Kunstseidene Karrieren: Die ‚Neue Frau‘

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 Präsentation transkript:

Kunstseidene Karrieren: Die ‚Neue Frau‘ Im Rausch der Verwandlung: Kleidermode als kulturelle Allegorie zwischen Wunschtraum und Selbstreklame in der Literatur der Weimarer Republik (1918-1933) Kunstseidene Karrieren: Die ‚Neue Frau‘

Hans Janowitz: Jazz, Berlin 1927, S. 9-14: „Ein europäischer Chronist im Jahre 1999, der die Zeit um 1925 schildern wollte, hätte zu beginnen: Es war die Zeit des ‚Bubikopfes‘, es war die Zeit des ‚kurzen Rockes‘, der ‚fleischfarbenen Strümpfe‘ [...] Es war die Zeit, da der ‚schönste Frauenschmuck‘ des Mittelalters fiel, das häßliche, lächerliche, unhygienische, indianische lange Haar unserer Urahne [...] Als sollte es nur noch Bubiköpfe in einer Welt geben, die eben erst ihre Bubis auf dem Altar der verschiedenen Vaterländer umgebracht hatte ... Was aber war mit den Röcken geschehen? [...] Vom Nacken war die Schere mit einem Satz an die Kniekehlen gesprungen, und hatte ihr befreiendes Werk auch hier, an den Röcken, vollbracht: nach der Gedankenfreiheit hatte sich das Weib nun endlich also auch die Gehfreiheit erkämpft [...] [...] und die Mädchen […], die die Haare am kürzesten trugen und die Röcke kniefrei und die fleischfarbensten Strümpfe an Beinen sehen ließen, die sich sehen lassen durften, sie arbeiteten bei Tag in ihren Bureaus, an Pulten und Läden, vor Spiegeln und Fensterscheiben und Schreibmaschinen […], auf Podien und Leitern [...]“

Friedrich Seidenstücker: „Frau, die über eine Pfütze springt“, 1920er Jahre

Frauentypen Victor Margueritte: „La garçonne“(1922) Anita Loos: „Gentlemen Prefer Blondes“ (1925) Irmgard Keun: „Das kunstseidene Mädchen“ (1932)

Männertypen

Kulturphysiognomik / Kulturwissenschaft Gesichter der Weimarer Republik. Eine physiognomische Kulturgeschichte. Hg. v. Claudia Schmölders u. Sander L. Gilman, Köln 2000. Franz Hessel: „Spazieren in Berlin“ (1929) Siegfried Kracauer: „Die Angestellten“ (1929) Neue Sachlichkeit (1924-1929) Sabina Becker: Neue Sachlichkeit. 2 Bde., Köln, Weimar u. Wien 2000. Johannes G. Pankau: Einführung in die Literatur der Neuen Sachlichkeit, Darmstadt 2010.

Anton Räderscheidt: „Die Begegnung“ (1921) vs Anton Räderscheidt: „Die Begegnung“ (1921) vs. Edvard Munch: „Der Schrei“ (1893)

Friedrich Seidenstücker Helmut Lethen: Verhaltenslehren der Kälte. Lebensversuche zwischen den Kriegen, Frankfurt/M. 1994.

„Ein Sprung von der Schreibmaschine an das Rampenlicht: Gretel Grow, eine Berlinerin, die noch vor Jahresfrist Stenotypistin war, dann als Figurantin [Statistin] in der Haller-Revue auftrat, wurde kürzlich von [einem] Amerikaner […] entdeckt, und als schönstes Mädchen Deutschlands für eine internationale Schönheitsschau in Amerika verpflichtet.“ Uhu 5 (1928) 3, S. 38f.

Revuetanz und ‚Girlkultur‘

Alfred Polgar: Girls. In: Die Dame 53 (1926)14, S. 2f.: „Girls nennt man Gruppen von jüngeren Frauen und Mädchen, die bereit sind, ziemlich entkleidet auf einer Bühne genau vorgeschriebene parallele Bewegungen zu machen. […] Darbietungen, die durch ein solch lebendiges, elastisches, möglichst langes fleischfarbenes Band zusammengehalten werden, heißen: Revuen […]. Das Weibliche, das uns anzieht, erscheint da gewissermaßen losgemacht vom Menschlichen […] Gespenstisch an den Girls ist, daß sie auch Gesichter haben. Das menschliche Antlitz als Zugabe, als eigentlich sinnloser Annex von Büste, Bauch und Beinen … das ist irgendwie unheimlich. Deshalb lächeln tüchtige Girls auch immer, um damit anzudeuten, daß ihre Physiognomien sich über die Nebenrolle, die ihnen zugewiesen ist, nicht kränken. […] Noch ein anderer Zauber als der erotische wirkt sich in Erscheinung und Tun der Girls aus: der Zauber des Militarismus. Dieses Einexerzierte, Parallele, Taktmäßige […], dieses Gehorchen einem unsichtbaren, aber unentrinnbaren Kommando, das schöne ‚Abgerichtet‘ sein, das Untertauchen des Individuums in der Vielzahl, das Zusammenfassen der Körper zu einem ‚Körper‘ – also da steckt für den Zuschauer der gleiche Reiz, der ihm das Soldatenspiel, natürlich wiederum nur als Zuschauer, so schmackhaft macht.“

Angestellte in den 1920er Jahren [Anonym:] Die Daktylo. In: Die Bühne 2 (19.02.1925) 15, S. 60: „Die Daktylo [die Maschinenschreiberin] soll und darf (nicht nur aus Gründen der Repräsentation) fesch sein. Ist sie auch noch jung und hübsch, hat sie sogar die Pflicht, die an sich wenig unterhaltsame Atmosphäre des Bureaus mit ihrer Person zu schmücken. Anspruchslose kleine Kleidchen ordentlicher Machart, hell geputzt, beleben die […] Öde, und das Diktat wird auch flotter starten.“ Ute Frevert: Kunstseidener Glanz. Weibliche Angestellte. In: Neue Frauen. Die zwanziger Jahre. Hg. v. Kristine von Soden u. Maruta Schmidt, Berlin 1988, S. 25-30. Irmgard Keun: „Gilgi – eine von uns“ (1931) Christa Anita Brück: „Schicksale hinter Schreibmaschinen“ (1930) Rudolf Braune: „Das Mädchen an der Orga Privat“ (1930)

Irmgard Keun: Das kunstseidene Mädchen. Roman [1932], Leipzig 1992. „Ich machte mir einen Traum und fuhr mit einem Taxi eine hundertstundenlange Stunde hintereinander immerzu - ganz allein und durch lange Berliner Straßen. Da war ich ein Film und eine Wochenschau. [...] [...] - so zurückgelehnt und den Blick meines Auges zum Fenster raus - immer an Ecken Zigarrengeschäfte - und Kinos - der Kongreß tanzt - Lilian Harvey, die ist blond - Brotläden - und Nummern von Häusern mit Licht und ohne - und Schienen - gelbe Straßenbahnen glitten an mir vorbei, die Leute drin wußten, ich bin ein Glanz - ich sitze ganz hinten im Polster und gucke nicht, wie das hopst auf der Uhr - ich verbiete meinen Ohren, den Knack zu hören - blaue Lichter, rote Lichter, viele Millionen Lichter - Schaufenster - Kleider - aber keine Modelle - andere Autos fahren manchmal schneller - […] Ich möchte gern furchtbar glücklich sein.“ (S. 75f.) „So hochelegant bin ich in dem Pelz. Der ist wie ein seltener Mann, der mich schön macht durch Liebe zu mir. […] Der Mantel will mich, und ich will ihn, wir haben uns.“ (S. 38) „Kommt denn unsereins durch Arbeit weiter, wo ich keine Bildung habe und keine fremden Sprachen außer olala und keine höhere Schule und nichts. [...] Man hat 120 mit Abzügen und zu Hause abgeben oder von leben. Man ist ja nicht mehr wert, aber man wird kaum satt von trotzdem. Und will auch bißchen nette Kleider, weil man ja sonst noch mehr ein Garnichts ist. Und will auch mal ein Kaffee mit Musik und ein vornehmes Pfirsich Melba in hocheleganten Bechern - und das geht doch nicht alles von allein, braucht man wieder die Großindustrien, und da kann man ja auch gleich auf den Strich gehen. Ohne Achtstundentag.“ (S. 107f.)

Literaturhinweis Julia Bertschik: Mode und Moderne. Kleidung als Spiegel des Zeitgeistes in der deutschsprachigen Literatur (1770-1945), Köln, Weimar u. Wien 2005, S. 180-207.