Spielen mit Sätzen Suprasegmentalia beim Hören und Sprechen im DaF-Unterricht Universität Bonn, Meiling JIN 18.-21.09.2005 BuTa in Kassel

Gliederung Einführung Definition des Begriffs „Suprasegmentalia“ Wichtigkeit der Suprasegmentalia Rolle der Suprasegmentalia in DaF Wie spielt man mit Sätzen? Schlusswort Ich fange mit der Gliederung an. Zuerst möchte ich Ihnen erklären, warum es hier „Spielen mit Sätzen“ heißt. Dann erkläre ich den Begriff „Suprasegmentalia“, d.h. was bedeutet der Begriff, was versteht man unter diesem Begriff. Im Dritten Kapitel komme ich auf die Wichtigkeit der Suprasegmentalia. Wenn die Suprasegmentalia so wichtig sind, was für eine Rolle spielen sie in DaF? Kann man das lernen? Und wie? Danach werde ich ein paar Vorschläge machen, wie man im Unterricht mit Sätzen spielen kann.

Warum heißt es hier „Spielen mit Sätzen?“ 1. Einführung Warum heißt es hier „Spielen mit Sätzen?“ Wir haben schon einige Vorträge über spielen mit Vokabeln gehört. Warum heißt es hier „Spielen mit Sätzen“? Sehen wir zuerst ein paar Beispiele!

Kommen Sie jetzt Hier sind drei Wörter: kommen, Sie, jetzt. Wenn die drei Wörter so in dieser Reihenfolge stehen. Wie verstehen Sie die Wörter. Ist das ein Satz? Wenn ja, was für einen?

Kommen Sie jetzt Kommen Sie jetzt? Ok, man kann sie als einen Fragesatz verstehen.

Kommen Sie jetzt Kommen Sie jetzt! Man kann sie auch als einen Aufforderungssatz verstehen.

Ich ziehe Köln Düsseldorf vor. Noch ein Beispiel.

Ich ziehe Köln Düsseldorf vor. Wenn er sagt, Ich ziehe Köln Düsseldorf vor, dann mag er Köln mehr als Düsseldorf.

Ich ziehe Köln Düsseldorf vor. Wenn sie sagt, „Ich ziehe Köln Düsseldorf vor.“ Dann mag sie Düsseldorf mehr als Köln.

Ich habe getan, was mir befohlen war. Der Sinnkern des ersten Satzes liegt (mit dem Tieffall in der zweiten Silbe des ersten Verbs: getan) darin, gewissermaßen beruhigt und/oder beruhigend zum Ausdruck zu bringen, dass eine erwünschte Handlung erfolgreich beendet wurde, so betont der zweite Satz (mit dem Tieffall in der zweiten Silbe des zweiten Verbs: befohlen) dem gegenüber, dass der Ausführende der fraglichen Handlung dieselbe nicht persönlich zu verantworten habe.

Paul will Paula nicht Paul will Paula nicht. Paul will Paula nicht? Paul will Paula nicht. (Eine Aussage, eine Mitteilung) Paul will Paula nicht? (Der Sprechende zweifelt daran, dass Paul Paula nicht will.) Paul will Paula, nicht? (Der Sprechende vermutet, dass Paul Paula nicht will. Er erwartet hier eine bejahende Antwort.) Paul, will Paula nicht? (Hier wird Paul als Vokativ benutzt. Der Sprechende fragt die Meinung von Paul, ob Paula nicht will.) Die Interpunktion und Pausensetzung spielen hier eine große Rolle.

Diese bedeutungsunterscheidenden Phänomene hängen nicht von den einzelnen Bestandteilen eines Satzes, sondern vom ganzen Satz ab. Das heißt, man versteht die Bedeutung einer Äußerung nur richtig, wenn man den ganzen Satz als eine Einheit betrachtet. Deshalb wähle ich „Satz“ als meine Forschungseinheit.

2. Definition des Begriffs Suprasegmentalia Durch die Beispiele eben wissen wir, dass mal die Satzmelodie, mal die Betonung, mal die Intonation, mal die Pausierung eine Rolle spielt. All diese Phänomene nennt man in der Fachliteratur „Suprasegmentalia“. Aber was versteht man genau unter dem Begriff?

Suprasegmentalia „Gesamtheit dessen, was am Sprachschall über die Reihe der realisierten Laute (Phone) hinaus als sinnträchtige akustische Gestalt gebildet und aufgefaßt wird”. (Winkler 1984, S. 730. ) Winkler definiert den Begriff „Suprasegmentalia“ als „Gesamtheit dessen, was am Sprachschall über die Reihe der realisierten Laute (Phone) hinaus als sinnträchtige akustische Gestalt gebildet und aufgefasst wird“. Wenn Suprasegmentalia ein umfassender Begriff ist, was zählt dazu?

Suprasegmentalia 1. melodische, 2. dynamische, 3. temporale und 4. artikulatorische Suprasegmentalia. (H. Geißner 1988, S. 122) Geißner hat die Suprasegmentalia in vier Gruppen unterteilt: melodische, dynamische, temporale und artikulatorische Suprasegmentalia. Weil Hellmut Geißner ein Sprechwissenschaftler ist, nennt er die Suprasegmentalia „Elemente des Sprechausdrucks“.

Melodischer Bereich Tonhöhe Satzmelodie Klangfülle Klangfarbe Der vier Gruppen umfasst jeweils für sich vier Unterarten. Zur Kategorie des melodischen Bereichs zählen die Tonhöhe, Satzmelodie, Klangfülle und Klangfarbe.

Dynamischer Bereich Betonung Betonungswechsel Lautstärke Lautstärkewechsel Zum Bereich des Dynamischen gehören Betonung, Betonungswechsel, Lautstärke und Lautstärkewechsel.

Temporaler Bereich Geschwindigkeit Tempowechsel Pausendauer Pausenart Unter Temporal fallen neben Geschwindigkeit und Tempowechsel auch die Pausendauer und die Pausenart.

Artikulatorischer Bereich Deutlichkeit Deutlichkeitswechsel Lautbindung Lautungsstufe Die Kategorie des Artikulatorischen schließlich umfasst Deutlichkeit und Deutlichkeitswechsel sowie Lautbindung und Lautungsstufe.

3. Die Wichtigkeit der Suprasegmentalia Jetzt kommen wir zu dem dritten Punkt: Die Wichtigkeit der Suprasegmentalia.

Die Wichtigkeit der Suprasegmentalia Hervorhebend Bedeutungsunterscheidend Gliedernd Satztypunterscheidend Sinnverstehen Emotionsausdruck Persönlichkeitsausdruck Warum sind Die Suprasegmentalia wichtig, weil sie eine Information hervorheben kann, weil sie bedeutungsunterscheid sind, weil sie auch die Funktion hat, Formulierungen zu gliedern: was ist wichtig, was ist weniger wichtig. Was gehört mit was zusammen. „Satztypunterscheidend“ heißt, ob ein Satz eine Aussage oder eine Frage ist, unterscheidet man durch die Suprasegmentalia. Die letzten drei Funktionen lassen sich noch durch Beispiele klar machen.

Emotionsausdruck Guten Tag! (einem unbekannten) Guten Tag! (einem guten Freund) Aus dem Alltagsleben wissen wir, dass man einem unterwegs getroffenen unbekannten Spaziergänger anders Guten Tag! Sagt, als einem guten Freund, den man lange nicht gesehen hat und den man plötzlich vor Augen hat. Einem guten Freund spricht man mit lauterer, höherer Stimme und mit langsamerer Geschwindigkeit, und oft auch mit Dehnungen zwischen den einzelnen Silben. Dabei klingt die Begrüßung überrascht, kontaktfreudig, gefühlvoll und erfreut sowie erfreulich. Aus dem Bereich unserer Alltagserfahrung wissen wir auch, dass man mit lauterer und höherer Stimme spricht, wenn man aufgeregt ist, sei es ärgerlich oder glücklich. Bei deprimierenden Emotionen wie Trauer und Betrübnis spricht man eher leiser, langsamer und die Stimme ist auch niedriger.

Persönlichkeitsausdruck Soziale Zugehörigkeit (Altersgruppe, Geschlecht, Nationalität usw.) Sozialer Status Bildungsgrad Aktuelle physische und psychische Befindlichkeit ... Die Funktionen der Suprasegmentalia, die wir bis jetzt erläutert haben, sind alle verbunden mit der Sprecherabsicht. Aber die Suprasegmentalia geben auf eine besondere Weise auch Auskunft über den Sprecher selbst und zwar in mehrfacher Hinsicht: sowohl über seine soziale Zugehörigkeit (Altersgruppe, Geschlecht, Nationalität usw.), über seinen sozialen Status und Bildungsgrad, ja sogar über seine aktuelle physische und psychische Befindlichkeit, d.h. „Wer (wo-wann, was-wie, warum-wozu) immer zu wem etwas äußert, äußert damit immer zugleich sich selbst. Ausdruck ist zwar immer ‚Zum Ausdruck bringen‘, aber unweigerlich zugleich ‚zum Ausdruck kommen‘. (H. Geißner 1984, S. 16)

4. Die Rolle der Suprasegmentalia in DaF Wir wissen jetzt, dass die Suprasegmentalia sehr wichtig sind, aber was bedeutet das für DaF-Lernende?

Die Rolle der Suprasementalia in DaF Suprasegmentalia helfen den Lernenden beim Sinnverstehen erleichtern den Lernenden das Hörverstehen helfen den Lernenden beim Kommunizieren (textsortenorientiert, situationsadäquat, adressatenspezifisch, sprachhandlungsbezogen) Suprasegmentalia helfen den Lernenden beim Sinnverstehen. Dazu brauche ich hier nicht mehr zu erklären. Suprasegmentalia erleichtern den Lernenden das Hörverstehen. Zum Beispiel Akzent markiert die wichtige Information. Die Satzmelodie gibt den Lernenden Signal, ob ein Satz weitergeführt wird oder zu Ende geht. Die Suprasegmentalia liefern dem Hörer noch wertvolle zusätzliche Informationen (ob der Sprecher freudig oder ärgerlich, geduldig oder ungeduldig, höflich oder arrogant, müde oder munter usw. ist. Dann kann der Hörer seine Vorwissen aktivieren und eine adressatenspezifische Orientierung des Hörverstehens ermöglichen. Wenn der Lernende die Suprasegmentalia beherrscht, kann er textsortenorientiert, situationsadäquat, adressatenspezifisch und sprachhandlungsbezogen reagieren und kommunizieren.

Wie spielt man im Unterricht mit Sätzen? Wie spielt man im Unterricht mit Sätzen? Es gibt verschiedene Methoden. Hier mache ich einige Vorschläge.

mit oder ohne Akzentuierung Komm nur rein! Komm n`ur rein! Der Lehrende kann einen Satz mit oder ohne Akzentuierung sprechen und die Studenten zeigen, welche Bedeutungsunterschiede es gibt.

Betonung auf unterschiedliche Wörter setzen Heute s´o, morgen s`o. (flatterhaft) H´eute so, m´orgen so. (beständig) Wenn die Akzentuierung anders ist, ändert sich die Bedeutung auch.

denselben Satz in verschiedenen Melodien aussprechen, je nach der Aufgabestellung Sie machen das. (als Feststellung) Sie machen das? (als Frage) Sie machen das! (als etwas Definitives) Sie machen das und wir... (als Planungsschritt) Der Lehrer kann denselben Satz in verschiedenen Melodien aussprechen lassen, je nach der Aufgabestellung.

hören und raten lassen, was für eine Emotion man beim Sprechen hat Waaas? Schööön! Rrraus! Wi-der-lich! Un-glaub-lich! Wun-der-schön! Der Lehrer können die Lernenden hören und raten lassen, was für eine Emotion der Sprechende hat.

Sätze rein vom „Tonfall“ unterscheiden lassen ob der Sprecher etwa böse oder erfreut, sicher oder unsicher, überrascht oder nicht überrascht, geduldig oder ungeduldig, höflich oder unhöflich, müde oder munter ... ist, ohne Rücksicht auf die Bedeutung des Gesprochenen. geeignet in Anfängerkurs Um dieses Spiel zu verdeutlichen, können wir ja auf Chinesisch probieren. Spricht jemand von Ihnen Chinesisch? Wenn ja, dann bitte nichts verraten. Taoyan! Ni juede zenmeyang? Gun! Tai bang le! Hao Qiu!

Das ist eine Unverschämtheit! Was machst du hier? Hau ab! Das ist ja toll! Das ist eine Unverschämtheit! Was machst du hier? Das darf doch nicht wahr sein! Na ja! Ist ja schon gut! Hör doch mal zu! Als weitere Beispiele. Damit die Lernenden ein einen Sinn für den Zusammenhang zwischen den Suprasegmentalia und Emotionen haben können, kann der Lehrer auch Beispielgruppen sammeln, z. B. eine Gruppe von erfreulichen Formulierungen, eine von tröstenden Formulierungen usw.

dem Lehrer nachsprechen Das wird ja immer schöner! Das ist ja eine schöne Geschichte! Da hast du etwas Schönes angerichtet! Pass nur auf, es kommt noch toller!

dem Lehrer nachsprechen Das wird ja immer schöner. (Es wird immer schlimmer. ) Das ist ja eine schöne Geschichte. (Das ist eine unangenehme Angelegenheit) Da hast du etwas Schönes angerichtet. (Du hast einen Fehler begangen.) Pass nur auf, es kommt noch toller. (Es wird noch schlimmer / aufregender.) Der Lehrer lässt die Lernenden nachsprechen und auf die Betonung aufpassen.

sich eine Situation für eine vom Lehrer vorgegebene bestimmte Formulierung ausdenken und zu zweit einen Dialog machen Nur nachsprechen oder nur einzelne Sätze sprechen ist ja langweilig, deshalb können die fortgeschrittenen Lernenden für eine vom bestimmte Formulierung eine Situation ausdenken und diese dann im Dialog verwenden.

Schlusswort Man kann solche Spiele im Phonetikunterricht, bei Hör- und Leseverständnisübungen machen. Besonders geeignet sind solche Spiele für Sprechübungen. Solche Spiele sind nicht nur nützlich im DaF-Kurs, sondern auch im Fremdsprachenunterricht anderer Sprachen.

Ende Vielen Dank!