines anderen, aus Verbotsgründen oder Zweckmäßigkeitsüberlegungen nicht abgeschlossenen Geschäfts Umgehungsgeschäfte verstoßen zwar nicht gegen den Buch­staben des Gesetzes, dessen Anwendung vermieden werden soll, jedoch gegen die gesetzgeberische Intention Dabei ist es eine Frage des Normzwecks, ob und inwieweit das Verbot gilt und daher durch den Umgehungscharakter des Geschäfts vereitelt würde Nicht jedes Umgehungsgeschäft ist nichtig Es unterliegt aber der Rechtsnorm für das in Wahrheit beabsichtigte Rechtsgeschäft Auf eine besondere Umgehungsabsicht kommt es nicht an. Es genügt, dass das Umgehungsgeschäft objektiv den Sinn und Zweck der umgangenen Norm vereitelt Erfolgte die Beschäftigung beim Dritten, weil der Arbeitgeber aufgrund des Stellenplans keine weiteren Arbeitnehmer anstellen durfte, war die Beschränkung der Personalausgaben umgangene „Norm“, nicht jedoch Bestimmungen zum Schutz des Arbeitnehmers Resultiert die Nichtanrechnung aus dem Vertrag mit dem AG und nicht aus dem Vertrag mit dem Dritten, könnte eine Anrechnung nur erfolgen, wenn man von einem einheitlichen Vertrag zum AG ausgeht Lässt das Vorbringen die umgangene Norm offen, ist die Nichtanrechnung für die Abfertigung nicht zu beanstanden.   OGH , 9 ObA 31/16y OLG Linz , 11 Ra 90/15g-17, LG Salzburg , 20 Cga 59/15a-13 Schrank, AR-Neuerungen

112 Schrank, AR-Neuerungen
Abfertigung: Bemessungsgrundlage Dauerumstellung auf Teilzeit? LE-AS Nr.5, § 23 Abs. 1 und 8 AngG   Zwar spielt für die Beurteilung, ob eine bleibende Änderung der Entgelthöhe eingetreten ist, weniger die Dauer als der Grund dieser Änderung eine Rolle, doch ist das wesentliche Beurteilungs- kriterium für die Abfertigungsbemessung dennoch die „bleibende Änderung“, nicht eine Rechtfertigung oder Unvermeidlichkeit des Grundes Wurde nicht einmal vorgebracht, es habe sich um eine nur vorübergehende Ausmaßsenkung, waren auch nähere Feststellungen zum Grund der Reduktion nicht erforderlich Hat vor über fünf Jahren eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch unbefristete Vereinbarung zur Reduktion der Arbeitszeit auf eine Teilzeitbeschäftigung von 15 Wochenstunden geführt und wurde in den letzten fünf Jahren auch nur diese Teilzeit gearbeitet, liegt abfertigungsrechtlich eine bleibende Änderung vor, die zur Bemessung der Abfertigung auf Grundlage des Teilzeitausmaßes führt Nur eine dauerhafte Reduktion der Arbeitszeit führt zur Änderung der Bemessungsgrundlage für die Abfertigung Eine bloß vorübergehende Reduktion der Arbeitszeit bewirkt indessen die Abfertigung vom ungekürzten Entgelt.   OGH , 9 ObA 27/17m OLG Linz , 11 Ra 95/16v-12 Schrank, AR-Neuerungen

113 Schrank, AR-Neuerungen
Abfertigungsbemessung: Regelmäßige Diensterfindungsvergütungen auch bei nicht als Erfinder Beschäftigten? LE-AS Nr.17, § 23 Abs. 1 AngG, §§ 7 Abs. 2 8 Abs. 1 und 2 PatG   Auch regelmäßige Diensterfindungsvergütungen an nicht zur Erfindertätigkeit im Unternehmen des Dienstgebers angestellte und damit auch vorwiegend beschäftigte Dienstnehmer iSd § 7 Abs. 3 lit. b, c iVm § 8 Abs. 1 PatG sind in die Bemessungsgrundlage der nach § 23 Abs. 1 AngG gebührenden Abfertigung einzubeziehen Auch nicht zur Erfindertätigkeit im Unternehmen Angestellte bekommen die gesetzliche Diensterfin- dungsvergütung iSd weiten Entgeltbegriffs letztlich dafür, dass sie dem Arbeitgeber ihre Arbeitsleistung zur Verfügung stellten Dass die Diensterfindungsvergütung ihre Grundlage im Patentgesetz hat, vermag daran nichts zu ändern (so bereits 8 ObS 16/94 zum IESG) Wurden Diensterfindungsvergütungen nicht in Form einer einmaligen Abgeltung, sondern über viele Jahre und daher auch „regelmäßig“ bezogen, ändert auch der Umstand, dass diese Vergütungen nur für zwei Diensterfindungen bezahlt wurden, nichts an der Regelmäßigkeit dieses Entgelts.   OGH , 9 ObA 44/17m OLG Wien , 7 Ra 81/16g-68 Schrank, AR-Neuerungen

114 Schrank, AR-Neuerungen
Abfertigung Neu: Teilrückforderung durch MVK Gutgläubiger Verbrauch? Nachträgliche BGl-Korrektur? (1) LE-AS Nr.8, § 17 Abs. 1 Z. 1 BMSVG, §§ 328, 1431 ABGB   Die Rückforderung einer nach § 17 Abs. 1 Z 1 BMSVG ausbezahlten Abfertigung wegen nachträglicher Korrektur des Beitragsgrundlagennachweises ist nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Kriterien zu beurteilen, insbesondere im Hinblick auf einen gutgläubigen Verbrauch Bei Leistungsbezügen mit Unterhaltscharakter, zu denen auch die verschiedensten Formen des Arbeitsentgelts gezählt werden, ist die Rückforderung einer irrtümlich erbrachten Mehrleistung ausgeschlossen, wenn sie vom Empfänger gutgläubig verbraucht wurde Auch einer BMSVG-Abfertigung kommt Unterhalts­charakter iSd Jud 33 neu zu, zumal ihr eine Ver- sorgungs- und Überbrückungsfunktion zukommt Bei einem relativ geringen Betrag liegt die Verwendung für den normalen Lebensaufwand nahe, ebenso wenn eine Dienstnehmerin von der Auszahlungsmöglichkeit deswegen Gebrauch machte, weil sie Geld zum Lebensunterhalt benötigte und sie die erhaltenen Beträge auch dafür verwendete Der gute Glaube wird schon verneint, wenn der Dienstnehmer bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ausgezahlten Betrags auch nur zweifeln musste Fehlende Redlichkeit des Empfängers ist vom Arbeitgeber bzw. der Abfertigungskasse nachzuweisen Diese können sich der Beweislast nicht schlechthin durch einen Vorbehalt bei der Zahlung entledigen Es müssen vielmehr noch objektive Anhaltspunkte für einen Fehler vorliegen, sodass tatsächlich Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Empfangenen kommen. Schrank, AR-Neuerungen

115 Schrank, AR-Neuerungen
Abfertigung Neu: Teilrückforderung durch MVK Gutgläubiger Verbrauch? Nachträgliche BGl-Korrektur? (2) LE-AS Nr.8, Die Umstände, die bei objektiver Betrachtung zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines erhaltenen Betrags veranlassen müssen, können vielfältig sein Eine abstrakte Vorbehaltsklausel ist nicht unzulässig oder funktionslos, sie verhindert, dass der Rückforderung ein schlüssiges Anerkenntnis oder bewusste Zahlung einer Nichtschuld entgegengehalten werden könnte War einer Dienstnehmerin aufgrund des unterfertigten Vorbehalts bekannt, dass der mitgeteilte Abfertigungsbetrag vom endgültigen Abfertigungsanspruch abweichen kann, wenn es zu „nachträglichen Meldungen durch den Hauptverband der Sozialversicherungsträger (etwa aufgrund von Irrtümern in der Lohnverrechnung des Arbeitgebers oder nachträglicher Beitragsfestsetzungen im Zuge von Betriebsprüfungen) kommen sollte, hat sie diesen Hinweis nicht unbeachtet gelassen, wenn sie rund zwei Monate mit der Antragstellung zugewartet hat, um der MV-Kasse Zeit für die Überprüfung zu geben Insbesondere aber darf die kommentarlose Überweisung einer Nachzahlung als Bestätigung verstanden werden, dass die MV-Kasse ihre Prüfung der Anspruchshöhe nun abgeschlossen und keine Überzahlung, sondern endgültig ein Guthaben ermittelt hatte Die Rückforderung der Abfertigungsdifferenz ist in einem solchen Fall wegen gutgläubigen Verbrauchs unberechtigt.   OGH , 8 ObA 18/17f OLG Wien , 7 Ra 90/16f-19 ASG Wien vom , 33 Cga 50/16p-15 Schrank, AR-Neuerungen

116 Schrank, AR-Neuerungen
Kollektivvertragliche Verfallsklauseln: Bei rechtzeitigen anderen Forderungen übersehene Abfertigungsdifferenz? LE-AS Nr.34, § 23 AngG, Pkt. XX KollV Handelsangestellte   Im Allgemeinen reicht es zur Abwehr des Verfalls aus, Ansprüche lediglich ihrer Art nach geltend zu machen; eine ziffernmäßige Aufgliederung ist nicht erforderlich Anders stellt sich der Fall dar, wenn sich der AN auf einen exakten Betrag festgelegt hat. Dann macht er diesen, aber nicht gleichzeitig auch eine höheren geltend Der AG kann sich auf die bekannt gegebene Höhe einstellen und einer Erhöhung der Forderung nach Ablauf der Verfallsfrist den Einwand des Verfalls entgegenhalten Ein im Ergebnis gleichartiger Sachverhalt liegt auch dann vor, wenn der Abfertigungsanspruch dem Grunde nach unstrittig und die vom AG errechnete Höhe ihm aus der Endabrechnung bekannt war Nach der Verfallsbestimmung des Handels-KollV reicht es zur Fristwahrung, wenn das Verlangen nur dem Grunde nach („mir wurde zu wenig gezahlt“) erhoben wird Wurde die Abfertigungsberechnung aber erstmals mehr als sechs Monate nach Fälligkeit des ersten Teilbetrags beanstandet, ist der Anspruch auf die Differenz verfallen Dem Einwand des Verfalls kann auch nicht erfolgreich mit dem Argument begegnet werden, die Fürsorgepflicht hätte dazu verpflichtet, den Anspruch richtig zu berechnen, hätten diesfalls doch sämtliche Verfallsbestimmungen keinen praktischen Anwendungsbereich Die wechselseitigen Treue- und Fürsorgepflichten der Arbeitsvertragsparteien reichen nur in Ausnah- mefällen über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses hinaus Nach dem Wegfall der für den Arbeitsvertrag typischen wirtschaftlichen Unterlegenheitsposition kann ein AN nicht nur auf unabdingbare gesetzliche und kollektivvertragliche Ansprüche wirksam verzichten, sondern auch durch schlichtes Unterlassen der rechtzeitigen Geltendmachung den Verfall bzw. die Verjährung eintreten lassen.   OGH , 8 ObA 75/16m OLG Linz , 11 Ra 79/16s-11, LG Linz , 9 Cga 64/16f-7 Schrank, AR-Neuerungen

117 Schrank, AR-Neuerungen
KollV-Verfallsklauseln: Welche Schadenersatzansprüche? Genügt Privatbeteiligtenanschluss? LE-AS Nr.25, § 1497 ABGB, Punkt XX. A. KollV Handelsangestellte Die Verfallsklausel des Handels-KollV erfasst auch Schadenersatzansprüche des Arbeitgebers, die mit dem AV in einem typischen Zusammenhang stehen Sie erfasst nur typische, wesentliche bzw. regelmäßig wiederkehrende Ansprüche aus dem synallag- matischen AV, ohne dass es – mangels Einschränkung in der Verfallsklausel – auf die Verschuldensform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) ankommt Ersatzansprüche des AG für Schäden zu, die ihr der AN durch Malversationen zugefügt hat und ge- richtlich strafbar sind, unterliegen der Verfallsklausel, auch wenn das Strafverfahren eingestellt wurde Schadenersatzforderungen aus veruntreuten Bareinnahmen des DN und aus von ihm für entnommenen Waren ausgestellten „Scheinrechnungen“ stehen im typischen Zusammenhang mit dem AV Dies deshalb, weil das AV gerade nicht nur rein zufälliger Anlass für den Schadenersatzanspruch war, sondern der DN die Malversationen nur aufgrund seiner konkreten dienstlichen Tätigkeit begehen konnte Ob eine Präklusion durch Verfall eingetreten ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls Der Anschluss als Privatbeteiligter im Strafverfahren hat zwar die gleichen rechtlichen Wirkungen iSd § ABGB wie eine Klage, doch wird damit nur die Verfallsfrist unterbrochen und müssen auch die kollek- tivvertraglichen Voraussetzungen der Einhaltung der Verfallsfrist gewahrt werden müssen, wenn diese die schriftliche Geltendmachung der Forderung dem Grunde nach verlangen Die „Geltendmachung eines Anspruchs“ erfordert untrennbar auch das Zugehen der diesbezüglichen Erklärung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer Im Privatbeteiligtenanschluss (allein) liegt daher hier noch keine Geltendmachung von Ansprüchen. Sie erfordert ein dem Erklärungsempfänger erkennbares ernstliches Fordern einer Leistung Der Anschluss als Privatbeteiligter im Strafverfahren erfolgt indessen durch Erklärung (nur) gegenüber Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht Die Schadenersatzansprüche sind verfallen, wenn die DG sie auch nach Wegfall der Unterbrechungs- wirkung mit Einstellung des Strafverfahrens nicht gegenüber dem DN geltend gemacht hat.   OGH , 9 ObA 103/16m Schrank, AR-Neuerungen

118 Schrank, AR-Neuerungen
Verfall, Verjährung: Unterschied zwischen gesetzlicher und vertragliche Abfertigung? (1) LE-AS Nr.26, §§ 6, 7 ABGB, § 14 Abs. 3 KollV Arbeiter Bauindustrie und Baugewerbe   Der Wortlaut des § 14 Abs. 3 KV lässt klar erkennen, dass die KollV-Parteien in Satz 1 festlegen wollten, dass grundsätzlich alle Forderungen („jeglicher Art“) des Arbeitnehmers binnen drei Monaten nach Beendigung geltend zu machen sind, andernfalls diese erlöschen. Satz 2 macht von dieser Grundregel eine Ausnahme: Für einen Abfertigungsanspruch aufgrund von Einzelvereinbarungen, Arbeitsordnungen oder Betriebsvereinbarungen, der durch das BUAG nicht erfasst ist (Mehranspruch gegenüber dem gesetzlichen Anspruch), soll eine Verjährungsfrist von drei Jahren gelten Hätten die KollV-Parteien gewollt, sämtliche Abfertigungsansprüche, also auch die gesetzlichen, von der Grundregel aus­zunehmen, so hätte es des Beisatzes „auf Grund von Einzelvereinbarungen, Arbeitsord- nungen oder Betriebsvereinbarungen, der durch das BUAG nicht erfasst ist (Mehranspruch gegenüber dem gesetzlichen Anspruch)“ nicht bedurft Stützt sich der Arbeitnehmer nicht auf einen ihm einzelvertraglich zustehenden Abfertigungsanspruch, sondern ausdrücklich auf einen gesetzlichen Abfertigungsanspruch, hat er diesen daher nicht iSd § 14 Abs. 3 Satz 1 KV rechtzeitig geltend gemacht. Schrank, AR-Neuerungen

119 Schrank, AR-Neuerungen
Verfall, Verjährung: Unterschied zwischen gesetzlicher und vertragliche Abfertigung? (2) LE-AS Nr.26, „Geltendmachung“ verlangt zwar kein förm­liches Einmahnen, wohl aber ein dem Erklärungsempfänger erkennbares ernstliches Fordern einer Leistung. Der AG muss zumindest erkennen können, welche Ansprüche ihrer Art nach gemeint sind Ein Ersuchen, die Abmeldung bei GKK und BUAK zu ändern, zielt gerade nicht auf die Geltendmachung einer Abfertigung gegenüber dem AG (sondern gegenüber der BUAK) ab; diese Absicht zeigt sich auch darin, dass der AN davon ausging, dass er die gesamte Abfertigung von der BUAK erhalten würde Daher konnte ein redlicher Erklärungsempfänger nicht erkennen, dass der AN neben detailliert bezeich- neten Beendigungsansprüchen (Weihnachtsremuneration, Kün­­di­gungsentschädigung) auch einen gesetz- lichen Abfertigungsanspruch haben wollte Damit ist der Anspruch, soweit er sich auf das Arbeiterabfertigungsgesetz stützt, verfallen Zwar wirkt die Fürsorgepflicht des AG grundsätzlich auch noch nach Beendigung fort; sie erst8. reckt sich aber nicht auf eine Warnpflicht bezüglich der Verjährung von Abfertigungsansprüchen Auch ein Schadenersatzanspruch unterfällt der Verfallsbestimmung (hier: des § 14 Abs. 3 Satz 1 KV) Auch einen solchen hat der AN im Anlassfall nicht fristgerecht geltend gemacht. Damit wird der Lauf der (dreimonatigen) Verfallsfrist (§ 14 Abs. 3 Satz 1 KV) in Gang gesetzt Der erst späteren Geltendmachung eines rechtlich vertraglichen Abfertigungsanspruchs mit gesetzlicher Verjährung steht das Neuerungsverbot (§ 502 Abs. 2 ZPO) entgegen.   OGH , 9 ObA 43/17i OLG Linz , 11 Ra 92/16b-23, LG Steyr , 8 Cga 59/15g-18 Schrank, AR-Neuerungen

120 Schrank, AR-Neuerungen
Verfall, Verjährung: Fristbeginn bei Schadenersatz: LE-AS Nr.27, §§ 1489, 1501 ABGB, Art. 12 Z 2 Arbeiter-KollV Güterbeförderung   Eine Verfallsfrist, wonach Ansprüche des DG wegen von diesem verursachter Schäden innerhalb von drei Monaten ab Kenntnis gegen den Dienstnehmer schriftlich geltend gemacht werden müssen, wird wie die (kurze) Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB erst in Lauf gesetzt, wenn der Ersatzberech-tigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit kennt, dass mit Aussicht auf Erfolg geklagt werden kann. Dabei hat der Schadenersatzpflichtige den Beweis dafür zu erbringen, dass die maßgebliche Kenntnis auf Seiten des Schadenersatzgläubigers bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt bestanden hat Die diesbezügliche Behauptungs- und Beweispflicht gilt auch dann, wenn er sich darauf beruft, der Geschädigte hätte – im Sinne der Erkundigungsobliegenheiten – ausreichende Anhaltspunkte für das Vor- liegen maßgeblicher Tatsachen gehabt und diese Umstände zu einem bestimmten Zeitpunkt in Erfahrung gebracht, wenn er diesen Anhaltspunkten nachgegangen wäre Hat der Schädiger seinen Verfallseinwand jedoch ausschließlich damit begründet, dass die Geschädigte bereits am Unfallstag in Kenntnis von Schaden und Schädiger gewesen sei, weshalb die schriftliche Geltendmachung außerhalb der dreimonatigen Verfallsfrist des § 20 KollV erfolgt sei, muss sich dies auch zutreffen bzw. aus dem festgestellten Sachverhalt ableiten lassen Steht vielmehr fest, dass (erst) aus dem ihr übermittelten Abschlussbericht der LPD und einer darin enthaltenen Zeugenaussage hervorgeht, dass der Fahrer schon bei der Bergauffahrt Probleme mit dem Glatteis hatte und die Bergabfahrt möglicherweise trotz Kenntnis der schlechten Fahrverhältnisse versuchte, ist die notwendige ausreichende Kenntnis nicht erwiesen Wurde der Verfallseinwand nicht auf eine Verletzung der Erkundigungsobliegenheit gestützt und dazu auch kein Tatsachenvorbringen erstattet, muss daher die Geschädigte nicht erklären, weshalb es ihr inner- halb der kollektivvertraglichen Dreimonatsfrist unzumutbar, unmöglich oder zu mühevoll gewesen wäre, die näheren Umstände des Unfalls zu erheben und das Polizeiprotokoll beizuschaffen Die schriftliche Geltendmachung erfolgte daher noch rechtzeitig innerhalb der dreimonatigen Verfallsfrist. Verfall ist deshalb nicht eingetreten, sodass zur weiteren Prüfung von Grund und Höhe der Schadenersatzansprüche nähere Feststellungen erforderlich sind.   OGH , 9 ObA 50/17v OLG Linz , 11 Ra 11/17t-16, LG Wels , 17 Cga 74/16i-12 Schrank, AR-Neuerungen

121 Diskriminierungsschutz
Schrank, AR-Neuerungen

122 Schrank, AR-Neuerungen
Elternteilzeit („kleiner Anspruch“): Diskriminierende Kündigung wegen Ansuchens um Teilzeit LE-AS Nr.14, §§ 3 Z 7, 12 Abs. 7, §§ 15i, 15l MSchG   Reagiert der Arbeitgeber auf ein (Anm.: offenbar für den besonderen Kündigungsschutz noch zu vages) Ansuchen auf Elternteilzeit mit der Kündigung, ohne der Arbeit-nehmerin Gelegenheit zur Verhandlung der Frage der Arbeitszeit oder zur gerichtlichen Klärung dieser Frage zu geben und hat er auch keine Alternativen angeboten, stellt sich die Frage nach einer allenfalls erforderlichen Umstrukturierung im Betrieb nicht Eine (noch sonderschutzfreie) Kündigung, deren wesentlicher Grund im Ersuchen auf Elternteilzeit liegt, verstößt jedoch gegen das Diskriminierungsverbot nach dem Geschlecht und berechtigt bei Nichtanfechtung zum Ersatz des Vermögensschadens Einer Interessenabwägung bedarf es nur Elternteilzeitbewilligungsverfahren, nicht jedoch im Diskriminierungsprozess Die Bemessung des Schadenersatzes – im Anlassfall mit EUR – stellt grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage dar und berechtigt daher nicht zur Revision.   OGH , 8 ObA 63/16x OLG Wien , 9 Ra 110/15k Fazit: Diskriminierendes Handeln eignet sich nicht zur Abwehr arbeitsrechtlicher Elternansprüche! Schrank, AR-Neuerungen

123 Schrank, AR-Neuerungen
Diskriminierende unternehmensinterne Leiterbesetzung? Hearing-Ergebnis und weitere Kriterien LE-AS Nr.6, §§ 3 Z 3, 5 Abs. 2, 12 Abs. 5 GlBG Auch aus möglichen bloßen Beziehungen des Mitbewerbers ins Präsidium des Arbeitgeber-Vereins ginge noch keine anspruchsbegründende geschlechtsdiskriminierende Entscheidungsfindung hervor Bietet der Sachverhalt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Auswahlverfahren bloß zum Schein durchgeführt wurde, und wurde für die Besetzung der unternehmensintern ausgeschriebenen Leitungs- funktion zunächst ein Hearing vor einer dreiköpfigen Kommission durchgeführt, bei dem die Bewerberin 162,5 und ihr Mitbewerber 161 Punkte erzielten, ist damit die Glaubhaftmachung einer Diskriminierung nicht gelungen, wenn das Hearing nur ein Besetzungskriterium war, zusätzlich die bisherige Arbeitsleistung und die Persönlichkeit der beiden Bewerber mit Praxisbeispielen diskutiert wurden und der Mitbewerber in diesen Punkten durchgehend besser beurteilt war Fiel deshalb die Wahl auf den männlichen Mitbewerber und spielten dabei nach den Feststellungen ihr Geschlecht und auch ihre Arbeit in Elternteilzeit keine Rolle, muss der Arbeitgeber im Prozess keinen Entlastungsbeweis erbringen. OGH , 9 ObA 11/17h OLG Wien , 7 Ra 41/16z-53 Schrank, AR-Neuerungen

124 Schrank, AR-Neuerungen
Personalabbaukonzept-Kündigungen wegen vorzeitiger Pensionsansprüche wann altersdiskriminierend? (1) LE-AS Nr.7, § 105 Abs. 3 ArbVG, § 20 Abs. 3 GlBG, § 31 Abs. 13 Z 1 ORF-G   Stellt der Arbeitgeber im Rahmen seiner Kündigungspolitik auf eine „soziale Absicherung“ ab, versteht er darunter aber eine Absicherung durch bestimmte Formen der Alterspension, die zumindest ein Lebensalter von 62 Jahren voraussetzen, liegt eine unmittelbare Altersdiskriminierung vor, die einen Ausnahmetatbestand erfordert Auch bei generellen Maßnahmen eines einzelnen Arbeitgebers ist eine Rechtfertigung nach § 20 Abs. 3 GlBG nicht von vornherein ausgeschlossen Die in österreichischen Regelungen vorgesehene Möglichkeit des Bezugs einer vorzeitigen Alterspension bezweckt in der Regel nur den Schutz der wohlerworbenen Rechte von AN, etwa wegen langer Versicherungsdauer und früher bestehender, für den AN günstigerer Regelungen, nicht jedoch als sozialpolitisches Ziel einen Abbau älterer Arbeitnehmer zugunsten jüngerer Zu prüfen ist daher, ob die Kündigung durch ein anderes sozialpolitisches Ziel gerechtfertigt ist Nach der EuGH-Judikatur können für Arbeitgeber wirtschaft­liche Gründe eine Diskriminierung grundsätzlich nicht rechtfertigen Auch die im ORF-G vorgesehenen Strukturmaßnahmen zur mittelfristigen substantiellen Reduktion der Kostenbasis unter anderem durch Senkung der Personalkosten sind ein rein wirtschaftliches Ziel, das daher kein legitimes Ziel im Sinn der Richtlinie und des GlBG darstellen kann Auch muss das Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sein, was hier zu verneinen ist. Schrank, AR-Neuerungen

125 Schrank, AR-Neuerungen
Kündigung wegen vorzeitiger Pensionsansprüche wann altersdiskriminierend? (2) Erschöpft sich das Konzept zum Personalabbau darin, dass gezielt alte, weil teure AN bei Pensionsanspruch abgebaut werden, entspricht dies keinem Gesamtkonzept, das die Interessen aller, auch älterer Arbeitnehmer ausgewogen berücksichtigt Beispielsweise wäre in die Überlegungen einzubeziehen, in­wieweit jüngere AN auf die Arbeitsstelle angewiesen sind, etwa ob sie im Fall einer Kündigung nicht ohnehin rasch eine gleichwertige Arbeitsstelle finden könnten Lässt sich (schon nach dem Vorbringen) kein über finanzielle Gründe hinausgehendes Gesamt- konzept erkennen, das über den schlichten Abbau älterer, daher teurerer Mitarbeiter mit Pensions- anspruch hinausgeht, stellt dieses Abstellen ausschließlich auf diese Mitarbeiter, wenn auch mit Pensionsanspruch, kein angemessenes Mittel für einen sozial ausgeglichenen Stellenabbau dar Wäre der Arbeitnehmer selbst dann, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung kein anderer Mitarbeiter in einer sozialen bes­seren Position gewesen wäre, gekündigt worden, da sich der Arbeitgeber selbst darauf berufen hat, dass es seiner grundsätzlichen Beschäftigungspolitik entspricht, ältere Mitarbeiter mit Pensionsanspruch zu kündigen, wurde er aufgrund einer generellen altersdiskriminierenden Maßnahme gekündigt, nicht aufgrund der schlechteren sozialen Situation anderer Diese Vorgangsweise kann auch nicht mit dem Erhalt des Ö als öffentlich-rechtliche Anstalt gerechtfertigt werden Mangels Ausnahmetatbestands nach § 20 Abs. 3 GlBG ist eine unmittelbar altersdiskriminierende Kündigung erfolgreich anfechtbar und als unwirksam aufzuheben.   OGH , 9 ObA 106/15a OLG Wien , 9 Ra 103/14d-29, ASG Wien , 25 Cga 42/12x Fazit: Was wirklich tun bzw. wie es richtig machen, ist die nur teils beantwortete Frage! Diskriminierungsschutz ist jedenfalls stärker als der Gesetzgeber (hier zum ORF-G)!. Schrank, AR-Neuerungen

126 Schrank, AR-Neuerungen
Gleichbehandlung Alter: Kündigung zum Regelpensionsalter mit gesetzlicher Regelpension sachlich gerechtfertigt? LE-AS Nr.7, §§ 17 Abs. 1 Z 7, 26 Abs. 7 GlBG, § 105 Abs. 3 Z 2 ArbVG   Nach der EuGH-Rsp dürfen aus beschäftigungspolitischen Gründen Arbeitnehmer mit Erreichung des gesetzlichen Pensionsalters gekündigt werden, um Jüngeren den Eintritt in das Berufsleben zu erleichtern oder eine ausgewogene Altersstruktur zu erreichen Auch solche Altersklauseln beruhen vor allem auf dem Gedanken einer Arbeitsteilung zwischen den Generationen Sie verfolgten daher ein legitimes Ziel, auch bei gering vergüteten Beschäftigungsverhältnissen und Teilzeitarbeit Die Festlegung eines Pensionsalters, das auf einer sozialpolitischen Bewertung beruht, dient nicht nur dazu, das Arbeitseinkommen im erforderlichen Ausmaß zu ersetzen, wenn das Risiko „Alter“ dazu führt, dass dem AN die Arbeit nicht mehr zugemutet werden kann, sondern verfolgt zweifelsohne auch den Zweck, jungen Menschen, deren Existenz anderweitig noch nicht gesichert ist, den Zugang zum Arbeits-markt zu verschaffen Angesichts dieses mit der Rechtfertigungsbestimmung der Richtlinie in Deckung zu bringenden sozialpolitischen Ziels lässt sich daraus, dass der AN nur eine Mindestpension zu erwarten habe, noch keine Unverhältnismä­ßigkeit ableiten (9 ObA 131/05p) Ausgehend von diesen, auch vom erkennenden Senat geteilten Grundsätzen verstößt die Kündigung bei Erreichung des Regelpensionsalters auch nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters.   OGH , 9 ObA 13/16a OLG Innsbruck , 13 Ra 38/14b-26, LG Innsbruck , 76 Cga 39/14b-26 Schrank, AR-Neuerungen

127 Schrank, AR-Neuerungen
Religionsdiskriminierung: Erfüllung Kundenwunsch, Leistung nicht von islamischer Kopftuchträgerin ausführen zu lassen LE-AS Nr.5, Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG   Der Wille eines Arbeitgebers, den Wünschen eines Kunden zu entsprechen, die Leistungen dieses Arbeitgebers nicht mehr von einer Arbeitnehmerin ausführen zu lassen, die ein islamisches Kopftuch trägt, kann nicht als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden Eine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ iS dieser Bestimmung muss von der Art der betreffenden beruflichen Tätigkeit oder den Bedingungen ihrer Ausübung objektiv vorgegeben sein Sie kann sich hingegen nicht auf subjektive Erwägungen wie den Willen des Arbeitgebers, besonderen Kundenwünschen zu entsprechen, erstrecken.   EuGH , C-188/15 (Bougnaoui) (Kassationsgerichtshof Frankreich) Schrank, AR-Neuerungen

128 Schrank, AR-Neuerungen
Gleichbehandlung Religion: Unternehmensinternes Verbot sichtbarer politischer, philosophischer oder religiöser Zeichen am Arbeitsplatz – Islamisches Kopftuch? LE-AS Nr.2, Art 6 Absatz 2 EGV, Art. 2 Abs. 2 lit. a RL 2000/78/EG §§ 17 Abs. 1, 19 Abs. 2, 20 Abs. 1 GlBG   Das Verbot, ein islamisches Kopftuch zu tragen, das sich aus einer internen Regel eines privaten Unternehmens ergibt, die das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens am Arbeitsplatz verbietet, stellt keine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung iSd RL 2000/78/EG dar Eine solche interne Unternehmensregel kann hingegen eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. b RL 2000/78 darstellen, wenn sich erweist, dass die dem Anschein nach neutrale Verpflich- tung tatsächlich dazu führt, dass Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung in besonderer Weise benachteiligt werden, es sei denn, sie ist durch ein rechtmäßiges Ziel wie die Verfolgung einer Politik der politischen, philosophischen und religiösen Neutralität durch den AG im Verhältnis zu seinen Kunden sachlich gerechtfertigt, und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.   EuGH (Große Kammer) , C-157/15 (G4S Secure Solutions) Kassationshof Belgien Schrank, AR-Neuerungen

129 Schrank, AR-Neuerungen
Begünstigte Behinderte: Verstöße gegen Benachteiligungs- und Belästigungsverbote? LE-AS Nr.5, §§ 7d, 7i Abs. 2, 8 BEinstG   Wird einer als Zustellerin tätigen begünstigten Behinderten, die sich im laufenden Jahr zum fünften Mal, zuletzt durchgehende seit Mitte Juni, im Krankenstand befand, Ende Oktober mitgeteilt, dass in Anbetracht ihrer massiven Krankenstände die baldige Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit fraglich und beabsichtigt sei, bei Nichtänderung des Krankenstandverhaltens einen Antrag auf Zustimmung zur Kün- digung beim Bundessozialamt einzubringen, liegt in einem solchen Schreiben weder eine Benachteili- gung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen noch eine Belästigung weder der Behinderung Ein derartiges Schreiben auch nicht als unzulässige Druckausübung zu sehen, ist nicht korrekturbedürftig. Gleiches gilt für seine Nichtbeurteilung als Belästigung Bringt eine AN in einem vor ihr angestrengten Überstundenentgeltprozess vor, die Bewältigung der ihr übertragenen Aufgaben sei in der Normalarbeitszeit nicht möglich gewesen, stellt der Einwand, das beklagte hohe Arbeitsausmaß könne nicht auf ihre behauptete Behinderung, sondern müsse auf man- gelnden Fleiß zurückzuführen sein, lediglich ein zulässiges Prozess-Gegenvorbringen dar Auch mangelt es dieser Äußerung wohl an jener Mindestintensität, die für die Verletzung der Würde der betroffenen Person iSd § 7d Abs. 2 Z 1 BEinstG erforderlich ist Fehlen Anhaltspunkte für eine unzulässige Druckausübung, liegt gerade bei besonders kündi- gungsgeschützten begünstigten Behinderten auch im Anbot einer einvernehmlichen Auflösung, das bei Vergleichsgesprächen im Zuge eines Überstundenprozesses unterbreitet wird, kein dem Benachteiligungsverbot widersprechendes Verhalten vor.   OGH , 9 ObA 2/17k OLG Graz , 7 Ra 46/16p-24 Schrank, AR-Neuerungen

130 Schrank, AR-Neuerungen
Sexuelle Belästigungen: Freundschaftlicher Umgang Wiederholte Begrüßungsumarmung, teils mit Kuss, ohne deutliche Ablehnung – dennoch Entlassungsgrund? LE-AS Nr.10, § 6 Abs. 2 GlBG, § 42 Abs. 2 Z 5 VBO Wien, § 27 Z 6 AngG, § 82 lit. g 1. Fal lGewO   Ob eine sexuelle Belästigung die Entlassung des Belästigers rechtfertigt oder ob andere Abhilfe- maßnahmen des DG (etwa eine Versetzung) ausreichend sind, ist eine einzelfallbezogene Entscheidung, die nur bei krasser Fehlbeurteilung revisibel ist Vor dem Hintergrund, dass der AN und die betroffene Arbeitskollegin einander schon jahrelang kannten, einen freundschaftlichen Umgang pflegten und es vereinzelt auch private Kontakte – Reparaturarbeiten und ähnliche Hilfsdienste für die Kollegin bei ihr daheim – gegeben hatte und in den letzten, von freundschaftlichem Umgang geprägten Jahren Umarmungen zur Begrüßung wiederholt vorgekommen sind, einmal mit einem Kuss auf den Mund, ist eine weitere, von einem Kuss begleitete Uma rmung vertretbar noch kein Entlassungs- oder Kündigungsgrund Dies jedenfalls, wenn nicht erwiesen ist, dass die Arbeitskollegin, der dies lästig war, ihm jemals deutlich zu erkennen gab, dass sie dieses Verhalten nicht wollte Ein Jahre zurück im Zuge der privaten Kontakte un­ternom­mener – völlig indiskutabler – Annähe- rungsversuch, den die Kollegin zurückgewiesen hatte, ist nicht von Relevanz Auch wenn der AN bei gehöriger Aufmerksamkeit sehr wohl das Unerwünschte seines Verhaltens hätte erkennen können (wovon das Berufungsgericht nicht ausging), überschreitet die – unter Hinweis auf die besonderen Umstände des Falls erfolgte – Verneinung eines Entlassungsgrunds den gerichtlichen Ermessensspielraum nicht.   OGH , 8 ObA 6/17s OLG Wien , 9 Ra 49/16s-16 Schrank, AR-Neuerungen

131 Schrank, AR-Neuerungen
Sexuelle Belästigung: Ablehnungsobliegenheit? Einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitswelt? LE-AS Nr.4, §§ 6 Abs. 2 Z 1, 12 Abs. 11 GlBG   Überlegungen zu einer „Ablehnungsobliegenheit“ belästigter Personen sind nicht zielführend „Ablehnungsobliegenheiten“ werden nämlich von potentiellen Belästigern nur allzu leicht als Recht- fertigung ihrer Aktivitäten missbraucht oder missverstanden Die ausdrückliche oder stillschweigende Zurück­weisung oder Ablehnung sexuell belästigenden Verhaltens durch die betroffene Person ist jedenfalls keine Tatbestandsvoraussetzung der sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs. 2 Z 1 GlBG Eine allenfalls erfolgte Ablehnung kann natürlich ein Element des zu beurteilenden Sachverhalts sein Dieses ist ebenso wie eine allfällige Zustimmung zu einem Verhalten, je nach Vorbringen der Parteien, bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen zu bewerten Eine Auseinandersetzung mit diesem Thema kann unterbleiben, wenn der Tatbestand der sexuellen Belästigung hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzung, dass das der sexuellen Sphäre zugehörige Verhalten eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder bezweckt, nicht erfüllt ist In einem Fall, in dem sich der Arbeitgeber gegenüber seinen Mitarbeiterinnen eines lockeren, teils freizügig-scherzhaften Umgangstones mit zum Teil sexuell konnotierten Bemerkungen bediente, auf den eine Arbeitnehmerin auch einstieg und den sie teilweise erwiderte, indem sie auch von sich aus Nach- richten mit sexuellem Bezug (betreffend Pornoseiten) verfasste, ist es nach der Art der Kommunikation noch vertretbar, dass sein Verhalten eine für die Arbeitnehmerin einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt weder bezweckt noch geschaffen hätte.   OGH , 9 ObA 38/17d OLG Wien , 8 Ra 51/16b-20 Schrank, AR-Neuerungen

132 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsrätewesen Schrank, AR-Neuerungen

133 Schrank, AR-Neuerungen
KollV-Wesen: Nicht Regelbares und Regelbares Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats Kündigung nur bei Sozialplan-Betriebsvereinbarung? (1) LE-AS Nr.5, §§ 2 Abs. 2 Z 2 und 5, 97 Abs. 1 Z 4, 109 ArbVG   Macht der Kollektivvertrag die Zulässigkeit der Kündigung der AN vom Vorliegen eines Sozialplans abhängig, dem „der Betriebsrat zugestimmt hat“, bewirkt dies mittelbar eine Erweiterung der Rechte des Betriebsrats nach § 97 Abs. 1 Z 4 iVm § 109 ArbVG in Zusammenhang mit Sozialplänen Nach stRsp haben die Bestimmungen des ArbVG im Allgemeinen zwingenden, und zwar regelmäßig absolut (zweiseitig) zwingenden Charakter Sie können daher durch kollektive oder privatautonome Rechtsgestaltung nicht abgeändert werden Am Eingriff in den zweiseitig zwingenden Charakter der ArbVG-Normen ändert auch der Doppel- charakter kollektivvertraglicher Regelungen in Personalangelegenheiten nichts, da die Normen über die Rechtssetzungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien einheitliche, unteilbare Normen sind Daher muss nicht nur ein Teil (nämlich die Inhaltsnorm) durch die Rechtssetzungsbefugnis gedeckt sein, sondern sich der gesamte Inhalt der Norm widerspruchsfrei in das System der Regelung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrats einfügen lassen Regelungen in Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen, nach denen eine gesetzlich vorgesehene Stellungnahme des Betriebsrats arbeitsvertragsrechtlich stärkere Wirkung entfalten soll als das Gesetz, verstoßen gegen die zwingenden Normen des ArbVG, wenn diese Ausweitung der Rechte des Betriebsrats vom Gesetz nicht gedeckt ist. Schrank, AR-Neuerungen

134 Schrank, AR-Neuerungen
KollV-Wesen: Nicht wirksam Regelbares Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats Kündigung nur bei Sozialplan-Betriebsvereinbarung? (2) LE-AS Nr.5, §§ 2 Abs. 2 Z 2 und 5, 97 Abs. 1 Z 4, 109 ArbVG   Auch aus § 2 Abs. 2 Z 5 ArbVG, wonach der KollV Art und Umfang der Mitwirkungsbefugnisse der AN-schaft bei Durchführung von Sozialplänen regeln können, lässt sich keine Zulässigkeit ableiten „Art“ meint die Intensität (Information, Anhörung, Beratung, minderheitliche Mitentscheidung, gleichberechtigte Mitentscheidung) und „Umfang“ meint die Fragenbereiche des Sozialplans, auf die sich die Mitwirkung beziehen soll „Bei der Durchführung“ heißt, dass in Bezug auf alle oder auf einige der im jeweiligen Sozialplan vorgesehenen Maßnahmen Beteiligungsrechte der Belegschaftsorgane vorgesehen werden können Ermöglicht der KollV den Betriebsparteien aber nicht, in der Betriebsvereinbarung weitergehende Mitwirkungsbefugnisse oder Rechte zu vereinbaren, sondern macht er selbst die Zulässigkeit der Kündi- gung vom Vorliegen einer Sozialplan-Betriebsvereinbarung abhängig, bietet auch § 2 Abs. 2 Z 5 ArbVG keine Grundlage für die Erweiterung der dem Betriebsrat kollektivvertraglich eingeräumten Befugnisse Die kollektivvertragliche Abhängigkeit der Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers vom Vorliegen eines Sozialplans und der Zustimmung des Betriebsrats zu diesem Sozialplan ist daher nichtig Kündigungen aus den im KollV genannten betriebsbedingten Gründen sind somit unabhängig von einem Sozialplan und der Zustimmung des Betriebsrats dazu möglich.   OGH , 9 ObA 153/16i Schrank, AR-Neuerungen

135 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsvereinbarungen: Direktpension, mit Verweis auf je- weilige Beamtenpensionshöhe – zulässige Rechengröße? (1) LE-AS Nr.6, §§ 2, 29, 97 Abs. 1 Z 18 ArbVG, OÖ L-PG   Bezieht sich eine Betriebsvereinbarung nach Wortlaut („der­zeit“) und Absicht auf das jeweils aktuelle Pensionsrecht für Beamte (oö Landesbeamte), ist fraglich, ob darin ein unzulässiger dynamischer Verweis mit der Folge zu sehen ist, dass dies als statischer Verweis zu verstehen wäre Die Delegation der durch das ArbVG übertragenen Rechtsetzungsbefugnis an von ihnen verschiedene Rechtssubjekte im Wege der dynamischen Verweisung ist unzulässig, da dadurch die inhaltliche Bestim- mung den Abschlussparteien entzogen wird und eine derartige Übertragung der Normsetzungsbefugnisse im ArbVG nicht vorgesehen ist. Auch in Betriebsvereinbarungen sind dynamische Verweisungen unzulässig Eine unzulässige dynamische Verweisung liegt vor, wenn der Inhalt eines Regelungskomplexes eines anderen Normgebers oder eines Teils hiervon durch bloßes Zitat zum Vollzugsinhalt der eigenen Regelung gemacht werden soll Regeln indessen Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung Voraussetzungen und Berechnungsweise der Zuschusspension eigenständig und verweisen sie nur hinsichtlich einer Rechengröße auf gesetzliche Bestimmungen über die Pensionshöhe beziehungsweise deren Valorisierung, wird die zum Tatbestands- element erhobene Norm eines anderen Gesetzgebers nicht im verfassungsrechtlichen Sinn vollzogen, sondern lediglich ihre inhaltliche Beurteilung dem Vollzug der eigenen Norm zugrunde gelegt Keinem Normgeber ist es verwehrt, an die von einer anderen Rechtssetzungsautorität geschaffene Rechtslage anzuknüpfen und sie zum Tatbestandselement seiner eigenen Regelung zu machen und die fremde Rechtsvorschrift, deren Vollzug einer anderen Autorität überlassen ist, einer vorläufigen und daher der Beurteilung einer Vorfrage gleichkommenden Betrachtungsweise zu unterziehen. Schrank, AR-Neuerungen

136 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsvereinbarungen: Direktpensionen, Verweis auf jewei- lige Beamtenpensionshöhe zulässige Rechengröße? (2) LE-AS Nr.6, §§ 2, 29, 97 Abs. 1 Z 18 ArbVG, OÖ L-PG Maßgeblich ist somit, ob die verwiesene Norm nur Tatbestandselement der eigenen Regelung wird, ohne dass die Norm selbst vollzogen wird, oder ob ihre inhaltliche Geltung angeordnet wird Ordnet eine Betriebsvereinbarung an, dass den Angestellten bei Versetzung in den Ruhestand Ruhe- genüsse und ihren Hinterbliebenen Versorgungsgenüsse gleich einem Beamten des Landes O gebühren, bedeutet der Verweis auf das Beamten-Landesrecht nicht, dass sich die Parteien in unzulässiger Weise ihrer Normsetzungsbefugnis begeben hätten Die Arbeitgeberin will ihren Angestellten eine Gesamtversorgungsleistung wie einem (Landes-)Beamten sichern, indem ein Pensionszuschuss zur ASVG-Pension zugesagt wird („Unterschiedsbetrag“), wofür aber zwangläufig die Ermittlung der Landesbeamtenpension als rechnerischer Vergleichsmaßstab („Vergleichs- pension“) erforderlich ist In solchen Fällen geht es nur darum, eine „Vergleichspension“ als rechnerischen Bezugspunkt für die Ermittlung des von der Arbeitgeberin zu leistenden Pensionszuschusses zur ASVG-Pension eines Angestellten festzulegen. Darin liegt keine unzulässige dynamische Verweisung.   OGH , 9 ObA 151/16w OLG Linz , 12 Ra 54/16x-16, LG Linz , 7 Cga 89/15s-9 Schrank, AR-Neuerungen

137 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsvereinbarung „Ermahnungen und Verwarnungen“ – Auslegbar als zwingende Kündigungsvoraussetzung? LE-AS Nr.22, § 97 Abs. 1 Z 1 ArbVG, §§ 6, 7 ABGB   Der Auslegung einer Betriebsvereinbarung kommt u.a. dann keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs. 1 ZPO zu, wenn die Auslegung der fraglichen Bestimmung klar und eindeutig ist Beschreibt eine Betriebsvereinbarung „Ermahnungen und Verwarnungen“ u.a. die vom Dienstgeber einzuhaltende Vorgangsweise bei Erteilung einer formellen mündlichen oder schriftlichen Ermahnung dahin, dass schriftliche Verwarnungen stets mit der Androhung der Auflösung des Dienstverhältnisses im Falle weiterer Verstöße auszusprechen sind, bindet dies nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln gemäß §§ 6, 7 ABGB nicht die Wirksamkeit einer Kündigung an eine solches Verfahren Die insbesondere auf den Zweck der BV beruhende Auffassung, die BV-Parteien hätten mit der Errich- tung eines betriebsinternen Ermahnungs- und Verwarnsystems eine Alternative zur Auflösung des DV, aber keine zwingend einzuhaltenden Voraussetzungen für den Ausspruch einer Kündigung schaffen wollen, ist nicht zu beanstanden Schließlich war auch die Übung im Betrieb so, dass nicht vor jeder Kündigung aus persönlichen Grün- den das in der Betriebsvereinbarung festgelegte System von Verwarnungen eingehalten wurde Zudem hält die nunmehrige Neufassung dieser Betriebsvereinbarung durch die Betriebsparteien diese Übung auch schriftlich dahin fest, dass das Recht des Dienstgebers, das DV nach den Regeln des AngG und des ABGB bzw. des Kollektivvertrags zu kündigen, durch die BV unberührt bleibt Auch der in einer schriftlich dokumentierten mündlichen Ver­warnung enthaltene Hinweis, dass eine neuerliche Verfehlung eine schriftliche Verwarnung im Sinn der BV nach sich ziehe und in weiterer Folge das DV aufgelöst werden könne, durfte der AN schon aufgrund der bestehenden Übung im Betrieb nicht so verstehen, dass die Arbeitgeberin damit ihr Kündigungsrecht einschränken wollte.   OGH , 9 ObA 46/17f OLG Wien , 8 Ra 97/16t-70 Schrank, AR-Neuerungen

138 Schrank, AR-Neuerungen
Freigestellte Betriebsratsmitglieder (DKS): Benachteiligungsverbot –Schwerarbeitszeiten (DKS)? LE-AS Nr.4, § 115 Abs. 3 ArbVG, § 607 Abs. 14 ASVG, § 4 Abs. 3 und 4 APG, §§ 1 Abs. 1 Z 4 und 5, 4 SchwerarbeitsV   Unmittelbar an Schwerarbeitszeiten anschließende Zeiten der Freistellung für die Betriebsrats- mandatsausübung können nicht als Schwerarbeitszeiten qualifiziert werden Zur Schwerarbeitsmonat-Beurteilung ist auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit abzustellen. Gegen dieses Ergebnis spricht auch nicht die Anerkennung von Urlaubsverbrauchs- als Schwerarbeitszeiten Mit dem Benachteiligungsverbot in § 115 Abs. 3 ArbVG wird dem Betriebsinhaber untersagt, Arbeitnehmer mit BR-Mandat hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen zu benach­teiligen Als Beispiele für verbotene Benachteiligungen nennt das Gesetz solche hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten oder Versetzungen Es darf das Betriebsratsmitglied vom Betriebsinhaber nicht schlechter gestellt werden, als wenn es Dienst gemacht hätte. Es darf aber aus dem Mandat auch keinen Vorteil ziehen Auch dass § 115 Abs. 3 ArbVG Betriebsverfassungsrecht ist, das die Beziehungen zwischen Beleg- schaft und Betriebsinhaber regelt, spricht dafür, dass Adressat des Verbots der Arbeitgeber ist Aufgrund des Entgeltschutzes dürfen freigestellte Mitglieder des Betriebsrats im Entgelt nicht benachteiligt werden. Daher gebührt, wenn eine vor der Freistellung ausgeübte Schwerarbeit mit höherem Entgelt verbunden war, dieses höhere Entgelt auch während der Freistellung Eine Qualifikation der Monate der Freistellung als Schwerarbeitsmonate ist jedoch vom Entgeltschutz nicht umfasst. Auch liegt im hier zu entscheidenden Fall keine planwidrige Lücke vor, da der Gesetzgeber erkennbar auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit abzustellen will Da der nach dem Gesetz ausschlaggebende Umstand, dass die belastende Tätigkeit tatsächlich nicht ausgeübt wird, zur Nichtanrechnung von Schwerarbeitszeiten führt, wird ein freigestelltes Betriebsratsmitglied wird nicht benachteiligt Würden trotzdem die Zeiten der Freistellung als Schwerarbeitszeiten qualifiziert, würde es aus der Betriebsratsmitgliedschaft einen nicht rechtfertigbaren Vorteil ziehen.   OGH , 10 ObS 117/16b OLG Graz , 6 Rs 37/16g-11, LG Graz , 58 Cgs 23/16m-7 Schrank, AR-Neuerungen

139 Schrank, AR-Neuerungen
Freigestelltes BR-Mitglied: Entzug Zutrittskarte und Schlüssel für BR-Büro, Mobiltelefon und Dienstfahrzeug? Zutritt nur nach Voranmeldung? (1) LE-AS Nr.3, §§ 72, 115 Abs. 3, 116, 122 Abs. 3 ArbVG, § 382 Z 2 zweiter Fall EO §§ 19 Abs. 1, 47, 65 Abs. 3, 67 Abs. 1 PBVG   Eine gegen nachträgliche Zustimmung ausgesprochene Ent­lassung ist schwebend unwirksam und hat noch kein Erlöschen der Mitgliedschaft zum Betriebsrat zur Folge Das Betriebsratsmitglied – bzw. hier das Personalausschussmitglied – ist daher berechtigt, seinen Aufgaben nachzukommen, solange der Schwebezustand dauert Das Benachteiligungs- und Beschränkungsverbot sichert die ungestörte Mandatsausübung und soll dem Betriebsrat eine effektive Interessenvertretungstätigkeit ermöglichen Ein unwiederbringlicher Schaden iSd § 381 Z 2 EO kann auch in einer unzulässigen Beschränkung der Mandatsausübung durch den Betriebsinhaber liegen Grundsätzlich sind dem Betriebsinhaber nach dem Beschränkungsverbot alle Anordnungen untersagt, die den Arbeitnehmern die Inanspruchnahme des Personalvertretungsorgans oder diesem die Ausübung seiner Befugnisse erschweren oder unmöglich machen Eine Beschränkung besteht in jedem Eingriff in den Ablauf des vom Mitglied des Personalvertretungs- organs gewünsch­ten bzw. in Aussicht genommenen Verhaltens im Rahmen der Interessenvertretung als Belegschaftsorgan Der Betriebsinhaber darf daher dem einzelnen auch suspendierten Mitglied den Zutritt zum Betrieb für die Mandatsausübung weder verwehren noch erschweren Letzteres ist aber der Fall, wenn der Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten nicht – wie vorher – jederzeit, sondern nur nach rechtzeitiger vorheriger Bekanntgabe bei einer namentlich bestimmten Mitarbeiterin gewährt wird. Schrank, AR-Neuerungen

140 Schrank, AR-Neuerungen
Freigestellte: Zutritt nur nach Voranmeldung? (2) LE-AS Nr.3, §§ 72, 115 Abs. 3, 116, 122 Abs. 3 ArbVG, § 382 Z 2 zweiter Fall EO §§ 19 Abs. 1, 47, 65 Abs. 3, 67 Abs. 1 PBVG   Inwieweit diese Maßnahme „der Sicherheit“ dienen kann, obwohl sie vor dem Entlassungsausspruch nicht für notwendig erachtet wurde, ist nicht schlüssig Hängt die Ausübung der betriebsverfassungsrechtlichen Tätigkeit davon ab, dass das Mitglied die allein zuständige Mitarbeiterin telefonisch erreicht und diese ihm dann auch tatsächlich, gegebenenfalls sofort, den Zutritt zum Betrieb gewährt, ist diese Maßnahme geeignet, die freie und unbeschränkte Mandatsausübung zu verhindern Diese Beschränkung ist bei Freigestellten mit der mit § 116 ArbVG verbundenen Informationspflicht des Betriebsratsmitglieds nicht vergleichbar Das individuelle Begehren, bestimmte, dem Mitglied bereits persönlich vom Personalausschuss ausgefolgte, von der Arbeitgeberin aber aus in seiner Person gelegenen Gründen entzogene Sachmittel wieder zur Verfügung zu stellen, hat nichts damit zu tun, dass der Anspruch auf Sachmittelbeistellung dem Organ im Ganzen zusteht Für dieses Begehren ist das Mitglied des Personalausschusses (und nicht dieser) aktiv klags- legitimiert Das Beschränkungsverbot schützt nämlich nicht nur das Belegschaftsorgan als Gremium, sondern auch jedes einzelne Personalausschussmitglied vor einer Erschwerung oder Verhinderung seiner Mandatsausübung Die Abnahme des Büroschlüssels und die Verhinderung des Zugangs zum EDV-Netzwerk beschränkt das Mitglied als solches unzulässig in seiner Mandatsausübung.   OGH , 9 ObA 95/16k OLG Innsbruck , 15 Ra 50/16i-10, LG Innsbruck , 76 Cga 9/16v-4 Schrank, AR-Neuerungen

141 Betriebsübergänge Arbeitskräfteüberlassung
Schrank, AR-Neuerungen

142 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsübergang: Abgrenzung zu Auftragsvergaben – Tech- nisches Gebäudemanagement für Hochhauseigentümer? LE-AS Nr.8, § 3 Abs. 1 AVRAG   Für das Vorliegen eines Betriebsüberganges muss eine auf Dauer angelegte „wirtschaftliche Einheit“ übergegangen sein, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist und daher ein Betriebsteil betroffen ist Dabei muss es sich um eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung handeln Fehlt eine vertraglichen Beziehung zwischen zwei Unternehmen, denen nacheinander ein Dienst­­ leistungsauftrag erteilt worden ist, kann dies zwar ein Indiz gegen einen Übergang iSd § 3 Abs. 1 AVRAG bzw. der RL 2001/ 23/EG darstellen, doch kommt dem Indiz in diesem Zusammenhang keine ausschlaggebende Bedeutung zu Allein die Ähnlichkeit der von dem alten und dem neuen Auftragnehmer erbrachten Dienstleistungen lässt noch nicht auf den Übergang einer wirtschaftlichen Einheit schließen Der bloße Verlust eines Auftrags an einen Mitbewerber stellt daher für sich genommen keinen Übergang im Sinne der Richtlinie dar Für einen Betriebs(teil-)übergang muss in diesen Fällen entweder der neue Auftragnehmer einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Belegschaftsteil übernommen haben oder in Branchen, in denen es nicht wesentlich auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, der zweite Unternehmer die zuvor vom ersten Unter- nehmer benutzten und beiden nacheinander vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten wesentlichen materiellen und für die betreffende Tätigkeit unverzichtbaren Betriebsmittel benutzen.     OGH , 9 ObA 136/16i OLG Wien , 7 Ra 27/16s-21 Schrank, AR-Neuerungen

143 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsübergang: Einstufung in Erwerberkollektivvertrag Rücksichtnahme auf frühere Einstufung? LE-AS Nr.8, § 3 Abs. 3 AVRAG, § 15 Abs. 4 IT-Kollektivvertrag   Bei Kollektivvertragswechsel kraft Betriebsübergangs ist eine vollständige Ablösung des Veräußererkollektivvertrags durch den Erwerberkollektivvertrag anzunehmen. Es kommt daher auf die Einreihung im früheren Kollektivvertrag nicht an. Für die Einstufung in eine bestimmte Tätigkeitsfamilie des IT-KV ist – wie sich insbesondere auch aus dessen § 15 Abs. 4 ergibt – die Art der ausgeübten Tätigkeit maßgeblich. Die bei Beschäftigungsgruppen angeführten Tätigkeitsbeispiele darf die Beurteilung nicht vernachlässigen. Vielmehr kann in der Regel aus dem Zutreffen eines Tätigkeitsbeispiels auf die Einstufung in die betreffende Beschäftigungsgruppe geschlossen werden. Werden Mischtätigkeiten verrichtet, dann entscheidet im Allgemeinen das zeitliche Überwiegen.   OGH , 8 ObA 68/16g OLG Wien , 10 ra 29/16g-32 Schrank, AR-Neuerungen

144 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsübergang: Kollektivvertragswechsel Dienstzeiten und stichtagsabhängig höhere Biennalsprünge? LE-AS Nr.9, § 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 2 AVRAG   Gewährt der Erwerber-Kollektivvertrag nur den vor dem 1. 1. 1995 eingetretenen ANhöhere Biennal­ sprünge (5,1 % des Istlohns), während für die seitdem Eingetretenen nur 5 % vom Grundgehalt gelten, bestehen im Erwerber-Kollektivvertrag also unterschiedliche Biennalsprung-Regelungen, gilt der damit verfolgte Vertrauensschutz für diese Gruppe von „alten Stammarbeitnehmern“ nicht für erst für übergegangene Arbeitnehmer Da Letztere dieser Stammarbeitnehmer-Gruppe nicht angehören, kommt deren Vertrauensschutz nicht zum Tragen, auch nicht bei jenen AN, deren (betriebsübergangsrelevantes) Eintrittsdatum vor diesem Stichtag lag und die daher über eine solche Dienstzeitdauer verfügen Dass infolge der Eintrittsautomatik des § 3 Abs. 1 AVRAG die beim Veräußerer verbrachten Dienstzeiten so zu beurteilen sind, wie wenn sie beim neuen AG verbracht worden wären, ändert daran nichts Dass im Rahmen der Neuordnung des Gehaltsschemas eines Kollektivvertrags – hier des Erwerber- Kollektivvertrages – eine bestimmte Gruppe von AN aus Gründen des Vertrauensschutzes besser als neu eintretende AN gestellt werden dürfen, weil für sie bis vorher ein höheres Entgelt galt, ist auch nach dem Gleichbehandlungs­grundsatz zulässig Genau dieses Regelungsziel der Aufrechterhaltung eines bisher nach dem alten KollV zustehenden höheren Entgelts konnten jene AN der übernommenen Belegschaft nicht für sich in Anspruch nehmen Danach kann es aber nicht darauf ankommen, ob sich die günstigeren Regelungen für die Stamm- belegschaft in einem neuen Kollektivvertrag des Erwerbers befinden oder ein bestehender Erwerber- kollektivvertrag schon eine entsprechen­de Differenzierung enthält.   OGH , 9 ObA 145/16p OLG Wien , 8 Ra 62/16w-40 Schrank, AR-Neuerungen

145 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsübergang: Begünstigte Selbstkündigung? LE-AS Nr.6, § 3 Abs 5 AVRAG Ob ein Arbeitnehmer wegen des Betriebsübergangs, also „objektiv betriebsbedingt“, kündigte oder aus anderen Gründen, insbesondere aus persönlichen Motiven, kann naturgemäß immer nur im Einzelfall beurteilt werden Beabsichtigte eine Arbeitnehmerin ursprünglich, bis zu ihrem 61. Geburtstag bei der Arbeitgeberin beschäftigt zu bleiben, bewogen sie jedoch die in Betriebsversammlungen angesprochenen bevorstehenden Verschlechterungen der Arbeits- und Entgeltbedingungen durch den Betriebsübergang letztlich zur früheren Kündigung und vorzeitigen Inanspruchnahme der ASVG-Pension, ist die Ansicht vertretbar, ihre innerhalb der Monatsfrist des § 3 Abs. 5 AVRAG erfolgte Kündigung sei objektiv betriebsbedingt gewesen Dies auch dann, wenn sie im Kündigungsschreiben nicht auf die zukünftigen Verschlechterungen hingewiesen hat. OGH , 9 ObA 25/17t OLG Wien , 8 Ra 39/16p-20 Schrank, AR-Neuerungen

146 Schrank, AR-Neuerungen
Eintrittsautomatik: Wahlrecht durch Einforderung der Beendigungsansprüche. Weiterarbeiten beim Übernehmer?   Geht ein Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil auf einen neuen Inhaber über, dass dieser nach § 3 Abs 1 AVRAG als AG mit allen Rechten und Pflichten in die bestehenden AV ein. Diese Rechtsfolge tritt grundsätzlich unabhängig vom Willen der Betroffenen ein. Es kommt zu keiner Beendigung, weshalb auch keine Beendigungsansprüche gebühren Allerdings steht dem entgegen § 3 AVRAG gekündigten AN ein Wahlrecht zu, statt auf der Fortset- zung mit dem Übernehmer zu bestehen, die Beendigung hinzunehmen und bei frist- oder terminwidriger Kündigung Kündigungsentschädigung zu begehren Dass er beim Erwerber weiter arbeitet, hindert die Geltendmachung der Beendigungsansprüche nicht, wenn ihm die Kündigung samt Eingehen eines neuen Arbeitsverhältnisses beim Erwerber günstiger erschien als die gesetzliche Arbeitsvertragsübernahme Machte der AN im nachfolgenden Konkurs der Vorpächterin Abfertigungs­­ansprüche und Kündi- gungsentschädigung samt Sonderzahlungen geltend und lässt er sich auf diese Forderungen eine Konkursquote ausbezahlen, lässt er die ansonsten unwirksame Beendigung gegen sich gelten, auch wenn er in weiterer Folge bei der Nachpächterin weiter arbeitet Dass im Einzelfall nicht leicht zu beurteilen ist, welche von meh­reren Varianten für den AN günstiger ist, führt nicht dazu, dass seine Entscheidung keine rechtliche Wirkung entfaltet Geht ein AV gemäß § 3 Abs. 1 AVRAG auf den Übernehmer über und haftet dieser gemäß § 6 Abs. 1 AVRAG mit dem Übergeber solidarisch für den rückständigen Lohn, besteht kein Anspruch auf Insolvenz- Ausfallgeld aus einer Insolvenz des Übergebers Übt der AN sein Wahlrecht aus und akzeptiert er eine ungerechtfertigte Auflösung, trägt er das Risiko der Insolvenz des Übergebers und stehen ihm Ansprüche nach dem IESG nicht zu.   OGH , 8 ObA 10/16b OLG Wien , 8 Ra 63/15s-36, ASG Wien , 3 Cga 47/14y-23 Schrank, AR-Neuerungen

147 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitskräfteüberlassung: Was gilt bei freier Arbeitszeitver- kürzungs-Betriebsvereinbarung im Beschäftigerbetrieb? (1) LE-AS Nr.2, § 11 Abs. 2 Z 2 und 3, Abs. 3 AÜG, § 19d Abs. 1 und 6 AZG Abschnitt VI. Abs. 1, 3 und 4 AÜKV   Eine dienstvertragliche Normalarbeitszeitvereinbarung von 36 Wochenstunden ist auch dann noch eine Teilzeitbeschäftigung, wenn sie bei Überlassung an einen Betrieb mit einer längeren Normalarbeitszeit „zur entsprechend längeren Arbeitszeit“ verpflichtet Diese Teilzeit verstößt auch nicht gegen § 11 Abs. 2 Z 2 und 3 AÜG Abschnitt VI. AÜKV nimmt Bezug auf den Grundfall einer Anstellung beim Überlasser im Ausmaß einer Vollarbeitszeit von 38,5 Wochenstunden (Abs 1) und definiert den Entlohnungsanspruch der überlassenen Arbeitskraft für das Vollzeitäquivalent des Beschäftigers, das eine längere (Abs 3) oder kürzere (Abs 4) Vollarbeitszeit des Beschäftigers bedeuten kann Im zweiten Fall steht der überlassenen Arbeitskraft jedenfalls für 38,5 Stunden der Grundlohn als sowohl während der Dauer einer Überlassung als auch in überlassungsfreien Zeiten (Stehzeiten) gebührende Min- destlohn (IX.1. AÜKV) zu, sofern nicht der Überlassungslohn als der im Beschäftigerbetrieb zu zahlende kollektivvertragliche Lohn (IX.3.) höher als der Mindestlohn ist Anwendungsvoraussetzung von Abschnitt VI./1 Abs. 4 des KV ist, dass derartige gesetzliche, kollektiv- vertragliche sowie „sonstige im Beschäftigerbetrieb geltenden verbindlichen Bestimmungen allgemeiner Art“ eine Normalarbeitszeit von weniger als 38,5 Stunden vorsehen Diese Formulierung entspricht jener der neu gefassten Bestimmung des § 10 Abs. 3 AÜG, die im Hin- blick auf die Aspekte der Arbeitszeit und des Urlaubs das Prinzip der Gleichbehandlung von überlassenen Arbeitskräften mit denen des Beschäftigerbetriebs gewährleisten soll, sofern diese Punkte kollektive Geltung beanspruchen Vor dem unionsrechtlichen Hintergrund sind auch betriebliche Übungen, Vertragsschablonen und Richtlinien sowie unechte Betriebsvereinbarungen, die sich auf Aspekte der Arbeitszeit und des Urlaubs beziehen, als verbindliche Be­stimmungen allgemeiner Art iSd § 10 Abs. 3 AÜG anzusehen, folglich auch des Abschnitts VI./1 Abs. 4 des KV. Schrank, AR-Neuerungen

148 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitskräfteüberlassung: Was gilt bei freier Arbeitszeitver- kürzungs-Betriebsvereinbarung im Beschäftigerbetrieb? (2) LE-AS Nr.2,   Abschnitt VI./1 Abs. 4 des AÜKV bedeutet danach: In zeitlicher Hinsicht nimmt eine beim Überlasser in Vollzeit beschäftigte Arbeitskraft daher an einer durch (unechte) BV reduzierten Normalarbeitszeit von weniger als 38,5 Stunden des Beschäftigers teil Auf den Überlassungslohn (IX./3., 4., 4a) schlägt jedoch die nur innerbetrieblich verkürzte Normal- arbeits-zeit nicht durch, weil dieser nur auf Grundlage der in den gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Bestimmungen – nicht aber den sonstigen im Beschäftigerbetrieb geltenden verbindlichen Bestimmungen allgemeiner Art – festgelegten Normalarbeitszeit zu berechnen ist Einer Vollzeit-Arbeitskraft ist der Überlassungs­lohn daher auch dann auf Basis der Vollzeit zu zahlen, wenn die NAZ beim Beschäftiger nur durch un­echte Betriebsvereinbarung verkürzt wurde Ein Vollzeitvertrag mit 38,5 Wochenstunden ginge daher mit einem Überlassungslohn auf Basis einer 38,5-Stundenwoche (kollektivvertragliche Normalarbeitszeit des Beschäftigers) einher, da er von der durch die unechte Betriebsvereinbarung reduzierten Normalarbeitszeit unberührt bliebe Gibt aber Abschnitt VI.1. Abs. 4 KollV vor, dass eine Vollzeitbeschäftigung beim Überlasser (38,5 Wo- chenstunden) in entgeltlicher Hinsicht dem gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Vollzeitäquivalent des Beschäftigers auch dann zu entsprechen hat, wenn die Arbeitszeit innerbetrieblich reduziert wurde, läge folglich eine Umgehung vor, wenn der Überlasser mit der überlassenen Arbeitskraft eine Teilzeit im Ausmaß der beim Beschäftiger nur innerbetrieblich reduzierten Arbeitszeit vereinbart, ohne dass die Arbeitszeit beim Beschäftiger gemäß der Teilzeitvereinbarung aliquot verkürzt würde, weil dadurch das in Abschnitt VI.1. Abs. 4 des KollV vorgezeichnete Äquivalenzverhältnis zu Lasten der Überlassenen verschoben würde. Schrank, AR-Neuerungen

149 Schrank, AR-Neuerungen
Überlassung: Arbeitszeitverkürzung beim Beschäftiger? (3) LE-AS Nr.2,   Gibt aber Abschnitt VI.1. Abs. 4 KollV vor, dass eine Vollzeitbeschäftigung beim Überlasser (38,5 Wo- chenstunden) in entgeltlicher Hinsicht dem gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Vollzeitäquivalent des Beschäftigers auch dann zu entsprechen hat, wenn die Arbeitszeit innerbetrieblich reduziert wurde, läge folglich eine Umgehung vor, wenn der Überlasser mit der überlassenen Arbeitskraft eine Teilzeit im Ausmaß der beim Beschäftiger nur innerbetrieblich reduzierten Arbeitszeit vereinbart, ohne dass die Arbeitszeit beim Beschäftiger gemäß der Teilzeitvereinbarung aliquot verkürzt würde, weil dadurch das in Abschnitt VI.1. Abs. 4 des KollV vorgezeichnete Äquivalenzverhältnis zu Lasten der Überlassenen verschoben würde Bezweckt eine „Teilzeit-Vereinbarung“ mit dem Überlasser die „Synchronisierung“ mit der innerbe- trieblichen Vollarbeitszeit des Beschäftigers, läge darin eine unwirksame Umgehung dieser KV-Anordnung Da die mit unechter Betriebsvereinbarung innerbetrieblich verkürzte Normalarbeitszeit folglich nichts am Anspruch einer (vollzeitbeschäftigten) überlassenen Arbeits­kraft auf eine kollektivvertragliche Entlohnung nach Maßgabe einer Vollzeitbeschäftigung ändern kann, stellt sich die Frage der Anwendbarkeit des neu gefassten § 10 Abs. 3 AÜG nicht Abschnitt VI.1. des KollV verbietet freilich nicht generell den Abschluss von Teilzeitvereinbarungen mit dem Überlasser. Es läge noch keine Umgehung darin, eine beim Überlasser in Teilzeit beschäftigte Arbeits- kraft dem Beschäftiger auch als Teilzeitkraft zu überlassen (maW wäre eine Halbtagskraft des Überlassers – aliquot nach Abschnitt VI./1 Abs. 4 des KollV – als Halbtagskraft des Beschäftigers zu entlohnen) Nach dem Diskriminierungsverbot des § 19d Abs. 6 AZG hätte dies aber zur Folge, dass die innerbe- triebliche Verkürzung der NAZ auch für Teilzeitbeschäftigte gelten und zu einer aliquoten Verkürzung ihrer Arbeitsverpflichtung bei entspr. Lohnausgleich (hier: 38,5 : 36 = Verkürzung 6,5 %) führen muss Darüber hinausgehende Arbeitsstunden wären demnach als (ggf zuschlagspflichtige) Mehrarbeitsstunden zu entlohnen.   OGH , 9 ObA 15/17x OLG Linz , 11 Ra 69/16w-14, LG Wels , 16 Cga 25/16a-10 Schrank, AR-Neuerungen

150 Schrank, AR-Neuerungen
Werkvertrag oder Subüberlassung? Wahrer wirtschaftlicher Gehalt LE-AS Nr.4, § 4 Abs. 1 und 2 AÜG   Stellt das Unternehmen, an das ein Dienstnehmer vom Dienst­geber zunächst verliehen wurde, kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen eines Drittunternehmens abweichendes, unterscheidbares und ihr als Werk­unternehmer zurechenbares Werk her oder wirkt es an der Herstellung eines solchen Werks nicht mit, entspricht ein ausdrücklicher „Dienstleistungsvertrag“ dieses Unternehmens mit dem Drittunternehmen, der „die ordnungsgemäße und fristgerechte Ausführung konkret bezeichneter Arbeiten“ sichern soll, im wirtschaftlichen Gehalt des Einsatzes iSd § 4 Abs. 1 AÜG auch bei Gesamtbetrachtung einer Sub­überlassung Ein solcher „Dienstleistungsvertrag“ der beteiligten Unternehmen zielt nicht auf ein von der Arbeits- kräftebereitstellung unterscheidbares Ergebnis ab, wenn sich die früher von eigenen Mitarbeitern des dritten Beschäftigers verrichteten Tätigkeiten des Dienstnehmers von der Inbetriebnahme eines Heizhauses, der Entnahme und Auswertung von Proben, Kontrollen und Überprüfungen samt Dokumentation, über die Funktion als Sachbearbeiter für Atemschutz in der Betriebsfeuerwehr samt Teilnahme an Einsätzen bis hin zum Rasenmähen und zu Botendiensten erstrecken und ausschließlich mit Materialien und Werkzeugen des Werkunternehmers geleistet werden.   OGH , 8 ObA 6/16i OLG Wien , 8 Ra 33/15d-64 Schrank, AR-Neuerungen

151 Schrank, AR-Neuerungen
Überlassung: Begriff und Abgrenzung von Werkverträgen (1) LE-AS Nr.5, §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 2, 17 Abs. 2 AÜG, Art. 1 Abs. 3 lit. c RL 96/71   Die Rechtsfrage, ob es sich bei dem Vertragsverhältnis zwischen dem ungarischen und österreichi- schen Unternehmen um einen („echten“) Werkvertrag oder um einen Vertrag betreffend grenzüberschreiten- de Arbeitskräfte­überlassung handelt, ist nicht ausschließlich nach innerstaat­lichem Recht zu beantworten Da die in Rede stehenden Bestimmungen des AÜG auch der Umsetzung von Unionsrecht dienen, sind dessen Vorgaben bei der Umsetzung und Vollziehung zu berücksichtigen Vor diesem rechtlichen Hintergrund sind die Kriterien, die für die Arbeitskräfteüberlassung iSd Art. 1 Abs. 3 lit. c der RL 96/71 entscheidend sind, auch maßgebend für die Beurteilung, ob (grenzüberschreitende) Arbeitskräfteüberlas­sung iSd §§ 3 und 4 AÜG vorliegt. Nur bei Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben kommt eine uneingeschränkte Anwendung des AÜG in Betracht Hat das LVwG sich bei der Beurteilung auf die VwGH-Ju­dikatur zu § 4 AÜG bezogen, seine Ansicht ausschließlich auf die Erfüllung des § 4 Abs. 2 Z 2 AÜG gestützt (die Arbeiten seien nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers geleistet worden) und den Einwand, dieses Kriterium stelle – aus unionsrechtlicher Sicht – nach aktueller Judikatur des EuGH im Urteil vom „Martin Meat“ (C- 586/13) kein ausreichendes Abgrenzungskriterium dar, womit weitere Kriterien als entscheidend zu berücksichtigen seien, keiner inhaltlichen Überprüfung unterzogen, hat es damit die Rechtslage verkannt Aus diesem Urteil des EuGH, C-586/13, ergibt sich, dass für die Beurteilung, ob ein Sachverhalt als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung zu beurteilen ist und die Meldepflicht nach § 17 Abs. 2 AÜG nach sich zieht, aus unionsrechtlicher Sicht „jeder Anhaltspunkt“ zu berücksichtigen und somit unter mehreren Gesichtspunkten (nach dem „wah­ren wirtschaftlichen Gehalt“) zu prüfen ist (vgl. zur „Gesamtbe- urteilung aller Umstände“ auch Art. 4 Abs. 1 der Durchsetzungs-RL 2014/67/EU, samt dortigem fünften Erwägungsgrund). Schrank, AR-Neuerungen

152 Schrank, AR-Neuerungen
Überlassung: Begriff und Abgrenzung von Werkverträgen (2) LE-AS Nr.5, Im Speziellen sind von entscheidender Bedeutung, ob die Ver­gütung/das Entgelt auch von der Qualität der erbrach­ten Leistung abhängt bzw. wer die Folgen nicht vertragsgemäßer Ausführung der vertraglich festgelegten Leis­tung trägt (Rn 35 ff EuGH-Urteil), ob der für einen Werkvertrag essenzielle „gewährleistungstaugliche“ Erfolg vereinbart wurde (VwGH 2012/09/0130, mwN), wer die Zahl der für die Herstellung des Werkes jeweils konkret eingesetzten AN bestimmt (Rn 38) und von wem die AN die genauen und individuellen Weisungen für die Ausführung ihrer Tätigkeiten erhalten (Rn 40 EuGH-Urteil) Daher sind in einem Fall wie dem vorliegenden (im Regelfall nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung) eindeutige Sachverhaltsfeststellungen zu den ausschlaggebenden Kriterien zu treffen, um in rechtlicher Gesamtbeurteilung fallbezogen das Vorliegen von grenzüberschreitender Arbeitskräfteüber- lassung bejahen oder verneinen zu können Fehlen eindeutige Feststellungen des entscheidungsrelevanten Sachverhalts, weil es insbesondere nicht genügt, lediglich vom Vorliegen eines einzigen für das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung bedeutsamen Kriteriums auszugehen (dass das Material und Werkzeug nach den Vertragsbestimmungen durch die Auftraggeberin bereitgestellt werde) bzw. wurden, ausgehend von einer unzutreffenden Rechts­ ansicht, die maßgebenden Feststellungen zum Tatbestandselement der grenzüberschreitenden Überlassung von Arbeitskräften nicht getroffen, ist das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben Selbst im Falle der Verneinung des Vorliegens von Arbeitskräfteüberlassung ist jedoch eine Meldepflicht für die (der Erfüllung eines Werkvertrages dienende) grenzüberschreitende Entsendung von Arbeitnehmern unionsrechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen (Santos Palhota, C-515/08).   VwGH , Ra 2017/11/0068 LVwG Tirol , LVwG-2016/18/ Bezirkshauptmannschaft Imst Schrank, AR-Neuerungen

153 Beendigung- und Bestandschutz
Schrank, AR-Neuerungen

154 Schrank, AR-Neuerungen
Kettenverträge: Zweimalige befristete Verlängerung Automatische Rechtfertigung für integrative Betriebe? LE-AS Nr.13, § 11 Abs. 1 und 4 lit.a BEinstG   Allein aus dem Wesen des Betriebs als integrativer Betrieb im Sinn des § 11 BEinstG lassen sich für die Rechtfertigung mehrfach befristeter AV keine zwingenden, verallgemeinerungsfähigen Argumente gewinnen § 11 Abs. 4 lit. a BEinstG soll u.a. sicherstellen, dass Betriebe, die eine Förderung aus Mitteln des Aus- gleichstaxfonds erhalten wollen, die Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts gegenüber den beschäf- tigten Behinderten einhalten Für behinderte AN gilt daher zur Zulässigkeit mehrfacher Befristungen kein Sonderarbeitsvertragsrecht Es gilt vielmehr die allgemeine Rsp, dass bei mehrmaliger Aneinanderreihung befristeter AV die inhaltlichen Anforderungen an die Rechtfertigung desto strenger zu prüfen sind, je öfter die Aneinan- derreihung erfolgt Zwar mag aus der konkreten Förderungslage bezüglich eines konkreten Behinderten ein Argument zur Rechtfertigung der unter Umständen auch mehrmaligen Befristung des AV zu gewinnen sein, doch findet die Überlegung, die mehrmalige Befristung sei bei behinderten Beschäftigten eines integrativen Betriebs jeden- falls und automatisch gerechtfertigt, im Arbeitsvertragsrecht und der einschlägigen Rsp keine Deckung Da die Rechtfertigung einer mehrmaligen Befristung regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls abhängt, bieten diese Umstände kaum Gelegenheit zu verallgemeinerungsfähigen Aus­sagen Wenn das Berufungsgericht unter Beachtung der vorhandenen Rsp die Rechtfertigung der Befristung im Anlassfall konkret verneinte, liegt darin keine unvertretbare rechtliche Beurteilung.   OGH , 9 ObA 133/16y OLG Innsbruck , 13 Ra 26/16w-21 Schrank, AR-Neuerungen

155 Schrank, AR-Neuerungen
Vertretungshöchstbefristungen: Auch Angemessenheit der Kündigungsmöglichkeit? LE-AS Nr.9 bzw Nr.17, §§ 20, 29 AngG, § 6 Abs. 3 KSchG, § 29 DO.A (KollV SV-Träger)   Vereinbaren die Parteien für ein auf bestimmte Zeit eingegangenes AV die Möglichkeit einer Kündigung, müssen die Dauer der Befristung und die Möglichkeit einer Kündigung in einem angemessenen Verhältnis stehen Wurde eine Befristung für 6 Monate und „bei Entsprechung“ eine weitere Befristung für die Zeit der Versetzung einer Mitarbeiterin aufgrund der mutterschaftsbedingten Abwesenheit einer weiteren Mitarbeiterin (spätestens auf ein rund 8 Monate späteres Datum), vereinbart, ist diese Angemessenheit auch zur zweiten Befristung zu bejahen Hinsichtlich dieser betrug die Kündigungsfrist sechs Wochen, wurden die gesetzlich möglichen Kündigungs- termine auf den jeweils Monatsletzten reduziert und hatte die Befristung ihre sachliche Rechtfertigung in der mutter- schaftsbedingten Abwesenheit einer anderen Mitarbeiterin der an Dienstpostenpläne gebundenen AG Eine solche Kündigungsklausel verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs. 3 KSchG Selbst wenn man dieses nur als besonderen Ausdruck eines allgemein geltenden Erfordernisses zur transparenten ABG-Gestaltung ansieht, gelangt man hinsichtlich der konkreten Vertragsgestaltung – zweiseitiger Vertrag; unübersehbarer eigener Vertragspunkt zur Kündigung, aus­­drückliche Anführung der maßgeblichen Kündigungsbestimmungen und konkrete Vereinbarung eines Kün­digungstermins zum jeweils Monatsletzten – zu keinem anderen Ergebnis Es gebührt daher keine Kündigungsentschädigung.   OGH , 9 ObA 31/17z OLG Graz , 7 Ra 55/16m-11, LG Leoben , 23 Cga 123/15b-7 Schrank, AR-Neuerungen

156 Schrank, AR-Neuerungen
Kündigungen: Formfreiheit? Müssen Kündigungsschreiben vom Vertretungsorgan firmenmäßig unterzeichnet sein? LE-AS Nr.5, § 72 AktG   Die Kündigung eines Dienstverhältnisses ist grundsätzlich formfrei, außer es wurde ein Schriftform- vorbehalt für die Wirksamkeit einer Kündigung vereinbart oder das Verfahren ergibt einen Hinweis auf ein solches Formerfordernis Kommt es auf die Form der Kündigungserklärung nicht an, vermögen Ausführungen zu den Zeichnungsvorschriften des § 72 AktG keine verfahrensrelevante Rechtsfrage anzusprechen Auch ist diese Bestimmung nur eine Ordnungsvorschrift, die die Gültigkeit des gezeichneten Schrift- stücks und einer darin etwa enthaltenen Vertretungshandlung nicht berührt Die Regelung des § 72 AktG gilt für die Zeichnung des Vorstands, soweit sie erforderlich ist oder vom Vorstand oder von einem anderen Organ der Gesellschaft für erforderlich gehalten oder von einem Dritten verlangt wird Sie hindert den Vorstand aber nicht, andere Personen wirksam zur Unterfertigung von Schriftstücken im internen wie im externen Schriftverkehr der AG zu bevollmächtigen.   OGH , 8 ObA 1/17f OLG Wien , 9 Ra 46/16z-46 Schrank, AR-Neuerungen

157 Schrank, AR-Neuerungen
Zuständigkeit zur Auflösung: Bevollmächtigung Lehrvertragsauflösung durch AK-Rechtsschutzreferenten? LE-AS Nr.14, §§ 4 Abs. 1, 7 Abs. 1 AKG, § 15 Abs. 2 BAG   Dass die Auflösungserklärung von der Lehrvertragspartei, welche die vorzeitige Auflösung des Lehrvertrags bewirken will, in der Regel unterzeichnet werden muss, schließt nicht aus, dass die schriftliche Auflösungserklärung durch einen bevollmächtigten Vertreter abgegeben wird Die Vertretungsbefugnis der Arbeiterkammer umfasst grundsätzlich auch die außergerichtliche Geltendmachung von Arbeitnehmerrechten gegenüber dem Arbeitgeber Bezweckt die Formvorschrift, wie jene, die für die vorzeitige Auflösung von Lehrverhältnissen gilt, die Feststellung der Ernstlichkeit des Parteiwillens oder wurde sie deshalb erlassen, um durch die Notwen- digkeit der besonderen Form die Partei zur gründlichen Überlegung des beabsichtigten Geschäfts zu veran- lassen oder das Vorhandensein des Parteiwillens zu sichern, muss die Form auch bei der Erteilung der Vollmacht beachtet werden Dagegen ist es für die Wirksamkeit des Ausführungsgeschäfts nicht erforderlich, dass die Bevoll- mächtigung dem Geschäftspartner gegenüber in dieser Form nachgewiesen wird Liegt eine schriftliche Bevollmächtigung vor, wie im Anlassfall, ist daher der Umstand, dass der schriftlichen Auflösungserklärung der Vertreterin kein schriftlicher Nachweis dieser Bevollmächtigung angeschlossen war, für die Rechtswirksamkeit des erklärten vorzeitigen Austritts nicht von Relevanz.   OGH , 9 ObA 52/17p OLG Graz , 6 Ra 72/16d-20 Schrank, AR-Neuerungen

158 Schrank, AR-Neuerungen
Kündigungsfrühwarnsystem-Schwellwert: Zählen Arbeitsvertragsübernahmen auf den Schwellenwert? LE-AS Nr.3, § 45a Abs. 1 Z 1, Abs. 5 Z 1 AMFG   Bei Arbeitsvertragsübernahmen (bezüglich anderer Arbeitnehmer als des Gekündigten) handelt es sich rechtlich nicht um (einvernehmliche) Arbeitsvertragsauflösungen iSd § 45a Abs. 1 AMFG Bei rechtsgeschäftlicher Vertragsübernahme übernimmt der Rechtsnachfolger mit Zustimmung aller Beteiligten die gesamte vertragliche Rechtsstellung ohne Änderung des Inhalts oder der rechtlichen Identität des bisherigen Schuldverhältnisses Dabei wird gerade nicht ein bestehendes Arbeitsverhältnis beendet und ein neues Arbeitsverhältnis abgeschlossen, sondern das bisherige fortgesetzt Die mit der Vertragsübernahme herbeigeführte Rechtsfolge in den übernommenen Vertrag bewirkt die bloße Auswechslung des Vertragspartners unter Aufrechterhaltung der Identität des Vertrags Eine rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme eines Arbeitsverhältnisses ist daher nicht auf die zahlenmäßigen Voraussetzungen nach § 45a AMFG anzurechnen Diese Rechtsauffassung steht nicht nur mit dem Gesetzeswortlaut des § 45a Abs. 1 AMFG („...Arbeits- ver­hältnis­se...aufzulösen...“), sondern auch mit dem Zweck des gesetzlichen Frühwarnsystems in Einklang. Dessen Zweck liegt vor allem darin, die Vollbeschäftigung aufrecht zu erhalten und damit zur Verhütung von Arbeitslosigkeit beizutragen Lag in Arbeitsvertragsübernahmen keine Beendigung des AV, sind sie arbeitsmarktpolitisch nicht rele- vant und daher vom AG weder beim AMS anzuzeigen noch in die Schwellenwerte des § 45a Abs. 1 AMFG einzurechnen. 8. Ob § 45a Abs. 1 AMFG für den Fall einer einvernehmlichen Auflösung des AV bei Vorhandensein eines Ersatz- bzw. Nachfolgearbeitsplatzes einer teleologischen Reduktion bedarf, ist daher hypothetisch.   OGH , 9 ObA 75/17w OLG Graz , 6 Ra 18/17i-29, LG Graz , 32 Cga 66/16y-24 Schrank, AR-Neuerungen

159 Schrank, AR-Neuerungen
Wesentliche IB: Zumutbarer Alternativarbeitsplatz? Sicht des allgemeinen Arbeitsmarkts. Kein strikter Berufs- oder Tätigkeitsschutz LE-AS Nr.26, § 105 Abs. 3 Z 2 ArbVG   Eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung setzt erhebliche soziale Nachteile voraus, die über die normale Interessenbeeinträchtigung bei einer Kündigung hinausgehen In die Untersuchung ist vor allem auch die Möglichkeit der Erlangung eines neuen, einigermaßen gleichwertigen Arbeits­platzes einzubeziehen Ist sowohl beim Grundgehalt als auch bei Berücksichtigung der zweckbestimmten, leistungsbezogenen Zu­satzent­gelte von einem geringfügig höheren Einkommen aus der Alternativtätigkeit auszugehen, liegt eine finanzielle Schlechterstellung für die Zukunft nicht vor Daran ändert auch eine bisherige 15-jährige Dauer der Betriebszugehörigkeit nichts Auch bei Beurteilung der Zumutbarkeit einer Verweisungs­tätigkeit zählt die primäre Funktion des Kündigungsschutzes zur Deckung der wesentlichen Lebenshaltungskosten Entspricht die Verweisungstätigkeit der Berufsausbildung und der früheren Berufserfahrung und kommt der Meisterprüfung sowohl für die Verweisungstätigkeit an sich als auch für die erzielbare Entloh- nung Bedeutung zu, liegt keine einschneidende Reduktion der Qualifikationsanforderungen vor Auch kann eine mehrjährige andere Tätigkeit nicht dazu führen, dass die Berufsausbildung und die dieser folgende Be­rufserfahrung unberücksichtigt bleiben können Der Zumutbarkeitsbeurteilung ist vielmehr das bisherige Berufsleben zugrunde zu legen und eine objektive Betrachtung aus Sicht des allgemeinen Arbeitsmarkts anzustellen Es besteht aber kein strikter Berufs- oder Tätigkeitsschutz Bei Gesamtbetrachtung der individuellen Situation eines Straßenbahnfahrers vor und nach der Kündigung kann bei einem Alternativarbeitsplatz als Produktionshilfskraft im Metallbereich weder von Unzumutbarkeit noch von einer wesentlichen Interessenbeeinträchtigung ausgegangen werden.   OGH , 8 ObA 28/17a OLG Wien , 8 Ra 10/17z-49 Schrank, AR-Neuerungen

160 Schrank, AR-Neuerungen
Wes. Interessenbeeinträchtigung: Bei Anspruch auf Regel- pension Sozialwidrigkeitsschwelle ASVG-Höchstpension? (1) § 105 Abs. 3 Z 2 ArbVG, §§ 17 Abs. 1 Z 7, 26 Abs. 7 GlBG   Bei Erreichen des Regelpensionsalters und Anspruch auf Regelpension ist der Kündigungsschutz nicht schon generell und jedenfalls auszuschließen Wegen der vom Gesetzgeber tolerierten Einkommenseinbußen, die mit jeder Pensionierung verbunden sind, und der Vorhersehbarkeit der Kündigung bei Erreichung des Regelpensionsalters ist jedoch bei Prüfung der Interessenbeeinträchtigung ein strenger Maßstab anzulegen Davon ausgehend gibt es keine absolute Prozentgrenze der Einkommenseinbuße, bei deren Erreichung die Kündigung jedenfalls sozial ungerechtfertigt ist bzw. bei deren Unterschreiten die Kündigung jedenfalls nicht wegen Interessenbeeinträchtigung angefochten werden kann Ein überdurchschnittliches Einkommen rechtfertigt in der Regel prozentuell höhere Einkommens- verluste als ein an sich schon niedriges Einkommen Wesentlich ist immer, ob der Arbeitnehmer seine Lebenserhaltungskosten aus der Pension (bzw aus sonstigen berücksichtigungswürdigen Quellen) decken kann Das wird bei Arbeitnehmern, die ein Einkommen erzielen, das deutlich über der Höchstbemessungs- grundlage liegt, jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn sie die mögliche „Höchstpension“ beziehen. Schrank, AR-Neuerungen

161 Schrank, AR-Neuerungen
Sozialwidrigkeitsschwelle: Verbleibende Einkommenshöhe ASVG-Höchstpension bei Anspruch auf Regelpension (2) § 105 Abs. 3 Z 2 ArbVG, Ist dem AN nach Wegfall des Aktivbezugs die Abdeckung seiner Lebenserhaltungskosten schon ohne Einbeziehung der Abfertigung oder der Möglichkeit, aus selbständiger Tätigkeit Nebeneinkünfte zu erzielen, möglich und liegt die Summe aus ASVG-Pension und Betriebspension über der Höchstpension nach dem ASVG, liegt keine wesentliche Interessenbeeinträchtigung vor Auch muss davon ausgegangen werden, dass ein vom Sozialrechtsgesetzgeber angenommener Grenzbetrag für die Regelpension, den der AN im Normalfall nicht mehr beeinflussen kann, trotz der sonst gebotenen subjektiven Betrachtungsweise – ohne besondere berücksichtigungswürdige Gründe, wenn solche im konkreten Fall nicht vorliegen – eine Grenze der Sozialwidrigkeit bedeutet Dass es dem Betroffenen (aufgrund des Bezugs einer betrieblichen Pension) dessen ungeachtet möglich ist, durch längere Arbeit eine höhere Gesamtpension zu erzielen, ändert daran nichts Ist der AN nicht in wesentlichen Interessen beeinträchtigt, erübrigt sich eine Prüfung ihrer Betriebs- bedingtheit im Sinn des § 105 Abs. 3 Z 2 lit. b ArbVG.   OGH , 9 ObA 13/16a OLG Innsbruck , 13 Ra 38/14b-26, LG Innsbruck , 76 Cga 39/14b-26 Schrank, AR-Neuerungen

162 Schrank, AR-Neuerungen
Sozialwidrigkeit: Wesentliche Interessenbeeinträchtigung? 4-5 Monate Suche, Abfertigung, soziales Ansehen? LE-AS Nr.25, § 105 Abs. 3 Z. 2 ArbVG   Ob der Arbeitnehmer durch seine Kündigung eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung erleidet, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab Konnte der Arbeitnehmer (ungelernter Postzusteller) bei intensiver, eigeninitiativer Postensuche innerhalb von vier bis fünf Monaten mit einer neuen, adäquat entlohnten Vollzeit­anstellung (zB Lagerarbeiter) rechnen, liegt keine wesentliche Interessensbeeinträchtigung vor Einzubeziehen ist die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des AN, insbesondere die Veränderung der Einkommensverhältnisse, das Vorhandensein oder Fehlen von Sorgepflichten, Kreditbelastungen, der Gesundheitszustand, das Lebensalter und die Auswirkung auf die Bemessungsgrundlage der zu erwar- tenden Pension, aber auch die Höhe der Abfertigung Dass Arbeiter in manchen Bereichen rechtlich ungünstiger gestellt sind als Vertragsangestellte, bewirkt nicht schon für sich allein eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung, ist aber im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen Dass ein ungelernter Postzusteller ein wesentlich höheres soziales Ansehen genieße als ein Lager- arbeiter, erfordert keine Korrektur der jedenfalls vertretbaren Verneinung der wesentlichen Interessenbeeinträchtigung.   OGH , 8 ObA 64/16v OLG Wien , 9 Ra 5/16w-64 Schrank, AR-Neuerungen

163 Schrank, AR-Neuerungen
Sozialwidrigkeit: Soziale Gestaltungspflicht KollV Kündigungsschutz nach dem VBG-Modell – Nichtanbot eines Ersatzarbeitsplatzes LE-AS Nr.23, § 48 Abs. 2 lit. g Post-DO (KollV § 19 Abs. 4 PTSG), § 32 Abs. 4 VBG   Der Kündigungsgrund des § 32 Abs. 4 VBG liegt nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nur vor, wenn im Versetzungsbereich der Personalstelle des Dienstnehmers eine Weiterbeschäftigung nicht möglich ist, wofür der Beweis dem Dienstgeber obliegt Sofern die Prüfung durch den Dienstgeber geeignete Möglichkeiten für eine Weiterbeschäftigung ergibt, ist er verpflichtet, dem Vertragsbediensteten den Ernst der Lage dadurch vor Augen zu führen, dass er ihm solche freien Arbeitsplätze mit dem Hinweis auf die sonst erforderliche Kündigung anbietet Gleiches gilt für den im Wesentlichen identen betrieblichen Kündigungsgrund der Post-DO Ist dem Gekündigten kein Ersatzarbeitsplatz angeboten worden, obwohl im gleichen Zeitraum neue Arbeitnehmer in seinem Tätigkeitsbereich aufgenommen wurden, ist die Arbeitgeberin ihrer sozialen Gestaltungspflicht nicht nachgekommen In diesem Falle sind auch die Negativfeststellungen zum Anforderungsprofil einiger dieser Positionen und zur Eignung des Gekündigten dafür zu Lasten der Arbeitgeberin zu werten, weil mit ihnen die Notwendigkeit der Kündigung gerade nicht erwiesen ist.   OGH , 9 ObA 157/16b OLG Wien , 10 Ra 73/16b-30 Schrank, AR-Neuerungen

164 Schrank, AR-Neuerungen
Allgemeiner Kündigungsschutz: Interessenabwägung: LE-AS Nr.9, § 105 Abs. 3 Z 2 lit. a ArbVG   Steht fest, dass durch die Kündigung wesentliche Interessen des gekündigten Arbeitnehmers beeinträchtigt sind und andererseits in der Person des Arbeitnehmers liegende Umstände betriebliche Interessen nachteilig berühren, dann sind diese Voraussetzungen zueinander in eine Wechselbeziehung zu setzen und eine Abwägung dieser sich gegenüberstehenden Interessen vorzunehmen, um den Zweck des Kündigungsschutzes, nämlich Schutz vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen, erfüllen zu können. Die Abwägung der Interessen kann naturgemäß nur nach den Umständen des Einzelfalls erfolgen Kündigte die Arbeitgeberin das Dienstverhältnis im Anlassfall deshalb auf, weil die Arbeitnehmerin die Vorgehensweisen ihres Vorgesetzten nicht sachlich-konstruktiv hinterfragte, sondern fortwährend in herabwürdigender und diskreditierender Weise Kritik an ihm und über ihn übte und nicht in der Lage war, sich seinen Anweisungen unterzuordnen, schrien sich Vorgesetzte und sie sich wechselseitig an und hatte sie ein von einem Zeugen an Dritte gerichtetes Schreiben, welches dieser für eine negative Äußerung über die Führung des Büros nutzte, davor zustimmend kommentiert, und bestanden für ein Mobbing (Bossing) keine Anhaltspunkte, dann werden dadurch betriebliche Interessen des Arbeitgebers nachteilig berührt Es besteht kein Korrekturbedarf zur Beurteilung der Vorinstanzen, dass der permanente Unwille der Arbeitnehmerin, den Führungsstil und die Entscheidungen des Vorgesetzten zu akzeptieren, die betriebli- chen Interessen der Arbeitgeberin so nachteilig berührte, dass diese zur Kündigung berechtigt war.   OGH , 9 ObA 8/17t OLG Wien , 10 Ra 55/16f-35 Schrank, AR-Neuerungen

165 Schrank, AR-Neuerungen
Allgemeiner Kündigungsschutz: Ausnahmen Tendenzbetriebe und Tendenzträger – Islamische Religionslehrerin? LE-AS Nr.14, §§ 105 Abs. 3, 132 Abs. 4 Satz 1 ArbVG   Die Bestimmungen des II. Teils des ArbVG sind auf Unternehmen und Betriebe, die konfessionellen Zwecken einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft dienen, nicht anzuwenden, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegensteht Ob jemand als Tendenzträger einer Religionsgesellschaft zu qualifizieren ist, hängt von der Beurteilung und Gewichtung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls ab Die Ansicht, nach der die Aufgabe einer Religionslehrerin nur in einer „wertungsfreien Mitteilung religiös-geschicht­licher Fakten“ bestanden habe, ist mit dem festgestellten Sachverhalt nicht vereinbar Hatte die Arbeitnehmerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Religionslehrerin nach den für sie geltenden Lehrplänen das Ziel einer „Erziehung“ der unterrichteten Schüler zu gläubigen Menschen zu verfolgen und einen „ganzheitlichen Unterricht“ zu erteilen, führe die „konfessionelle Prägung des Religionsunterrichts“ zu einer „klaren Orientierung der Schü­lerinnen und Schüler“ und stellt die religiöse Bildung nach den allgemeinen Lehraufgaben des Religionsunterrichts einen „Teil der Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler“ dar, ist eine solche Religionslehrerin als Tendenzträgerin zu qualifizieren und der allgemeine Kündigungsschutz auf sie nicht anwendbar.   OGH , 8 ObA 69/16d OLG Innsbruck , 15 Ra 83/16t-21 Schrank, AR-Neuerungen

166 Schrank, AR-Neuerungen
Behindertenvertrauensperson: Einfache oder doppelte Zustimmung? Zuwarten? LE-AS Nr.7, §§ 120, 121 Z 3 ArbVG, §§ 8 Abs. 2 und 6, 22a Abs. 10 BEinstG Auf die persönlichen Rechte und Pflichten der Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) ist der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz für BR-Mitglieder sinngemäß anzuwenden Nach § 8 Abs. 6 BEinstG finden die Abs. 2 bis 4 leg cit – darunter auch die Notwendigkeit der Bedacht- nahme des Behindertenausschusses auf die besondere Schutzbedürftigkeit des DN – auf das DV eines Behinderten keine Anwendung, wenn ihm als Mitglied des Betriebsrats (Jugendvertrauensrats) bzw. als Personalvertreter der besondere Kündigungsschutz aufgrund der §§ 120 und 121 ArbVG zusteht Der Kündigungsschutz für Mitglieder des Betriebsrats stellt die äußerste Grenze des Bestandschutzes begünstigter Behinderter dar In solchen Fällen findet der besondere Kündigungsschutz des BEinstG keine Anwendung Die Notwendigkeit einer zusätzlichen Zustimmung des Behindertenausschusses zur Kündigung der Behindertenvertrauensperson ist daher zu verneinen Auch liegt kein Verzicht auf die Geltendmachung von Kündigungs- oder Entlassungsgründen vor, wenn der AG dem AN in unmissverständlicher Weise, z.B. durch eine Suspendierung, zeigt, dass er aus dem Verhalten des AN Konsequenzen ziehen werde und eine Weiterbeschäftigung als unzumutbar ansehe Wurden in der Dienstfreistellungsphase verschiedene Lösungsmöglichkeiten angeboten, wurde eine Supervision und Mediation ua zur „Beziehungsklärung“ durchgeführt, lag dies angesichts der Verfehlungen ausschließlich im Interesse des AN, musste ihm klar sein, dass eine Weiterbeschäftigung in der bisherigen Art für die AG nicht mehr in Betracht kam und wurden andere Angebote von ihm abgelehnt, ist es vertretbar, die unmittelbar nach dem Abschlussgespräch der Mediation eingebrachte Klage auf Zustimmung zur Kündigung in dieser Konstellation als rechtzeitig zu erachten Eine Eventualkündigung durch den AG während der Dauer des Kündigungsanfechtungsverfahrens iSd § 105 Abs. 3 Z 2 ArbVG ist zulässig. Auch allgemein bestehen gegen eine Eventualkündigung für den Fall noch aufrechten Dienstverhältnisses keine Bedenken Mit der Geltendmachung von Verfehlungen als Entlassungsgrund übt der AG kein Wahlrecht aus Mit der Abweisung des Entlassungsbegehrens verwirkt er auch nicht die gleichen Kündigungsgründe.   OGH , 9 ObA 127/16s Schrank, AR-Neuerungen

167 Schrank, AR-Neuerungen
Besonderer Behindertenschutz: Trotz behördlicher Zustimmung noch VBG-Fortbestandsbegehren? LE-AS Nr.6, §§ 2, 6, 8 Abs. 2, 3, 4 lit c. und 5 BEinstG § 32 Abs. 1 und 2 VBG   Auch wenn im Zustimmungsverfahren nach § 8 Abs. 2 BEinstG ein gleichartiger Kündigungsgrund bereits von der Verwaltungsbehörde bejaht und der Zustimmung zur Kündigung zu Grunde gelegt wurde, hat das Arbeits- und Sozialgericht die Kündigungsgründe selbständig zu prüfen Dies nicht nur in Fällen, in denen sich der Kündigungsschutz auf die Bestimmung eines Kollektiv- vertrags gründet, sondern auch in jenen, in denen der besondere Kündigungsschutz im Gesetz – wie dem VBG – normiert ist Die Arbeitsgerichte haben dabei auch die materielle Kündigungsberechtigung zu überprüfen Lediglich eine Nachprüfung der bereits vom Behindertenausschuss vorgenommenen Interessen- abwägung iSd § 8 Abs. 3 und 4 BEinstG ist ihnen untersagt Dies trägt auch der Wortlaut des § 8 Abs. 5 Satz 1 BEinstG Dazu kommt, dass das in § 8 Abs. 2 BEinstG normierte Kündigungsverbot mit der Zustimmung des Behindertenausschusses aufgehoben wird und damit der Dienstgeber konstitutiv die nach den Bestimmungen des Privatrechts zustehende Befugnis zur Kündigung zurück erhält Erst wenn der Dienstgeber diese Befugnis wahrnimmt, der Dienstnehmer aber die Kündigung gerichtlich anficht, tritt das Kündigungsverfahren in die Phase der arbeitsgerichtlichen Prüfung, im Zuge derer (erstmals) der gesetzlich normierte Bestandschutz des VBG zu beachten ist Für die Arbeits- und Sozialgerichte ist dann auch nur der Spruch über den Bescheidgegenstand bindend, nicht aber die Bescheidbegründung der Verwaltungsbehörde.   OGH , 9 ObA 3/17g OLG Graz , 6 Ra 45/16h-14, LG Leoben Cga 123/15t-10 Schrank, AR-Neuerungen

168 Schrank, AR-Neuerungen
Vorzeitiger Austritt oder Kündigung? Heimgehen nach Selbstkündigung mit Hinweis auf Arztweg wegen nachhaltiger Rückenschmerzen und Krankschreibung noch am selben Tag? LE-AS Nr.12, §§ 863,  1162a, 1158 Abs 4 ABGB   Ob eine Erklärung eines Arbeitnehmers als Beendigungserklärung aufzufassen bzw. welcher Erklärungswert ihr beizumessen ist, kann nur an Hand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Erklärte die Arbeitnehmerin der Geschäftsführerin der Arbeitgeberin, dass sie das Dienstverhältnis kündigen und wegen anhaltender Rückenschmerzen zum Arzt gehen wolle, war die Geschäftsführerin mit beidem einverstanden und sagte, dass sie gehen könne, woraufhin die Arbeitnehmerin ihr Friseurwerkzeug zusammenpackte, das Geschäftslokal verließ und am selben Tag krankgeschrieben wurde, ist die Auslegung, dass darin kein unberechtigter vorzeitiger Austritt erkennbar ist, nicht korrekturbedürftig Der Arbeitnehmerin steht in einem solchen Fall derselbe Betrag als Entgeltfortzahlung oder Kündigungsentschädigung unabhängig davon zu, ob das Dienstverhältnis durch Dienstnehmerkündigung oder durch unberechtigte vorzeitige Beendigung durch die Arbeitgeberin geendet hat.   OGH , 9 ObA 45/17h OLG Wien , 9 Ra 95/16f-14 Schrank, AR-Neuerungen

169 Schrank, AR-Neuerungen
Ungerechtfertigter vorzeitiger Austritt: Keine Gesundheitsgefährdung bei zumutbarem Ersatzarbeitsplatz LE-AS Nr. 24, § 26 Z. 1 zweiter Fall AngG   Der Angestellte, der seine bisherige Tätigkeit nicht ohne Gefährdung seiner Gesundheit fortsetzen kann, muss den Dienstgeber vor Ausübung des Austrittsrechts auf seine Gesundheitsgefährdung aufmerksam machen, damit dieser seiner Verpflichtung nachkommen kann, dem Dienstnehmer allenfalls einen anderen geeigneten – dem Dienstnehmer gesundheitlich zumutbaren und vom Dienstvertrag gedeckten – Ersatz- arbeitsplatz zuzuweisen Unterlässt er dies, ist dies als unberechtigter vorzeitiger Austritt wegen ungerechtfertigter Ablehnung einer dem Angestellten angebotenen und diesem zumutbaren Ersatzbeschäftigung zu beurteilen Wäre es dem Angestellten aufgrund seiner Kenntnisse möglich gewesen, die ihm vom Arbeitgeber angebotene Tätigkeit (eines Softwarekoordinators für die Softwareumsetzung) ohne Beeinträchtigung seines Genesungsprozesses und ohne die Gefahr einer Wiedererkrankung (Burn-Out) zu verrichten, wäre diese Tätigkeit zwar ohne Leitungsfunktion aber ebenso wie seine bisherige Tätigkeit in dieselbe kollektivvertragliche Beschäftigungsgruppe eingestuft gewesen, ist der Austritt daher ungerechtfertigt.   OGH , 9 ObA 56/17a OLG Linz , 11 Ra 4/17p-33 (ON unrichtig) Schrank, AR-Neuerungen

170 Schrank, AR-Neuerungen
Entlassung: Dienstliche Vertrauensunwürdigkeit wegen Unterlassung einer dringend gebotenen Untersuchung? LE-AS Nr.114, § 27 Z.1 dritter Fall AngG, § 31 Abs. 1 Z. 2 DO. B Ärzte Sozialversicherungsträger   Gemäß § 31 Abs. 1 DO.B kann ein Arzt, für den ein erhöhter Kündigungsschutz besteht, entlassen werden, wenn er sich einer besonders schweren Pflichtverletzung oder Handlung oder Unterlassung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Versicherungsträgers unwürdig erscheinen lässt (Z 2) Unterlässt ein diensthabender Arzt die persönliche klinische Untersuchung einer stationären Patientin, obwohl aufgrund der Verschlechterung im Gesundheitszustand die dienst­-habende Diplom­krankenschwester ausdrücklich darum ersuchte, machten die geschilderten Symptome eine persönliche klinische Untersuchung zwingend erforderlich und wäre diese auch binnen weniger Minuten möglich gewesen, bedeutete diese Unterlassung eine potenzielle schwere Gefähr­dung der Gesundheit der Patientin. Dies macht die nachhaltige Vertrauenserschütterung und Un­zu­ mutbarkeit der Weiterbeschäftigung vertretbar Die Gründe sind bei sonstiger Verwirkung unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern, geltend zu machen Der Dienstgeber darf nicht wider Treu und Glauben so lange warten, dass der Angestellte aus diesem Zögern auf einen Verzicht des Dienstgebers auf die Geltendmachung der Entlassungsgründe schließen muss; der Dienstnehmer, dem ein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen wird, soll darüber hinaus nicht ungebührlich lange über sein weiteres dienstrechtliches Schicksal im Unklaren gelassen werden Bei Beurteilung der Rechtzeitigkeit ist bei juristischen Personen darauf Bedacht zu nehmen, dass die Willens- bildung umständlicher ist als bei physischen Personen; es müssen solche Verzögerungen anerkannt werden, die in der Natur des Dienstverhältnisses oder sonst in den besonderen Umständen des Falls sachlich begründet sind.   OGH , 9 ObA 26/17i OLG Wien , 7 Ra 46/15h-46 Schrank, AR-Neuerungen

171 Schrank, AR-Neuerungen
Entlassung: Dienstliche Vertrauensunwürdigkeit Zahnärztin? Folgen der Annahme eines Diversionsangebots? (1) LE-AS Nr.115, § 27 Z.1 dritter Fall AngG, §§ 22 Abs. 5, 31 Abs. 1 DO.B Ärzte Sozialversicherungsträger   Nach § 31 Abs. 1 DO.B kann ein Arzt, für den ein erhöhter Kündigungsschutz besteht, entlassen werden, wenn er sich einer besonders schweren Pflichtverletzung oder Handlung oder Unterlassung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Versicherungsträgers unwürdig erscheinen lässt Ein zur vorzeitigen Auflösung berechtigender wichtiger Grund liegt nur vor, wenn dem die Auflösung begehrenden Vertragspartner die Fortsetzung unzumutbar ist Eine Entlassung ist nur gerechtfertigt, wenn der Dienstnehmer Interessen des Dienstgebers so schwer verletzt hat, dass diesem eine weitere Zusammenarbeit auch nicht für die Zeit der Kündigungsfrist weiter zugemutet werden kann. Eine andere Form der Beendigung darf aus objektiver Sicht nicht in Betracht kommen; die subjektive Einschätzung des Erklärenden ist hingegen nicht ausschlaggebend Das jedem Entlassungstatbestand immanente Merkmal der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung grenzt einen in abstracto wichtigen Entlassungsgrund und in concreto geringfügigen Sachverhalt ab Weder jede Ordnungswidrigkeit noch jeglicher Verstoß gegen die Treuepflicht ist bereits ein Entlassungsgrund Die Entlassung kann nicht auf bloße Verdachtsmomente ge­stützt werden, der Arbeitgeber hat das Vorliegen der Entlassungsgründe zu beweisen Die Entlassung kann auch kein Sachverhalt stützen, der sich erst nach Ausspruch ereignet hat Ein erst nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses gesetztes Verhalten ist für die Berechtigung einer vorangegangenen Entlassung rechtlich bedeutungslos. Schrank, AR-Neuerungen

172 Schrank, AR-Neuerungen
Entlassung: Dienstliche Vertrauensunwürdigkeit Zahnärztin? Annahme eines Diversionsangebots? (2) LE-AS Nr.115,   Die Rechtsansicht, die Annahme des Diversionsanbots durch die Dienstnehmerin könne rückwirkend Anlass für einen die Entlassung rechtfertigenden Vertrauensverlust sein, ist in doppelter Hinsicht verfehlt: Das Berufungsgericht ist – ohne Beweiswiederholung – nicht befugt, die vom Erstgericht festgestellten Motive für die Annahme des Diversionsanbots mit der Begründung, dass „so etwas nur mit Unrechtsbewusstsein möglich“ sei, in ein schlüssiges Schuldeingeständnis zu verkehren Das Vertrauen des Dienstgebers kann bei wiederholten Verfehlungen auch schrittweise verloren gehen. Ältere Vorfälle, die seinerzeit noch nicht zum Anlass für eine Beendigung genommen wurden bzw. für die der Arbeitnehmer lediglich verwarnt wurde, können allein keine Entlassung mehr begründen, aber bei späterer Wiederholung des Verhaltens im Rahmen einer Würdigung des Gesamtverhaltens noch nachträglich Berücksichtigung finden Der eigentliche Anlassfall für die Entlassung muss aber im­mer eine gewisse Mindestintensität aufweisen, um objektive Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zu begründen Wurde die Anschuldigung des eigentlichen Anlassfalls für die Entlassung (die Dienstnehmerin habe Instrumente und Material aus den Beständen des Zahnambulatoriums zum eigenen Nutzen entfremdet) als nicht erwiesen angenommen, können auch frühere Verfehlungen diese nicht rechtfertigen, zumal dann, wenn die nachgewiesenen Dienstpflicht­verletzungen (zB unter den Ärzten nicht unübliches Zuspätkommen, zwei verbale Entgleisungen, nie vom Dienstgeber beanstandetes häufiges Telefonieren und Internetsurfen) nicht einschlägig waren.   OGH , 8 ObA 65/16s OLG Graz , 6 Ra 36/16k-40 LG Klagenfurt , 34 Cga 153/14x-36 Schrank, AR-Neuerungen

173 Schrank, AR-Neuerungen
Entlassung: Versuchte Mitnahme des Kundenstocks in der Kündigungszeit entgegen Kundenkontaktverbot LE-AS Nr.110, § 27 Z. 1 dritter Fall AngG, § 6 Abs. 6 KVA   Wesentliches Merkmal für den Entlassungstatbestand des § 27 Z 1 letzter Fall AngG ist der vom Dienstnehmer verschuldete, objektiv begründete Vertrauensverlust Ob durch das Verhalten des DN ein Schaden verursacht wurde, ist nicht Tatbestandsmerkmal Wer im aufrechten Dienstverhältnis trotz Kontaktverbots an viele (219) seiner (600) Kunden des Dienstgebers ein Schreiben versendet, er werde künftig in einem anderen Unternehmen tätig sein, könne künftig noch flexibler für den Kunden agieren und werde sich beim Kunden für einen persönlichen Termin melden, verwirklicht den Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit Für die Vertrauensverwirkung und Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung kommt es weder auf die Dauer der noch zur Verfügung stehenden Kündigungsfrist an, noch darauf, ob der Dienstnehmer in Zukunft noch Gelegenheit hätte, die dienstlichen Interessen neuerlich zu verletzen Jeder gerechtfertigten Entlassung ist immanent, dass dem DG die Weiterbeschäftigung des DN wegen des Entlassungsgrundes so unzumutbar geworden ist, dass eine sofortige Abhilfe erforderlich wird. Dieses Tatbestandsmerkmal ermöglicht die Abgrenzung zwischen einem in abstracto wichtigen Entlassungsgrund und einem in concreto geringfügigen Sachverhalt Dass dem Dienstgeber im Anlassfall wegen der gravierenden Treuepflichtverletzung eine Weiterbeschäftigung auch nur für den Rest der schon im Lauf befindlichen Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar gewesen, ist vertretbar Damit stehen gemäß dem Kollektivvertrag auch keine Folgeprovisionsansprüche zu.   OGH , 9 ObA 105/16f OLG Wien , 9 Ra 64/16x-15 Schrank, AR-Neuerungen

174 Schrank, AR-Neuerungen
Entlassungsgründe: Fachliche Unfähigkeit Überforderte Sekretärin, ständiger Fehlerkontrollbedarf LE-AS Nr.1, § 27 Z 2 AngG   Dienstunfähigkeit liegt nur dann vor, wenn sich aus dem Verhalten des Angestellten zeigt, dass er die ihm aufgetragene angemessene Arbeitsleistung deshalb nicht bewältigen kann, weil er die körperlichen oder geistigen Voraussetzungen hierzu nicht erfüllt Nicht jede mangelhafte Leistung oder Fehlleistung fällt unter diesen Tatbestand Dienstunfähigkeit liegt insbesondere nicht schon dann vor, wenn der Angestellte mindere Geschick- lichkeit und schwache Eignung oder fallweise mangelhafte Aufmerksamkeit zeigt, seine Arbeitsleistung unter dem Durchschnitt liegt oder wenn der Angestellte infolge des großen Arbeitsanfalls das Arbeits- pensum nicht mehr bewältigen kann Der Angestellte muss zur Erbringung der vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung gänzlich unfähig und daher schlecht­hin unverwendbar sein Arbeitet eine erst kürzer als drei Monate beschäftigte (zweite) Sekretärin einer Anwaltskanzlei von Be- ginn an nicht fehlerfrei, muss sie ständig kontrolliert werden, wird sie dennoch wegen Urlaubes der Kanzlei- leiterin für eine Woche als einzige Kanzleikraft für alle sechs Juristen eingesetzt und ist sie mit dieser Auf- gabe ohne Führung durch die Kanzleileiterin überfordert, liegt gänzliche Unfähigkeit bzw. schlechthin Unverwendbarkeit nicht vor, wenn sie, obwohl sie an einzelnen Tagen dieser Woche bis Uhr arbeitete, den Arbeitsanfall nicht alleine bewältigen kann und ihr infolgedessen weitere Fehler unterlaufen Haben sämtliche passierten Fehler ihre Ursache nicht in böser Absicht, sondern in mangelnder Erfah- rung und Überforderung mit dem Arbeitsanfall, gehen ihr die erforderlichen Fähigkeiten nicht gänzlich und dauerhaft ab. Dieser Entlassungsgrund ist daher vertretbar zu verneinen Dabei ist auch besonders zu berücksichtigen, dass die Angestellte ohne ausreichende Berufserfahrung war und zuletzt als einzige Sekretärin in dem für sie komplexen System einer Anwaltskanzlei mit drei Rechtsanwälten und drei Rechtsanwaltsanwärtern arbeiten musste.   OGH , 9 ObA 67/17v OLG Wien , 10 Ra 104/16m-15 Schrank, AR-Neuerungen

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Herzlichen Dank! Schrank, AR-Neuerungen


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