Fastnachtspiel-Tradition in Nürnberg (4)

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Die Anfänge des weltlichen „Dramas“
Advertisements

Gedanken zum Muttertag
Wo bleibt Dein Glaube? Gedanken zum neuen Jahr
Modelle und Methoden der Linearen und Nichtlinearen Optimierung (Ausgewählte Methoden und Fallstudien) U N I V E R S I T Ä T H A M B U R G November 2011.
Modelle und Methoden der Linearen und Nichtlinearen Optimierung (Ausgewählte Methoden und Fallstudien) U N I V E R S I T Ä T H A M B U R G November 2011.
Konjunktiv II und Konjunktiv der Vergangenheit
Internet facts 2008-II Graphiken zu dem Berichtsband AGOF e.V. September 2008.
Was ich gern lese Lesetagebuch von
Prof. Dr. Bernhard Wasmayr VWL 2. Semester
Touch the flame Zoran Drvenkar
Wie werden junge Menschen zu Verantwortungsträger/innen im CVJM? CVJM-Treff Württemberg, 27. November 2010, Daniel Rempe.
20:00.
Rettung nur durch Jesus Christus
In der Schule.
AGOF facts & figures: Branchenpotenziale im Internet Q4 2013: Entertainment Basis: internet facts / mobile facts 2013-II.
Kölner Karneval.
Das elisabethanische Theater
Joseph von Eichendorff
Leistungsbeschreibung Brückenplanung RVS RVS
Dokumentation der Umfrage
Wir üben die Malsätzchen
Der Test fängt mit dem nächsten Bild an!
Nehm dir Zeit, um die Botschaft zu lesen.
Jesus lehrt in Gleichnissen
Leben – Sterben – Tod.
PROCAM Score Alter (Jahre)
Ertragsteuern, 5. Auflage Christiana Djanani, Gernot Brähler, Christian Lösel, Andreas Krenzin © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2012.
Die Stimmungslage der Nation im Sommer 2013 Allianz Zuversichtsstudie 2. Quartal 2013 Eine gemeinsame Studie der Allianz Deutschland und der Universität.
Kennst du dich aus mit Nadelbäumen?
Das ist die Geschichte eines kleinen Jungen aus der Schweiz.
GenX.
DEUTSCHE SCHRIFTSTELLER
Zahlentheorie und Zahlenspiele Hartmut Menzer, Ingo Althöfer ISBN: © 2014 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Abbildungsübersicht / List.
MINDREADER Ein magisch - interaktives Erlebnis mit ENZO PAOLO
Es war einmal ein junger Mann namens Thorsten, der mit seinem besten Stück nicht zufrieden war, denn er war ihm mit 50 cm einfach zu lang.
Bevölkerungsentwicklung und –struktur der Stadt Bozen
1 (C)2006, Hermann Knoll, HTW Chur, FHO Quadratische Reste Definitionen: Quadratischer Rest Quadratwurzel Anwendungen.
Romantik: Schubert.
denn er war ihm mit 50 cm einfach zu lang
Schutzvermerk nach DIN 34 beachten 20/05/14 Seite 1 Grundlagen XSoft Lösung :Logische Grundschaltung IEC-Grundlagen und logische Verknüpfungen.
Marcus Vipsanius Agrippa römischer Staatsmann und Feldherr
Folie Beispiel für eine Einzelauswertung der Gemeindedaten (fiktive Daten)
Hausaufgaben für Semester DEUTSCHLEHRERIN DUYGU ŞANLI ÖNDER.
Generelle methodische Aspekte
Imperfekt Wie sagt man das mit Imperfekt
Dokumentation der Umfrage BR P2.t Ergebnisse in Prozent n= 502 telefonische CATI-Interviews, repräsentativ für die Linzer Bevölkerung ab 18 Jahre;
Forschungsprojekt Statistik 2013 „Jugend zählt“ – Folie 1 Statistik 2013 „Jugend zählt“: Daten zur Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.
Johann Wolfgang von Goethe
Nehm dir Zeit, um die Botschaft zu lesen.
Literarische Epoche Johann Wolfgang von Goethe Friedrich Schiller
Es war einmal ein Haus
Albrecht Dürer wir entdecken einen deutschen Künstler.
und Wie sie Funktioniert
Numbers Greetings and Good-byes All about Me Verbs and Pronouns
“Wir lesen deutsche Märchen g e r n .’’
Leben und Schaffen. Johann Brams wurde am 7. Mai 1833 im Hamburg geboren. Den ersten Misikunterricht erhielt er von seinem Vater. Im Folgenden waren die.
J-Team: Gymnasium Ulricianum Aurich und MTV Aurich Ein Projekt im Rahmen von UlricianumBewegt.de Euro haben wir schon…  8000 mal habt ihr bereits.
Datum:17. Dezember 2014 Thema:IFRS Update zum Jahresende – die Neuerungen im Überblick Referent:Eberhard Grötzner, EMA ® Anlass:12. Arbeitskreis Internationale.
1 10 pt 15 pt 20 pt 25 pt 5 pt 10 pt 15 pt 20 pt 25 pt 5 pt 10 pt 15 pt 20 pt 25 pt 5 pt 10 pt 15 pt 20 pt 25 pt 5 pt 10 pt 15 pt 20 pt 25 pt 5 pt Wie.
Wesensmerkmale Gottes UNABHÄNGIG
1 Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest KIM-Studie 2014 Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Landeszentrale für Medien und Kommunikation.
Gattung, Autoren, Merkmale...
JOSEPH HAYDN
Gruppenprojekt zum Thema „ “ Gruppenprojekt zum Thema „ Die Schule in Deutschland “ Balaschicha-2016 «Allgemeinbildende Schule №12 mit erweitertem Erlernen.
Franz Peter Schubert ist am 31. Januar 1797 in Lichtentale (jetzt Alsergrund), den kleinen Vorort Wiens, in der Familie des Schullehrers, des Amateurmusikers.
FILM40 mm1A FILM40 mm Punchinello Ein Musical der VS 3 Wels.
Der grosse deutsche Komponist Ludwig van Beethoven wurde am 16. Dezember 1770 in der Stadt Bonn geboren. Sein Vater war ein Sänger. Er erkannte sehr früh.
 Präsentation transkript:

Fastnachtspiel-Tradition in Nürnberg (4) Jacob Ayrer (1544-1603)

Jacob Ayrer (1544- 26. 3. 1605) Lit. Killy, 2. Aufl. ; J. Haustein, J Jacob Ayrer (1544- 26.3.1605) Lit. Killy, 2. Aufl.; J. Haustein, J.A., in: Deutsche Dichter der frühen Neuzeit, hg. von Stephan Füssel, 1993, S. 575-588 1544 in einer Steinmetzfamilie mit Bürgerrecht im protestantischen Nürnberg geboren. Ausbildungsgang unbekannt, aber der Besuch der Lateinschule ist für den weiteren Lebensweg Voraussetzung. Offenbar autodidaktische Weiterbildung. – Heirat: 11 Kinder, von denen zwei Juristen werden. Als Protestant um 1570 Übersiedlung ins katholische Bamberg: Tätigkeit als Gerichtsprokurator und Prozeßvertreter. Ab Dezember 1593 wieder in Nürnberg: Prozessprokurator, Genannter des Rats und kaiserl. Notarius. 2

Jacob Ayrer: literarisches Werk Chronik der Stadt Bamberg (1570; mehrfache Überarbeitung, unterschiedliche Fassungen); versifizierte Bearbeitung von Luthers Psalmen-Übersetzung (unediert). Dramen: erkennbar wird ein großer Einfluss der englischen Komödianten, die seit dem Ende des 16. Jh. auf dem Festland mit großem Erfolg auftraten. z.T. mit Motivverwandtschaft zu Dramen Shakespeares. Bemerkenswert: musikal. Einlagen, z.T. sind Ayrers Dramen auch ganz als Singspiele verfasst: stroph. Text, bekannte Melodie. Ab 1592 entstehen etwa 100 Dramen: Fastnacht- und Singspiele; davon sind 66 erhalten (30 Dramen, 36 Fastnachtspiele/Narrenspiele; gesammelt in einer postumen Druckausgabe von 1618). 3

1593 lernt Ayrer eine Wandertruppe englischer Schauspieler unter der Leitung von Robert Brown kennen. Beginn des großen Einflusses der englischen Schauspieltruppen auf dem Festland (Texte englisch mit einzelnen dt. Versatzstücken; stark pantomimisch geprägt; musikalische Einlagen). Neuerungen für die Bühne in Ayrers Stücken: oft ausführliche Bühnenanweisungen; vielfach auch aufwendige Bühnentechnik, Kostüme und Kulissen. Überlieferung: handschriftliche Streuüberlieferung. - postumer Druck von 66 Dramen: Opus theatricum, Nürnberg 1618. Insgesamt sind „Tragödien“, „Komödien“ (s. o. zu Sachs) und 36 Fastnachtspiele erhalten geblieben, die Ayrer mehrfach als Narrenspiele bezeichnet.

Jacob Ayrer, ‚Die Erziehung der bösen Frau‘ (Wuttke, Nr. 20) Ein schon im Mittelalter beliebtes Thema: die Frau, die ihren Ehemann drangsaliert, am Schluss aber besiegt wird (s. die Schwanknovelle ‚Die böse Adelheit‘ [VL]). Auch mehrfach im Fastnachtspiel als Thema gewählt. Wirksames Thema bis in die frühe Neuzeit (s. Shakespeare, ‚The Taming of the Shrew‘, dt. ‚Der Widerspenstigen Zähmung‘). Figuren: Bauernehepaar, ein besonnener Freund, der Doktor (vgl. die Arztspiele in der Nürnberger Tradition). – Aufschlussreich die Bezeichnung der Figuren am Schluss der Stücke, die dem Leser die einschlägige Bewertung mitgeben: - Knörren Cuentzlein: der reich versuffen Bauer - Lampa: seinb Fauls, böß Weib 5

Form: strophisch-sangbare Komposition, zu singen auf eine weit verbreitete Melodie, die das ganze Stück hindurch gleich bleibt. Sprecherwechsel mehrfach innerhalb der Strophe (Str. 6, 16, 19, 39, 53, 60. Szenenwechsel nicht markiert, so zwischen Str. 21/22; 27/28; 48/49; 49/50. Keine Angaben zu einer (möglichen!) instrumentalen Begleitung.

Jacob Regnart (um 1540/45-1599) Flämischer Komponist vorwiegend geistlicher Werke (erhalten: 37 Messen, 195 Motetten; dazu weltliche Lieder nach Art der „welschen“ (= italienischen, d.h. neapolitanischen) Villanellen), die von mehreren bedeutenden Komponisten bearbeitet wurden, u.a. Leonhard Lechner. Geboren um 1540/45 in Douai, im französischsprachigen Flandern. Entfernte Verwandtschaft mit Orlando di Lasso. Sänger in der kaiserlichen Hofkapelle, später deren Leiter in Prag und Wien unter Kaiser Maximilian II.; ab 1582 auf am Erzherzogshof Ferdinands II. in Innsbruck. 1595 zurück nach Prag als Vizekapellmeister der kaiserlichen Kapelle; dort auch 1599 gestorben. Eine der Villanellen: ‚Venus du und dein kind‘ (3stimmiger Satz mit Refrain). Thema: Liebe ist blind und kann dem Menschen schaden.

J. Regnart, Tenorlied ‚Venus, du und dein Kind‘, Melodie zu Ayrers singests Spil (Wuttke Nr. 20) 8

Jacob Ayrer, Der verlorene Jann Posset (Wuttke, Nr. 19) Thema: ein alter Mann heiratet eine junge Frau, die sich einen Liebhaber nimmt. Auch Gegenstand zahlreicher humanistischer Traktate und Dialoge: An viro seni uxor sit ducenda (‚ob ein alter Mann noch einmal heiraten soll‘) sowie der Novellistik (u.a. Boccaccio, ‚Decamerone‘). Ebenso das Motiv der Eifersucht, siehe auch Sachs, ‚der groß Eyferer‘ (Wuttke, Nr. 15). Charakteristik der Rollen a) durch die „Namen“ (Simplicius, Duplicia, Amator; dazu als bekannter „Typ“ in den englischen Komödien: Jan Posset); b) durch Angaben wie: der alt einfältig, reich Burger; sein jungs, falsch Weib. Jan Posset: Figur des Narren in den englischen Komödien.

Eröffnung und Abschluss ohne Precursor/ Ausschreyer Eröffnung und Abschluss ohne Precursor/ Ausschreyer. Offenbar Anzeichen für eine vom Aufführungstext sich entfernende Verwendung als Lesetext. Bedeutung der Textbezeichnung der verlohrene Jann: s. v. 500f. Eingangsmonolog des Simplicius als Problemaufriss des folgenden Spiels. Tragende Motive: Wortwitz, Mißverständnis/falsches Wortverstehen (haus halten, v. 34+38; 77-78; 496); szenischer Gag: geht wegk – kommt balt wider, v. 90f.; 292f.; 301f.), Personenverwechslung (v. 321ff.: ‚Amphitryon‘-Motiv: Komödie des Terenz, auch als mal. Elegienkomödie bearbeitet); s. auch v. 348ff.; 382f.; 458f.; 465. Verwechslung des Hauses (beliebtes Novellenmotiv [u.a. bei Boccaccio], vielfach bei Trunkenheit eingesetzt); Einsatz von Requisiten: Verkleidung des Amator; Ausstecken eines Zeiger (Wirtshausschild).