Anforderungen der Wissenschaft an die amtliche Statistik Die Perspektive der Bildungsberichterstattung Martin Baethge Konsortium Bildungsberichterstattung SOFI Soziologisches Forschungsinstitut an der Universität Göttingen Workshop des Rats für Wirtschaft- und Sozialdaten Wiesbaden, 12.03.2007
Gliederung Das Konzept der Bildungsberichterstattung und die Datenlage Datendesiderate Anforderungen an Zensus und Mikrozensus
Das Konzept der Bildungsberichterstattung Aufgabe Problemanalyse der Entwicklung des Bildungs-wesens in systemischer Perspektive mit dem Ziel politischen Handlungsbedarf und Eingriffsfelder zu identifizieren Kritischer Maßstab Ziele des Bildungswesens - Individuelle Regulationsfähigkeit - Sicherung und Weiterentwicklung von Humanressourcen - Förderung sozialer Teilhabe und Chancengleichheit Modus Dauerberichterstattung Methode Indikatorengestützte Analyse und Darstellung Indikatorentypen Input, Prozess, Outcome/Output
Kriterien der Bildungsberichterstattung Bildung als lebenslanger Entwicklungsprozess Formale Bildungsgänge + non-formale Bildung + informelles Lernen Verläufe, Übergänge Langfristige Erträge Ziele/Effektivität Individuell: Regulationsfähigkeit (ablesbar u.a. an Kompetenzen, aber auch an verfügbaren Optionen) Gesellschaftlich: Humanressourcen Effizienz Verhältnis Aufwand/Ertrag Umgang mit (Lebens-) Zeit Zurechnung von Effekten zu Bildungsgängen/ Lernorten soweit möglich Chancengleichheit Teilhabe von sozialen Gruppen (Angebot und Nutzung) Disparitäten an Übergängen Regionale Aufgliederung Steuerungsrelevanz Fokus auf Problemfeldern/-gruppen
Anforderung eines indikatorenbasierten Bildungsberichts an die Qualität der Daten Zuverlässige, valide, standardisiert erhobene Daten Nationale Repräsentativität Aktualität Verfügbarkeit in Zeitreihe (Keine einmaligen Erhebungen !) Verfügbarkeit von Vergleichsdaten für internationales Benchmarking und Ländervergleich Soweit möglich, Differenzierung nach Personen-merkmalen (Geschlecht, Migration, sozio-ökonomischer Hintergrund) und Region
Derzeit verfügbare Daten Amtliche Daten KJH-Statistik Schulstatistik Berufsbildungsstatistik Hochschulstatistik Adult Education Survey CVTS Mikrozensus Eurostat Arbeitskräfteerhebung + Survey-Daten SOEP Large-Scale-Assessments (PISA;IGLU, TIMSS-Grundschule) Freiwilligensurvey Zeitbudgeterhebung Sozialerhebung Konstanzer Studierendensurvey HIS-Absolventenstudien HIS-Studienberechtigtenpanel BSW BIBB/IAB-Erhebungen
Vorteile der Nutzung von flächendeckenden Daten der amtlichen Statistik Hoher Abdeckungsgrad, auch regional ausdifferenziert Verfügbarkeit in enger Zeitreihe Hohe Qualität der Daten Kostenersparnis
II. Daten-Desiderate bezogen auf Indikatoren-Typen und Bildungsbereiche Input: relativ günstige Datensituation Prozess: kaum Daten vorhanden (z.B. Qualitäts- sicherung) Outcome/ Abschlüsse, Kompetenzen (über Output Large-Scale-Assessments) wenig zu Erträgen (z.B. Übergänge, Arbeitsmarkt und gesellschaftliche Beteiligung)
Generelle Mängel der Datenlage Keine Verfügbarkeit über individuelle Verlaufs- daten zur Abbildung von Übergängen Mangelnde Beziehbarkeit von institutionellen Angebots- und individuellen Nutzungsdaten Mangelnde Differenzierungstiefe der sozio- ökonomischen Hintergrundsvariablen Fehlende und mangelnde Differenzierung von Bildungsvariablen in flächendeckenden Datensätzen
Grenzen des Bildungsberichts 2006 (I): Übergänge, Bildungsgangwechsel und erworbene Zertifikate ím Grenzbereich von allgemeiner und beruflicher Bildung nicht im Verlauf, sondern nur an Schnittstellen darstellbar
Grenzen des Bildungsberichts 2006 (I): Übergänge, Bildungsgangwechsel und erworbene Zertifikate ím Grenzbereich von allgemeiner und beruflicher Bildung nur exemplarisch im Verlauf darstellbar
Grenzen des Bildungsberichts 2006 (II): Auseinanderfallen von institutionellen Angebotsdaten und individuellen Nutzungsdaten (hier: Ganztagsschulen)
Grenzen des Bildungsberichts 2006 (III): Ausdifferenzierung seltener Ereignisse für Problemgruppen (hier: Schüler mit Migrationshintergrund) nicht in Indikatoren darstellbar, sondern nur exemplarisch und näherungsweise
Erfordernisse einer Bildungsberichterstattung, die Bildung im Lebenslauf abbildet und Systemsteuerung unterstützt Dauerhafte Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Daten Aussagekraft auch für Regionen und soziale Gruppen Aussagen zur Chancenverteilung (gerade für Problemgruppen) Individualdaten Abbildung von kumulativen Prozessen, Warteschleifen u.ä. Aussagen zu Effektivität und Effizienz für unterschiedliche Gruppen und zu langfristigen Erträgen generelle Lösungsperspektive Flächendeckende Erhebungen (z.B. Kerndatensatz der KMK) Längsschnittdaten/Kennummern
III. Nutzen von Zensus-Daten für die Bildungsberichterstattung Indikatorenbereiche Bildungsbeteiligung Bildungstand Bildungserträge Demographie und Sozialstruktur Vorteile des Zensus Differenzierungstiefe (z.B. regional) Abbildung der Gesamtbevölkerung (auch Nichtteilnehmer, welche mit institutionellen Statistiken nicht erfasst werden) Breite der sozio-ökonomischen Kontextvariablen (Haushaltszusammenhänge, Migrationsstatus u.a.) Bezug zum Erwerbssystem
Konkrete Desiderate für Zensus und Mikrozensus - Wiederaufnahme der Merkmale „Schulform im Sekundarbereich I“ und „Besuch von Kindergarten, -krippen oder Hort“ Genauere Differenzierung der Bildungsbeteiligung an beruflichen Schulen durch Trennung von Bildungsgängen - mit und ohne vollqualifizierenden Abschlüssen - Fachschule, Fach-/Berufsakademie und Schulen des Gesundheitswesens - Evtl. zusätzliche Erhebung von ausbildungs- und berufsvorbereitenden Maßnahmen Weitere Ausdifferenzierung der Weiterbildungsbeteiligung im non- formalen und informellen Bereich Getrennter Ausweis von Abschlüssen an Fach-/Berufsakademien und Schulen des Gesundheitswesens, sowie Lehre und mittlerer Dienst Berufsausbildungsabschluss nach Berufsgruppen oder erlernten Berufen Bei Personen ohne beruflichen Abschluss: zusätzliche Frage nach abgebrochener Ausbildung