Anerkennung, Partizipation und Antidiskriminierung – Aktuelle Herausforderungen für die Integrationspolitik Sehr geehrte Frau von Blumenthal, ich danke.

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Dr. Sarah Demmrich (verh. Kaboğan), Dipl.-Psych., EU- Dipl.rel.psych.
 Präsentation transkript:

Anerkennung, Partizipation und Antidiskriminierung – Aktuelle Herausforderungen für die Integrationspolitik Sehr geehrte Frau von Blumenthal, ich danke Ihnen, dass Sie mir die Möglichkeit geben, heute vor der Berufungskommission, vor den Studierenden und interessierten Kolleginnen und Kollegen meinen Vortrag halten zu dürfen.   Mein Vortrag mit dem Titel Beyond Integration?! kreist um die Kernfragestellung, ob die Integrationsnarrative, wie sie sich in den letzten 35 Jahren – seit dem Kühn-Memorandum des ersten Ausländerbeauftragten der Bunderegierung 1979 - in der Politik und dem öffentlichen Raum etabliert haben, noch angemessen sind, um die Transformation Deutschlands in eine Migrationsgesellschaft zu erfassen – oder ob es unsere Aufgabe als Forschende ist, den Begriff und die narrativen Erzählstrukturen, die sich über Raum und Zeit reproduzieren perspektivisch zu erweitern? Dieser Fragestellung werde ich in meinem Vortrag nachgehen und mit einer Reihe empirischer Daten nachweisen, dass objektive Messbarkeit und empirische Faktizität, wie wir sie als Sozialwissenschaftler jahrelang dem Integrationsbegriff zugeschrieben haben nicht die Grundlage unseres Integrationsverständnisses in Deutschland bilden, sondern vor Allem sinngebende Erzählungen und dominante Diskurse hier wirkmächtig werden, die wir als Forschende mit beeinflussen. Ich konzentriere mich auf Deutschland und hierbei auf die konkrete Untersuchungsgruppe Muslime, als der größten hier lebenden religiösen Minderheit. Unsere hier anwesende Dekanin hat mal zu mir gesagt, bei einer Power Point Präsentation sei alles über 8 Folien schon eigentlich ein Film – insofern, machen Sie sich auf eine mehrteilige Fernsehserie gefasst ;) Die vielen Folien sollen einen Einblick in das empirische Datenmaterial geben, mit dem ich arbeite und das meiner Forschung zugrunde liegt und auf das ich mich auch später bei der Vorstellungen meines Lehrkonzepts beziehen werde. Ich habe für den Vortrag 20 Minuten – ab jetzt: Dr. Naika Foroutan Humboldt-Universität zu Berlin Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) „Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?“ Identitäten und Lebenswelten jugendlicher Migrantinnen und Migranten Landesvertretung Baden-Württemberg Berlin, 2. Oktober 2014

Vortragsaufbau 1. Empirische Daten zur deutschen Migrationsgesellschaft 2. Anerkennungs- und Abwertungsdynamiken – spezifische Diskriminierungen 3. Führt Partizipation, Engagement und Integration zu Anerkennung?

1. Empirische Daten zur deutschen Migrationsgesellschaft

Im Gesamtjahreszeitraum 2013 ein Zuzug um ca. 1,2 Mio Zu­gezo­gene Fort­gezogene Saldo 2013 1 226 493 797 886 428 607 2012 1 080 936 711 991 368 945 2011 958 299 678 969 279 330 2010 798 282 670 605 127 677 2009 721 014 733 796 -12 782 2008 682 146 737 889 -55 743 2007 680 766 636 854 43 912 2006 661 855 639 064 22 791 2005 707 352 628 399 78 953 2004 780 175 697 632 82 543 2003 768 975 626 330 142 645 2002 842 543 623 255 219 288 2001 879 217 606 494 272 723 2000 841 158 674 038 167 120 1999 874 023 672 048 201 975 1998 802 456 755 358 47 098 1997 840 633 746 969 93 664 1996 959 691 677 494 282 197 1995 1 096 048 698 113 397 935 1994 1 082 553 767 555 314 998 1993 1 277 408 815 312 462 096 1992 1 502 198 720 127 782 071 1991 1 198 978 596 455 602 523 Im Gesamtjahreszeitraum 2013 ein Zuzug um ca. 1,2 Mio (Saldo ca. 400.000) Ich verwende das Wort Migrationsgesellschaft in Anlehnung an den Sachverständigenrat für Migration und Integration, der damit auf die Bedeutung von Migration für die Transformation unserer Gesellschaft hinweist – und verdeutlicht, dass wir es mit einem Prozess der Globalisierung zu tun haben, der nicht nur Einwanderungen sondern auch Auswanderungsprozesse beinhaltet. Das Deutschland ein Einwanderungsland geworden ist, wurde politisch jahrelang negiert, obwohl allein zwischen 1955-1973 14 Mio Menschen nach D einwanderten (11 Mio wieder aus). Erst zu Beginn der 2000er mit der rot-grünen Regierung wurde diese Erkenntnis offensiver verbreitet. Auch wenn die Kanzlerin mit Beginn der ersten Großen Koalition 2005 noch einschränkte, D sei zwar ein Einwanderungsland – aber kein klassisches und die CDU stattdessen lieber von Integrationsland spricht. Die deutsche Migrationsgesellschaft zeichnet sich durch hohe Zu- und Fortzüge, also durch eine hohe Mobilität aus, wie sie der rechten Graphik aus dem letzten Migrationsbericht der Bundesregierung entnehmen können Quellen: Destatis, Statistisches Bundesamt Statistisches Bundesamt: Migrationsbericht 2012 - Migrationsbericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im Auftrag der Bundesregierung (S.21)

Super-Diversity (Vertovec 2007) Herkunftsländer für Frankfurt exemplarisch Die Migrationsgesellschaft zeichnet sich durch eine hohe Heterogenität aus Super-diversity (Vertovec) (Vorstellung/ Konzept, um den Level und die Komplexität zu unterstreichen, welche ein Land bisher erfahren hat. Differenzierung durch eine große Anzahl an Immigrant_innen: mehrfache Zugehörigkeit, transnational verbunden, sozio-ökonomisch verschieden, verschiedene rechtliche Status) Multikulturalismus (Seyla Benhabib, Heiner Bielefeldt, Charles Taylor, Will Kymlicka) Seyla Benhabib: fordert ein politisches Management des Integrationsprozesses und „aktive Akzeptanz“ (Geißler) vonseiten der Aufnahmegesellschaft Heiner Bielefeldt: Der aufgeklärte Multikulturalismus Charles Taylor: Der kommunitaristische Multikulturalismus Will Kymlicka: Der liberale Multikulturalismus Transnationalismus Ethnologinnen Nina Glick Schiller, Linda Basch und Cristina Szanton Blanc gelten als amerikanische Begründerinnen des neuen Paradigmas, basiert auf Kritik der „Push-/Pull-Faktoren“, zu einseitig, Migration ist komplexer, transnationale Netzwerke und Verbindungen Transnationalismus mit plurilokalen Bindungen (Pries/ Feist) Diversity Hybridität (Robert Ezra Park, Homi K. Bhabha, Stuart Hall, Gayatri Spivak) Remaking the Amercian Mainstream (Alba/ Portes) Quelle: Vertovec, S. (2007): ‘Super-diversity and its Implications’, Ethnic and Racial Studies 29(6): 1024-1054.

Deutsche Städte sehr heterogen Quelle: Destatis, Bevölkerung nach Migrationsstatus regional - Ergebnisse des Mikrozensus 2011 – eigene Berechnungen

Ausländer_innen, Deutsche, Migrant_innen, Menschen mit Migrationshintergrund? Einwohner_innen mit Migrationshintergrund ca. 16,3 Mio davon ca. 9 Mio Deutsche und 7 Mio Ausländer_innen 2/3 MIT Migrationserfahrung ca. 10,9 Mio Davon deutsche Staatsbürger_innen ca. 5,3 Mio Davon ausländische Staatsbürger_innen ca. 5,6 Mio 1/3 OHNE Migrationserfahrung ca. 5,4 Mio Davon deutsche Staatsbürger_innen ca. 3,75 Mio Davon ausländische Staatsbürger_innen ca. 1,5 Mio

2. Anerkennungs- und Ausgrenzungsdynamiken - Spezifische Diskriminierungen

Anerkennung der Einwanderung als Chance Quelle: http://www.ui.se/upl/files/96123.pdf Seite 39 Andere Folie, hier Seite 38: http://trends.gmfus.org/files/2013/09/TTrends-2013-Key-Findings-Report.pdf Quelle: Transatlantic Trends 2013, S. 39

Anerkennung von Integrationsfortschritten Quelle: SVR Jahresgutachten 2014, S. 29

Bei gleichzeitiger Abwertung von ‚visible minorities‘ Quelle: Aus Presseinformation S. 18 http://www.uni-bielefeld.de/ikg/Handout_Fassung_Montag_1212.pdf Quelle: Heitmeyer 2012; Deutsche Zustände Folge 10, Presseinformation S.18

Ethnische Hierarchien Quelle: Zwischen Gleichgültigkeit und Ablehnung. Bevölkerungseinstellungen gegenüber Sinti und Roma. Expertise für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes Zentrum für Antisemitismusforschung Institut für Vorurteils- und Konfliktforschung e.V., 2014, S.75.

Ausgrenzung begründet mit Fehlverhalten der abgewerteten Gruppe Zwischen Gleichgültigkeit und Ablehnung. Bevölkerungseinstellungen gegenüber Sinti und Roma. Expertise für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes Zentrum für Antisemitismusforschung Institut für Vorurteils- und Konfliktforschung e.V., 2014, S.78.

Einstellung der deutschen Bevölkerung gegenüber Muslimen negativer als in anderen Vergleichsländern Studie „Wahrnehmung und Akzeptanz religiöser Vielfalt“ Quelle: http://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/religion_und_politik/aktuelles/2010/12_2010/studie_wahrnehmung_und_akzeptanz_religioeser_vielfalt.pdf S. 5 Quelle: Detlef Pollack (2011): Religiöse Vielfalt in Deutschland. Universität Münster, S. 5.

„Deutschland im europäischen Vergleich mit Polen, Ungarn, Italien an der Spitze muslimfeindlicher Einstellungen“ Ca. 4 Mio Muslime in D = 5% (Zick et al 2011, S. 70 ) Quelle: Zick et al (2011). Die Abwertung der Anderen. FES, S. 70.

Gegen gleiche Positionen bei Muslimen Mitte im Umbruch 2012 57,1% Gegen gleiche Positionen bei Muslimen Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.) (2012): Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012, Berlin, S. 92. http://www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_12/mitte-im-umbruch_www.pdf Quelle: Decker, Olliver/ Kiess, Johannes/ Brähler, Elmar (2012): Die Mitte im Umbruch. FES. S. 92

Paradoxon der Pluralität: 1. Zwischenfazit Paradoxon der Pluralität: Vielfalt ja! Aber ohne Muslime. Ohne Roma. Und ohne Asylbewerber und Flüchtlinge. Performativer Widerspruch

Gerade von Personen mit dem höchsten Bildungsabschluss, Befragten, die in Partnerschaft leben und über ein mittleres Einkommen verfügen, werden Sinti und Roma am häufigsten als diejenige Gruppe genannt, die Feindseligkeiten bei der Allgemeinheit hervorruft. Anzunehmen ist, dass es sich hier um ein deutliches Zeichen der Ablehnung handelt, eine klare Abgrenzung der Besserverdienenden (...). Derartig deutliche Ablehnungsmuster, in denen vornehmlich das Bewahren der eigenen Vorrechte, des eigenen Wohlstands mit der Ausgrenzung der „Hinzugekommenen“ oder als solche wahrgenommenen Gruppen einhergeht, ließ sich bei den Studien zur „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ unter dem Aspekt „Etabliertenvorrechte“ nachweisen. Zwischen Gleichgültigkeit und Ablehnung. Bevölkerungseinstellungen gegenüber Sinti und Roma. Expertise für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Zentrum für Antisemitismusforschung und Institut für Vorurteils- und Konfliktforschung e.V., 2014, S.79.

3. Führt Partizipation, Engagement und Integration zu Anerkennung?

Soziale Partizipation und Integration Vereinsmitgliedschaften Nachbarschaftskontakte

Kaum Mitgliedschaft in herkunftsbezogenen Vereinen „Mehr als 50% der Muslime über 16 Jahre sind Mitglied in einem deutschen Verein, nur 4% sind ausschließlich Mitglied in einem herkunftslandbezogenen Verein.“

Nachbarschaftskontakte „Die Türken wünschen sich mehr Kontakt zu den Deutschen, aber die Deutschen zeigen ihnen die kalte Schulter.“ Anerkennung 40,9% der befragten türkischen Jugendlichen geben an, sie fänden deutsche Nachbarn sehr angenehm. 9,2% der deutschen Jugendlichen fänden es sehr angenehm, wenn türkische Nachbarn neben ihnen wohnen würden. Quelle: Beier, Dirk/Pfeiffer, Christian/ Rabold, Susan/ Simonson, Julia und Kappes, Cathleen (2010): Kinder und Jugendliche in Deutschland: Gewalterfahrungen, Integration, Medienkonsum: Zweiter Bericht zum gemeinsamen Forschungsprojekt des Bundesministeriums des Innern (BMI) und des Kriminologischen Instituts Niedersachsen (KFN), KFN-Forschungsbericht, Nr.: 109, Hannover: KFN, S. 117.

Strukturelle Integration und Partizipation in Bildung und Arbeit Arbeitsmarkt

a) Bildung

Höhere Schulbildung: 1. Generation türkischer Einwanderer_innen 1961-1973 Bildungsabschlüsse von Personen mit türkischem Migrationshintergrund , die zwischen 1961 und 1973 zugewandert sind (Quelle: Mikrozensus 2009)

Höhere Schulabschlüsse - Abitur und Fachabitur (Mikrozensus 2010) Datenlage 2010 Höhere Schulbildung 20-25jährige: mit türkischem MH 22,4% ohne MH 42,2%

Höhere Schulabschlüsse nehmen zu (Mikrozensus 2011) Datenlage 2011 Höhere Schulbildung 20-25jährige: mit türkischem MH 25,4% ohne MH 46,6% Cos stimmt das mit dem linear? Schulabschlüsse der Bevölkerung im Alter 20 bis unter 25 Jahren mit vermutetem Besuch der Sekundarstufe in Deutschland* nach Migrationsstatus und kulturellen Wurzeln 2012 Gesamtzahlen beziehen sich auf alle Personen, die nicht mehr in schulischer Bildung sind.

Stetig ansteigende höhere Schulabschlüsse (Mikrozensus 2012) Datenlage 2012 Höhere Schulbildung 20-25jährige: mit türkischem MH 28,8% ohne MH 46,9%

Keine Bildungsentwicklung? Vererbung von negativen Bildungsabschlüssen? Cos: Quelle fehlt Quelle: Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2009 – eigene Berechnungen -JUNITED

b) Arbeitsmarkt

Vorwiegender Lebensunterhalt Die Aufstiege im Bildungssektor schlagen sich im Moment noch nicht auf dem Arbeitsmarkt nieder, wie man an den Berechnungen aus dem letzten Mikrozensus 2012 erkennen kann. Sie sehen hier eine deutliche Differenz z.B. bei der Hart-IV Quote. Während Deutsche OHNE MH zu 3% Hartz-IV beziehen, sind es bei den Türkeistämmigen knapp 11%, die ihren Lebensunterhalt hauptsächlich aus Hartz IV bestreiten. Die Ursachen werden vornehmlich in den noch weit auseinanderliegenden Bildungsabschlussquoten gesehen. Quelle: Mikroszensus 2012, eigene Berechnungen JUNITED

Kulturelle Partizipation und Integration Schwimmunterricht Sprache

Schwimmunterricht Es kontne gezeigt werden, dass „ein Anteil von 7 Prozent bzw. 10 Prozent muslimischer Mädchen diesen Angeboten fernbleibt“. 95% - die überragende Mehrheit muslimischer Mädchen und Jungen nimmt am gemischt-geschlechtlichen Sport- und Schwimm-unterricht teil. Haug, Müssig und Stichs (2009: 81–189)

Sprachstandserhebung: 1. Generation 34,9 % der Frauen 58,4% der Männer gut bis sehr gut deutsch Sprachstandserhebung: 1. Generation Generation Frauen: 34,9% gute bis sehr gute Deutschkenntnisse Männer: 58,4%

Dynamik deutlich sichtbar bei jüngerer Generation 70% der jungen Frauen 83,5 % der jungen Männer gut bis sehr gut deutsch Hier geht es konkret um die Türken – nicht um die Eingebürgerten – also Anlehnung an Sarrazin Frauen: 70% gute bis sehr gute Deutschkenntnisse Männer: 83,5% gute bis sehr gute Deutschkenntnisse Das ist nicht die Selbsteinschätzung sondern die Einschätzung der Interviewer

Identifikative Integration Emotionale Verbundenheit Deutschland als Heimat

Verbundenheit mit Deutschland Mit Herkunfts-land: 59,6% Mit Deutschland: 69,1%

Heimat Deutschland? Regionale statt nationale Identitäten

2. Zwischenfazit Wissenschaftliche Publikationen schaffen es NICHT, bestehende Wahrnehmungen zu durchbrechen und zu einer Antidiskriminierung zu führen Ich möchte nun zeigen, dass all die empirischen Studien, die Kollegen und Kolleginnen in den letzten Jahren verfasst haben, es nicht schaffen gegen das Narrativ der Un-integrierbarkeit dieser Gruppe, die wahlweise als muslimisch, wahlweise als Türken oder Araber wahrgenommen wird breitflächig durchzudringen. Ich werden Ihnen dazu nicht Thilo Sarrazin zitieren, sondern exemplarisch nur einen Bildungsbürger, in einem bildungsbürgerlichen Magazin Empirisch messbare Integrationsfortschritte ändern nichts an der etablierten Wahrnehmungsstruktur der Abwertung und Ausgrenzung

Hans-Ulrich Wehler (Der SPIEGEL 09.02.2013) Familien mit türkischem Migrationshintergrund haben eine höhere Bildungsaspiration im Vergleich zu Familien ohne Migrationshintergrund (80% zu 74% beim gewünschten Schulabschluss Abitur) (Dollmann 2010, S. 87). 16-25% der Studierenden Bildungsinländer mit MH sind türkeistämmig – aber nur 18,5% der Bevölkerung mit MH sind türkeistämmig „Bildung und Qualifizierung http://www.boeckler.de/pdf/p_arbp_248.pdf“ Hans-Ulrich Wehler (Der SPIEGEL 09.02.2013) Wehler: Im Gegensatz zu vielen Spaniern, Griechen oder Italienern, die als Gastarbeiter kamen und ihre Kinder bald auf weiterführende Schulen schickten, sind die Türken erstaunlich resistent geblieben gegen jede Form von Aufstiegsdenken oder Weiterbildungsangeboten. Ich sag's mal krass: 95 Prozent der ungesteuert eingewanderten Türken waren anatolische Analphabeten, für die hier auch nur Jobs bei der Müllabfuhr blieben. Manche deutsche Stadtviertel sind längst homogene türkische Kleinstädte geworden - nicht nur in Berlin. Türkische Studenten finden Sie leider weiterhin sehr selten. SPIEGEL: Da kann auch der Staat versagt haben ... Wehler: ... aber anders, als Sie denken: Der Staat hätte schon bei der Aufnahme viel selektiver vorgehen müssen. Nun sind sie da, das müssen wir als Staatsbürger akzeptieren. Aber die Türken werden immer extrem unterstützungsbedürftig bleiben. Interview in http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-90931283.html Politische Partizipation in den Räten deutscher Städte: Betrachtet man die nationale Herkunft der Ratsmitglieder, dann sticht die große Zahl der Deutschtürkinnen und Deutschtürken hervor (76 / 40 Prozent). Studie: Vielfalt sucht Rat. Schönwälder et al (2011) Dieses Interview im SPIEGEL von letztem Jahr blieb unwidersprochen, obwohl es zu den Aussagen eine breite empirische Faktenlage gibt – diese Faktenlage aber offenbar dem Bauchgefühl der Menschen nicht entspricht, weswegen sie eher den geläufigen Narrativen anhängen Hartz IV Türkeistämmige 11% Ohne MH 3% Iran-Irak-Afghanistan 18% Brückner -Mikrozensus

„Die Migranten, die zu den besten Aspiranten auf Integration zählen, sind bevorzugt Ziel von Stigmatisierung, bedrohen sie doch vermeintlich am stärksten den Status der Einheimischen “. Ferdinand von Sutterlüty (2010): In Sippenhaft. Negative Klassifikationen in ethnischen Konflikten. Frankfurt.

M.A.H.D.I. e.V. Zielgruppe: Muslime aller Herkünfte deutscher Identität (konfessions- und herkunftsübergreifend) Ziele: Selbstverständlichkeit einer heterogenen Gesellschaft unter dem Dach der deutschen Identität zu etablieren, Chancengleichheit, Anerkennung sowie politische, rechtliche und tatsächliche Gleichberechtigung aller Bundesbürger_innen Projekte: Vorbilder schaffen, Let‘s talk, M.A.H.D.I.-e.V. trifft

Junge Islam Konferenz Zielgruppe: Junge Menschen zwischen 17 und 25 Jahren (konfessions- und herkunftsübergreifend) Projekt der außerschulischen politischen Bildungsarbeit Ziele: Plattform für Wissensgewinn, Austausch und Intervention in gesellschaftliche Debatten Thema: Umgang mit Vielfalt anhand des Beispiels Islam und Muslime in Deutschland Träger: Stiftung Mercator, Mercator Program Center, Humboldt-Universität zu Berlin

JUMA – jung, muslimisch, aktiv Zielgruppe: Muslimische Jugendliche zwischen 17 und 25 Jahren Ziele: Muslimischen Jugendlichen eine Stimme geben, Empowerment, Erfahrungsaustausch, Zugänge für Begegnungen mit Politik und anderen gesellschaftlichen Bereichen Sieben Themengruppen: Medien, Chancengleichheit, Partizipation, Identität, Muslimische Vielfalt, politischer Diskurs und interreligiöser Dialog Träger: RAA Berlin, Robert-Bosch-Stiftung

Zahnräder Netzwerk Soziale Plattform für engagierte Muslime in Deutschland Ziel: Unterstützung für alle, die Anschluss an ein Netzwerk von engagierten, kreativen und muslimischen Menschen suchen und Projektideen einem breiten Publikum vorstellen wollen Plattform für Austausch, Kooperation, Feedback und Präsentation von Ideen und Projekten Bundesweite Zahnräder-Konferenz, lokale ZahnräderX-Treffen und Think Tank

Fazit Herausforderung für die Integrationspolitik ist der Perspektivwechsel auf die ganze Gesellschaft und weg von „den Migranten“

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.