Versteckte Zwergsterne in unserer Nachbarschaft

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Versteckte Zwergsterne in unserer Nachbarschaft
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 Präsentation transkript:

Versteckte Zwergsterne in unserer Nachbarschaft Lange Nacht der Sterne am AIP, 10. September 2005 Versteckte Zwergsterne in unserer Nachbarschaft Ralf-Dieter Scholz Astrophysikalisches Institut Potsdam

Proxima Centauri – der nächste Stern roter Zwergstern (Spektraltyp M5, Entfernung etwa 4 Lichtjahre) auf drei Archivaufnahmen: 1976 1982 1993 Blaufilter Infrarotfilter Rotfilter jede Aufnahme zeigt Himmelsauschnit von 2 mal 2 Bogenminuten Eigenbewegung von etwa 4 Bogensekunden pro Jahr!

Winkelmessung am Himmel sphärisches Koordinatensystem (z.B. Äquatorialsystem): 2 Winkelkoordinaten Rektaszension (0 bis 24 Stunden bzw. 360 Grad) Deklination (−90 bis +90 Grad) 1 Grad = 60 Bogenminuten = 3600 Bogensekunden 3. Koordinate = Entfernung

Größenverhältnisse am Himmel Andromeda-Galaxie Mond Mond + Jupiter (vergrößert) M31: ~4˚, (1˚=60‘=3600“) Mond: 31‘, Jupiter: max. 48“

Der sichtbare Sternenhimmel: keine Zwergsterne zu sehen Der sichtbare Sternenhimmel: keine Zwergsterne zu sehen! vorwiegend weit entfernte heiße und/oder Riesensterne wenige rote Sterne (z.B. roter Riese Betelgeuse im Orion)

Riesen, Zwerge... sagenhafte Welt der Sterne Hertzsprung-Russel-Diagramm (HRD) bzw. Farben-Helligkeits-Diagramm (FHD) hellste Sterne am Himmel: Fortsetzung: L T Y? (braune Zwerge)

Riesen, Zwerge... sagenhafte Welt der Sterne Hertzsprung-Russel-Diagramm (HRD) bzw. Farben-Helligkeits-Diagramm (FHD) hellste Sterne am Himmel: tatsächliche Mehrheit der Zwergsterne: ... Unterzwerge (nicht eingezeichnet) Fortsetzung: L T Y? (braune Zwerge)

Umgebung der Sonne in 3-D

Größenvergleich mit Sonnensystem gewaltige Entfernungen zwischen den Sternen! (s. www.anzwers.org/free/universe/)

trigonometrische Parallaxe: Sternbewegung am Himmel: Die Schwierigkeit der Entfernungsmessung trigonometrische Parallaxe: 1 Bogensekunde (arcsec) entspricht 1 pc Entfernung (3.26 Lichtjahre) Sternbewegung am Himmel: Eigenbewegung (linear) + parallaktische Bewegung (Ellipse) Problem: Messgenauigkeit: sehr kleine Winkel, milli-arcsec (mas) lange Messreihen (mehrere Jahre) notwendig um Eigenbewegung von Parallaxe zu trennen

Indiz für Nähe: große Eigenbewegung Eigenbewegung “µ” = scheinbare Bewegung an der Himmelssphäre (Bogensekunden pro Jahr: arcsec/yr)

Indiz für Nähe: große Eigenbewegung Eigenbewegung “µ” = scheinbare Bewegung an der Himmelssphäre (Bogensekunden pro Jahr: arcsec/yr) tatsächliche Geschwindigkeit [in km/s] ergibt sich erst bei bekannter Entfernung von der Sonne: vtan = 4.76 · µ · d [d in pc]

Indiz für Nähe: große Eigenbewegung Eigenbewegung “µ” = scheinbare Bewegung an der Himmelssphäre (Bogensekunden pro Jahr: arcsec/yr) tatsächliche Geschwindigkeit [in km/s] ergibt sich erst bei bekannter Entfernung von der Sonne: vtan = 4.76 · µ · d [d in pc] typische relative Geschwindigkeit der Sterne im lokalen Spiralarm (in der Scheibe) der Milchstraße ~ 40 km/s

Indiz für Nähe: große Eigenbewegung Eigenbewegung “µ” = scheinbare Bewegung an der Himmelssphäre (Bogensekunden pro Jahr: arcsec/yr) tatsächliche Geschwindigkeit [in km/s] ergibt sich erst bei bekannter Entfernung von der Sonne: vtan = 4.76 · µ · d [d in pc] typische relative Geschwindigkeit der Sterne im lokalen Spiralarm (in der Scheibe) der Milchstraße ~ 40 km/s typischer Scheiben-Stern mit µ = 1 arcsec/yr liegt bei d ~ 10 pc

Indiz für Nähe: große Eigenbewegung Eigenbewegung “µ” = scheinbare Bewegung an der Himmelssphäre (Bogensekunden pro Jahr: arcsec/yr) tatsächliche Geschwindigkeit [in km/s] ergibt sich erst bei bekannter Entfernung von der Sonne: vtan = 4.76 · µ · d [d in pc] typische relative Geschwindigkeit der Sterne im lokalen Spiralarm (in der Scheibe) der Milchstraße ~ 40 km/s typischer Scheiben-Stern mit µ = 1 arcsec/yr liegt bei d ~ 10 pc Halo-Sterne haben ~5x höhere Geschwindigkeit relativ zur Sonne!

Besuch aus dem Halo der Galaxis SSSPM J1444−2019 Bei dem am AIP entdeckten Unterzwergstern mit der extremen Eigenbewegung von 3.5 arcsec/yr handelt es sich wahrscheinlich um das der Erde nächste Halo-Objekt, das zur Zeit unsere Nachbarschaft durchquert 1976 1985 1994

Sterne mit genau gemessenen Entfernungen HRD-FHD für ca. 22000 Sterne vom Hipparcos-Satelliten vermessen + etwa 1000 Sterne mit erdgebundenen Teleskopen rote (und weiße ?) Zwergsterne deutlich unterrepräsentiert! www.anzwers.org/free/universe/

Verborgene Sternsysteme in unserer Nähe innerhalb von 5 pc: 44 Systeme (vollständig) Henry et al. (1997) aber: 3 Neuentdeckungen seitdem!! innerhalb von 10 pc: 229 identifiziert 130 unerkannt (36%) Henry et al. (1997) ? innerhalb von 25 pc: ~2000 bekannte Systeme ~3500 verborgene (63%) Henry et al. (2002) ? Annahmen: 1) gleichmäßige Verteilung 2) Vollständigkeit bis zu 5 pc

Prognose für zukünftige Entdeckungen Aufsummierte Zahl der Sternsysteme in Abhängigkeit von der Entfernung (1/Parallaxe = Entfernung) schwarze Kreise: heute bekannte Sternsysteme rote Linie: Voraussage ausgehend von unserer Kenntnis bis 5 pc bei an-genommener gleichbleibender Sterndichte bis 10 pc Henry et al. (1997)

Was macht die Nachbarsterne interessant? nächste Vertreter jedes Sterntyps lassen sich am besten im Detail untersuchen viele Methoden zur Suche nach Planeten um andere Sterne funktionieren nur bei nahen Objekten Entdeckung neuartiger leuchtschwacher Objekte (rote und braune Zwerge/Unterzwerge + kalte weiße Zwerge) – beste Chancen in unmittelbarer Nähe vollständiges Bild über die Welt der Sterne (Massen, Alter, Geschwindigkeiten, Doppel- und Mehrfachsysteme, etc.) – nur in der Sonnenumgebung möglich

Such-Werkzeuge für nahe rote Zwerge Alte Kataloge (z.B. + neue infrarote Himmels- Luyten Half Second durchmusterung (Two Micron = LHS) und Archive All Sky Survey = 2MASS) Entdeckung eines roten Zwergsterns (LHS 2090) in nur 6 pc Entfernung durch Kombination Eigenbewegung + auffällig rote Farbe (Bestätigung durch spektroskopische Beobachtung) Scholz, Meusinger & Jahreiß (2001) Eigenbewegung enorme Helligkeit im infraroten Licht

Abhängigkeit abs. Helligkeit vom Spektraltyp Die absolute Helligkeit M ist die Helligkeit, die ein Stern hätte, wenn wir ihn aus einer Entfernung von 10 pc beobachten würden. Aus der Differenz scheinbare−absolute Helligeit (m−M) lässt sich die Entfernung d berechnen: m−M=5 log (d/10pc) photometrische oder spektroskopische Entfernung! (wesentlich einfacher zu bestimmen als die trigonometrische Parallaxe) Eichkurve aus Scholz, Meusinger & Jahreiß (2005)

Spektren später Spektraltypen (rote+braune Zwerge) neue Spektraltypen L und T in Fortsetzung der Reihe OBAFGKM erst in letzten Jahren definiert Objekte mit ~2000...<1000 K Oberflächentemperatur noch kühler als die bis dahin bekannten roten Zwerge (M-Zwerge) Kirkpatrick et al. (1999)

Unterscheidung Brauner Zwerge von Sternen Kritische Masse (0.08 Msonne) für Sterne nicht erreicht, deshalb keine Kernfusionsprozesse schwach leuchtend, rote Farbe (geringe Oberflächentemperatur), Methan, Lithium, ... (s. Spektren), Masse aber nur selten messbar! Masse in Sonnenmassen: 1 0.6...0.08 0.08...0.013 0.001 (www.astron.berkeley.edu/~stars/bdwarfs/)

Entdeckung des bisher nächsten Braunen Zwergs bei Suche nach Objekten mit hoher EB Scholz et al. (2003)

Entdeckung des bisher nächsten Braunen Zwergs ... aufgelöst als Doppelsystem bei Suche nach Objekten mit hoher EB mit Hilfe adaptiver Optik am VLT 0.7 arcsec McCaughrean et al. (2004) Scholz et al. (2003)

Entdeckung des bisher nächsten Braunen Zwergs ... aufgelöst als Doppelsystem bei Suche nach Objekten mit hoher EB mit Hilfe adaptiver Optik am VLT 0.7 arcsec McCaughrean et al. (2004) Scholz et al. (2003) EB+Parallaxe+Bahnbewegung (Simulation)

hohe Dunkelziffer für Braune Zwerge! >90% unerkannt! +Ba, Bb