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Vorlesung Exekutions-, Insolvenz- und Sanierungsrecht

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Präsentation zum Thema: "Vorlesung Exekutions-, Insolvenz- und Sanierungsrecht"—  Präsentation transkript:

1 Vorlesung Exekutions-, Insolvenz- und Sanierungsrecht
C. Pflichten und Haftung der Organe und des Abschlussprüfers WS 2017/2018 Dr. Ulla Reisch

2 1. Allgemeines Die Haftung des GF/Vorstandsmitglieds kann gegenüber
→ Gesellschaft (Innenverhältnis) → Dritten (im Außenverhältnis) bestehen. Unternehmerrisiko trägt Gesellschaft; der GF haftet grundsätzlich nicht für Schulden der Gesellschaft, kann jedoch zur Haftung herangezogen werden, wenn er seine Sorgfaltspflicht vernachlässigt. Haftung setzt zunächst das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen nach § 1295 ABGB voraus: Schaden, Kausalität, Rechtswidrigkeit und Verschulden.

3 1. Allgemeines Aktuelle Judikatur, OGH vom , 6 Ob 171/15p u OGH vom , 6 Ob 198/15h Der Geschäftsführer einer Komplementär - GmbH haftet bei Hinzutreten besonderer Umstände unmittelbar gegenüber der GmbH & Co KG analog § 25 GmbHG. Somit kommt auch die 5-jährige Verjährungsfrist gem § 25 Abs 6 GmbHG zur Anwendung. Besondere Umstände: Personenidentität (von Kommanditisten, GmbH-Gesellschaftern und Geschäftsführern); oder wenn Tätigkeit der GmbH ausschließlich in Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben für die KG besteht. Nach 6 Ob 198/15h gilt oben ausgeführtes auch für Haftung des Vorstandsmitglieds einer Komplementär-AG gegenüber einer AG & CO KG; Haftung diesfalls analog § 84 AktG und Verjährung analog § 84 Abs 6 AktG

4 2. Zivilrechtliche Haftung allgemein
2.1. Haftung gegenüber der Gesellschaft → Haftungstatbestände: - Nichteinhaltung der gebotenen Sorgfalt; Sorgfaltsmaßstab des ordentlichen Geschäftsmannes (§ 25 GmbHG; § AktG) Durch sein Einverständnis zur Bestellung als Geschäftsführer der GmbH bestätigt der Geschäftsführer auch die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, die für den jeweiligen Geschäftszweig aber auch Größe des Unternehmens notwendig sind, zu besitzen. Der Gf ist verpflichtet, so zu handeln, wie es von einem Verwalter fremden Vermögens erwartet wird. Wenn sich der Gf in der Erfüllung seiner Pflichten als Gf behindert sieht, hat er als Gf zurückzutreten.

5 2. Zivilrechtliche Haftung allgemein
2.1. Haftung gegenüber der Gesellschaft Verteilung von Gesellschaftsvermögen; Verbot der Einlagenrückgewähr (§§ 25 Abs 3 Z 1, 82 GmbHG) an Gesellschafter dürfen nur Gewinnen ausbezahlt und keine Stammeinlagen rückgewährt werden. Das betrifft auch eigenkapitalersetzende Darlehen. Bei Verstößen sind GF ersatzpflichtig. Mit Ausnahme eines gutgläubig bezogenen Gewinnanteils haben Gesellschafter, die unter Verletzung der Bestimmungen des Gesetzes, des Gesellschaftsvertrages oder eines Gesellschafterbeschlusses von der Gesellschaft Zahlungen erhalten haben, diese zurückzuerstatten. → Vergleiche im Detail Vorlesung D Leistung von Zahlungen nach dem Zeitpunkt, in dem Eröffnung der Insolvenz beantragt hätte werden müssen (§ 25 Abs 3 Z 2 GmbHG) Insichgeschäfte ohne Zustimmung des AR oder sämtlicher anderer Geschäftsführer(§ 25 Abs 4 GmbHG) oder keine Gefährdung der GmbH

6 2. Zivilrechtliche Haftung allgemein
2.1. Haftung gegenüber der Gesellschaft - wenn bei der Gründung der Gesellschaft oder bei einer Kapitalerhöhung durch falsche Angaben ein Schaden verursacht wurde (§ 10 Abs 4 GmbHG, §§ 6a Abs 4 iVm 41 AktG, § 52 GmbHG) - Wettbewerbsverbot (§ 24 GmbHG, § 79 AktG) Gf dürfen ohne Einwilligung der Gesellschaft weder Geschäfte in deren Geschäftszweig für eigene oder fremde Rechnung machen, noch bei einer Gesellschaft des gleichen Geschäftszweigs als persönlich haftende Gesellschafter sich beteiligen oder eine Stelle im Vorstand oder AR oder als GF bekleiden.

7 2. Zivilrechtliche Haftung allgemein
2.1. Haftung gegenüber der Gesellschaft - bei Verletzung der Pflicht, alle außerordentlichen Geschäftsführungsmaßnahmen oder im Gesellschaftsvertrag der Beschlussfassung durch GV oder HV vorbehaltenen Geschäftsführungsmaßnahmen den Gesellschaftern zur Beschlussfassung zu unterbreiten - Haftung aus Delikt bei Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter der Gesellschaft

8 2. Zivilrechtliche Haftung allgemein
2.1. Haftung gegenüber der Gesellschaft → Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen durch die Gesellschaft setzt zwingend einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss voraus; MV in der Insolvenz muss Gesellschafterbeschluss nicht herbeiführen → Vertretung der Ges. im Schadenersatzprozess durch AR, anderen GF oder von den Gesellschaftern bestellten Prozessvertreter (§ 35 Aus 1 Z 6 GmbHG) → bei der AG ist für die Schadensgeltendmachung wahlweise der Vorstand oder AR (aufgrund eines in § 97 AktG vorgesehenen HV-Beschlusses) zuständig → Schadenersatzansprüche der Gesellschaft geg. Gesellschafter verjähren in 5 Jahren ab rechtwidrigem Verhalten; deliktische Ansprüche in 3 Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger → DHG ist nach hRsp für GF nicht anwendbar (OGH JBl 2000, 530)

9 2. Zivilrechtliche Haftung allgemein
2.1. Haftung gegenüber der Gesellschaft Haftungsbefreiung durch Weisungsbeschluss: → bei der GmbH steht der GV Weisungsbefugnis zu → rechtmäßige Weisungen führen zur Haftungsbefreiung soweit Befriedigung bei der GmbH möglich ist (§ 25 Abs 5 GmbHG) → Rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse sind anzufechten (§ 41 Abs 3 GmbHG) Haftungsbefreiung durch Entlastung: → Verzicht auf Geltendmachung von Ersatzansprüchen → abhängig von Erkennbarkeit von Verstößen → GF haben keinen Anspruch auf Entlastung; allenfalls neg. Feststellungsklage Vgl. dazu zuletzt OGH , 7 Ob 143/10w

10 2. Zivilrechtliche Haftung allgemein
2.1. Haftung gegenüber der Gesellschaft OGH vom , 6 Ob 198/15 h Haftungsbefreiung durch Hinzuziehung von Beratern: Gerade bei nicht einschlägig ausgebildeten Organen sind regelmäßig spezialisierte Berater hinzuziehen. Durch Einholung fachlichen Rates kann die objektive Sorgfaltswidrigkeit ausgeschlossen werden. Berater muss verlässlich, sachlich kompetent und über den gesamten Sachverhalt informiert sein. „Gefälligkeitsgutachten“ exkulpieren nicht.

11 2. Zivilrechtliche Haftung allgemein
2.1. Haftung gegenüber der Gesellschaft → Haftungsbeschränkung durch Ressortverteilung? Die aufgrund gesetzl. Bestimmungen gegebene Gesamtverantwortung kann nicht eingeschränkt werden. Diese besteht etwa bei grundsätzlichen Fragen der Geschäftspolitik, Vornahme von Anmeldungen zu Firmenbucheintragungen, Einberufung von GV bei Verlust des halben Stammkapitals, rechtzeitiger Anmeldung eines Insolvenzverfahrens, Aufstellung des Jahresabschlusses). In Teilbereichen kann die Haftung durch genaue Aufteilung der Aufgaben eingeschränkt werden, sofern die Gf ihrer Überwachungspflicht nachkommen; dann besteht eine primäre Haftung des Ressortverantwortlichen (vgl. dazu etwa OGH , 8 ObA 78/02g).

12 2. Zivilrechtliche Haftung allgemein
2.2. Haftung gegenüber Gesellschaftern → Grundsätzlich besteht eine Haftung nur gegenüber der Gesellschaft → Haftung gegenüber Gesellschaftern kann aber etwa in folgenden Fällen bestehen: - bei Verletzung der Pflicht zur Rechnungslegung (§ 22 GmbHG) - bei Verletzung der Auskunftspflicht und Verwehrung des Bucheinsichtsrechts (§ 22 GmbHG) - bei Verletzung der Pflicht, keine Zahlungen entgegen § GmbHG vorzunehmen - bei Verletzung der Gleichbehandlungspflicht (etwa bei der Gewinnausschüttung) - bei Verletzung der Verpflichtung, bei Verlust des halben Stammkapitals eine Generalversammlung einzuberufen (§ GmbHG,§ 83 AktG)

13 2. Zivilrechtliche Haftung allgemein
2.3. Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern Haftungstatbestände: → im GmbHG nur in 3 Bestimmungen angeordnet: - § 56 Abs 3: Haftung für Schädigung aus falschen Nachweisen oder Erklärungen anlässlich der Herabsetzung des Stammkapitals Bei Herabsetzung des Stammkapitals können Gläubiger auf ihr Verlangen hin Befriedigung od. Sicherstellung ihrer Forderung begehren, wenn der GF einen falschen Nachweis über die Befriedigung od. Sicherstellung von Gläubigern oder eine falsche Erklärung über das Ergebnis des Aufgebotsverfahrens abgibt. - § 64: Haftung für unrichtige Anmeldungen iZm Einforderungen auf das ausständige Stammkapital. Zu ersetzen ist der Schaden, der Gläubiger in Vertrauen auf Firmenbucheintragung erleidet.

14 2. Zivilrechtliche Haftung allgemein
2.3. Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern § 26 Abs 2: bei falschen Angaben iZm dem Übergang eines Geschäftsanteils, bei Änderung des Namens, der für die Zustellung maßgeblichen Anschrift sowie bei Änderung einer Stammeinlage oder der geleisteten Zahlungen eines Gesellschafters. → bei Schutzgesetzverletzungen (zB §§ 1311, 1489 ABGB, § 255 AktG § 69 IO, §§ 153c, 159 StGB, 163a StGB Verletzen GF zwingende gesetzliche Vorschriften, die dem Gläubigerschutz dienen, so haften diese direkt den Gesellschaftsgläubigern, die von der GmbH die Forderungen nicht erhalten konnten (Ausfallshaftung). Schutzgesetzrechtliche Bestimmungen, bei deren schuldhafter Verletzung Haftungsfolgen gegeben sind, finden sich in § 69 IO, § 153c StGB und § 159 StGB)

15 2. Zivilrechtliche Haftung allgemein
2.3. Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern → vorsätzliche sittenwidrige Schädigung Dritter etwa vorsätzliches Tätigen verlustreicher Geschäfte oder Gründung einer GmbH in Absicht der Gläubigerschädigung. Eine bloß fahrlässige Vermögensschädigung außerhalb einer vertraglichen Sonderrechtsbeziehung begründet für sich noch keine Haftung gegenüber Gläubigern, sofern kein Schutzgesetz zu Gunsten von Gläubigern verletzt wird (OGH ecolex 1992, 707; ecolex 1995, 90; HS /7). → Rechtsscheinhaftung Gem. § 18 Abs 2 GmbHG hat die Zeichnung so zu erfolgen, dass der GF der Firma der Gesellschaft seinen Namen zur Unterschrift beifügt. Eine persönliche Haftung des GF kommt in Betracht, wenn er für die GmbH einen Geschäftsabschluss tätigt, ohne die beschränkte Haftung offen zu legen. → bei Vertretung ohne Vertretungsmacht

16 2. Zivilrechtliche Haftung allgemein
2.3. Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern → Haftung wegen Verletzung vertraglicher und vorvertraglicher Pflichten GF trifft bei Inanspruchnahme von Kredit iwS grundsätzlich die Pflicht zur Aufklärung über die schlechte wirtschaftl. Lage der Gesellschaft, wenn damit zu rechnen ist, dass diese bei Fälligkeit zahlungsunfähig sein wird oder bereits Insolvenzantrag gestellt werden müsste (OGH RdW 1994, 278) Weiters kommt eine Haftung des GF gegenüber Dritten in Betracht, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich selbst in Anspruch genommen und die Vertragsverhandlungen dadurch beeinflusst hat (OGH ecolex 1990, 289) → 84 Abs 5 AktG → Dritte können Ansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand auch im eigenen Namen geltend machen, wenn sie von der Gesellschaft keinen Ersatz erlangen können und die Vorstandsmitglieder die Sorgfalt gröblich verletzt haben (in den in § 84 Abs 3 aufgezählten Fällen reicht leichte Fahrlässigkeit); nur für AG relevant

17 2. Zivilrechtliche Haftung allgemein
2.3. Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern → Haftung bei Wettbewerbsverstößen (§§ 17ff UWG) GF können sich Dritten gegenüber ebenso durch Wettbewerbsverstöße wie durch Verletzung von Immaterialgüterrechten verantwortlich machen. Die GF haften für Wettbewerbsverletzungen der Gesellschaft grundsätzlich nur, wenn sie diese selbst begangen haben oder daran beteiligt waren. Aus der Stellung des GF allein folgt also noch nicht die Haftung für Verstöße der Gesellschaft. → bei Verletzung der Deckungsvorsorgepflicht (§ 16 PHG) Hersteller und Importeure von Produkten sind verpflichtet, durch das Eingehen einer Versicherung dafür Vorsorge zu treffen, dass Schadenersatzverpflichtungen nach PHG befriedigt werden können. Wurde der Deckungsvorsorgepflicht nicht entsprochen, haftet der GF, da er seinen Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen ist, zunächst direkt der Gesellschaft. Führt die fehlende Deckungsvorsorge zur ZU, kann es zu einer Haftung gegenüber den Gläubigern kommen, da die ZU fahrlässig herbeigeführt wurde. → Prospekthaftung etc.

18 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
3.1. Haftung gem. § 22 URG verschuldensunabhängige solidarische Haftung der Organe aller jur. Personen für die durch die Insolvenzmasse nicht gedeckten Verbindlichkeiten Haftungsbeschränkung von € ,-- je Person d. Organs Haftungsanspruch kann ausschließlich vom MV für die Insolvenzmasse geltend gemacht werden. Ein Verzicht der Gesellschaft auf diesen Anspruch ist ausgeschlossen. Haftungsvoraussetzungen: → jur. Person muss ein Unternehmen betreiben → jur. Person muss prüfpflichtig sein 16

19 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
3.1. Haftung gem. § 22 URG → die Organe haben innerhalb der letzten 2 Jahre vor Insolvenz - antrag - einen Bericht des Abschlussprüfers erhalten, wonach die Eigenmittelquote < 8% und die fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre beträgt und haben nicht unverzüglich ein Reorganisationsverfahren beantragt oder nicht gehörig fortgesetzt oder - einen Jahresabschluss nicht od. nicht rechtzeitig aufgestellt od. nicht unverzüglich den Abschlussprüfer mit dessen Prüfung beauftragt. Das haftungsbegründende Verhalten muss kausal für die Insolvenzeröffnung geworden sein . 17

20 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
3.2. Insolvenzantragspflicht (§ 69 IO) Pflicht zur Insolvenzantragstellung bei Vorliegen der Voraussetzungen: - Zahlungsunfähigkeit gem. § 66 IO oder - Überschuldung gem. § 67 IO ohne „schuldhaftes Zögern“ 18

21 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
3.2. Insolvenzantragspflicht (§ 69 IO) Gem. § 66 IO liegt Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzeröffnungsgrund dann vor, wenn fällige Schulden in angemessener Frist nicht nur vorübergehend nicht erfüllt werden können. Können voraussichtlich alsbald Geldmittel beschafft werden, mit welchen die fälligen Forderungen beglichen werden können, liegt Zahlungsunfähigkeit nicht vor (OGH ZIK 2001/270, 169). 19

22 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
3.2. Insolvenzantragspflicht (§ 69 IO) Von der Zahlungsunfähigkeit abzugrenzen ist die Zahlungsstockung, welche jedoch nach der Rechtsprechung nur dann vorliegt, wenn eine Liquiditätslücke von maximal 5 % der fälligen Verbindlichkeiten besteht (also 95 % aller fälligen Verbindlichkeiten bezahlt werden können) und die Liquiditätsschwäche (unter Zugrundelegung einer ex-ante-Betrachtung) kurzfristig behoben werden kann. Die Frage der kurzfristigen Behebbarkeit ist einzelfallbezogen zu beurteilen, wobei die Frist zur Behebung der Liquiditätsschwäche im sogenannten Durchschnittsfall (wenn Umschuldungen vorzunehmen sind; Vermögensobjekte verkauft werden sollen; Gesellschafterdarlehen vereinbart werden sollen ua) drei Monate nicht übersteigen darf. Eine noch längere Frist, höchstens aber etwa fünf Monate, setzt voraus, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit der Beseitigung der Liquiditätsschwäche zu rechnen ist (OGH 3 Ob 99/10w). 20

23 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
3.2. Insolvenzantragspflicht (§ 69 IO) Bei juristischen Personen und eingetragenen Personengesellschaften stellt neben der Zahlungsunfähigkeit die Überschuldung einen weiteren Insolvenzeröffnungsgrund dar. Insolvenzrechtliche Überschuldung liegt dann nicht vor, wenn - ein Status zu Liquidationswerten keine rechnerische Überschuldung ergibt (Überwiegen der Passiven über die Aktiven) oder - eine positive Fortbestehensprognose vorliegt. 21

24 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
3.2. Insolvenzantragspflicht (§ 69 IO) Unter einer positiven Fortbestehensprognose wird verstanden, dass „mit Hilfe sorgfältiger Analysen von Verlustursachen, eines Finanzierungsplans sowie der Zukunftsaussichten der Gesellschaft die Wahrscheinlichkeit der künftigen Zahlungsunfähigkeit und damit der Liquidation der Gesellschaft zu prüfen ist, wobei die Auswirkungen geplanter Sanierungsmaßnahmen in diese Überlegungen einzubeziehen sind. Der Überschuldungstatbestand ist daher wesentlich ein Prognosetatbestand, der auf die Gefahr künftiger Illiquidität abstellt. Eine insolvenzrechtlich bedeutsame Überschuldung liegt demnach nur vor, wenn die Fortbestehensprognose ungünstig, dh die Liquidation oder Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlich und das nach Liquidationswerten zu bewertende Vermögen zur Befriedigung der Gläubiger im Liquidationsfall unzureichend ist. Insolvenzreife besteht demnach auch bei rechnerischer Überschuldung, etwa zufolge des weitgehenden Verlustes des Eigenkapitals, nur dann, wenn sich eine positive Fortbestehensprognose nicht erstellen lässt“ (OGH SZ 59/2161). 22

25 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
3.2. Insolvenzantragspflicht (§ 69 IO) Frist zur Stellung eines Insolvenzantrages: → spätestens 60 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung (Maximalfrist!) Die 60 Tage Frist wird nur dann zur Gänze gewährt, wenn ernsthafte Sanierungsbemühungen erfolgen (OGH ÖBA 1990, 942). Die Frist beginnt nach der hM mit der positiven Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung. Die erwähnte Frist endet mit der Erkennbarkeit der Aussichtslosigkeit eines Sanierungsversuches. 23

26 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
3.2. Insolvenzantragspflicht (§ 69 IO) Insolvenzantrag gilt als nicht schuldhaft verzögert, wenn die Eröffnung eines Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung oder Sanierungsbemühungen sorgfältig betrieben werden. Sollte aufgrund der Sanierungsbemühungen eine positive Fortbestehensprognose möglich sein, so entfällt der Insolvenzgrund der Überschuldung. 24

27 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
3.2. Insolvenzantragspflicht (§ 69 IO) Verpflichtung trifft bei juristischen Personen organschaftlichen Vertreter (Geschäftsführer, Vorstand, Liquidator, Notgeschäftsführer). Insolvenzantragspflicht trifft jeden Vertreter einzeln, auch bei kollektiver Zeichnungsberechtigung. Antragspflicht ist unabhängig vom Vorhandensein kostendeckenden Vermögens (dieses ist jedoch Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens). 25

28 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
3.2. Insolvenzantragspflicht (§ 69 IO) Rechtsfolgen der Verletzung der Insolvenzantragspflicht: → schuldhafte Pflichtverletzung begründet zivilrechtliche Haftung (Schadenersatz gemäß § 1311 ABGB, § 25 GmbHG) - Quotenschaden für Altinsolvenzgläubiger (Ausfallsdifferenz) - Vertrauensschaden für Neuinsolvenzgläubiger (Gläubiger ist so zu stellen, als hätte er nicht kontrahiert → Gesamtausfall, vermindert um im Fakturenwert enthaltene Gewinnspanne) - Vertrauensschaden für Aus- und Absonderungsgläubiger - Ersatzanspruch der Gesellschaft (des Masseverwalters) für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenz 26

29 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
3.2. Insolvenzantragspflicht (§ 69 IO) → GmbH-Geschäftsführer haftet auch noch für nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer eingegangene Verbindlichkeiten, da sich der Schutzzweck des § 69 Abs 2 IO auf alle und zwar auch von zukünftigen Geschäftsführern eingegangene Verbindlichkeiten, mit denen in abstracto gerechnet werden muss, erstreckt (OGH ecolex 2008/77). 27

30 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
3.2. Insolvenzantragspflicht (§ 69 IO) GesRÄG § 69 Abs 3a IO: Abs 3a führt die Insolvenzantragspflicht des Mehrheitsgesellschafters einer Kapitalgesellschaft im Fall der Führungslosigkeit der Gesellschaft ein. → Führungslosigkeit: analoge Anwendung des §15a GmbHG; es bedarf eines formellen oder faktischen Fehlens eines ordentlich bestellten organschaftlichen Vertreters → unbeachtlich sind gesellschaftsvertragliche Regelungen über andere Mehrheitserfordernisse oder Bestellungsrechte einzelner Gesellschafter 28

31 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
3.3. Allgemeine Pflichten im Zusammenhang mit der Krise Eine Pflicht zur Durchführung von Sanierungsmaßnahmen ergibt sich aus allgemeinen Sorgfaltsanforderungen (§ 25 GmbHG, §§ 70, 84 AktG): Die ordnungsgemäße Unternehmensleitung umfasst auch strategische Maßnahmen und Planungen → Pflicht der Gf und Vorstandsmitglieder, einen Sanierungsbedarf rechtzeitig zu erkennen (durch entspr Organisation des Rechnungswesens: Monatsabschlüsse, Cash Flow Rechnung, Geschäfts- bzw Finanzplan) und geeignete Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. → laufende Verschaffung eines Überblicks über die Vermögens-, Liquiditäts- und Ertragslage (OGH GesRZ 1986,97) 29

32 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
3.3. Allgemeine Pflichten im Zusammenhang mit der Krise Maßnahmen für einen Weg aus der Krise: - betriebswirtschaftliche Maßnahmen - Gesellschafterdarlehen (Achtung Eigenkapitalersatz) - Kapitalzufluss durch finanzstarken Partner - außergerichtlicher Ausgleich (Schuldennachlass) - Einberufung der Generalversammlung (GmbH) bzw. der Hauptversammlung (AG) bei Verlust des halben Nennkapitals → gemäß § 225 Abs 1UGB Erläuterungspflicht im Anhang bei negativem Eigenkapital; im Lagebericht ist auf die kritische Situation hinzuweisen (§ 243 UGB) Werden im Lagebericht, im Anhang od geg dem Abschlussprüfer unrichtige Angaben gemacht od erhebliche Umstände verschwiegen, ist das ein Straftatbestand (§ 122 GmbHG, § 255 AktG, § 272 UGB) → Einleitung eines Reorganisationsverfahrens 30

33 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
3.4. Pflichten des GF vor/in der Insolvenz – Überblick → keine Bezahlung von Altverbindlichkeiten (strafrechtl. Tatbestand der Gläubigerbegünstigung) → Erhalt der ZU durch geeignete Geschäftsführungsmaßnahmen → Kein Eingehen neuer Verbindlichkeiten – Barzahlung (Zug- um Zug-Zahlungen); Neugläubiger müssen über die ZU und/od Überschuldung aufgeklärt werden) → Beachtung von Aussonderungsrechten und Absonderungsrechten – Abwicklung über Treuhandkonto → keine Ausgabe von Gutscheinen → keine Begünstigung von Gesellschaftern durch Rückzahlung von Darlehen 31

34 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
3.4. Pflichten des GF vor/in der Insolvenz – Überblick → können Löhne und Gehälter samt Nebenkosten nicht beglichen werden, sollte eine anteilige Auszahlung erfolgen, sodass die darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer entrichtet werden können → rechtzeitige Beantragung eines Insolvenzverfahrens Geschäftsführerpflichten im Insolvenzverfahren - Überblick → Erscheinen bei der Einvernahmetagsatzung → Vorlage des Vermögensverzeichnisses → Leistung des Kostenvorschusses (§ 72a IO) → Aufklärungs- und Mitwirkungspflichten gegenüber dem MV → Auskunftserteilungspflicht 32

35 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
Exkurs: Haftung des faktischen Geschäftsführers Faktischer GF: Person, die das Unternehmen tatsächlich leitet, ohne wirksam zum GF bestellt worden zu sein; muss nicht nur im Innenverhältnis, sondern nach dem Gesamterscheinungsbild auch im Außenverhältnis die Gesellschaft leiten Gesellschafterstellung ist irrelevant (vgl OGH 8 Ob /07d, 8 Ob 108/08b) Haftung gegenüber der Gesellschaft: wird in der Lit bejaht, zumindest soweit jemand bei Nichtvorhandensein von GF oder diese verdrängend ersatzweise und umfassend Geschäftsführeraufgaben wahrnimmt 33

36 3. Zivilrechtliche Haftung in der Krise im Besonderen
Exkurs: Haftung des faktischen Geschäftsführers besteht nach hL und Rsp im deliktischen Bereich bei Verletzung eines Schutzgesetzes Vgl OGH 7 Ob 2339/96p, 8 Ob 124/07d und jüngst 8 Ob 108/08b jeweils zur „Insolvenzverschleppungshaftung“ (§ 69 Abs 2 IO - Pflicht zur Insolvenzantragstellung): OGH bejaht Pflicht des faktischen GF zur Insolvenzantragstellung und bei deren Verletzung eine direkte Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern Weitere denkbare Haftungstatbestände: Strafbestimmung des § 163a StGB §§ 58 Abs 5 und 67 Abs 10 ASVG §§ 9 iVm 80 BAO 34

37 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.1. Betrügerische Krida (§ 156 StGB) Tatbestand: Als Tathandlung gemäß § 156 StGB kommen die wirkliche und scheinbare Verringerung des Vermögens zum Nachteil der Gläubiger in Betracht. Zu einer wirklichen Verringerung des Vermögens kommt es, wenn die Aktiven ohne entsprechenden Gegenwert oder die Passiven ohne gleichwertige Aufstockung der Aktiven erhöht werden. Von einer scheinbaren Vermögensverringerung ist dann auszugehen, wenn sich für zumindest einen Gläubiger die Befriedigungschancen wahrheitswidrig reduziert darstellen. § 156 StGB führt bezüglich der Vermögensverringerung beispielhaft Tathandlungen an, nämlich das Verheimlichen, das Beiseiteschaffen, das Veräußern, das Beschädigen von Vermögenswerten und das Anerkennen oder Vorschützen einer nicht bestehenden Verbindlichkeit. 35

38 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.1. Betrügerische Krida (§ 156 StGB) Strafrahmen: Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren; bei Wertqualifaktion: Freiheitstrafe von einem bis zu zehn Jahren Beispiele: Vortäuschen eines Mietvertrages bezüglich eines Gebäudes Verstecken von Vermögenswerten gegenüber Gläubigern Geschütztes Rechtsgut des § 156 StGB ist das Gläubigerinteresse an einer Forderungsbefriedigung. Entscheidend für eine Strafbarkeit gemäß § 156 StGB ist dabei weder eine Fälligkeit der Forderungen, noch das Vorliegen einer wirtschaftlichen Krisensituation auf Seiten des Schuldners. Der Straftatbestand der betrügerischen Krida kann daher ohne Vorliegen einer Krise, dh ohne Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung nach Eintritt der Krise aber auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verwirklicht werden (OGH Os 58/12g; OGH Os 122/13b). 36

39 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.1. Betrügerische Krida (§ 156 StGB) Von einem Verheimlichen von Vermögensbestandteilen ist dann auszugehen, wenn diese (auf welche Weise auch immer) der Kenntnis der Gläubiger entzogen bzw deren Existenz verschleiert wird. Nach der Rechtsprechung ist ein Verschweigen (von Einnahmen) nur dann tatbestandsmäßig, wenn eine Rechtspflicht zur Offenbarung besteht. Werden Vermögenswerte bei Abgabe eines Vermögensverzeichnisses (§ 47 Abs 2 EO, §§ 100 ff IO) nicht entsprechend der gesetzlichen Offenbarungspflicht offengelegt, liegt strafbares Verschweigen vor. Ein tatbestandsmäßiges Verheimlichen kann auch dann vorliegen, wenn Informationen gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht pflichtgemäß offengelegt werden, um damit Vermögensbestandteile dem Zugriff des Insolvenzverwalters zu entziehen. Ein tatbildliches Veräußern liegt dann vor, wenn Aktivvermögen unter Wert – ohne entsprechendes Äquivalent – verkauft wird. 37

40 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.1. Betrügerische Krida (§ 156 StGB) Ein Vorschützen oder Anerkennen von Verbindlichkeiten kann dann vorliegen, wenn eine tatsächlich nicht bestehende Forderung in ein im Rahmen eines Insolvenzverfahrens vorzulegendes Vermögensverzeichnis aufgenommen wird oder der Insolvenzschuldner im Rahmen der Prüfungstagsatzung bezüglich einer angemeldeten Forderung schweigt (§ 105 IO). Eine scheinbare Vermögensverringerung wurde in der Judikatur dann angenommen, wenn ein Scheinvertrag über eine (gar nicht erfolgte) Vermietung eines Teils einer Liegenschaft vorgelegt wird. Weiters kann eine scheinbare Vermögensverringerung dann gegeben sein, wenn ein auf einem Bilanzierungsverstoß beruhender Jahresabschluss festgestellt wird, wenn sich dadurch für einen Gläubiger die Befriedigungsaussichten wahrheitswidrig reduziert darstellen. 38

41 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.2. Schädigung fremder Gläubiger (§ 157 StGB) Tatbestand: § 157 StGB ist ähnlich formuliert wie § 156 StGB, wobei nach § 157 StGB nur solche Personen verurteilt werden können, die nicht nach § 156 StGB (als unmittelbare Täter, Bestimmungstäter oder Beitragstäter) strafbar sind. Geschütztes Rechtsgut ist auch nach § 157 StGB das Gläubigerinteresse an einer Forderungsbefriedigung. Strafrahmen: wie § 156 StGB 39

42 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.3. Begünstigung eines Gläubigers (§ 158 StGB) Tatbestand: § 158 StGB erfasst Schuldner, die nach Eintritt ihrer Zahlungsunfähigkeit einen Gläubiger begünstigen. Der strafrechtliche Begriff der Zahlungsunfähigkeit entspricht dabei im Wesentlichen dem insolvenzrechtlichen. Nicht tatbestandsmäßig iSd § 158 StGB wäre eine Gläubigerbegünstigung nach Eintritt der insolvenzrechtlichen Überschuldung ohne gleichzeitigem Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit. Strafrahmen: Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren 40

43 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.3. Begünstigung eines Gläubigers (§ 158 StGB) Gerade beim außergerichtlichen Ausgleich ergibt sich immer wieder das Problem, dass eine Vielzahl an Kleingläubigern nicht zu einem Forderungsnachlass bereit ist und auch bestimmte Gläubiger (Sozialversicherungsträger oder Dienstnehmer) Forderungsnachlässen nicht zustimmen würden und daher zu 100% befriedigt werden müssen. Im Zuge eines sogenannten „strukturierten Ausgleichs“ ist es daher notwendig, einerseits die 100%-ige Befriedigung bestimmter Gläubiger anzubieten und andererseits von anderen Gläubigern (zB Bankengläubigern) Forderungsnachlässe zu verlangen. Um in diesem Zusammenhang den Tatbestand der Begünstigung eines Gläubigers nicht zu verwirklichen, ist es notwendig, zu einem derartigen strukturierten Ausgleich die Zustimmung sämtlicher „betroffener“ Gläubiger – also jener Gläubiger, die auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten sollen – einzuholen. 41

44 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.3. Begünstigung eines Gläubigers (§ 158 StGB) Beachte: Alt- und Neuverbindlichkeiten dürfen im Krisenfall nicht gleichgesetzt werden. Ein GF handelt sorgfaltskonform, wenn er Altverbindlichkeiten nach Erreichung der Insolvenzreife nicht mehr oder gleichermaßen nicht zur Gänze bedient, nach der Insolvenzreife entstandene Verbindlichkeiten hingegen unmittelbar und sofort (Zug-um-Zug-Geschäfte) begleicht. Sorgfaltskonform ist auch das Abdecken jener Verbindlichkeiten, die unmittelbar zur Unternehmensfortführung beglichen werden müssen. Ein derartiges Verhalten ist jedenfalls dann rechtmäßig, wenn dadurch ein größerer Schaden für die Gläubiger verhindert wird. 42

45 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.3. Begünstigung eines Gläubigers (§ 158 StGB) Unter dem Gesichtspunkt der Gläubigergleichbehandlung ist auch das Verbot von Zahlungen bzw. das Eingehen neuer Schulden im Stadium der materiellen Insolvenz (§ 25 Abs 3 Z 2 GmbHG, § 84 Abs 3 Z 6 AktG) zu sehen. Zahlungen nach Insolvenzreife sind zulässig, soweit sie mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Dazu zählen Zug um Zug Leistungen, wenn der Gegenwert dem Wert der eigenen Leistung entspricht und im Rahmen einer Betriebsfortführung notwendige Zahlungen (Strom, Miete, Löhne), sofern es ernstliche Sanierungsbemühungen gibt. Achtung: Dennoch Haftung für Steuern/Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge, wenn der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt werden sollte. 43

46 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.3. Begünstigung eines Gläubigers (§ 158 StGB) In einer Entscheidung vom (13 Os 90/86) hat der OGH ausgesprochen, dass die Befolgung eines Gesetzes nicht strafbar machen könne. Wer also eine Steuerpflicht erfülle, könne nicht wegen Begünstigung des Fiskus nach § 158 Abs 1 StGB verantwortlich werden. Zu dieser Entscheidung ist kritisch anzumerken, dass jeder, der eine fällige Verbindlichkeit bezahlt, in Befolgung gesetzlicher (zB zivilrechtlicher) Bestimmungen handelt und die vom OGH in der erwähnten Entscheidung vertretene Ansicht daher zu hinterfragen ist, weil im Hinblick auf § 158 Abs 1 StGB nicht nachzuvollziehen ist, warum im Fall einer Befolgung der Bestimmungen der BAO anderes gelten soll (nämlich Straflosigkeit des begünstigenden Schuldners vorliegen soll), als dies im Fall der Befolgung sonstiger zivilrechtlicher Vorschriften der Fall wäre. 44

47 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.4. Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB) Tatbestand: § 159 StGB stellt das grob fahrlässige Herbeiführen der Zahlungsunfähigkeit durch kridaträchtiges Handeln und die grob fahrlässige Beeinträchtigung der Befriedigung von einem oder mehreren Gläubigern durch kridaträctiges Handeln unter Strafe. Strafrahmen: Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr; bei Wertqualifikation: Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren 45

48 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.4. Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB) Der OGH hat zum Begriff der groben Fahrlässigkeit in seiner bisherigen Rechtsprechung ausgeführt, dass bei der Auslegung der in § 159 StGB taxativ angeführten kridaträchtigen Verhaltensweisen vom „Maßstab eines ordentlich wirtschaftenden Menschen in der konkreten Situation des Täters“ auszugehen sei. Weil dies aber erst den Vorwurf der Sorgfaltswidrigkeit überhaupt ausmache und für sich allein noch kein Gradmesser deren Schwere sei, müsse das kridaträchtige Verhalten im Einzelfall zusätzlich an den Kriterien der groben Fahrlässigkeit gemessen werden, wiewohl die Umschreibung der Tatbestände des § 159 Abs 5 StGB bereits objektiv grob sorgfaltswidriges Verhalten nahelege. Im Hinblick darauf, dass es im österreichischen Strafrecht eine allgemeine Unterscheidung von Schweregraden der Fahrlässigkeit nicht gebe, sei die Frage nach „grob“ fahrlässigem Verhalten deliktsbezogen zu beantworten. Hiervon ausgehend sei grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 159 StGB gegeben, wenn unter dem Aspekt des Gläubigerschutzes eine „ungewöhnliche und auffallende Sorgfaltswidrigkeit bei einem Gesinnungsunwert von zumindest durchschnittlichem Gewicht“ vorliege. 46

49 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.4. Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB) Gem. § 159 Abs 5 StGB handelt kridaträchtig, wer Z 1: einen bedeutenden Bestandteil seines Vermögens zerstört, beschädigt, unbrauchbar macht, verschleudert oder verschenkt. Z 2: durch ein außergewöhnlich gewagtes Geschäft, das nicht zu seinem gewöhnlichen Wirtschaftsbetrieb gehört, durch Spiel oder Wette übermäßig hohe Beträge ausgibt. Z 3: übermäßigen, mit seinen Vermögensverhältnissen oder seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand treibt. Z 4: Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen zu führen unterlässt oder so führt, dass ein zeitnaher Überblick über seine wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wird, oder sonstige geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen, die einem einen solchen Überblick verschaffen, unterlässt. 47

50 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.4. Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB) Z 5: Jahresabschlüsse, zu deren Erstellung er verpflichtet ist, zu erstellen unterlässt, oder auf eine solche Weise oder zu spät erstellt, dass ein zeitnaher Überblick über seine wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wird. Kridaträchtiges Handeln ist dabei dann anzunehmen, wenn der Jahresabschlüsse nicht zeitgerecht erstellt werden oder seitens des Unternehmers, die zu einer Erstellung der Jahresabschlüsse erforderlichen Unterlagen verspätet an den Steuerberater/ Wirtschaftstreuhänder weitergegeben werden. 48

51 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.4. Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB) Einzelfragen: Eine Vermögensverschleuderung (Z 1) ist dann anzunehmen, wenn Sachen des Schuldners deutlich unter Wert veräußert werden (vgl. dazu § 28 Z 4 IO). Von einem Verschenken ist dann auszugehen, wenn Gegenstände ohne wirtschaftlich äquivalente Gegenleistung übertragen werden (vgl. dazu § 29 IO). Zur Frage, wann von einem „bedeutenden Vermögensbestandteil“ (Z 1) auszugehen ist, vertritt Kirchbacher die Ansicht, dass ab einer Grenze von rund € 300,-- von einem bedeutenden Bestandteil des Vermögens auszugehen sei. Andere Teile der Lehre vertreten die Ansicht, man sollte in diesem Zusammenhang nicht von einer absoluten Wertgrenze ausgegangen werden. Vielmehr sei der Begriff „bedeutend“ dahingehend zu verstehen, dass der von der Handlung betroffene Vermögensbestandteil in Relation zum Gesamtvermögen des Schuldners im Zeitpunkt der Verhaltensvornahme zu setzen ist. 49

52 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.4. Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB) Einzelfragen Außergewöhnliche gewagte Geschäfte (Z 2) sind nach der Judikatur des OGH solche, denen in der konkreten Situation aufgrund äußerst riskanter (tatsächlicher oder wirtschaftlicher) Verhältnisse spekulativer Charakter zukomme, oder ein hohes aleatorisches Moment innewohne. Kridaträchtiges Handeln kann daher dann vorliegen, wenn – mit dem eigentlichen Wirtschaftsbetrieb des Unternehmens in keinem Zusammenhang stehende – riskante Derivatgeschäfte abgeschlossen werden. Außergewöhnlicher Aufwand (Z 3) liegt dann vor, wenn überhöhte Ausgaben im Privatinteresse (einschließlich überhöhter Privatentnahmen) oder auch für geschäftliche Zwecke (Anschaffungen, Personalaufwand, Werbeaufwand oder Repräsentationsaufwand) getätigt werden. 50

53 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.5. Umtriebe während einer Geschäftsaufsicht (§ 160 StGB) Tatbestand: Nach dieser Bestimmung ist zu bestrafen: wer eine nicht zu Recht bestehende Forderung oder eine Forderung in einem nicht zu Recht bestehenden Umfang oder Rang geltend macht, um dadurch einen ihm nicht zustehenden Einfluß im Insolvenzverfahren zu erlangen; ein Gläubiger, der für die Ausübung seines Stimmrechts in einem bestimmten Sinn oder für das Unterlassen der Ausübung seines Stimmrechts für sich oder einen Dritten einen Vermögensvorteil annimmt oder sich versprechen lässt, und auch wer einem Gläubiger zu diesem Zweck einen Vermögensvorteil gewährt oder verspricht; ein Gläubiger, der für die Zustimmung zum Abschluss eines Sanierungsplans ohne Zustimmung der übrigen Gläubiger für sich oder einen Dritten einen Sondervorteil annimmt oder sich versprechen lässt, und auch wer einem Gläubiger zu diesem Zweck einen Sondervorteil gewährt oder verspricht. Strafrahmen: Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr vgl. dazu § 150a IO 51

54 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.6. Unvertretbare Darstellung wesentlicher Informationen (§ 163a StGB idF StrafrechtsänderungsG 2015): „Bilanzfälschung“ wird durch diese Bestimmung neu geregelt (anstelle der §§ 122 GmbHG und 255 AktG) Tatbestand: Nach dieser Bestimmung ist zu bestrafen, wer als Entscheidungsträger eines Verbandes in 1. einem Jahres- oder Konzernabschluss, einem Lage- oder Konzernlagebericht oder einem anderen an die Öffentlichkeit, an die Gesellschafter oder die Mitglieder, an ein aufsichtsberechtigtes Organ oder dessen Vorsitzenden gerichteten Bericht, 2. einer öffentlichen Aufforderung zur Beteiligung an dem Verband, einem Vortrag oder einer Auskunft in der Haupt-, General- oder Mitgliederversammlung oder sonst einer Versammlung der Gesellschafter oder Mitglieder des Verbandes, Strafrahmen: Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren 52

55 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.6. Unvertretbare Darstellung wesentlicher Informationen (§ 163a StGB idF StrafrechtsänderungsG 2015): 4. Aufklärungen und Nachweisen (§ 272 Abs. 2 UGB) oder sonstigen Auskünften, die einem Prüfer (§ 163b Abs. 1) zu geben sind, oder 5. einer Anmeldung zum Firmenbuch, die die Leistung von Einlagen auf das Gesellschaftskapital betrifft, eine die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Verbandes betreffende oder für die Beurteilung der künftigen Entwicklung der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage bedeutsame wesentliche Information (§ 189a Z 10 Unternehmensgesetzbuch – UGB, dRGBl. S. 219/1897), einschließlich solcher Umstände, die die Beziehung des Verbandes zu mit ihm verbundenen Unternehmen betreffen, in unvertretbarer Weise falsch oder unvollständig darstellt, ist, wenn dies geeignet ist, einen erheblichen Schaden für den Verband, dessen Gesellschafter, Mitglieder oder Gläubiger oder für Anleger herbeizuführen. 53

56 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.7. Untreue (§ 153 StGB) – alt (bis ) Tatbestand: Nach dieser Bestimmung ist strafbar, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt. Strafrahmen: Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen (bei höherem Schaden besteht höherer Strafrahmen; z.B. bei Schaden über € ,-- besteht Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren). Strafbarkeit wegen Untreue ist z.B. bei wissentlich nachteiligen Geschäften für die Gesellschaft (z.B. bei Zahlungen ohne entsprechende Gegenleistungen) oder bei wissentlich zu riskanten Geschäften gegeben. 54

57 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.7. Untreue (§ 153 StGB) – alt (bis ) Der OGH vertrat in seiner bisherigen Rspr. die Ansicht, dass der Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH im Fall eines Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr kein Untreue zu verantworten hat („Selbstschädigung“; OGH 13 Os 110/02). In der sog. „Libro-Entscheidung“ (12 Os 117/12s) gelangte der OGH für eine AG mit nur einem Aktionär (der dem Verstoß im Rahmen einer Hauptversammlung zugestimmt hatte) überraschend zum gegenteiligen Ergebnis und bejahte eine Strafbarkeit es Vorstandes wegen Untreue. Die zuletzt genannte Entscheidung wurde (u.a.) von Paulitsch/Cernusca (ecolex 2015, 382 ff.) kritisiert und hatte zur Folge, dass im Rahmen der Reform des Untreuetatbestandes auf den „Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten“ als Kriterium für eine Strafbarkeit abgestellt wurde. Im Fall einer Zustimmung des wirtschaftlich Berechtigten ist daher nach der Neuregelung nicht von einer Strafbarkeit gem. § 153 StGB auszugehen (dennoch kann bei einem Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr aber Strafbarkeit gem. § 156 StGB gegeben sein). 55

58 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.7. Untreue (§ 153 StGB) – neu (ab ) Tatbestand: Nach dieser Bestimmung ist strafbar, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt. Seine Befugnis wissentlich missbraucht, wer in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen. (Einfließen der sog. business judgement rule) Strafrahmen: Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen (bei höherem Schaden besteht höherer Strafrahmen; bei Schaden über € 5.000,-- besteht ein Strafrahmen von bis zu drei Jahren, bei Schaden über € ,-- besteht Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren). Strafbarkeit wegen Untreue ist z.B. bei wissentlich nachteiligen Geschäften für die Gesellschaft (z.B. bei Zahlungen ohne entsprechende Gegenleistungen) oder bei wissentlich zu riskanten Geschäften gegeben. 56

59 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
4.7. Untreue (§ 153 StGB) Nach hL und der Rechtsprechung des OGH steht § 156 StGB in Idealkonkurrenz mit allgemeinen Vermögensdelikten, also auch mit § 153 StGB (Untreue). Wenn zu eigenkapitalersetzenden Darlehen Rückzahlungen entgegen der Rückzahlungssperre gem § 14 EKEG geleistet werden, liegt darin nach der Rechtsprechung des OGH eine Veränderung des Vermögensstatus der Gesellschaft zum Nachteil der Gläubiger, sodass Strafbarkeit gem § 156 StGB gegeben ist. Daneben kann (auf Grund der erwähnten Idealkonkurrenz) auch Strafbarkeit gem §153 StGB gegeben sein. Im Hinblick auf die erwähnte Idealkonkurrenz zwischen § 156 und § 153 StGB kommt auch bei Verstößen gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr, die eine Benachteiligung von Gläubigern zu Folge haben, Strafbarkeit gem § 156 und § 153 StGB in Betracht. Weiters kann im Zusammenhang mit der Feststellung eines auf einem Bilanzierungsverstoß beruhenden Jahresabschlusses und der darauf gegründeten Auszahlung einer Sonderdividende Strafbarkeit gem § 156 StGB und gem § 153 StGB gegeben sein. Die in der Judikatur vertretene Idealkonkurrenz wurde kürzlich von Bollenberger/Wess kritisch hinterfragt, weil Untreue gem § 153 StGB die Beziehung zwischen Machthaber und Machtgeber schützt, nicht jedoch auch die Gläubiger und daher nicht in diese Richtung als Auffangtatbestand herangezogen werden sollte. 57

60 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
Zu den weiteren relevanten Straftatbeständen zählen etwa → § 153c Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur SV → § 153d Betrügerisches Vorenthalten von SV-beiträgen und Zuschlägen nach dem BUAG → § 146 Betrug 58

61 5. Haftung nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen
5.1. Abgabenrechtliche Haftung Grundsätzlich schuldet die Gesellschaft Abgabenverbindlichkeiten. Eine Haftung der Vertretungsorgane in abgabenrechtlicher Hinsicht besteht für die Abgabenverpflichtung, wenn die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können (§§ 9 Abs 1 iVm 80 BAO) Voraussetzungen für die Haftung: → Uneinbringlichkeit der Abgabe bei der Gesellschaft § 9 BAO sieht eines Ausfallshaftung vor; schlechte wirtschaftliche Lage oder Zahlungsstockung reichen für eine Haftungsbegründung idR nicht aus. → Stellung als Vertreter iSd §§ 9 und 80 BAO zur Vertretung der Gesellschaft als Abgabenpflichtige befugte Personen

62 5. Haftung nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen
5.1. Abgabenrechtliche Haftung → schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten iSd §§ 9 und 80 BAO Die Vertreter haben alle Pflichten zu erfüllen, die den Vertretenen obliegen, dazu zählen: - abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten (§§119f BAO) - Buchführungspflichten (§§ 124ff BAO) - Aufbewahrungspflicht (§ 132 BAO) - Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln der Gesellschaft, insb Verpflichtung, Abgabenschulden nicht schlechter zu behandeln als sonstige Verbindlichkeiten (Gleichbehandlungsgebot); betrifft alle Abgaben außer LSt. und KESt. Achtung: Auch Bezahlung von Gütern in Form von Zug-um-Zug Geschäften kann eine derartige Ungleichbehandlung darstellen (VwGH , 2007/13/0063). - bei den im Abzugsweg einzubehaltenden und abzuführenden Abgaben (LSt, KESt) deren Abzug und Abführung an das FA (§§ 78, , 95f EStG)

63 5. Haftung nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen
5.1. Abgabenrechtliche Haftung → in Bezug auf die schuldhafte Pflichtverletzung genügt leichte Fahrlässigkeit; das Verschulden kann sich auch aus einer Rechtsunkenntnis ergeben → Uneinbringlichkeit der Abgabe lässt sich auf die schuldhafte Pflichtverletzung zurückführen (Kausalität, Rechtswidrigkeitszusammenhang) Zeitlicher Umfang der Haftung: → Haftung kommt nur für solche Abgaben in Frage, die in jenem Zeitraum zu entrichten sind, in dem der in Anspruch Genommene tatsächlich Gf od. Vorstand war. Bei Zustandekommen einer Rückzahlungsvereinbarung mit der Finanzverwaltung: Keine Haftung der Geschäftsführung für Abgaben, die von der Rückzahlungsvereinbarung umfasst sind, sofern ex ante von einer Erfüllbarkeit der Rückzahlungsvereinbarung ausgegangen werden konnte und die Finanzverwaltung nicht über die Voraussetzungen für eine Ratenvereinbarung getäuscht wurde (VwGH , 90/13/0087). Dies wird bei Vorliegen einer positiven Fortbestehensprognose anzunehmen sein.

64 5. Haftung nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen
5.1. Abgabenrechtliche Haftung → Haftungsausschluss durch anteilige Entrichtung von Abgaben gilt nach der Rechtsprechung des VwGH auch für USt und Abgeben nach den Landesabgabenordnungen Ausnahmen: → Lohnsteuer: Der VwGH geht in stRsp davon aus, dass die LSt von den ausbezahlten Arbeitslöhnen einzubehalten ist und deshalb stets abgeführt werden kann. Reichen die vorhandenen Mittel zur Abfuhr der Lohnsteuer nicht aus, muss der Vertreter entsprechend niedrigere Löhne auszahlen (auch bei Gleichbehandlung kein Freibeweis möglich). → KESt: auch die KESt ist jedenfalls zur Gänze zu entrichten Der Haftungsausschluss durch anteilige Entrichtung gilt auch in Zusammenhang mit den Abgaben nach den Landesabgabenordnungen (Kommunalsteuer, Dienstgeberabgabe). 62

65 5. Haftung nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen
5.1. Abgabenrechtliche Haftung Abgesehen von §§ 9 iVm 80 BAO bestehen folgende weitere Haftungstatbestände: → Haftung für die Verletzung einer Steuererklärungspflicht des GF-Vorgängers (§ 15 BAO) Abgabenerklärungen der Vergangenheit waren falsch oder wurden unterlassen; keine Haftung, wenn Anzeige binnen 3 Monaten ab Kenntnis erfolgt; keine Prüfungspflicht der Erklärungen; Haftung für vorenthaltene Abgaben (keine Ausfallshaftung) → bei vorsätzlichen Finanzvergehen (§ 11 BAO) Voraussetzung ist die rechtskräftige Verurteilung; Haftung für Abgabenverkürzung (keine Ausfallshaftung) → Haftung für Kommunalsteuern und Dienstgeberabgabe nach den Landesabgabeordnungen es gilt das zur Haftung nach § 9 iVm § 80 BAO ausgeführte; insb entfällt auch hier die Haftung bei erwiesener Gläubigergleichbehandlung.

66 5. Haftung nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen
5.2. Sozialversicherungsrechtliche Haftung Gem § 67 Abs 10 ASVG haften die zur Vertretung jur. Personen oder Personenhandelsgesellschaften berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vor Inkrafttreten des BGBl. I 62/2011 bestand nach der Judikatur des VwGH (VwGH , Zl. 98/08/0191) eine „Verpflichtungsverletzung“ nur im Fall der Verletzung von Melde- und Auskunftspflichten sowie bei Verletzung der Verpflichtung zur Abfuhr von Dienstnehmerbeiträgen.

67 5. Haftung nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen
5.2. Sozialversicherungsrechtliche Haftung Durch das BGBl. I 62/2011 wurde die Geschäftsführerhaftung nach dem ASVG der Haftung von Geschäftsführern nach der BAO (s.dazu oben) inhaltlich angeglichen (§ 58 Abs 5 ASVG). Nach dieser Neuregelung ist daher auch von einer sozialversicherungsrechtlichen „Gleichbehandlungspflicht“ auf Seiten der Geschäftsführung auszugehen, deren Verletzung – bei Uneinbringlichkeit von Beiträgen – zu einer persönlichen Haftung führt. Das vorsätzliche Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung ist auch nach § 153c StGB strafbar. Haftungsverpflichtung wird bescheidmäßig ausgesprochen. Recht zur Feststellung der Haftungsverpflichtung verjährt auch gegenüber GF (Vorstandsmitglied) erst binnen 3 Jahren, bei unzureichenden Angaben einer meldepflichtigen Person binnen 5 Jahren.

68 5. Haftung nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen
5.3. Haftung für andere öffentlich-rechtliche Verpflichtungen Die GF/Vorstandsmitglieder haben auch für die Erfüllung sämtlicher öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen der GmbH Sorge zu tragen. Dazu gehört insb. die Einhaltung von bau-, gewerbe-,arbeitnehmerschutz- und umweltrechtlichen Bestimmungen. Derartigen Bestimmungen kommt oft (insb. im Bereich des Umweltrechts) Schutzgesetzcharakter gem. § 1311 ABGB zu. Eine Haftung für Einhaltung gewerberechtlicher Bestimmungen besteht neben dem gewerberechtlichen GF bei wissentlicher Duldung einer Verwaltungsübertretung (denkbar bei rechtswidrigen Dauerzuständen wie Aufnahme gewerblicher Tätigkeit ohne Gewerbeberechtigung oder Änderung einer Betriebsanlage ohne entsprechender Bewilligung)

69 5. Haftung nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen
5.3. Haftung für andere öffentlich-rechtliche Verpflichtungen Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der GF/Vorstandsmitglieder für Verwaltungsbestimmungen ergibt sich aus § 9 VStG: Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch jur. Personen ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist (§ 9 Abs 2 VStG). Bestellung verantwortlicher Beauftragter: → aus dem Kreis der zur Vertretung nach außen Berufenen → für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens auch andere Personen Beispiele für einzuhaltende öffentlichrechtl. Vorschriften: arbeitnehmerschutzrechtliche Bestimmungen des AZG, ARG FrNArbG und ASchG; ArbeitsinspektionsG oder das AuslBG

70 5. Haftung nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen
Exkurs: Haftung des gewerberechtlichen GF Gewerberechtlicher GF → Verantwortlicher für die fachlich einwandfreie Gewerbeausübung ggü Gesellschaft und Behörde → Allgemeine Voraussetzungen (volljährig, keine Vorstrafen, Insolvenzfreiheit, Wohnsitz im Inland außer Vollstreckungsübereinkommen von Verwaltungsstrafen oder EWR-Staat) → Besondere Voraussetzungen: Befähigungsnachweis

71 5. Haftung nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen
Exkurs: Haftung des gewerberechtlichen GF → Entweder handelsrechtlicher GF oder: Mind. zur Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit beschäftigt (voll versicherungspflichtig) → Anzeige von Bestellung/ Ausscheidung bei der Bezirksverwaltungsbehörde → Haftung und Strafbarkeit beginnt mit der Anzeige der Bestellung und endet mit tatsächlicher Beendigung (nicht Abmeldung!) → Tipp: bei Ausscheidung eigene Meldung an Behörde → Ordnungsgemäße Bestellung befreit GmbH von der verwaltungsstrafrechtlichen Haftung nach dem Gewerberecht

72 5. Haftung nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen
Exkurs: Haftung des gewerberechtlichen GF Vermeidung der Haftung des gewerberechtl. GF → Kenntnis aller gewerberechtlicher Vorschriften für das ausgeübte Gewerbe (laufende Information) → Einhaltung aller Auflagen e. Betriebsanlagen- genehmigungsbescheides sowie sonstiger Vorschriften → Nachweisliche Meldung an Gewerbeinhaber (GmbH) bei Nichtverbesserung von Mängeln → Bestellung von Filial-GF (§ 47 GewO) → Vorsicht: Haftungsausschluss ggü der Behörde nicht rechtswirksam!

73 5. Haftung nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen
5.4. Insolvenzeröffnung und Gewerbeberechtigung Die Insolvenzöffnung bewirkt nicht den Verlust der Gewerbeberechtigung; der Masseverwalter hat ein Fortbetriebsrecht und hat den Fortbetrieb der Gewerbebehörde gegenüber anzuzeigen (§§ 41 und 44 GewO). Die Insolvenzabweisung mangels Masse bildet einen Gewerbeausschluss- bzw. entziehungsgrund (§ 13 GewO)

74 6. Haftung für Verfahrenskosten
→ Sonderbestimmung für jur. Personen in § 72 a IO → Vertreter jur. Personen haften für einen Kostenvorschuss bis EUR 4.000,-- zur ungeteilten Hand → keine Verpflichtung zum Kostenerlag für Notgeschäftsführer → Kostenerlag entbindet GF von Abgabe eines eigenen Vermögensverzeichnisses gem § 72 b IO → Rückforderung des Kostenvorschusses ist nachrangige Masseforderung (3. Gruppe nach § 47 IO)

75 7. Haftung des Aufsichtsrats
7.1. Haftungsvoraussetzungen In Ö bislang überschaubare Anzahl von OGH-E (5 Ob 306/76, 1 Ob 144/01k, 8 Ob 262/02s, 7 Ob 58/08t); in allen drei Fällen wurde letztendlich in concreto die Haftung verneint, aber der OGH hat grundsätzliche Aussagen zur Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern getroffen: Hauptaufgabe des AR ist es, die Geschäftsführung des Vorstandes auf ihre Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu überwachen. Nach seinem Umfang ist das Aufgabengebiet sowie die zu erwartende Tätigkeit des AR an sich geringer als jenes der Geschäftsführer und beschränkt sich im Wesentlichen auf die vergangenheitsbezogene und vorausschauende Überwachung der Geschäftsführung, die Wahrnehmung der Pflichten in der Krise des Unternehmens, die Veranlassung der Geschäftsführer, bei Zutreffen der Voraussetzungen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen, sowie die Prüfung des Jahresabschlusses.

76 7. Haftung des Aufsichtsrats
7.1. Haftungsvoraussetzungen Die Bestimmungen über die Sorgfalt und Haftung der GF/Vorstandsmitglieder (§§25 GmbHG und 84 AktG) gelten gem § 33 Abs 1 GmbHG bzw. § 99 AktG auch für den AR „ordentliches und gewissenhaftes AR-Mitglied“→nach der OGH-Rsp eine Person, die in geschäftlichen und finanziellen Dingen ein größeres Maß an Erfahrung und Wissen besitzt als ein durchschnittlicher Kaufmann und die Fähigkeit hat, schwierige rechtliche und wirtschaftliche Zusammenhänge zu erkennen und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft zu beurteilen In Zweifelsfällen und bei "schwierigen Deckungsgeschäften" sind juristische Sachverständige zu Rate zu ziehen, soweit solche nicht innerhalb des Aufsichtsrats selbst zur Verfügung stehen Diese Anforderungen sind nicht auf die einzelnen AR-Mitglieder, sondern auf diesen als Kollegialorgan zu beziehen.

77 7. Haftung des Aufsichtsrats
7.2. Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern Jedes einzelne muss ein gewissen „Basiswissen“ vorweisen: Gesetz geht von bestimmten Mindestqualifikationen bzw.-fähigkeiten aus: Steuerung und Überwachung von Arbeitsprozessen Erfassung wirtschaftlicher und rechtlicher Zusammenhänge Erfassen von Berichten des Vorstandes und beigezogener Sachverständiger Lesen und Analysieren von Bilanzen Kenntnis über Funktionen bestimmter Marktmechanismen ausreichendes Zeitbudget im Einzelfall abhängig von der Gesellschaft – Größe, Branche, Umsatz, Marktposition Liegen diese Voraussetzungen bei einem AR-Mitglied nicht vor, darf er die Bestellung nicht annehmen (Übernahmeverschulden).

78 7. Haftung des Aufsichtsrats
7.3. Aufgaben des Aufsichtsrats Aufgaben des AR (§ 30j GmbHG, § 95 AktG) → Überwachung der Geschäftsführung - Recht, vom Vorstand jederzeit Berichterstattung zu verlangen - Einsichtsrecht in Bücher und Schriften der Gesellschaft - Zustimmungspflicht zu einigen Geschäften → Beratung des Vorstandes/der Geschäftsführung → Einberufung einer GV bzw. HV, wenn das Wohl der Gesellschaft das erfordert → nur bei der AG: Personalhoheit über den Vorstand (Bestellung, Anstellung, zeitgerechte Abberufung) → Prüfung des Jahresabschlusses, des Vorschlags für die Gewinnverteilung und des Lageberichts sowie Bericht an die GV/HV hierüber (§ 96 AktG, § 30k GmbHG) → Aufsichtsrat muss 4 mal jährlich/vierteljährlich tagen

79 7. Haftung des Aufsichtsrats
7.3. Aufgaben des Aufsichtsrats → Überwachung ist mehrschichtig und arbeitsteilig (Vorstand, AR, Abschlussprüfer) → Überwachung in drei Stufen – Information, Beurteilung, Maßnahme → Informationswesen hat herausragende Bedeutung, hierin liegt in der Praxis die größte Fehlerquelle, verlangt wird aktive Informationserlangung – nicht bloß passives Warten → seit URÄG 08 ist bei großen AGs (Jahresumsatz über 192,5 Mio oder 96,25 Mio Bilanzsumme) verpflichtend ein Prüfungsausschuss mit folgenden Aufgaben einzurichten: → Überwachung des Rechnungslegungsprozesses → Überwachung des Internen Kontrollsystems → Überwachung der Abschlussprüfung → Prüfung und Überwachung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers

80 7. Haftung des Aufsichtsrats
7.3. Aufgaben des Aufsichtsrats Reichweite und Inhalt der Überwachungspflichten → Begleitende Überwachung: gewöhnlicher Geschäftsverlauf → Unterstützende Überwachung: Anzeichen einer Krise, Verstärkung der Überwachung – Berichtsintensität, Genehmigungsvorbehalte → gestaltende Überwachung in der Krise: alle Rechte sind wahrzunehmen, Abberufung, ständige Informationspflicht, teilweise Übernahme von Vorstandaufgaben

81 7. Haftung des Aufsichtsrats
7.3. Aufgaben des Aufsichtsrats Unternehmerisches Ermessen – Grenzen → Vorstand leitet AG in eigener Verantwortung mit unternehmerischem Ermessen → AR hat unternehmerisches Ermessen anzuerkennen → Unternehmerische Fehlschläge sind bei sorgfaltsgemäßem Handeln nicht als rechtswidrig vorwerfbar → Klarer Pflichtverstoß des Vorstandes – unbedingte Handlungspflicht des AR → Fehlschlagen der Präventivkontrolle – Pflicht zur Schadensverfolgung

82 7. Haftung des Aufsichtsrats
Exkurs: Einfluss des Corporate Governance-Kodex idF Jänner 2010 (abrufbar unter → rein private Initiative, kein Schutzgesetz → keine Anhebung der Sorgfaltspflichten oder Verhaltensstandards → höchstens Baustein für Herausbildung eines neuen Verhaltensstandards → Konkretisierung ohnehin bestehender gesetzlicher Pflichten → Erleichterung der Überprüfung und des Nachweises der Übertretung und Verletzung

83 7. Haftung des Aufsichtsrats
Exkurs: Einfluss des Corporate Governance-Kodex idF Jänner 2010 AR – Unternehmenskrise, Insolvenz → gestaltende Überwachung: AR hat einzuwirken, dass Analyse der Verlustursache, Ertragskrise erfolgt taugliches Sanierungskonzept erstellt wird zusätzliche Zustimmungsvorbehalte festgelegt werden Sachverständige beigezogen werden → Personalkompetenz wahrgenommen wird, d.h. allenfalls AR Mitglieder, Vorstandsmitglieder „austauschen“ → Abberufungsgrund Vorstand: fehlende Fähigkeit für Restrukturierung, Vertrauensverlust

84 7. Haftung des Aufsichtsrats
Exkurs: Einfluss des Corporate Governance-Kodex idF Jänner 2010 Kommunikation nach Außen wahrgenommen wird Vorstand erstellt für nächste Wochen/Monate Finanzplan + AR überwacht und kontrolliert rechtzeitig Insolvenz beantragt wird AR eigene Überschuldungsprüfung und Kontrolle der Zahlungsfähigkeit vornehmen verwirklicht keine unzulässige Einflußnahme auf Geschäftsleitung, faktische Geschäftsführung Achtung: Mandatsniederlegung zwar ohne Sachgrund zulässig, aber nicht zur Unzeit!! 82

85 7. Haftung des Aufsichtsrats
7.4. Innenhaftung des Aufsichtsrats Haftung gegenüber der Gesellschaft nach §§ 84 AktG, 25 GmbHG § 99 iVm § 84 AktG bzw. § 25 iVm § 33 GmbHG bietet nur eine Grundlage für die Haftung der AR gegenüber der Gesellschaft. Aber: bei AG Sonderregel des § 84 Abs 5 iVm § 99 AktG → Dritte können Ansprüche der Gesellschaft gegen AR-Mitglieder auch im eigenen Namen geltend machen, wenn sie von der Gesellschaft keinen Ersatz erlangen können und die AR-Mitglieder die Sorgfalt gröblich verletzt haben (in den in § 84 Abs 3 aufgezählten Fällen reicht leichte Fahrlässigkeit) Haftung gegenüber der Gesellschaft nach § 25 URG Haftung der Mitglieder eines AR, die einem vom Vorstand vorgeschlagenen Reorganisationsplan nicht zugestimmt haben und somit die notwendige Zustimmung zum Reorganisationsverfahren nicht zustande gekommen ist. Die Höhe der Haftung ist mit einem Betrag von € ,-- / Person beschränkt und hängt im Einzelnen davon ab, inwieweit der Vorstand nach § 22 URG gehaftet hätte.

86 7. Haftung des Aufsichtsrats
7.5. Außenhaftung des Aufsichtsrats Schutzgesetzverletzung, § 163a StGB Ausnahmebestimmung des § 84 Abs 5 iVm § 99 AktG Prospekthaftung Wirkt ein AR-Mitglied als verantwortliche Person an der Gestaltung eines Prospekts mit, unterfällt es dem spezialgesetzlichen Prospekthaftungsbestand gem § 80 BörseG. Generell können AR-Mitglieder in die allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftung einbezogen werden: nehmen sie in besonderem Maße auf die Gestaltung des Prospekts Einfluss und veranlassen das Fehlen von Informationen oder Fehldarstellungen, greift die allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftung. Die Haftung ist nur in engen Grenzen anzunehmen, wenn die AR-Mitglieder eigene Interessen verfolgen und hohes persönliches Vertrauen in Anspruch nehmen.

87 8. Haftung des Abschlussprüfers
8.1. Pflichten des Abschlussprüfers § 275 UGB - Abschlussprüfer ist → zur Verschwiegenheit und → zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung verpflichtet. Verletzt er vorsätzlich oder fahrlässig diese Pflicht, ist er der Gesellschaft und, wenn ein verbundenes Unternehmen geschädigt worden ist, auch diesem zu Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Kapitalgesellschaften mit Ausnahme von kleinen, nicht aufsichtsratspflichtigen GmbHs haben ihren Jahresabschluss samt Anhang sowie Lagebericht von einem Abschlussprüfer prüfen zu lassen (§ 268 UGB).

88 8. Haftung des Abschlussprüfers
8.2.Voraussetzung der Haftung des Abschlussprüfers → Schaden und Kausalität → Pflichtverletzungen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht Verwertungsverbot für Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse In beiden Fällen besteht eine direkte Verpflichtung für den Prüfer, seine Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter zur Verschwiegenheit. Sie unterliegen auch direkt dem Verwertungsverbot. Eine Haftungsbegrenzung fehlt. Missachtung der Rede- und Warnpflichten Verletzung der Verpflichtung zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung; keine direkte Gehilfenhaftung; Haftungsbeschränkungen bei Fahrlässigkeit; keine Haftungsbeschränkungen bei Kenntnis od fahrlässiger Unkenntnis der Befangenheit od Ausgeschlossenheit,

89 8. Haftung des Abschlussprüfers
8.2.Voraussetzung der Haftung des Abschlussprüfers Pflicht zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung? wird unsachgemäß geprüft, verkörpert sich der Fehler in einer unrichtigen Information, die vom Prüfer an den jeweiligen Adressatenkreis weitergegeben wird. etwa mangelhafter Prüfbericht, unrichtige Erteilung des Bestätigungsvermerks → Verschulden Objektivierter Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB Wichtig ist Unterscheidung zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit Mitverschulden der Gesellschaft? – in der Lit umstritten OGH: „Müsste sich die Gesellschaft ein mitwirkendes Verschulden ihrer Organe entgegenhalten lassen, würde die Schutzfunktion der Abschlussprüfung beeinträchtigt.“ (OGH ZIK 2001/65)

90 8. Haftung des Abschlussprüfers
8.2.Voraussetzung der Haftung des Abschlussprüfers Der Abschlussprüfer hat die Prüfungsplanung so anzulegen, dass dem internen Kontrollsystem besonderes Augenmerk geschenkt wird und die Auswahl der Prüfungshandlungen die Möglichkeit auch eines betrügerischen Handelns miteinschließt. → Haftungsbeschränkung nur bei leichter Fahrlässigkeit Ersatzpflicht ist bei leichter Fahrlässigkeit bei der Prüfung einer kleinen oder mittelgroßen Gesellschaft mit € 2 Mio, bei der Prüfung einer großen Gesellschaft mit € 4 Mio, bei Prüfung einer Gesellschaft, bei der das Fünffache eines der in Euro ausgedrückten Größenmerkmale einer großen Gesellschaft überschritten wird, mit € 8 Mio und bei Prüfung einer Gesellschaft, bei der das Zehnfache eines der in Euro ausgedrückten Größenmerkmale einer großen Gesellschaft überschritten wird, mit € 12 Mio. beschränkt.

91 8. Haftung des Abschlussprüfers
8.3. Dritthaftungsproblematik Gesetzl nicht geregelt: „Eine Klarstellung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Abschlussprüfer Dritten, insb Gläubigern und Anlegern haftet, bleibt der Rsp und zukünftigen Gesetzgebung vorbehalten (RV, 641 BlgNR XXI GP, S 97).“ Mögliche Anspruchsgrundlagen für eine Dritthaftung sind in der Lit umstritten; OGH hat in 5Ob262/01t (zuletzt 5 Ob 123/06h) die Frage richtungsweisend entschieden:

92 8. Haftung des Abschlussprüfers
8.3. Dritthaftungsproblematik Sachverhalt: Der Kl hatte aufgrund einer Werbeunterlage eine Anleihe der R-Bank gezeichnet. Die R-Bank hatte in dieser Anleihenwerbung wesentliche – günstige – Bilanzdaten mit dem vom Bekl übermittelten, jedoch noch nicht veröffentlichten Bestätigungsvermerk abgedruckt. Festgestellt wurde, dass die Bilanz grob mangelhaft erstellt worden war, wahrheitsgemäß eine Überschuldung aufweisen hätte müssen und der Bestätigungsvermerk daher falsch gewesen sei. Über die R-Bank wurde idF die Insolvenz eröffnet. Der Kl begehrte vom bekl Prüfer den Ersatz seines Anlegerschadens. Dieser wandte ua ein, dass der Bestätigungsvermerk noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sei.

93 8. Haftung des Abschlussprüfers
8.3. Dritthaftungsproblematik Mögliche Anspruchsgrundlagen: Deliktische Haftung (§ 1300 Abs 2 ABGB) in dem Fall, in dem der Prüfer wissentlich eine falsche Auskunft (etwa unrichtigen Bestätigungsvermerk) erteilt. Verletzung eines Schutzgesetzes wie §163b StGB Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (vgl OGH 5Ob262/01t, 6 Ob 39/06b, 5 Ob 123/06h, 7 Ob 269/07w) OGH: „der Prüfauftrag wird zwar von der Gesellschaft erteilt, die vielleicht gar nicht den Schutz ihrer Gläubiger beabsichtigt, hat aber, weil es um die Erfüllung einer gesetzlichen Prüfpflicht… geht, den zwingenden gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen, sodass die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers und die damit bezweckte Information potentieller Gläubiger der geprüften Gesellschaft jedenfalls Vertragsinhalt wird.“

94 8. Haftung des Abschlussprüfers
8.3. Dritthaftungsproblematik → der Prüfer schuldet den Gläubigern jene Sorgfalt, die eine dem Gesetz entsprechende, ordnungsgemäße Abschlussprüfung verlangt → Konsequenterweise lässt der OGH diese Haftungsgrundlage bei einem nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Prüfungsvermerk versagen; ABER: idF vertragliche Dritthaftung des Abschlussprüfers wenn der Geschädigte auf andere Weise als durch den gesetzlichen Zwang zur Information der Öffentlichkeit in den Schutzbereich des zwischen dem Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft gelangte; Schadenersatzpflicht des Abschlussprüfers kann sich sogar daraus ergeben, dass er nur Kenntnis von der Verwendung seines nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Prüfvermerks erhält und diesen Missbrauch nicht unverzüglich unterbindet (etwa OGH 5 Ob 123/06h)

95 8. Haftung des Abschlussprüfers
8.3. Dritthaftungsproblematik Einheitliche Haftungshöchstgrenze oder Kumulierung? von OGH nicht eindeutig beantwortet; überwiegende Lit vertritt, dass eine einheitliche Höchstbetragsgrenze für geprüfte Gesellschaft und alle anderen Geschädigten besteht, da insgesamt das Haftungsrisiko begrenzt werden soll Für Verteilung wäre möglich → eine quotenmäßige Befriedigung oder → eine Befriedigung nach dem Prioritätsprinzip (dabei wieder unklar, ob die geprüfte Gesellschaft jedenfalls Vorrang hat und die anderen Geschädigten nach Quoten befriedigt werden.) In der Literatur umstritten; vom OGH noch nicht entschieden

96 9. Kapitalmarktkommunikation in der Krise
9.1. Verschwiegenheitsverpflichtung gem. § 84 Abs 1 AktG § 84 Abs 1 AktG – vertrauliche Angaben, hierzu gehören: nicht allgemein bekannte oder offenkundige Tatsachen Interesse der Gesellschaft an der Geheimhaltung, insb Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse vom Vorstand als vertraulich definiert Die Verschwiegenheitspflicht im AktG ist kein absolutes Verbot, im Einzelfall erfolgt eine Interessen- und Risikoabwägung gegenüber Informationsweitergabe; Verschwiegenheitspflicht dient dem Schutz der Gesellschaft 96

97 9. Kapitalmarktkommunikation in der Krise
9.2. Ad-hoc-Publizität Ad-hoc-Publizität nach der Marktmissbrauchsverordnung (Verordnung EU Nr. 596/2014; kurz: MAR) Die Verpflichtung zur Veröffentlichung relevanter Insiderinformationen war bisher in § 48d BörseG geregelt. Mit ist die in allen Mitgliedsstaaten unmittelbar anwendbare MAR in Kraft getreten, die in Art 17 Regelungen zur ad-hoc-Publizität enthält (Regelungen entsprechen im Wesentlichen § 48d BörseG). 97

98 9. Kapitalmarktkommunikation in der Krise
9.2. Ad-hoc-Publizität Ad-hoc-Publizität nach der Marktmissbrauchsverordnung (Verordnung EU Nr. 596/2014; kurz: MAR) Ziel: Sicherung der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte durch entsprechend rasche Information; Sicherung von Anlegerinteressen durch die Möglichkeit, auf geänderte Umstände zu reagieren; Verhinderung von Insidertransaktionen; Inhalt: Emittenten von Finanzinstrumenten (z.B. Aktien, Schuldverschreibungen, Genussrechte, …), die im amtlichen Handel oder im geregelten Freiverkehr gehandelt werden, haben Insider-Informationen, die sie unmittelbar betreffen, unverzüglich der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Keine ad-hoc-Publizität bei Handel am ungeregelten sog. „dritten Markt“.

99 9. Kapitalmarktkommunikation in der Krise
9.2. Ad-hoc-Publizität Voraussetzungen für das Vorliegen von Insider Informationen: Es muss sich um „vertrauliche Informationen“ handeln: Dies sind öffentlich nicht bekannte, (hinreichend) genaue Informationen; Daher keine Publizitätspflicht gem. Art 17 MAR, wenn Informationen bereits über entsprechende Informationskanäle (z.B. Reuters oder Bloomberg) oder über Presseberichte öffentlich bekannt geworden sind. Information muss weiters „hinreichend genau“ sein. Es muss eine hinreichender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt eines bestimmten Ereignisses (etwa Vertragsabschluss) auszugehen sein. 99

100 9. Kapitalmarktkommunikation in der Krise
9.2. Ad-hoc-Publizität Voraussetzungen für das Vorliegen von Insider Informationen: Der Information muss eine „wesentliche Kursrelevanz“ zukommen, d.h. wenn sie öffentlich bekannt würde, wäre diese Information geeignet, den Kurs dieser Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, weil ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde; Bei der Beurteilung der Kursrelevanz ist je nach Art der Wertpapiere zu unterscheiden: Bei Anleihen ist bereits bei geringerer zu erwartender Kursschwankung (etwa 5 %, strittig) von einer „wesentlichen Kursrelevanz“ auszugehen als bei Aktien (etwa 10 %; strittig) 97

101 9. Kapitalmarktkommunikation in der Krise
9.2. Ad-hoc-Publizität Ad-hoc-Meldung Bekanntmachung nach der Veröffentlichungs- und MeldeVO Verständigung der FMA und des Börseunternehmens (einstweiliges) Unterbleiben der Veröffentlichung dann zulässig wenn alle folgenden 3 Voraussetzungen vorliegen: Veröffentlichung schadet berechtigten Interessen des Emittenten (zB Sanierungsverhandlungen wären dadurch gefährdet) Öffentlichkeit wird durch Unterbleiben der Veröffentlichung nicht irregeführt (kursieren aber bereits Gerüchte, ist eine Veröffentlichung geboten) Vertraulichkeit der Information muss gewährleistet sein 101

102 9. Kapitalmarktkommunikation in der Krise
9.2. Ad-hoc-Publizität Sanktion bei Verstoß gegen ad-hoc-Bestimmungen Im Fall eines Verstoßes gegen die Publizitätspflichten nach der MAR kann es zu einer verwaltungsstrafrechtlichen, strafrechtlichen und/oder zivilrechtlichen Verantwortlichkeit kommen. 102

103 9. Kapitalmarktkommunikation in der Krise
9.2. Ad-hoc-Publizität Sanktion bei Verstoß gegen ad-hoc-Bestimmungen Verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit: Ad-hoc-Publizitätspflichtverletzung Geldstrafe (Art 17 und 30 MAR) von bis zu € ,-- bei natürlichen Personen und bis zu € ,-- (bzw. 2 % des jährlichen Gesamtumsatzes) bei juristischen Personen 103

104 9. Kapitalmarktkommunikation in der Krise
9.3. Strafrechtliche Verantwortlichkeit: § 163a StGB: Verbot unrichtiger Darstellungen (Jahres-, Konzernjahresabschluss, Berichte an die Öffentlichkeit; echte Konkurrenz zu Betrug, 1 Jahr Freiheitsstrafe) unrichtige Angaben bei prospektpflichtigen Wertpapieren oder Veranlagungen gem § 15 KMG Betrug, §§ 146 ff StGB Insiderhandel, § 48b BörseG, max 5 Jahre Freiheitsstrafe 104

105 9. Kapitalmarktkommunikation in der Krise
9.4. Sanktion bei Verstoß gegen ad-hoc-Bestimmungen - Zivilrechtliche Verantwortlichkeit: Schutzgesetzverletzung, § 1311 ABGB falsche Auskunftserteilung, § 1300 ABGB culpa in contrahendo Prospekthaftung gem § 11 KMG Organhaftung: vgl insb § 84 AktG zur Haftung der Vorstandsmitglieder, für Haftung der Aufsichtsratmitglieder gelten gem § 99 AktG die Bestimmungen des § 84 AktG sinngemäß Haftung des Abschlussprüfers (inkl Dritthaftung) 105


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