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Pathologischer PC-/Internetgebrauch: Störungsbild Dipl. -Psych. Dr

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Präsentation zum Thema: "Pathologischer PC-/Internetgebrauch: Störungsbild Dipl. -Psych. Dr"—  Präsentation transkript:

1 Pathologischer PC-/Internetgebrauch: Störungsbild Dipl. -Psych. Dr
Pathologischer PC-/Internetgebrauch: Störungsbild Dipl.-Psych. Dr. Jörg Petry (

2 Übersicht Neue Medien Störungsmodell 3. Wirkungsforschung
4. Klinische Forschung 5. Diagnostik

3 Übersicht Neue Medien Störungsmodell 3. Wirkungsforschung
4. Klinische Forschung 5. Diagnostik

4 Begrifflichkeit „Zocken“ beim Gaming und „responsible Gaming“ im Casino? Playing: Spaß im Kinderspiel, z. B. Asiatischer Drogenhandel Gaming: Kompetenz beim Wettbewerbspiel, z. B. NIM Gambling: Zufall bei Geldwetten, z. B. Losen Ashley, L.R.N. (1990). „The Words of My Mouth, and the Meditation of My Heart“: The Mindset of Bablers Revealed in Their Language. Journal of Gabmling Studies, 6, 241 – 261.

5 Das Medium ist die Botschaft
McLuhan, M. (1994) Die magischen Kanäle. Dresden: Verlag der Kunst (Amer. Orig. 1964).

6 Gedankenexperiment* Stellen Sie sich eine Welt vor, die mit unserer identisch ist, bis auf einen Unterschied: Video- und Computerspiele sind lange vor Büchern erfunden und verbreitet worden. In dieser Welt spielen Jugendliche und Erwachsene schon seit vielen Hundert Jahren solche virtuellen Spiele – aber plötzlich erscheinen gedruckte Texte auf dem Markt und sind in kürzester Zeit der letzte Schrei. Was würden Kulturpessimisten zu dieser neuen „Bucherepidemie“ und „Lesesucht“ wohl sagen? *Bertram, G.W. (2012). Philosophische Gedankenexperimente. Stuttgart: Reclam.

7 Umbruchzeiten Es lassen sich drei größere Umbrüche in der Geschichte der Medien feststellen, die unsere Realitätswahrnehmung mitbestimmen: Der Gebrauch der Sprache (Oralität), die Entstehung der Schrift (Literalität) und die Entwicklung elektronischer Medien (Virtualität). Die Durchdringung des Alltages durch die Literalität als Folge des mechanischen Druckverfahrens (Gutenberg-Galaxie) wird aktuell durch die digitale Technik des Computers (Turing-Maschine) in Verbindung mit dem Internet zurück gedrängt. Damit entbrennt erneut der Streit zwischen Utopisten und Kulturpessimisten. McLuhan, M. (1994). Die magischen Kanäle. Dresden: Verlag der Kunst (Amer. Orig. 1964).

8 Umbruchzeiten „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung“ Kaiser Wilhelm der II.

9 Medienwelten

10 Medienwelten

11 Von der Gutenberg-Galaxie zu den Neuen Medien
Medienwelten Von der Gutenberg-Galaxie zu den Neuen Medien Spigel, L. (2013). Medienhaushalte: Damals und heute. Zeitschrift für Medienwissenschaft, 9(2), 79 – 94 (Englisches Original 2001).

12 Medienwelten Junge im Buchladen (Foto Ilona Füchtenschnieder-Petry)

13 Medienwelten Mädchen am Bodensee/Bregenz (Foto Jörg Petry)

14 Das Medium PC/Internet
Multimedialität Vernetztheit Instantität Interaktiviät Omnipräsenz

15 Übersicht Neue Medien Störungsmodell 3. Wirkungsforschung
4. Klinische Forschung 5. Diagnostik

16 Ressourcenorientiertes dynamisches Modell (Annahmen)
Kontinuum vom funktionalen über den exzessiv-dysfunktionalen bis zum pathologisch-süchtigen PC/Internetgebrauch Wechselwirkung zwischen medienbezogenen Merkmalen und personalen/sozialen Ressourcen der Nutzerpersönlichkeit Teufelskreisartige Einschränkung der Selbstregulation mit verminderter Medienkompetenz Six, U., Gleich, U. & Schröder, A. (2005). Determinanten funktionalen bis dysfunktionalen-süchtigen Internetgebrauchs. In K.-H. Renner, A. Schütz & F. Machilek (Hrsg.): Internet und Persönlichkeit (S. 223 – 237). Göttingen: Hogrefe.

17 Ein klinisch-heuristisches Störungsmodell (Ausgangspunkt)
Biopsychosoziales Bedingungs- und Veränderungsmodell Allgemeinpsychologisches Handlungsmodell Integration medienpsychologischer und entwicklungspsychopathologischer Erklärungsansätze Kasuistik (N = 100) und klinische Pilotstudien Petry, J. (2010). Dysfunktionaler und pathologischer PC- und Internet-Gebrauch. Göttingen: Hogrefe.

18 Ein klinisch-heuristisches Störungsmodell (Ätiologie)
Störung der sozialen Identitätsentwicklung durch umweltbedingte Deprivationen (vgl. Pfeiffer et al., 2007) Unsichere Bindungsorganisation im Sinne Bowlbys (19934) Neuropsychologische Inkonsistenz im Sinne Grawes (2004) Bowlby, J. (19934) A secure base: Clinical applications of attachement theory. London: Routledge Grawe, K. (2004). Neuropsychologie. Göttingen: Hogrefe Pfeiffer, C. et al. (2007). Die Pisa-Verlierer – Opfer ihres Medienkomsums. Hannover: Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen.

19 Ein klinisch-heuristisches Störungsmodell (Pathogenese)
Regressiver Rückzug in die kindliche Phantasiewelt des Spielens zur Kompensation im Sinne Adlers (1974) Passgenaue Verbindung frustrierter Grundbedürfnisse und medialen Angeboten Das Arbeitsmittel PC/Internet wird zum Lieblingsspielzeug mit hoher subjektiver Valenz (Oerter, 1993) Adler, A. (1974). Praxis und Theorie der Individualpsychologie. Frankfurt/M.: Fischer Oerter, R. (1993). Psychologie des Spiels. München: Quintessenz.

20 Ein klinisch-heuristisches Störungsmodell (Typologie)
Das häufigste Erscheinungsbild ist das männliche Gamen. Quelle des Fotos: „Sogar der Müll wird besser.“ Interview mit Steven Johnson mit Bildern von Phil Toledano, NEON, April 2006, S

21 Der Reiz des Gamens Die Games dienen dem Erleben von Gefühlen (von Brincken & Konietzny, 2012), dem spielerischen Aktivsein und der Bearbeitung von Entwicklungsthemen im Identifikationsprozess mit dem virtuellen Stellvertreter (Avatar) vor allem bei männlichen Heranwachsenden. Diese Computerspiele (Narrativ) beziehen sich auf den Kampf und Wettbewerb, die Eingliederung in eine Gruppe von Gleichaltrigen und die Übernahme von leistungsbezogenen Rollen. Aufgrund der Interaktivität des Spielablaufs (Ludus) mit einem schnellen Handlungsfluss entstehen Glücksgefühle (Flow) und Selbstwirksamkeitserfahrungen. Durch die Vernetzung mit den Mitkämpfern bildet sich ein Gefühl der Zugehörigkeit mit sozialer Anerkennung.. Kaminski, W. & Lorber, M. (HRSG.). (2006). Computerspiele und soziale Wirklichkeit. München: Kopaed Van Brinken, J. & Konietzny, H. (Hrsg.). (2012). Emotional Gaming. München: Epodium.

22 Ein klinisch-heuristisches Störungsmodell (Typologie)
Das zweithäufigste Erscheinungsbild ist das weibliche Chatten. „Im Internet weiß niemand, dass Du ein Hund bist!“

23 Der Reiz des Chats Die Anonymität, zeitliche Kontrolle und der unkörperliche Kontakt sind vor allem für Mädchen und Frauen attraktiv, da durch die hergestellte Distanz besonders intime Beziehungen entstehen können. Nach Walters (1996) ermöglichen die idealisierenden wechselseitigen Projektionen „hyperpersonale Beziehungen“. Der Chat ermöglicht den Austausch von Erlebnissen, Gedanken und Gefühlen und eine freie Selbstdarstellung. Jenseits von traditionellen Rollenvorstellungen können nach Döring (2010) sonst nicht zugebilligte Bedürfnisse in einem geschützten Rahmen ausgelebt werden. Dies gilt insbesondere für den Flirt bei Mädchen und den erotischen Austausch bei Frauen. Döring, N. (2010). Sozialkontakte online: Identitäten, Beziehungen, Gemeinschaft. In W. Schweiger, K. Beck (Hrsg.). Handbuch Online-Kommunikation (S. 159 – 183). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften Walther, J.B. (1996). Computer-mediated Communication: Impersonal, Interpersonal, and Hyperpersonal Interaktion. Communication Researach, 23, 3-43.

24 Ein klinisch-heuristisches Störungsmodell (Chronifizierung)
Zunehmende Einschränkung von Handlungsoptionen durch die Online-Aktivität mit Vernachlässigung alternativer Ressourcen Gewohnheitsbildung zu einem weniger bewussten, impulsiveren und reizgesteuertem Handlungsmodus Teufelskreisartige Verstärkung durch negative Konsequenzen, insbesondere den sozialen Rückzug Six, U., Gleich, U. & Schröder, A. (2005). Determinanten funktionalen bis dysfunktionalen-süchtigen Internetgebrauchs. In K.-H. Renner, A. Schütz & F. Machilek (Hrsg.): Internet und Persönlichkeit (S. 223 – 237). Göttingen: Hogrefe.

25 Ein klinisch-heuristisches Störungsmodell (Differentialdiagnose)
Zur differentialdiagnostischen Abgrenzung von Suchterkrankungen liegen Hinweise vor: Empirisch: Es liegt kein rauschtypisches dissoziatives Erleben vor (Petry, 2010: S. 128) Die erhöhte Suizidalität korreliert nicht mit der Anzahl der DSM-5 Kriterien, sondern erklärt sich aus den komorbiden Störungen (Bischof et al., 2016) Die Verhaltenskontrolle Im TPF (Becker, 1989) liegt im Normbereich (Petry, 2010: S. 129) Klinisch: Es treten keine Entzugserscheinungen auf Es zeigen sich keine Tendenzen zur Verschuldung oder zu delinquentem Verhalten Keine erhöhte Mortalität durch Suizide, Unfälle, körperliche Folgeerkrankungen Becker, P. (1989). Der Trierer Persönlichkeitsfragebogen TPF. Göttingen: Hogrefe Bischof, A.; Bischof, G.; Besser, B.; Meyer, C.; John, U.; Wurst, F.M.; Thon, N. & Rumpf, H.-J. (2016). Der Zusammenhang von Suizidalität und problematischer Internetnutzung. Programm und Abstracts Deutscher Suchtkongress 2016, Sucht, 62(Supplement 1), S Petry, J. (2010). Dysfunktionaler und pathologischer PC- und Internet-Gebrauch. Göttingen: Hogrefe.

26 Ein klinisch-heuristisches Störungsmodell (Nosologie)
Beim pathologischen PC-/Internetgebrauch vom Gaming- und Chatting-Typ handelt es sich um eine entwicklungspsychopathologische Störung des sozialen Beziehungsverhaltens. Entsprechend erfolgt die Einordnung als „andere näher bezeichnete Persönlichkeits- und Verhaltensstörung“ (ICD-10: F68.8). Unter 18 Jahren sollte bei Behandlungsbedarf eine „nicht näher bezeichnete emotionale Störung des Kindesalters“ (F93.9) oder „nicht näher bezeichnete Verhaltens- oder emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F98.9) diagnostiziert werden. Ein vorübergehender exzessiver PC-/Internetgebrauch bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sollte lediglich als problematisches Risikoverhalten eingeordnet werden. Dilling, H. et al. (Hrsg.). (1991). Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD 10. Bern: Huber. Petry, J. (2014/2015). Pathologischer PC/Internetgebrauch: Störungsbild, Behandlung und Forschung Teil 1 und Teil 2, Psychodynamische Psychotherapie, 13(3), und 14(1), 47 – 53. Remschmidt, H. et al. (Hrsg.). (2006). Multiaxiales Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters nach ICD-10 und DSM-IV. Bern: Huber.

27 Ein klinisch-heuristisches Störungsmodell (Nosologie)
Nach dem DSM-5 (APA, 2013) wird die Kategorie „Internet Gaming Disorder“ als fortgesetztes/wiederkehrendes Internetspielen, das zu bedeutsamen Einschränkungen/Nachteilen führt, in das Kapitel III zur weiteren Forschung aufgenommen und mit 9 klassischen Suchtkriterien operationalisiert. Es müssen 5 von 9 Kriterien innerhalb von 12 Monaten erfüllt sein. Das Störungsbild bezieht sich nicht auf Glücksspiele und nicht auf sexuelle Inhalte im Internet. American Psychiatric Association (Ed.). (2013). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition (DSM-5). Washington, DC: American Psychiatric Association.

28 Ein klinisch-heuristisches Störungsmodell (Pathoplastik)
Aufgrund der Weiterentwicklung der Neuen Medien ist mit einem historischen Wandel des Störungsbildes im Sinne pathoplastischer Veränderungen des Erscheinungsbildes zu rechnen. Die JIM-Studie 14 bestätigt die anhaltende Dominanz von Games bei Jungen (26 % vs. 9 %) und der Kommunikation bei Mädchen (51 % vs. 37. %). Aufgrund des früheren Einstiegs sind die Identitätsentwicklung und die soziale Beziehungsbildung viel stärker von der virtuellen Erlebnisweise bestimmt. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.). (2015). JIM-Studie 14: Jugend, Information, (Multi-)Media. Stuttgart: LA für Kommunikation Baden-Württemberg.

29 Kriterien des pathologischen PC-/Internetgebrauchs
Exzessive Onlineaktivität, speziell vom Gaming-, Chatting- und Surfing/Streaming-Typ Reduzierte Handlungskontrolle bei automatisierter PC-/Internetaktivität mit geringer Medienkompetenz sowie Schul-/Studienabbruch und Partner-/Arbeitslosigkeit Überwertiges Immersionserleben mit Kontrollerlebnissen und dem Wunsch nach sozialer Anerkennung durch virtuelle Partner Verminderte Gewissenhaftigkeit, d. h. geringe planerische Durchhaltefähigkeit in Alltag, Schule und Beruf. Soziale Deprivation in Familien mit niedrigem Einkommen, geringem Bildungsniveau der Eltern und Migrationshintergrund Kompensation ungünstiger Bindungserfahrungen in der virtuellen Beziehungswelt Erhöhte „Inkonsistenz“ im Sinne der Neuropsychotherapie mit ausgeprägter Selbstwertstörung Hohe Komorbiditätsrate, insbesondere depressive Störungen, soziale Phobie und missbräuchliches/abhängiges Suchtverhalten (Alkohol, Cannabis) Typische Konstellation negativer körperlicher, psychischer und sozialer Folgen Petry, J. (2010). Dysfunktionaler und pathologischer PC- und Internet-Gebrauch. Göttingen: Hogrefe.

30 Übersicht Neue Medien Störungsmodell 3. Wirkungsforschung
4. Klinische Forschung 5. Diagnostik

31 Folgen der Mediennutzung
„Wenn man nicht ständig Selfies postet, wird man schnell für tot erklärt!“ Quelle:

32 Folgen der Mediennutzung (Kognition)
Als Folgen eines exzessiven PC/Internetgebrauchs zeigen sich hinsichtlich der kognitiven Leistungsfähigkeit sowohl positive als auch negative Effekte (Maass et al., 2011). Es finden sich bei moderater Nutzung Verbesserungen der Reaktionszeit, spezieller Aufmerksamkeits- und Wahrnehmungsleistungen, der Gedächtnis- und Kontrollfunktionen, der räumlichen Vorstellungsfähigkeit und bei Problemlösekompetenzen (Berdisch, 2014). Aussagekräftige klinische Studien fehlen bisher. Es besteht nur ein geringer Zusammenhang mit dem Schulerfolg, der stärker von der allgemeinen Intelligenz und dem Bildungsniveau des Elternhauses abhängt (Mößle, 2012). Berdich, C. (2014) Pro Gaming. Saarbrücken: AV Akademiker Verlag Maass, A. et al. (2011). Does media use have a short-term impact on cognitive performance? Journal of Media Psychology, 23(2), 65 – 76. Mößle, T. (2012). „dich, dumm, abhängig, gewalttätig? Baden-Baden: Nomos.

33 Folgen der Mediennutzung (Kognition)
Im „Selective Attention Test“ (Chabris & Simons, 1999) wird die „Inattentional Blindness“ erfasst: Es sollen die Pässe eines von zwei Basketballteams gezählt werden. Im Anschluss werden die Versuchspersonen befragt, ob sie in dem Video noch etwas Ungewöhnliches bemerkt hätten. In dem weniger als eine Minute andauerndem Video kam eine Studentin in einem Gorillakostüm in die Szene, stoppte in der Mitte zwischen den Spielern, sah in die Kamera, schlug sich auf die Brust und verschwand nach insgesamt neun Sekunden (YouTube). Chabris, C. & Simons, D. (2010). The Invisible Gorilla. London: Harper Collins (Dt. 2011). Simons, D. & Chabris, C. (1999), Gorilla in Our Midst: Sustained Inattentional Blindness for Dynamic Events Perception, 28, 1059 – 1074.

34 Folgen der Mediennutzung (Kognition)
Im Vergleich zu den Nichtspielern (0 – 3 Std./Woche seit 0 – 2 Jahren) wurde der Gorilla von den Spielern (bis zu über 16 Std./Woche und bis über 10 Jahre) signifikant häufiger entdeckt (Berdich; 2014: S. 69). Gruppe: Gorilla nicht entdeckt Gorilla entdeckt Summe (%) Nichtspieler 76 % (22) 24 % (7) 100 % Spieler 39 % (21) 61 % (33) Summe (N) (43) (40) (83) Berdich, C. (2014) Pro Gaming. Saarbrücken: AV Akademiker Verlag.

35 Folgen der Mediennutzung (Aggressivität)
Die Förderung der Aggressivität und bei Verminderung prosozialen Verhaltens durch gewaltbezogene Video- und Computerspiele wird metaanalytisch kontrovers diskutiert (Huesmann, 2010; Ferguson & Kilburn, 2010). Die eher positiven Effekte sind durchweg klein und müssen im Kontext familiärer und sozialer Bedingungen gesehen werden (Appel & Schreiner, 2014). Nach Yee und Bailenson (2007) hängt der Effekt eines Computerspiels davon ab, welche Rolle der Spieler dabei einnimmt, d. h. ob es sich z. B. um einen „Killer“ oder einen „Superhelden“ (Rosenberg et al., 2013) handelt. Appel, M. & Schreiner, C. (2014). Digitale Demenz? Mythen und wissenschaftliche Befundlage zur Auswirkung von Internetnutzung. Psychol. Rundschau, 65(1), 1 – Ferguson, C.J. & Kilburn, J. (2010). Much Ado About Nothing. Psychology Bulletin, 136(2), Huesmann, L.R. (2010). Nailing the Coffin Shut on Doubts that Violent Games Stimulate Aggression. Psychology Bulletin, 136(2), Rosenberg, R.S. et al. (2013). Virtuel Superheroes. PLOS ONE, 8(1), 1 – 9. Yee, N. & Bailenson, J. (2007). The Proteus Effect. Human Communication Research, 33, 271 – 290.

36 Amok laufen Ein Amoklauf resultiert aus dem Zusammenspiel der
sozialen Lebenswelt (Schulversagen, Demütigungen im Freundeskreis und/oder Vernachlässigung im Elternhaus), der Person des Täters (psychopathische, psychotische oder traumatisierte Persönlichkeit) und Der Tatumstände (Verfügbarkeit von Waffen und deren Gebrauch.). Langman, P. (2009). Amok im Kopf: Warum Schüler töten. Weinheim: Beltz Waldrich, H.-P. (2007). In Blinder Wut: Warum junge Menschen Amok laufen. Köln: PapyRossa.

37 Folgen der Mediennutzung (Einbindung)
Zwischen Nutzung der Neuen Medien und sozialer Einbindung zeigen Längsschnittuntersuchungen bei moderater Nutzung einen positiven Zusammenhang zwischen Internetnutzung und soziale Interaktion mit Freunden (Appel und Schreiner, 2014). Es kommt zu keiner eskapistischen Vereinzelung sondern einer komplementären Erweiterung des sozialen Netzwerkes (Döring, 2010; Cingel & Krcmar, 2014). Die Identität kann entwickelt, zwischenmenschliche Beziehungen gepflegt und soziale Gemeinschaften gegründet werden. Appel, M. & Schreiner, C. (2014). Digitale Demenz? Mythen und wissenschaftliche Befundlage zur Auswirkung von Internetnutzung. Psychol. Rundschau, 65(1), 1 – Cingel, D,P. & Krcmar, M. (2014). Undestanding the Experience of Imaginary Audience in a Social Media environment. Journal of Media Psychology, 26(4), 155 – Döring N (2010). Sozialkontakte online: Identitäten, Beziehungen, Gemeinschaft. In W Schweiger, K Beck (Hrsg.): Handbuch Online-Kommunikation (S 159 – 183). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

38 Computer unterstützender Unterricht
Völlig selbstständiges Lernen am Computer hat keine positiveren Effekte als ein traditioneller face-to-face Unterricht. Im Mittel zeigt ein kombinierter Unterricht höhere Lernerfolge als ein reiner face-to-face Unterricht. Ein durch Computerspiele angereicherter Unterricht zeigt sich einem traditionellen Unterricht überlegen. (Appel & Schreiner, 2014). Appel, M. & Schreiner, C. (2014). Digitale Demenz? Mythen und wissenschaftliche Befundlage zur Auswirkung von Internetnutzung. Psychol. Rundschau, 65(1), 1 – 120

39 Übersicht Neue Medien Störungsmodell 3. Wirkungsforschung
4. Klinische Forschung 5. Diagnostik

40 Epidemiologie Nach der repräsentativen Bevölkerungsbefragung von Rumpf und Mitarbeitern (2011) werden 1,5% (CIUS-Cut-off-Point 28) bzw. 1% (Latent Class-Analyse) als „Internetabhängig“ geschätzt. Eine neuere repräsentative Befragung von Ferstl und Mitarbeitern (2013) stellt lediglich bei 0,2% der Gamer als der größten Untergruppe eine Computerabhängigkeit fest. Diese epidemiologischen Befunde sind bisher jedoch nicht klinisch validiert worden. Ferstl, R.; Scharkow, M. & Quandt, T. (2013). Problematic Computer Game Use Among Adolescents, Younger and Older Adults. Addiction, 108(3), Rumpf, H.-J.; Meyer, C.; Kreuzer, A. & John, U. (2011). Prävalenz der Internetabhängigkeit (PINTA). Lübeck und Greifswald: Bericht an das Bundesministerium für Gesundheit.

41 Epidemiologie Die eingesetzten Screeningverfahren eignen sich aufgrund ihrer testkonstruktiven Merkmale nicht zur Schätzung der niedrigen Prävalenzrate des pathologischen PC-/Internetgebrauchs in der Bevölkerung (Uhl, 2014). Uhl, A. (2014). Populär aber irreführend: Forschung mit „pseudo-klinischen Stichproben“ aus Bevölkerungsbefragungen, Sucht, 60(2), 123 – 125.

42 Alters- und Geschlechtsunterschiede im Querschnitt
Instabilität Alters- und Geschlechtsunterschiede im Querschnitt Geschlecht Alter Weiblich Männlich 5,0% 4,5% 15 -17 2,8% 5,8% 18 -20 1,9% 3,8% 21 – 24 0,0% 1,5% Meixner-Dahle, S. (2010). Pathologische Internetnutzung im Jugendalter. Sucht Aktuell, 17(1), 53 – 56.

43 Instabilität Im Längsschnitt (N = 891)*
Typ T1 T2 T3 N % Unproblematische (-) - 826 91,6 Beginner + 13 1,4 2 0,2 Problematische (+) 9 1,0 Beender 22 2,4 Inkonsistente 16 1,8 1 0,1 *kein Antworter erfüllte über die drei Messzeitpunkte die Kriterien einer Internetsucht Scharkow, M.; Ferstl, R. & Quandt, T. (2014). Longitudinal patterns of problemtic computer game use among adolescents and older adults – a 2-year panel study. Addiction: dot: /add

44 Umweltbedingte Deprivation
Pilotstudie (N = 42) Vorwiegend Männer (85,7 %) Hohe Arbeitslosigkeit (45,2 %) Hohe Partnerlosigkeit (73,8 %) Vergleichsstudie (N = 100) Durchschnittlich jüngere Patienten (30 J.) Vorwiegend Männer (90 %) Hohe Arbeitslosigkeit (66 %) Petry, J. (2010). Dysfunktionaler und pathologischer PC- und Internet-Gebrauch. Göttingen: Hogrefe. Schuhler, P.; Sobottka, B.; Vogelgesang, M.; B.; Fischer, T.; Flatau, M.; Schwarz, S.; Brommundt, A. & Beyer, L. (2012). Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch bei PatientInnen der stationären psychosomatischen und Suchtrehabilitation. Lengerich: Pabst.

45 Unsichere Bindungsorganisation
Von Schuhler (2010) wurde auf die ungünstigen Bindungserfahrungen mit Kompensationsversuchen im PC-/Internetgebrauch hingewiesen und ein Interviewleitfaden entwickelt (Schuhler & Vogelgesang, 2012: S. 80f. u. 172f.). Greschner et al. (2015) zeigen in einer Querschnittstudie bei Jugendlichen über 15 Jahren (5 Gamer und 5 Chatter) im Vergleich mit Kontroll-Jugendlichen, die nach Alter und Bildung parallelisiert waren, dass die Jugendlichen mit pathologischem PC-/Internetgebrauch häufiger unsichere und desorganisierte Bindungsstile aufweisen. Greschner, M., Lindenberg, K., Mürmann, A., Reck, C., Romer, G., Weisbrod, M., & Strittmatter, E. (2015). Bindungsstile bei Probanden mit pathologischem Internetgebrauch. XXXIV. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) in München Pet Schuhler, P. (2010). Bindungsdynamische Sichtweise. In J. Petry: Dysfunktionaler und pathologischer PC- und Internet-Gebrauch (S. 57 – 64). Göttingen: Hogrefe Schuhler, P. & Vogelgesang, M. (2012). Pathologischer PC- und Internet-Gebrauch. Göttingen: Hogrefe .

46 Neuropsychologische Inkonsistenz
Bei N = 39 stationär behandelten pathologischen PC-/Internetgebrauchern (Sobottka, 2016) ergaben sich im Inkongruenzfragebogen T-Werte von INK-A: 69 (Annäherungsziele) und INK-V: 61 (Vermeidungsziele) Die Gesamt-Inkongruenz (INK-G) liegt mit einem T-Wert von 69 zwischen den Werten ambulant und stationär behandelter Psychotherapiepatienten (Holtforth et al., 2004). Holtforth, M.G.; Grawe, K. & Tamcan, Ö., (2004). Inkongruenzfragebogen: Manual. Göttingen: Hogrefe Sobottka, B. (2016). Untersuchungsergebnisse einer Stichprobe von stationär behandelten pathologischen PC-/Internetgebrauchern mit dem Inkongruenzfragebogen. Lübstorf: Persönliche Mitteilung.

47 Typische Persönlichkeit (Pilotstudie*)
Extrem eingeschränkte Seelische Gesundheit (T = 27) bei normaler Verhaltenskontrolle (T = 49) im TPF Deutlich eingeschränkter Selbstwert (T-Werte zwischen 32 und 36) in der MSWS Verstärkte Furcht vor sozialer Zurückweisung ( T = 62,6) im MMG *Konsekutiv stationär behandelte Patienten (N = 29) Trierer Persönlichkeitsfragebogen (TPF) Multidimensionale Selbstwertskala (MSWS) Multi-Motiv-Gitter (MMG) Petry, J. (2010). Dysfunktionaler und pathologischer PC- und Internet-Gebrauch. Göttingen: Hogrefe.

48 Vergleichende Psychopathologie
Inzwischen verweisen erste Vergleichsuntersuchungen mit unauffälligen PC/Internetnutzern (Kratzer, 2006; Lampen-Imkamp & te Wildt, 2009) und mit klinischen Gruppen von Alkoholabhängigen und depressiven Störungen (Lampen-Imkamp & te Wildt, 2009) auf die Störungsspezifität des neuen Krankheitsbildes. Kratzer, S. (2006). Pathologische Internetnutzung: Eine Pilotstudie zum Störungsbild. Lengerich: Pabst Lampen-Imkamp, S. & te Wildt, B. (2009). Phänomenologie, Diagnostik und Therapie der Internet- und Computersucht. In J. Hardt; U. Cramer-Düncher & m. Ochs (Hrsg.): Verloren in virtuellen Welten (S ). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

49 Spezifische Vulnerabilität
Ein zentrales Merkmal der psychischen Vulnerabilität scheint das Merkmal einer reduzierten Gewissenhaftigkeit zu sein. Es handelt sich um ein Merkmal der Big Five (Borkenau & Ostendorf, 2008), womit die Fähigkeit zur planerischen und ausdauernden Verfolgung von Zielen im Alltag und im schulischen und beruflichen Bereich erfasst wird. Borkenau, P. & Ostendorf, F. (2008). NEO-Fünf-Faktoren-Inventar nach Costa und McCrae: Manual. Göttingen: Hogrefe. Müller, K.W.; Koch, A.; Dickenhorst, U.; Beutel, M.E.; Duven, E. & Wölfling, K. (2013). Addressing the Question of Disorder-Specific Risk Factors of Internet Addition. BioMed Research International, Vol Article ID Wölfling, K. & Müller, K.W. (2009). Computerspielsucht. In D. Batthyany & A. Pritz (Hrsg.): Rausch ohne Drogen – Substanzungebundene Süchte. Wien: Springer.

50 Diskriminatives Merkmal
Im Vier-Gruppen-Vergleich bestätigt sich die besondere diskriminative Validität dieses Merkmals. Skalenmittelwerte Neurotizismus Extraversion Offenheit für Erfahrungen Verträglichkeit Gewissenhaftigkeit Path. PC-/Internetgebrauch Glücksspielsucht Alkoholabhängigkeit Psychosomatische Störungen Schuhler, P.; Sobottka, B.; Vogelgesang, M.; & Fischer, T. (2013). Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch bei PatientInnen der stationären psychosomatischen und Suchtrehabilitation. Lengerich: Pabst.

51 Komorbidität Im Strukturierten Klinischen Interview SKID I (Wittchen et al., 1997) können psychische Störungen reliabel nach DSM-IV diagnostiziert werden. In nationalen und internationalen Bevölkerungs- und klinischen Studien zeigt sich ein einheitliches Bild der komorbiden Störungen bei pathologischem PC-/Internetgebrauch (te Wildt & Vukicevic, 2012) Te Wildt, B.T. & Vukicevic, A. (2012). Komorbidität bei Internet- und Computerspielabhängigkeit. In C. Möller (Hrsg.). Internet- und Computersucht (S ) Stuttgart: Kohlhammer Wittchen, H.-U.; Wunderlich, U.; Gruschwitz, S. & Zaudig, M. (1997). SKID I Strukturiertes Klinisches Interview: Achse I Psychische Störungen: Interviewheft und Beurteilungsheft. Göttingen: Hogrefe.

52 Typische Komorbidität
Pilotstudie (N = 42) Depressive Störung (61,9 %) Suchtmittelabhängigkeit (40,04 %) Persönlichkeitsstörung (33,3 %) Angststörungen (14,3 %) Vergleichsstudie (N = 100) Depressive Störung (26,9 %) Suchtmittelabhängigkeit (10,4 %) Persönlichkeitsstörung (13,2 %) Angststörungen (8,0 %) Petry, J. (2010). Dysfunktionaler und pathologischer PC- und Internet-Gebrauch. Göttingen: Hogrefe Schuhler, P.; Sobottka, B.; Vogelgesang, M.; B.; Fischer, T.; Flatau, M.; Schwarz, S.; Brommundt, A. & Beyer, L. (2012). Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch bei PatientInnen der stationären psychosomatischen und Suchtrehabilitation. Lengerich: Pabst.

53 Typische Folgenkonstellation
Es findet sich eine typische Konstellation negativer körperlicher, psychischer und sozialer Folgen: Sozial: Radikaler Sozialer Rückzug Psychisch: zunehmende sozialphobische Ängste Körperlich: am häufigsten Ernährungs- und Stoffwechselstörungen und Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems: 43,7 % bzw. 27,5 % aller somatischer Diagnosen (Schuhler et al., 2013: S. 55). Natürlich handelt es sich dabei um einen komplexen Wechselprozess zwischen ursprünglich vorhandenen und aus dem Problemverhalten folgenden Faktoren. l Än Schuhler, P.; Sobottka, B.; Vogelgesang, M.; & Fischer, T. (2013). Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch bei PatientInnen der stationären psychosomatischen und Suchtrehabilitation. Lengerich: Pabst.

54 Eigenständiges Störungsbild
Zentroid Gruppe ‚PC‘ Zentroid Gruppe ‚and. psych. Störungen‘ ‚Abhängigkeit‘ ‚Glücksspielen‘ Der pathologischer PC-/Internetgebrauch ist ein eigenständiges Störungsbild, das sich bei Erfassung der Persönlichkeit, interpersoneller Problematiken und klinischer Symptomatiken von stofflichen und nicht stoffgebundenen Süchten sowie psychosomatischen Erkrankungen abgrenzen lässt. Schuhler, P.; Sobottka, B.; Vogelgesang, M.; & Fischer, T. (2013). Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch bei PatientInnen der stationären psychosomatischen und Suchtrehabilitation. Lengerich: Pabst.

55 Übersicht Neue Medien Störungsmodell 3. Wirkungsforschung
4. Klinische Forschung 5. Diagnostik

56 Screening In Deutschland werden angewandt: Die Internetsuchtskala von Hahn & Jeusalem (2001), die deutsche Version der Compulsive Internet Use Scale (CIUS) von Petersen (2009), die Skala zum Onlinesuchtverhalten bei Erwachsenen (OSVe-S) von Wölfling et al. (2010) und die Computerspielabhängigkeitsskala (CSAS) von Rehbein et al. (2015) Gemeinsamkeit ist der apriorische Bezug zum organpathologischen Krankheitskonzept (Craving, Toleranzentwicklung, Kontrollverlust und Entzug) des Alkoholismus von Jellinek (1960). Hahn, A. & Jerusalem, M. (2001). Internetsucht: Jugendliche gefangen im Netz. In J. Raithel (Hrsg.): Risikoverhalten Jugendlicher (S. 279 – 293). Berlin: Leske u. Budrich Jellinek, E.M. (1960). The Disease Concept of Alcoholism. New Haven, Conn.: Hillhouse Press Petersen, K.U. (2009). CIUS: Compulsive Internet Use Scale (Dt. Version). Hamburg: Deutsches Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZUSKJ) Rehbein, F.; Baier, D.; Kleimann, M. & Mößle, T. (2015). CSAS Computerspielabhängigkeitsskala: Ein Verfahren zur Erfassung der Internet Gaming Disorder. Göttingen: Hogrefe Wölfling, K.; Müller, K.W. & Beutel, M.E. (2010). Diagnostische Testverfahren – Skala zum Onlinesuchtverhalten bei Erwachsenen (OSVe-S). In Mücken, D.; Teske, A., Rehbein, F. und te Wildt, B. (Hrsg.): Prävention, Diagnostik und Therapie von Computerspielabhängigkeit (S. 212 – 215). Lengerich: Pabst.

57 Kritik an diesen Verfahren:
Screening Kritik an diesen Verfahren: Dem Konzept liegt ein „somatisches Vorurteil“ zugrunde (Jaspers, 1948: S. 15) Es liegen Fehlschlüsse und Kategorienfehler vor (Petry, 2010) Die betroffenen Internetaktivitäten werden zu weit (auch Glücksspielen und Hypersexualität) oder zu eng (nur Gaming) gefasst Es erfolgt eine zirkuläre Validierung an den DSM-5 Kriterien ohne klinische Untersuchung Unspezifisch, suggestiv formulierte Items führen zu erwünschten Antworttendenzen Jaspers, K. (19485). Allgemeine Psychopathologie. Berlin und Heidelberg: Springer – Verlag (Erstauflage 1913) Petry, J. (2010). Das Konstrukt „Verhaltensucht“ – eine wissenschaftstheoretische Kritik. Sucht Aktuell, 17, 14 – 18. c

58 Screening Der Kurzfragebogen zu Problemen beim Computergebrauch (KPC) von Petry (2010) orientiert sich dem entwicklungspsychopathologischen Modell (Petry, 2014; 2015). Die betroffenen PC-/Internetaktivtäten beinhalten nur das aktuell klinisch relevante Gamen, Chatten und Surfen/Streamen. Die Faktorenstruktur verweist auf die Versunkenheit in die virtuelle Erlebnisweise (Immersion) sowie erlebte Nachteile und Schuldgefühle. (Schwarz et al., 2013; Sobottka et al., 2016). Im Vergleich zu einer repräsentativen Vergleichsgruppe ergibt sich ein Cut-off-Point von 22 Wertpunkten und im Vergleich zu klinischen Gruppen (Glücksspielsüchtigen, Alkoholabhängigen und psychosomatisch Erkrankten) von 28 Wertpunkten. Petry, J. (2010). Dysfunktionaler und pathologischer PC- und Internet-Gebrauch. Göttingen: Hogrefe Petry, J. (2014/2015). Pathologischer PC/Internetgebrauch: Störungsbild, Behandlung und Forschung Teil 1 und Teil 2, Psychodynamische Psychotherapie, 13(3), und 14(1), 47 – Sobottka, B.; Feindel, H. et al. (2016). Überprüfung und Entwicklung von Messinstrumenten zum Screening und zur Verlaufsbeurteilung des Pathologischen PC-/Internetgebrauchs. Lübstorf/Münchwies: Abschlussbericht an die DRV-Bund Schwarz, S.; Petry et al. (2013). Vergleich der Testgütekriterien des KPC und CIUS. Sucht Aktuell, 20(2).

59 Verhaltensebene Nach der JIM-Studie (mpsf, 2016) sind Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren wöchentlich im Durchschnitt 24 Std. schul-, studium- und berufsfremd online. Nach Hahn und Jerusalem (2001) zeigen sich bei Onlinenutzern, die wöchentlich 35 Std. online sind, erste psychosoziale Auffälligkeiten, d. h. ein Hinweis auf einen problematischen PC-/Internetgebrauch. Stationär behandelte pathologische PC-/Internetgebraucher sind im Durchschnitt 68 Std. online. Ein klinisch relevantes Merkmal stellt die maximale ununterbrochene Onlineaktivität von 21 Std. dar. (Sobottka, 2013). Hahn & Jerusalem (2001). Internetsucht – Reliabilität und Validität in der Online-Forschung. In A. Theobald, M. Dreyer & (2016). T. Starsetzke (Hrsg.): Handbuch der Online-Marktforschfung. Wiesbaden: Gabler Sobottka, B. (2016). Katamnese: Evaluation der Behandlung von Patienten mit Pathologischen PC-/Internet-Gebrauch ein Jahr nach Entlassung aus der stationären medizinischen Rehabilitation. Vortrag auf dem Kongress des Fachverbandes Sucht am 11. Juni 2013 in Heidelberg Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2016). JIM 2015: Jugend, Information, (Multi-)Media. Stuttgart: mpsf.

60 Erlebnisebene Charakteristisch für das Störungsbild ist das immersive Erleben: „Alle Formen des immersiven Erlebens stehen für das Eintauchen in mediale Welten, das Zurücklassen der realen Welt und des eigenen Selbst...“ (Bilandzic, 2014: S. 284). Dabei sind drei Faktoren für die Intensität bedeutsam: Präsenz als das Gefühl die reale Welt verlassen zu haben und in einer medienvermittelten Umgebung anwesend zu sein Flow beschreibt das selbstvergessene Aufgehen in der glatt und ohne Anstrengung verlaufenden Tätigkeit Narratives Erleben als Eintauchen in eine fiktionale Erzählung mit hoher emotionaler Beteiligung Bilandzic, H. (2014). Immersion. In Wünsch, C.; Schramm, H.; Gehrau, V. & Bilandzic, H. (Hrsg.). Handbuch Medienrezeption (S. 273 – 290). Baden-Baden: Nomos.

61 Psychopathologischer Befund
J H Das AMDP-System zur Dokumentation psychiatrischer Befunde erfasst in standardisierter Form neben der allgemeinen Anamnese, der Krankheitseinsicht und Behandlungsmotivation alle klinisch relevanten Einzelsymptome des psychischen und somatischen Befundes. Es orientiert sich an der „traditionellen deskriptiven deutschsprachigen Psychopathologie“ (AMDP, 2007: S. 12). J H Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie (AMPD) (Hrsg.) ). Das AMPD-System: Manual zu rDokumentation psychiatrischer Befunde. Göttingen: Hogrefe.

62 Psychopathologischer Befund
Für den pathologischen PC-/Internetgebrauch sind diese Symptome bedeutsam: Psychischer Befund: Soziale Phobie; Deprimiertsein; Insuffizienzgefühle u. sozialer Rückzug Somatischer Befund: Verkürzte Schlafdauer u. Müdigkeit; Appetitminderung; verminderte Sexualität; Akkomodationsstörungen; Rücken- beschwerden; äußere Ungepflegtheit; Stoffwechsel- störungen; Adipositas, WS-Syndrome; Tinnitus Motivation: Mangelnde Krankheitseinsicht; Ablehnung der Behandlung Petry, J. (2014/2015). Pathologischer PC/Internetgebrauch: Störungsbild, Behandlung und Forschung Teil 1 und Teil 2, Psychodynamische Psychotherapie, 13(3), und 14(1), 47 – 53.

63 Checkliste zur Diagnostik
Merkmal / Erfassung Besonderheit +/- Screening (KPC) Oberhalb des Cut-off-Points von 22 bzw. 28 Vorgeschichte (Spez. Anamnese) Wochenstunden; Dauer der max. ununterbrochenen Onlineaktivität; Schul-, Studien- oder Berufsabbruch Immersion / Funktionalität (KPC, Spez. Anamnese) Überwertiges Immersionserleben; Kontrollerleben und soziale Anerkennung Psychischer Befund (AMDP) Soziale Phobie; Deprimiertsein; Insuffizienzgefühle; sozialer Rückzug Somatischer Befund (AMDP) Verk. Schlafd. u. Müdigkeit; Appetitmind.; vermind. Sex.; Akkomodationsst.; Rückenbeschw.; äußere Ungepfleg.; Stoffwechselst.; Adipositas; WS-Syndrome; Tinnitus Motivation (AMDP) Mangelnde Krankheitseinsicht; Ablehnung der Behandlung Persönlichkeit (NEO-FFI) Erhöhter Neurotizismus; erniedrigte Extraversion; verminderte Gewissenhaftigkeit Bindungsorganisation (Interviewleitfaden) Eingeschränkte Bindungskompetenz (innere Repräsentanz bedeutsamer Personen) Motivationale Inkonsistenz (INK) Erhöhte Summenwerte (Dysfunktionale Schemata aufgrund frustrierter Grundbedürfnisse) Komorbidität (SKID-I) Depressive Störung; Soziale Phobie; Suchtmittelproblematik (Alkohol, Cannabis)

64 Problematisch vs. Pathologisch
Merkmale Problematisch Pathologisch Zeitpunkt des Auftretens Vor allem im Jugendalter Ab dem frühen Erwachsenenalter Persistenz Übergangsphänomen für die große Mehrheit der Betroffenen Chronifizierte Störung bei einer Minderheit Risiko-/Vulnerabilitätsfaktoren a) personaler Bereich Selbstwertproblematik, Störungen der Gefühlregulation, Inadäquate Copingstrategien, Reduzierte Bindungskompetenzen, Verminderte Gewissenhaftigkeit Schwere Selbstwertstörung Soziale Furcht Komorbide psychische Störungen und Suchterkrankungen b) sozialer Bereich Soziale Benachteiligung, Fehlende personale und soziale Ressourcen Depravierende Lebensbedingungen Erscheinungsform Eingeschränkte Medienkompetenz, Häufige „Versunkenheit“ im virtuellen Erlebnismodus Regressiver Rückzug in kindliches Spielverhalten, Dauerhafte „Verlorenheit“ in virtuellen Welten Arbeits- u. Partnerlosigkeit Indizierte Intervention Pädagogisch-therapeutische Maßnahmen Umfassende psychotherapeutische, rehabilitative Behandlung

65 Fazit Beim pathologischen PC-/Internetgebrauch handelt sich um ein neues, eigenständiges Störungsbild. Aktuell sind häufig der Gaming-Typ, selten der Chatting-Typ u. noch seltener der Surfing/Streaming-Typ klinisch bedeutsam. Die nosologische Einordnung erfolgt unter Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen. Die Diagnostik ist lediglich typologisch und erfordert eine mehrdimensionale Betrachtung. Eine Diagnose sollte nur bei dem „Vollbild“, d.h. beim Vorliegen nahezu aller Merkmale gestellt werden. Das Störungsbild kann von Suchterkrankungen, wie der Glücksspielsucht oder Hypersexualität, abgegrenzt werden. Die Diagnose sollte nicht unter dem 18. Lebensjahr gestellt werden. Screeningverfahren ermöglichen keine Schätzung der Bevölkerungsprävalenz.

66 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! (www.joerg-petry.de)


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