Wiederkehr der Altersarmut in Deutschland?

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 Präsentation transkript:

Wiederkehr der Altersarmut in Deutschland? Empirische Befunde zur Entwicklung von Einkommen und Ausgaben im Rentenalter Heinz-Herbert Noll und Stefan Weick GESIS – Leibniz Institut für Sozialwissenschaften Zentrum für Sozialindikatorenforschung (ZSi) Mannheim Konferenz "Einkommenssicherung im Alter als globale Herausforderung", Berlin, 10.-11. Dezember 2009

Polarisierte Diskussion über die materielle Versorgung der Ruhestands-bevölkerung in Deutschland:  Einerseits Feststellung einer privilegierten Versorgungslage der Ruhestands- bevölkerung („der heutigen Rentnergeneration geht es so gut wie keiner vor ihr“) verbunden mit Forderungen nach höherer Belastung der Alten zugunsten der Generationengerechtigkeit.  Andererseits Warnungen vor drohender Wiederkehr der Altersarmut: „Altersarmut wird zu einem Massenphänomen!“ (DER SPIEGEL) Fragestellung:  Wie stellt sich die materielle Situation der Bevölkerung im Ruhestand - an verschiede- nen Indikatoren gemessen - gegenwärtig dar und wie hat sie sich im Zeitverlauf verändert?  Welches Ausmaß und welche Formen der Ungleichheit sind zu beobachten?  Wie steht es um die Altersarmut und welche Entwicklungstendenzen sind zu beobachten?

Gliederung  Haushaltseinkommen  Niveau und Entwicklung  Ungleichheit  Struktur Ausgaben und Vermögen Armut  Entwicklung der Einkommensarmut  Vergleich von Einkommens- und Konsumarmut  Materielle Deprivation Subjektive Bewertungen Zusammenfassung

Datengrundlagen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 (EVS): Grundinterview, Haushaltstagebuch (Scientific Use File) EVS 2008 steht erst im Laufe des Jahres 2010 zur Verfügung Mikrozensus 2006 (Scientific Use File) EU-SILC (Community Statistics on Income and Living Conditions) 2006; Scientific Use File) Sozio-oekonomisches Panel European Social Survey 2006

Analysedesign Vergleich von 3 Altersgruppen:  65 Jahre u. älter = Alten- bzw. Ruhestandsbevölkerung (z.T. auch Differenzierung ‚junge Alte‘ (65-69 J.) und ‚alte Alte‘ (70 J. u. älter)  55 – 64 Jahre = Altersgruppe, die sich teilweise bereits im Ruhestand befindet  20-54 Jahre = Kerngruppe der Erwerbsbevölkerung  West-Ost-Vergleich Einkommenskonzept  Äquivalenzgewichtetes (mod. OECD-Skala: 1. Person = 1; weitere Personen ab 14 J. =0,5; weitere Personen unter 14 J. = 0,3) Haushaltsnettoeinkommen; ohne unterstellte Miete

Haushaltseinkommen

Relative Einkommenspositionen (Jahreseinkommen) Jeweiliger Median in West und Ost = 100 114 106 91 105 104 97 Datenbasis: Sozio-oekonomisches Panel

1) Äquivalenzgewichtetes Haushaltsnettoeinkommen (ohne unterstellte Miete); Median für Westdeutschland = 100.

Identifizierung von Rentern und Pensionären in EVS und MZ Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 Welche soziale Stellung haben die Haushaltsmitglieder? Pensionär Altersrentner Mikrozensus 2006 Beziehen Sie eine (oder mehrere) eigene (Versicherten-) Rente(n), Pension(en)? Ja, und zwar Aus der Deutschen Rentenversicherung Eine öffentliche Pension Waren sie zuletzt tätig als Beamter, Richter, Angestellter; Arbeiter Waren Sie zuletzt im öffentlichen Dienst beschäftigt?

Einkommensposition (Haushaltsäquivalenzeinkommen) von Rentnern des öffentlichen Dienstes und Pensionären Westdeutschland 2006 169 151 144 152 170 199 110 113 50 100 150 200 Insgesamt Anlernausbildung Lehre, Fachschule Meister/Techniker Fachhochschule Universität Höchster beruflicher Bildungsabschluss Median Pensionäre Rentner Datenbasis: Mikrozensus 2006

Überwiegender Lebensunterhalt - Westdeutschland 2003 81 45 2 58 25 11 5 34 39 30 26 72 62 1 9 18 3 6 15 7 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% 20-54 Jahre Männer 55-64 Jahre 65 Jahre u. älter Frauen Erwerbstätigkeit Unterhalt durch Partner Rente Pension Sonstiges ______________________________________________________________ .

Überwiegender Lebensunterhalt - Ostdeutschland 2003 73 38 1 62 20 12 4 10 2 35 98 3 54 95 13 22 16 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% 20-54 Jahre Männer 55-64 Jahre 65 Jahre u. älter Frauen Erwerbstätigkeit Unterhalt durch Partner Rente Pension Sonstiges

Ausgaben und Vermögen

.

Armut und Deprivation

Armutsquoten (Jahreseinkommen) nach Altersgruppen: 60 % Median - Deutschland Gesamt - Datenbasis: Sozio-oekonomisches Panel

Armutsquoten (Jahreseinkommen) nach Altersgruppen Gesamtdeutsche Armutsschwelle: 60 % Median Datenbasis: Sozio-oekonomisches Panel

Einkommens- und Konsumarmut 2003 gesamtdeutsche Armutsschwelle: 60 % Median .

Quelle: Zaidi 2005

Materielle Deprivationen (EU-SILC Lebensstandardmerkmale (sich nicht leisten können) - Wohnung angemessen Heizen - Unerwartete Ausgaben bestreiten (D 2006: mindestens 830 €) - Fleisch/ Fisch (oder vegetarisches Äquivalent) jeden 2. Tag - Einwöchiger Urlaub im Jahr Langlebige Gebrauchsgüter (sich nicht leisten können) - Auto - Computer - Fernseher - Waschmaschine - Telefon

Subjektive Bewertungen

Zurechtkommen mit dem Einkommen Deutschland 2006 Datenbasis: EU-SILC 2006

Befürchtung, dass Einkommen im Alter nicht ausreicht (0-10) Deutschland 2006 Datenbasis: European Social Survey 2006

Zusammenfassung I  Gemessen an Einkommen, Ausgaben und Vermögen verfügt die derzeitige Ruhestands- bevölkerung auch im Vergleich zu anderen Altersgruppen über einen hohen Lebens- standard, vor allem auch in Ostdeutschland.  Die günstige materielle Lage der älteren Bevölkerung schlägt sich auch in der subjektiven Bewertung nieder  Der längerfristige Trend einer zunehmenden Verbesserung der materiellen Lage der Alten scheint gestoppt, und es deuten sich erste Einbußen an. Weitere Verschlechterungen sind zu erwarten, insbesondere im Hinblick auf die Renteneinkommen.  Die materielle Lebenssituation der Altenbevölkerung ist keineswegs homogen, sondern durch ein beachtliches Ausmaß an Ungleichheit gekennzeichnet, insbesondere in Westdeutschland.  AuffalIend sind die drastischen Unterschiede in der materiellen Lage von Rentnern und Pensionären, die sich zudem im Zeitverlauf erheblich vergrößert haben.  Das Niveau der Altersarmut ist vor allem in Westdeutschland beachtlich, und es deutet sich ein (Wieder)Anstieg der Altersarmut an, wobei aber von einem eindeutigen Trend derzeit noch nicht gesprochen werden kann.

Zusammenfassung II Die dominierende Stellung der gesetzlichen Altersrente als Einkommensquelle in Ostdeutsch- land birgt zukünftig erhöhte Armutsrisiken  Die Befürchtung, dass das Einkommen im Alter nicht ausreichen könnte, ist bei zukünftigen Rentnern stärker ausgeprägt als bei den jetzigen, aber insgesamt überraschend moderat

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! heinz-herbert.noll@gesis.org

Armutsquoten (Einkommensscreener) nach Alter Westdeutschland 5 10 15 20 25 30 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 20-54 Jahre 55-65 Jahre 65+ Jahre Ostdeutschland 5 10 15 20 25 30 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 20-54 Jahre 55-65 Jahre 65+ Jahre Datenbasis: Sozio-oekonomisches Panel

Armutsquoten (Jahreseinkommen) nach Alter West-,Ost-spezifische Armutsschwellen: 60% Median Westdeutschland 16,4 11,9 16,0 5 10 15 20 25 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 20-54 Jahre 55-64 Jahre 65+ Jahre Ostdeutschland 16,4 18,0 7,7 5 10 15 20 25 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 20-54 55-64 65+ Datenbasis: Sozio-oekonomisches Panel