Von Manfred L. Schürmann

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
NAHRUNG FÜR DIE OHREN MUSIK.
Advertisements

Ein subjektiver Beitrag zur Armutsdebatte
Solidarisch und gerecht
D. ZAMANTILI NAYIR – 8. SEMESTER
Antonia v. Saint Paul & Clara Cowley (10a)
Von Manfred L. Schürmann
Gott beeinträchtigt unsere Freiheit
Staatsfinanzen und Steuern aktualisiert März 2010
1. Wir können es: Der gesellschaftliche Reichtum ist vorhanden
Solidarische Alterssicherung Einführung in das Rentenmodell
Tutorium: Wirtschaftliche Grundlagen für den Arbeitslehreunterricht
Dr. Valentin Aichele, LL.M.
Für den eigenen Pflegefall vorsorgen: Am Beispiel von Gisela R.
® LOG, Bruchköbel 2008 Fabian Dünow
Wirtschaft Technologie Umwelt Vorstand Wilfried Kurtzke Konjunktur: Aufschwung ohne breite Grundlage Einkommen, Nachfrage, Arbeitsplätze Kollektive Arbeitszeitverkürzung.
Neoliberalismus in der Praxis Aktuelles Politikfeld Sozialpolitik.
Arbeitsmarktreformen
Staatsaufgaben Wirtschaftlicher Teil
Der einfache Wirtschaftskreislauf
Seit wann gibt es Adoptionen?
Mehr als Beschäftigte haben ihr Votum abgegeben!
„Das Beste an meiner Entscheidung war wohl bisher, dass ich es überhaupt gewagt habe.“ Laura Lender, Austauschschülerin in Schweden 2012/13 „Ich habe mich.
Die Meinung eines Einzelnen: 42%=alles 36%=nix nungsvielfalt 42=42! 36=36!
Mehr arbeiten – weniger verdienen... Ein Mausklick und es geht los: Mit jedem Mausklick wird es besser bei der Telekom.
Bereiche der Wirtschaftspolitik
Präsentiert von Eva, Laura, Michaela & Sarah
Krisen mit Keynes erklärt
Wir haben größere Häuser,
Sozialgespräche 2010 Impulse von Prof. G. Tappeiner Meran,
News Aktuelles aus Politik, Wirtschaft und Recht05/2010 © Verlag Fuchs AG Griechenland 1.Griechenland hat ein Haushaltsdefizit von 50 Mrd. Euro. Dazu müssen.
Ideologie und Wirklichkeit Von der Finanzarktkrise zur Schuldenkrise
Wird die Schuldenbremse eine Konjunkturbremse?
Freiheit und Verantwortung – wie gehen wir Tabler damit um?
Umbau des Sozialstaats in der Krise Impulsreferat
Mächtigster Konkurrent der Wirtschaft
Solidarisch und gerecht
Wer soll das bezahlen? – Soziale Sicherheit nachhaltig finanzieren St. Gallen, 15. Mai 2009 Frühlingskonferenz der Städteinitiative Sozialpolitik: Wirtschaftskrise.
So funktioniert EUROPA.
Case Management und Pensionskasse BVG-Apéro 5. Februar 2007 innovation zweite säule.
Nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik
Lösung der sozialen Frage
Wdhlg. AVWL 2: Das Mundell-Fleming Modell
Die berufliche Vorsorge der Lehrpersonen Leistungs- oder Beitragsprimat resp. kollektive oder individuelle Finanzierung?
Die Steuerquote pro Brutto- inlandsprodukt ist um mehr als die Hälfte höher als in Deutschland.
In welcher Welt leben wir?
Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken
Von Unternehmen und Unternehmern
SPD.DE WIE VERÄNDERT DAS INTERNET UNSER LEBEN?
Die Loreley-Reform..
Euro-Mindestkurs Beitrag 1 Beitrag 2 Beitrag 3 Beitrag 4
Ausgangslage Abstimmungen am 8. März 2015 Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» Initiative «Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen»
Internationale Gesundheitssystem im Vergleich
„Erfolgsgeschichten“:
Wie sind Sie heute gegen diese Risiken abgesichert?
Kann Politik ehrlich sein? D‘ Sunne schiint für alli Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
© 2015 by Thomas Knedel Seite 1 TITEL © 2015 by Thomas Knedel WARUM EIGENTLICH IMMOBILIENINVESTMENTS? Teil 5: Meine 3 Top-Insidertricks für erfolgreiche.
Profi Care bAV clever für das Alter vorsorgen Unisex- bis Preisvorteil für Männer nutzen!
Oberschule Kirchdorf GREENET Future of the planet.
Eidgenössisches Departement des Innern EDI Bundesamt für Sozialversicherungen BSV Familien unterstützen – Wirtschaft stärken – Gleichstellung fördern Abstimmung.
Wiederholung der wichtigsten Grundbegriffe
„Der Ehrbare Kaufmann“ verantwortliche Teilnahme am Wirtschaftsleben EhrlichkeitVertrauenAnstandRespekt Hermann Binkert; Leiter: Burgthanner Dialog, 29.
1 Gesundheit und Pflege: Das meinen die Parteien zu wesentlichen Forderungen der IG Metall.
Grafiken und Hintergrundmaterial Medienkonferenz vom 30. Juni 2016 der «Allianz für eine starke AHV»
Arbeitslosigkeit Makroökonomik
 Präsentation transkript:

Von Manfred L. Schürmann Das Nullsummen-Game SOZIALSTAAT Wie aus einem undurchschaubaren Geschiebe eine solide Grundlage werden kann Von Manfred L. Schürmann Fachautor Essen/Ruhr

Dilemma und Problem Ein gesamtgesellschaftliches Interesse soll wesentlich nur aus einem Teil gesellschaftlicher Leistung (abhängiger Beschäftigung) heraus getragen werden. Eine früher funktionierende Lösung greift nicht mehr, weil der finanzierende Teilbereich dramatisch geschrumpft ist – als Folge von Arbeitslosigkeit. Der Einsicht in die Notwendigkeit einer Umformung des Systems steht der Unwille gegenüber, sich von alten Denkmustern zu lösen. Eine Lösung erhofft man sich weiterhin von „wirtschaftlichen Aufschwüngen“ – von einem Roulette, bei dem Staat und Bürger meistens die Verlierer sind.

Ø Ein anderes Ziel definieren? Sollten soziale und wirtschaftliche Sicherheit nicht das Ziel aller Teile einer Gesellschaft sein? Sollte eine Sicherheit für ausnahmslos alle nicht auch bedingen, daß ausnahmslos alle die notwendigen Lasten tragen? Gibt es überhaupt einen Weg zu einem sorgenden Staat mit sozialer Gerechtigkeit für alle?

Vom Häuptling bis zum Säugling: „Familie“! Geht man von einem „Volkskörper“ aus, muß man unterstellen, daß alle Teile dieses Körpers im gegenseitigen Interesse zielbewußt zusammenwirken, statt in Teilen für sich selbst Einzelinteressen zu verfolgen und die Gesamtfunktion aus der Balance zu bringen. Eine soziale Gesellschaft sollte jedoch ein solidarisches Selbstverständnis pflegen, bei dem jeder für jeden mitdenkt und an dessen Wohl interessiert ist. Die es bis zum „Häuptling“ geschafft haben dürfen nicht die abhängigen „Säuglinge“ sich selbst überlassen und es obendrein ausnutzen, wenn diese ihre Interessen Leuten anvertrauen, die als „Vertreter“ eher nur an sich selbst denken oder gar korrupt werden. Dadurch bricht ein Volk als „Körper“ auseinander.

Die Gesellschaft ist in feindliche Lager gespalten. Das Teilmengen-Volk Statt ein Volk zu sein, dessen Bürger an einem Strang für das Gesamtwohl ziehen und ihre Interessen gegenseitig achten und fördern, sind die Deutschen zu einer 2/3 – 1/3-Gesellschaft degeneriert. Eine beachtlich große Teilmenge der in Deutschland lebenden Menschen wurde von Politik und Wirtschaft vernachlässigt und auf Abstellgleise verschoben. Die Politik hat sich über die Grenzen hinaus als unfähig – teils auch als unwillig – erwiesen, die sozialen Interessen gegenüber den Kapitalinteressen zu verteidigen oder durchzusetzen. Die Gesellschaft ist in feindliche Lager gespalten.

Aus ein ander drift Das deutsche Volk driftet in großen Teilen aus – ein – ander. Trotz teilweise horrender Gewinne börsennotierter Unternehmen werden weniger profitable Teile oft abgestoßen, ausgelagert oder zu Lasten von Löhnen gewinnoptimiert. Arbeitslosigkeit oder Lohnkürzungen auf der einen, brutale Profitsteigerung auf der anderen Seite. So stellt es sich oft dar. Unwiderlegt. Die Menschen verstehen nicht, warum reine Kapitalvermehrung Vorrang vor sozialer Sicherheit genießen soll.

„Globalisierung“ Die Welt ist zum Dorf geworden. Die größte Leistung der Menschheit – die Transportleistung – macht in der heutigen Form Dienstleistungen, Güter und Informationen überall schnell und preiswert verfügbar. Herstellungsprozesse können heute beliebig dort angesiedelt werden, wo die niedrigsten Kosten für Löhne und einschränkende Auflagen entstehen. Gewinne von Unternehmen lassen sich dorthin verschieben, wo man die geringsten Steuern verlangt. Der Bedarf an menschlicher Arbeitskraft bröckelt in bestimmten Regionen weg; die Finanzierung von Staatsaufgaben und Sozialleistungen blutet aus.

Von der Labilität zur Stabilität (1) Betrachtet man die gesamten Einnahmen und Ausgaben innerhalb eines Staatsgebietes, so sind die Einnahmen und Ausgaben für das Sozialwesen (Gesundheit, Rente) nur ein Teil davon. Dieser Teil ist von der Einnahmeseite her längst bankrott. Er funktioniert nur deshalb noch, weil Steuermittel hineingepumpt werden. Von der Beitragsseite, von den „Lohnnebenkosten“ her ist dieser Teil ein unkalkulierbares Risiko. E/A E/A E/A

Von der Labilität zur Stabilität (2) E/A Nähme man die Finanzierung des Sozialwesens (Gesundheit, Rente, Sozialgeld) aus der unkalkulierbaren Mischfinanzierung heraus, um sie durch die Erhöhung einer Verbrauch- steuer zu finanzieren, bekäme man eine stabile und im Wesentlichen BIP-abhängige Finanzierungsbasis. Insgesamt ein Nullsummenspiel... Sozialversicherungsanteile könnten rund hälftig den Arbeitgebern und Arbeitnehmern belassen werden. Die Folgen wären massive Lohnkostensenkungen und Kaufkraftsteigerungen.

Von der Labilität zur Stabilität (3) E/A Jeder Bürger hätte zu gleichen Bei- trägen an die Kassen die gleichen Ansprüche. Er kann sich und Ange- hörige versichern lassen, wo er will. Besondere Risiken (etwa Snowboarding oder Paragliding) sind nicht mehr im Standard. Die Kassen können bei gleichem steuerfinanzierten Beitrag durch verschiedene Leistungskataloge miteinander konkurrieren. Das höhere Netto kann für verbesserte Leistungen (besondere Risiken) im Bereich Gesundheit oder bei der Rente mit eingesetzt oder einfach verbraucht werden. Lohnfortzahlungen bei Krankheit müßten von den Unternehmen versichert werden.

„Sidecar“-Effekte Verwaltungskosten können sehr erheblich gesenkt werden. Zahlungsverkehr und Korrespon- denz zwischen Betrieben und Kas- sen fallen weg. Die Versicherten senden eine Bestätigung ihrer Anmeldung an das Finanzamt, das mit einer Bestätigung von der Kasse abgleicht und die Zahlung von Zentralstellen an die Kassen veranlaßt. Die „Privatisierung“ von Vorsorgeaufwendungen würde auf ein von den Bürgern selbst beeinflußtes Maß beschränkt und nicht etwa überwiegend den Folgen etwaiger Börsenspekulationen ausgesetzt. In die Gesamtrechnung können bei Transferleistungen die Ausgleiche für höhere Belastungen mit einfließen.

Spielräume (1) Nimmt man ein Netto-Ein- kommen von 1.000 X und gibt es für eine Ware im VK- Wert von 1.000 X aus, ist der Netto-Warenwert bei 16% Mehrwertsteuer 862,07 X. Steigt das Netto-Einkommen um 25% auf 1.250 X und will man es komplett für Ware im Nettowert von 862,07 X ausge- ben, muß die Mehrwertsteuer von 16 auf 45 Punkte steigen, damit das Einkommen vollständig ausgegeben ist. Die „Luft“ ohne Kaufkraftverlust läge hier bei 29 Punkten!

Umschichtungen / Spielräume (2) Exporte sind heute mit Lohnnebenkosten belastet, würden aber bei einer Umstel- lung davon befreit sein. Der Export würde noch wettbewerbsfähiger. Bei inländischen Produkten und Dienstleistungen schlagen die „Lohnnebenkosten“ heute voll durch. Importierte Güter sind mit keinerlei „Lohnnebenkosten“ behaftet, die zur Finanzierung des hiesigen Sozialsystems beitragen. Sie würden nach einer Umstellung inländischen Produkten gleichgestellt. Insgesamt würden Anpassungen und Ausgleichungen zu einem Nullsummenspiel führen. Das Leben würde nicht „teurer“, doch Einkommen und deren Kaufkraft könnten erheblich steigen und die Nachfrage erhöhen.

Resümee (Risiko) Alle bisherigen Lösungsversuche zur Sanierung des Sozialsystems gründen auf langfristigen und konjunkturabhängigen Spekulationen. Es steht also immer in den Sternen, wann und ob sie wirklich ausreichend greifen oder immer wieder „nachgebessert“ werden müssen. Der sukzessive Ablösung staatlicher Sicherungen durch private Vorsorgen würde die Risiken bergen, daß Bürger nichts unternehmen und später der staatlichen Fürsorge anheim fallen oder daß sie unsicheren „Märkten“ ausgeliefert sind. Den wirklich „mündigen“ Bürger gibt es nicht. Ohne wirksame gesetzliche Regelungen ist er vor allem nur Beute.

Resümee (Gewinn) Die Umstellung auf ein rein verbrauchsteuerfinanziertes Sozialsystem könnte sehr schnell und auch sehr genau berechenbar wirksam werden. Die gesamte Wirtschaftsleistung und das daraus resultierende Steueraufkommen wären der Garant von stabileren Grundlagen für soziale Absicherungen und Existenzminima – unabhängig vom jeweiligen Beschäftigungsstatus. Weit verbreiteten Ängsten und Unsicherheiten würde die Grundlage entzogen. Alle, die in Deutschland Geld ausgeben, würden dann für alle, die hier leben, Sicherheit herstellen.

Resümee (Anregungen) Auf dem Weg zur Informations- und Wissensgesellschaft sollten wir uns bemühen, den Begriff „Arbeit“ neu zu definieren. Jeder muß unabhängig von festen Arbeitsverhältnissen die Chance zu einer sinnstiftenden Lebensgestaltung bekommen. Das muß eine Tätigkeit für andere und insbesondere für definierte Teile der Gesellschaft einschließen und auch über ein Grundeinkommen hinaus zu besonderen Gegenleistungen führen. Auch heutige ehrenamtliche Dienstleistungen werden als „Arbeit“ bewertet werden müssen.