Alter und Gesundheitsheitsförderung - Erfahrungen und Möglichkeiten

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Netzwerk JUGEND für Europa.
Advertisements

Definition und Positionierung der Deutschen STI-Gesellschaft
Landesprogramm „ Bildung und Gesundheit“
Altern und soziale Ungleichheit
Jugendhilfeplanung Planungsaufgabe eines Jugendamtes
Gesundes und aktives Altern in Radevormwald
Gesundes und aktives Altern Radevormwald WHO / EUROPA Demonstrations- projekt Johanniter - Einrichtungen Radevormwald.
Unterstützung gefährdeter Gruppen Gesundheit und Wohlbefinden im Communities First-Programm Gesundheitsförderung im kommunalen Setting 11. österreichische.
14. Österreichische Gesundheitsförderungskonferenz Gemeinsam gesundheitliche Chancengerechtigkeit fördern 22. und 23. November 2012 Dr. Verena Zeuschner.
Prof. Dr. Petra Kolip Zentrum für Public Health der Universität Bremen
14. Österreichische Gesundheitsförderungskonferenz
Ekkehard Nuissl von Rein Erfahrungen aus dem deutschen Programm
Pro-Skills-Hintergrundphilosophie
Anpassung und Weiterentwicklung des Thesenpapiers zur ganzheitlichen Gesundheitsförderung aus dem Pilotprojekt APHRO im Rahmen des Innovationstransferprojektes.
Tagung des DNBGF-Forums
Leitbild Schule intern Schule & Entwicklung Schule & Partner.
Kapazitätsentwicklung in der Lenzsiedlung Ergebnisse der Folgebefragung von professionellen Akteuren aus dem Gesundheits- und Sozialbereich (Juni.
Seite 1 Anschub.de: Ziele und deren Evaluation Günther Gediga IwFB / Universität Münster Lüneburg,
"Mit psychischen Beeinträchtigungen alt werden"
Errungenschaften der letzten 200 Jahre
Promotionsförderung für den weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchs an der Universität Dortmund.
Von Daniel André, Robin Stirnberg
Gewinn für Patienten durch einen ganzheit-lichen Ansatz bei der Versorgungsgestaltung Berlin, den 07. November 2012 Prof. Dr. h.c. Herbert Rebscher | Vorsitzender.
Abschlusstagung KES, Dessau, Modellversuch Kriterien zur Entwicklung, Evaluation und Fortschreibung von Schulprogrammen (KES) Modellversuch.
"Beschäftigung in der Wachsenden Stadt – Neue Chancen für Benachteiligte" – Projekt ESF Art. 6 Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Wirtschaft und.
HOW - Health Out of Work. Gesundheitsförderung in der Arbeitslosigkeit
von Michael Büge Staatssekretär für Soziales
Zielgruppenkonferenz „Sozialraumorientierte Präventionsarbeit mit Kindern und Jugendlichen in benachteiligten Stadtteilen“ 17. Oktober 2005 Gemeinsamkeiten.
Gesundheitstag Bezirksregierung Arnsberg 24. Juni 2013
Netzwerk Gesundheitsförderung und Arbeitsmarktintegration
Sicherheitsbedürfnisse von Senioren
Verhinderung von Störungen vs. Förderung von Gesundheit
Medizinische Universität Wien, Abteilung für Rheumatologie
Prof. Dr. Gian Domenico Borasio Lehrstuhl für Palliativmedizin
Die Betriebliche Gesundheitsförderung umfaßt
Cluster 2 – Psychische Erkrankungen in der Arbeitswelt
K&M 10 Gesellschaft für psychische und soziale Gesundheit.
…eine Initiative des Fonds Gesundes Österreich
Generation 50plus - „Frisch, Fröhlich, Alt“
Der Übergang von der Schule in den Beruf – eine lokale Betrachtung
BUNDESFORUM FAMILIE – 15. April 2010 Gesundheit Berlin-Brandenburg Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung Carola Gold Geschäftsstelle Kooperationsverbund.
Zukunftstrends in Service- und Call-Centern
Perspektive Gemeinwesen? Prof. Dr. Albrecht Rohrmann
Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen als Chance für die ganze Familie Bundesverband e.V, Mai 2007 Anna Hoffmann-Krupatz An der stationären Vorsorge-
Neue Wege in der Versorgung gewaltbetroffener Frauen.
Psychotherapie bei MS P. Calabrese.
Die Bedeutung der Bewegung in einer guten und gesunden Kita
6. Treffen der Menschen mit Armutserfahrung
EnergieEffizienz-Netzwerk (EEN) für Trier und die Region Hermann Weber
Fachkräftemangel Was bietet der Öffentliche Dienst?
Schadensminderung im Justizvollzug Zusatzmodul: Gefangene aus ethnischen Minderheiten Training Criminal Justice Professionals in Harm Reduction Services.
Gesundheitsfördernde
Forum für Altersfragen Kanton Zug 12. Juni 2014
„Wir werden älter ... auch zufriedener?“
Landkreis Miesbach Netzwerk Altenhilfeplanung im Landkreis Miesbach.
Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie
ÖGB BÜRO CHANCEN NUTZEN
Allgemeines Gesundheitsverständnis. WestLotto Das Unternehmen.
Rudolf Henke Krankheit und Armut
Einführung in die Medizinische Soziologie und Public Health
Einführung Public Health Vbg1 19. September 2008 Einführung - Ziele und Inhalte Horst Noack Arbeitsgruppe Public Health Institut für Sozialmedizin und.
Diskussion EUSTaCEA Schritt 3 Aktivität 1 (Kurzversion) WeDO For the Wellbeing and Dignity of Older People Dieses Projekt wurde mit Unterstützung der Europäischen.
EU Rights on Older People Schritt 2 Aktivität 1 (Kurzversion)
Partizipation im Übergang – gemeinsam gestalten
Präventionskette im Landkreis Germersheim
Der Best Practice-Club Familie in der Hochschule 1 Die Charta Familie in der Hochschule.
Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention
Was ist Pharmakovigilanz?
B4 Individuelle Gesundheitskompetenzen B1 Gesundheitsfördernde Angebote D Gesundheit A1 Entwicklung gesundheitsfördernder Angebote A2 Interessenvertretung.
10 Jahre Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser die Marke MGH in Brandenburg die Marke MGH in Brandenburg.
 Präsentation transkript:

Alter und Gesundheitsheitsförderung - Erfahrungen und Möglichkeiten 8. Österreichische Präventionstagung Wien 2006 Alter und Gesundheitsheitsförderung - Erfahrungen und Möglichkeiten Olaf v.d. Knesebeck Institut für Medizin-Soziologie Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Gliederung des Vortrags Gesundheit im Alter Gesundheitsförderung im Alter

Die Top 20 der „Nicht-Krankheiten“ nach Meinung der BMJ-Leser 2002 Älter werden Arbeiten Langeweile Tränensäcke Ignoranz Haarausfall Sommersprossen Große Ohren Graue Haare Hässlichkeit 11. Geburt 12. Allergie 13. Jetlag 14. Unglücklichsein 15. Zellulitis 16. Kater 17. Unzureichende Penisgröße 18. Schwangerschaft 19. Ausrasten beim Autofahren 20. Einsamkeit

Szenarien zum Verhältnis von Morbidität und Lebenserwartung in Anlehnung an Fries Schwartz und Walter 2003

Veränderung der Überlebenskurve am Beispiel deutscher Frauen

Entwicklung der Prävalenz von Behinderungen in der amerikanischen Bevölkerung über 65 Jahre Fries 2003

„Sehr zufrieden“ mit dem Gesundheitszustand nach Alter in % (Bundesgesundheitssurvey) Ellert und Knopf 1999

Niedrige Bildung und schlechte subjektive Gesundheit bei über 60Jährigen in 22 Ländern: Odds Ratios und KI Knesebeck und Schäfer 2006

Entwicklung des Behinderungsgrades unter Läufern verglichen mit einer Kontrollgruppe (Durchschnitts- alter 58 Jahre), Fries 2003

Gliederung des Vortrags Gesundheit im Alter Gesundheitsförderung im Alter

Interventionsspielräume im höheren Lebensalter Die individuelle Lebensführung, Lebensbedingungen und Bewältigungspotentiale können den Gesundheitszustand, die Lebensqualität und das Wohlbefinden im höheren Lebensalter erheblich beeinflussen. Prävention und Gesundheitsförderung kommt die Aufgabe zu, die Entwicklung chronischer Erkrankungen zu verhindern oder zu verzögern sowie Alltagskompetenz, Selbständigkeit und Autonomie älterer Menschen so lange wie möglich zu erhalten.

Gesundheitsförderung im höheren Lebensalter: Ausgewählte Programme (BRD) In den letzten Jahren sind zunehmend Programme zur Prävention und Gesundheitsförderung im höheren Lebens- alter entwickelt und teilweise auch evaluiert worden. Beispiele: „Aktive Gesundheitsförderung im Alter“ „Active Ageing Programm“ der WHO

„Aktive Gesundheitsförderung im Alter“ Entwickelt vom Zentrum für Gerontologie und Geriatrie des Albertinen-Hauses in Hamburg. Wurde mit dem Deutschen Präventionspreis 2005 ausgezeichnet. Zielgruppe: Personen über 60 Jahre, die nicht pflegebedürftig sind und noch unabhängig und ohne kognitive Beeinträchti- gung zu Hause leben. Setzt auf eigenverantwortliche Selbstbestimmung im Alter (Empowerment) und fokussiert deshalb auf Bereiche, die der persönlichen Eigenverantwortung unterliegen.

Körperliche Aktivität Ernährung: Ökotrophologe Körperliche Aktivität: Physiotherapeut Soziales Netz: Sozialpädagoge Teamleitung und Koordination: Arzt Gesunde Ernährung Mobilität Kognitive Aktivität Gesund- heit Körperliche Aktivität Soziales Netz Psychische Aktivität Das interdisziplinäre Gesundheitsberater-Team

„Aktive Gesundheitsförderung im Alter“ Das Programm umfasst eine halbtägige Informationsveranstaltung und Beratung in Kleingruppen, einen individuellen Ernährungs- und Aktivitätenbrief mit den Ergebnissen der Beratung und entsprechenden Angeboten sowie die Möglichkeit zu einem Erfahrungsaustausch und der Teilnahme an Workshops ein halbes Jahr später.

Ablauf einer Beratungs-Veranstaltung „Aktive Gesundheitsförderung im Alter“ 1. Informationen im Vortragsteil (12 P.) 2. Individuelle Beratung Kleingruppenarbeit (6 P.) Medizinische Grundlagen des Alterns Soziale Vorsorge/ geistige Aktivität Körperliche Aktivität Gesunde Ernährung Empfehlungsbriefe Körperliche Aktivität Gesunde Ernährung

„Aktive Gesundheitsförderung im Alter“: Ergebnisse der Evaluation in Hamburg nach 1 Jahr (Dapp et al. 2004) Ballstreiche Ernährung Körperliche Aktivität Impfung Pneumonie Vorsorgeunters. des Gehörs

„Aktive Gesundheitsförderung im Alter“: Ergebnisse der Evaluation in Hamburg Hohe Akzeptanz der „Aktiven Gesundheitsförderung im Alter“ bei Hamburger Hausarztpraxen bei den Hamburger Senioren (über 1000 Teilnehmer bis heute) bei den Hamburger Behörden beim Landesseniorenbeirat bei sonstigen Akteuren im Hamburger Netzwerk bei Seniorentreffs/ Altentagesstätten bei den Krankenkassen Meier-Baumgartner et al. 2006

„Aktive Gesundheitsförderung im Alter“ Die Ergebnisse sprechen für die Akzeptanz und die Wirksamkeit des Programms. Allerdings erscheint eine weitergehende Evaluation sinnvoll (z.B. längerer Beobachtungszeitraum, Übertragbarkeit auf andere Kontexte).

Gesundheitsförderung im höheren Lebensalter: Ausgewählte Programme (BRD) In den letzten Jahren sind zunehmend Programme zur Prävention und Gesundheitsförderung im höheren Lebens- alter entwickelt und teilweise auch evaluiert worden. Beispiele: „Aktive Gesundheitsförderung im Alter“ „Active Ageing Programm“ der WHO

„Active Ageing Programm“ Die Weltgesundheitsorganisation hat im Jahr 2002 ein "Active Ageing Programm" vorgelegt, das sich zum Ziel setzt, eine aktive und selbständige Lebensführung zu fördern und damit die Lebensqualität älterer Menschen zu verbessern. Aktives Altern umfasst neben der Ausübung körperlicher Aktivitäten die Beteiligung des alternden Menschen an sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen, intellektuellen und öffentlichen Prozessen.

„Active Ageing Programm“ Das Programm wird/wurde an mehreren Standorten erprobt (Wien, Hannover, Radevormwald). Die Intervention in Radevormwald erfolgte auf einer individuellen, auf die Bedürfnisse der älteren Menschen ("Klienten") ausgerichteten Ebene sowie auf einer systemischen, auf die intersektorale Zusammenarbeit der an der Versorgung beteiligten Akteure gerichteten Ebene. Zielgruppe der Intervention waren Personen zwischen 55 und 80 Jahren, von denen eine Vielzahl im Prozess der Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand stehen oder ihren langjährigen Lebenspartner durch Tod verloren haben.

Active Ageing in Radevormwald Zwei Jahre besuchten geschulte Beraterinnen insgesamt 344 Personen im Alter zwischen 55 und 80 Jahren. Die Beraterinnen waren darüber informiert, welche in der Kommune vorhandenen Angebote und Möglichkeiten ein aktives Altern fördern können, und hatten die Aufgabe, gemeinsam mit den Teilnehmern auf deren Bedürfnisse ausgerichtete Vereinbarungen zu treffen. Die Maßnahmen beinhalteten vor allem Schritte zur Aktivierung, aber auch Maßnahmen zur Behandlung gesundheitlicher Probleme oder zu einer Verbesserung der Lebensqualität.

Active Ageing in Radevormwald Die Erfahrungen und Effekte innerhalb und im Umfeld dieses Projektes wurden durch eine externe wissenschaftliche Begleitung dokumentiert und evaluiert. Die Evaluation sollte unter anderem Aufschluss darüber geben, inwieweit es gelungen ist, die Gesundheit und die Lebensqualität der älteren Menschen in Radevormwald zu verbessern. Zu diesem Zweck kam eine Vorher-Nachher-Evaluation zur Anwendung, bei der die gesundheitliche und psychosoziale Situation der Interventionsteilnehmer zu Beginn, während und am Ende des Projektes erhoben und verglichen wurde.

Messung Lebensqualität nach WHOQOL-Bref Umwelt (7 Fragen, Cronbach‘s Alpha 0.78-0.82) (z.B. Möglichkeit zu Freizeitaktivitäten) Psychisch (6 Fragen, Cronbach‘s Alpha 0.81-0.84) (z.B. Leben genießen können) Physisch (7 Fragen, Cronbach‘s Alpha 0.88-0.89) (z.B. Behinderung durch Schmerzen) Soziale Beziehungen (3 Fragen, Cronbach‘s Alpha 0.62-0.68) (z.B. Unterstützung Freunde) Global (2 Fragen) (z.B. Beurteilung Lebensqualität)

Entwicklung der Lebensqualität im Projektverlauf (alle Teilnehmer, Mittelwerte) Physisch Psychisch Sozial Umwelt Global Knesebeck et al. 2006

Entwicklung der Lebensqualität im Projektverlauf (in den letzten 5 Jahren Verwitwete, Mittelwerte) Physisch Psychisch Sozial Umwelt Global Knesebeck et al. 2006

Entwicklung der Lebensqualität im Projektverlauf (in den letzten 2 Jahren Verrentete, Mittelwerte) Physisch Psychisch Sozial Umwelt Global Knesebeck et al. 2006

Active Ageing in Radevormwald Die Befunde sprechen für die Verwendung einer Risikogruppen-strategie bei der Umsetzung des "Active Ageing Programms" der WHO. In der Diskussion um Präventionsansätze wird diese Strategie, bei der die Maßnahmen auf Personengruppen mit erhöhten gesundheitlichen oder psychosozialen Risiken gerichtet sind, der auf eine gesamte Population zielenden Bevölkerungs-strategie entgegengesetzt. Insgesamt bedarf das Programm einer weitergehenden Evaluation, da die Ergebnisse methodischen Begrenzungen unterliegen.

Zusammenfassung I Auch für ältere Personen gibt es eine Vielzahl von Ansätzen und Handlungsfeldern für Prävention und Gesundheitsförderung. Entsprechende Programme sollten die Individualität des Alters und Altwerdens berücksichtigen. Dazu zählen individuelle Einschränkungen, vor allem aber vorhandene Alltagskompetenzen sowie Bedürfnisse, Überzeugungen und Strategien („differentielles Altern“).

Zusammenfassung II Trotz einzelner (viel versprechender Beispiele) besteht international und in Deutschland ein Mangel an systematisiertem Wissen über die Qualität und die Wirksamkeit von Gesundheits-förderungs- und Präventionsprogrammen für das höhere Lebensalter. Dies betrifft auch die Frage, wie es gelingen kann, benachteiligte soziale Gruppen in die entsprechenden Programme einzubeziehen („inverse prevention law“).