Warum braucht der chinesische Kalender keinen 29. Februar?

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 Präsentation transkript:

Warum braucht der chinesische Kalender keinen 29. Februar? Vortrag im Haus der Wissenschaft Bremen 29. Februar 2008 Christoph Clavius (1537-1612) Adam Schall von Bell (1592-1666) Xu Guangqi (1562-1633) Matteo Ricci (1552-1610) Die Erde dreht sich 365 Tage lang jedes Jahr. Alle vier Jahre braucht sie dazu einen Tag länger, und das ausgerechnet immer im Februar. Warum weiß ich nicht. Vielleicht weil es im Februar immer so kalt ist und es deswegen ein bisschen schwerer geht. Wäre das so, dann bräuchte auch der chinesische Kalender einen 29. Februar Peter Richter

Die Aufgaben der Kalendermacher Der Himmel regiert das Leben auf der Erde; wir sollen uns danach richten Die Sonne regiert den Tageslauf: Morgen, Mittag, Abend, Nacht; wir wollen Auf- und Untergangszeiten wissen die Jahreszeiten und damit die (Land-)Wirtschaft: der Kalender soll Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen (Äquinoktien) vorhersagen Der Mond regiert die Daten der Feste und Riten, denn er gibt nächtliches Licht zum Feiern: der Kalender soll Neumond und Vollmond (die Syzygien) vorhersagen Lunisolare Kalender verzahnen den Lauf von Sonne und Mond im Westen (von Babylon bis Rom) auf „mathematische“ Art durch Berechnung im Osten (China) auf „astronomische“ Art durch Beobachtung Sonnen- und Mondfinsternisse? Planeten? Wettervorhersage? Peter Richter

Sonne und Mond unter den Sternen Schauen wir zuerst dem Sonnen- und Mondlauf durch das Jahr zu im kopernikanischen Bild im Bild des Ptolemäus oder Tycho Probleme 1 was soll ein Jahr überhaupt sein? Für den Kalender nehmen wir das tropische das tropische Jahr schwankt, wenn auch mäßig, in seiner Länge ( 8 Minuten) was soll ein Monat sein? „natürlich“ ist der synodische (Neumond zu Neumond) die Länge des synodischen Monats schwankt um  4 Stunden Probleme 2 das Jahr hat keine ganze Zahl von Tagen (schön wären exakt 365 Tage) der Mondmonat hat keine ganze Zahl von Tagen (schön wären exakt 30 Tage) das Jahr hat auch keine ganze Zahl von Monaten (schön wären exakt 12 Monate) Probleme 3 Sonnen- und Mondlauf sind auf ihren Bahnen mal schneller, mal langsamer die Bahnen von Sonne und Mond sind gegeneinander geneigt unsere Monate erinnern nur noch entfernt an den synodischen Mondlauf Peter Richter

Wie lang sind denn nun das Jahr, der Monat? mittlere Länge des Sonnenjahrs J = 365.242 19… Tage mittlerer synodischer Monat M = 29.530 589… Tage N = J / M = 12.368 266… ist die Zahl der Monate pro Jahr westliche Kalender definieren J, M und N als rationale Zahlen altes Ägypten: J = 365, aufgeteilt in 12∙30 + 5 (schlechter Sonnenkalender) Rom nach Cäsar: J = 1461/4 = 365.25, aufgeteilt in 12 Monate, Beginn 1. Januar der christlich-julianische Kalender: J = 365.25 und N = 235/19 = 12.368 421… als Basis, woraus sich M = 29.530 851… für die Berechnung des Osterdatums ergibt; er übernimmt die römischen 12 Monate und den Jahresbeginn 1. Januar. Als Frühlingsanfang wird der 21. März definiert, Ostern ist der erste Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling. Der Gregorianische Kalender korrigiert die Werte zu J = 365.2425 und N = 235/19 – 43/300 000 = 12.368 278…, und damit wird M = 29.530 587… Peter Richter

Der Gregorianische Kalender von 1582 Sonnenjahr J = 365.2425 statt J = 365.242 19… Kopplung von Sonne und Mond N = 235/19 – 43/300 000 = 12.368 278… statt N = 12.368 266… synodischer Monat M = J / N = 29.530 587… statt M = 29.530 589… Schaltregeln in 400 Jahren 100 – 3 = 97 Schalttage: alle vier Jahre außer bei 100ern, die nicht durch 400 teilbar sind. (225 – 7 = 218 Schalttage in 900 Jahren wären besser) in 10 000 Jahren 43 = 75 – 32 Rückwärtsschaltungen des Mondalters. (46 wären besser) Erfolg statt in 128 Jahren wie beim julianischen Kalender verschiebt sich der kalendarische Frühlingsanfang erst in 3200 Jahren um einen Tag in Richtung des wahren Sommers; das kalendarische Mondalter driftet ähnlich langsam, aber jetzt in die andere Richtung. Peter Richter

Wo wird der Schalttag eingefügt? Ägyptische Tradition Einteilung des Jahres von 365 Tagen in 12∙30 Tage plus 5 Feiertage am Ende der schlechten Jahreslänge entsprach eine noch schlechtere Monatslänge Römische Tradition vor Cäsar 12 „Monate“ pro Jahr, das mit dem 1. März beginnt: Martius (31), Aprilis (29), Maius (31), Junius (29), Quintilis (31), Sextilis (29), September (29), October (31), November (29), December (29), Januarius (29), Februarius (28) (zusammen 355 Tage) + alle zwei Jahre 22 Tage Intercalarius/Mercedonius nach dem 7. Tag vor den Calendae Martius (Feier der Terminalia, Jahresende). Rom nach Cäsar Julianisches Sonnenjahr 365.25 Tage, beginnend am 1. Januarius. Monate mit Längen, wie wir sie noch heute haben, nur dass Quintilis → Julius (44 BC) und Sextilis → Augustus (8 BC) umbenannt wurden. Schaltregel anstelle des früheren Intercalarius wurde ein ante diem sexto calendas Martius eingeschoben, der 24. Februar als bissexto calendas Martius verdoppelt. Namenstage ab dem 24. Februar werden deshalb in Schaltjahren um 1 verschoben, z.B. St. Leander vom 27. auf den 28. Februar. Das wird allerdings nach und nach vergessen, so dass der 29. Februar als Schalttag aufgefasst wird. Peter Richter

Xiyang Xinfa Lishu 西洋新法历书 von 1645 Sonnenjahr 岁 von einer Wintersonnenwende 冬至 zur nächsten 365 oder 366 Tage je nach dem Datum der Sonnenwende am Meridian von Beijing 24 Sonnenstationen 节气 alle 15 Grad entlang der Ekliptik, jede zweite ein 中气 Mondjahr 年 von einem Neujahr 新年 zum nächsten Monate beginnen jeweils mit Neumond; sie haben 29 Tage (小月) oder 30 Tage (大月) normale Jahre haben 12 Monate, lange Jahre haben 13, darunter 1 Schaltmonat 闰月 Kopplung von Sonnenjahr 岁 und Mondjahr 年 die Wintersonnenwende liegt per Definition im 11ten Monat der Schaltmonat 闰月eines langen Jahres ist dadurch ausgezeichnet, dass er keine der Haupt-Sonnenstationen 中气 ; er bekommt die Nummer des Vormonats Daraus folgt, dass Neujahr auf den zweiten Neumond nach der Wintersonnenwende fällt. Zyklische Vorstellung von der Zeit Himmlische Stämme 天干 Irdische Äste 地支 Peter Richter

Geschichte der beiden Kalenderreformen Gregorianische Reform 1582 seit dem Konstanzer Konzil im Gespräch Vorarbeiten Luigi Giglio (Perugia) Christoph Clavius (Bamberg, 1537-1612) Brücke nach China: Jesuiten Matteo Ricci (1552-1610) Xu Guangqi (1562-1633) Nicolas Trigault (1577-1629) Johannes Schreck (1576-1630) Adam Schall von Bell (1592-1666) Ferdinand Verbiest (1623-1688) Chinesische Kalenderreform 1634/1645 Sonnenfinsternisse 1610, 1629, 1644 Chongzhen Almanach 1634 Xiyang Xinfa Lishu 1645 Peter Richter

世祖 章皇帝 福临 顺治 汤若望 南坏人 圣祖 仁皇帝 玄烨 康熙 1644-1661 1661-1722 1592-1666 世祖 章皇帝 福临 顺治 1644-1661 圣祖 仁皇帝 玄烨 康熙 1661-1722 汤若望 1592-1666 Ferdinand Verbiest (1623-1688) 南坏人 Rechts steht der Kaisername (noch kein Dynastie-Name wegen des Uebergangs?) Shi Zu (Temple Name) Zhang Huang-Di (Short form of name) Fu Lin (given name) Shun Zhi (reign name, and name by which the emperor is referred to) Links der Name des Kaisers Kang Xi, angegeben als Sheng Zu (Temple Name) Ren Huang-Di (short form) Xuan Ye (given name) Kang Xi (reign name) Links neben Kaiser Shun Zhi Adam Schall von Bell als Tang Ruo Wang Unter Kang Xi der Belgier Ferdinand Verbiest (南怀仁 Nán Huáirén) und die Pekinger Sternwarte, die man heute noch besuchen kann (an der Südostecke der alten Stadtbefestigung). Ganz rechts unten das Grab von Johann Adam Schall von Bell, das man noch heute im Hof der Stadtparteischule im Westen von Beijing besuchen kann (wie auch die Gräber von Ricci, Verbiest u.a. Jesuiten) Peter Richter

The heavenly stems and their associations in astrology 1 甲 jia3 木 mu4 wood 阳 fir Jupiter blue/green 2 乙 yi3 阴 bamboo 3 丙 bing3 火 huo3 fire flame Mars red 4 丁 ding1 lamp 5 戊 wu4 土 tu3 earth hill Saturn yellow 6 己 ji3 plane 7 庚 geng1 金 jin1 metal weapon Venus white 8 辛 xin1 kettle 9 壬 ren2 水 shui3 water waves Mercury black 10 癸 gui3 brook The button B leads back to the slide from which this one was called. Peter Richter

The 12 earthly branches of the counting cycle 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 子 丑 寅 卯 辰 巳 午 未 申 酉 戌 亥 zi3 chou3 yin2 mao3 chen2 si4 wu3 wei3 shen1 you3 xu1 hai4 鼠 牛 虎 兔 龙 蛇 马 羊 猴 鸡 狗 猪 shu3 niu2 hu3 tu4 long2 she2 ma3 yang2 hou2 ji1 gou3 zhu1 Rat Ox Tiger Rabbit Dragon Snake Horse Sheep Monkey Chick Dog Pig Aries Taurus Gemini Cancer Leo Virgo Libra Scorpio Sagittar Caprico Aquariu Pisces The button B leads back to the slide from which this one was called. Peter Richter