Sozialwissenschaftliche Grund- lagen der Humangeographie

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 Präsentation transkript:

Sozialwissenschaftliche Grund- lagen der Humangeographie 290085 VO StEOP © Peter Weichhart 2 Std., 2,5 ECTS-Punkte Dienstag, 10:45 -13:10; Hs. II, NIG Kapitel 29.01; 29.02 (B11-STEOP) (B11-1.2) (B07-1.2) Modul 0101 Die sozialwissenschaftliche Weltperspektive WS 2013/14 SWG/01/01/01

Die Struktur der Universität Wien 2003 Katholisch-theologische und Evangelisch-Theo- logische Fakultät Rechtswissenschaftliche Fakultät Medizinische Fakultät Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und Infor- matik (früher: Sozial- und Wirtschaftswissenschaft- liche Fakultät) Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften (früher: Grund- und Integrativwissenschaftliche F.) Geistes- und Kulturwissenschaftliche Fakultät Fakultät für Naturwissenschaften und Mathematik (früher: Formal- und NW. Fak.) SWG/01/01/02

Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften, Wien Uni Salzburg, Stand 2000 GW NW Institut für Erziehungswissenschaft Institut für Ethnologie, Kultur- und Sozialanthropologie Institut für Geographie und Regionalforschung Institut für Philosophie Institut für Politikwissenschaft Institut für Psychologie Institut für Publizistik und Kommunikationswiss. Institut für Soziologie Institut für Sportwissenschaft Institut für Theater, Film- und Medienwissenschaft Institut für Wissenschaftstheorie und Wissenschafts- forschung SWG/01/01/03

Neue Situation durch den aktuellen Umbau der Universitäten in Anpassung an das UG 2003 16 „Neue“ Fakultäten an der Universität Wien Zerschlagung der Institute nach aktuellem Stand existiert das Institut für Geo- graphie nicht mehr (de facto bis 2006), der Bestand wird auf 6 (7) Arbeitsgruppen aufgeteilt diese sind Teil der neuen „Fakultät für Geowissen- schaften, Geographie und Astronomie“, Personal- und Budgethoheit liegt beim Dekan SWG/01/01/03b

Folgerungen Bei einer Reihe von Disziplinen gibt es offen- sichtlich keine einheitliche und allgemein verbindliche Vorstellung darüber, welcher Gruppe von Wissenschaften sie zugerechnet werden sollen. Deshalb stellt die Zuordnung einer Disziplin zu einer bestimmten Fakultät eine eher prag- matische Entscheidung dar, die von äußeren Umständen und Nützlichkeitsüberlegungen abhängt. SWG/01/01/04

Das dichotome Weltverständnis der abendländischen Kultur Die Realität kann in zwei dichotome Seinsbereiche gegliedert werden: die Sphäre der Natur und die Sphäre der sozialen und kulturellen Systeme. „Dichotom“ bedeutet soviel wie „zweigeteilt“. Eine „Dichotomie“ ist ein unauflösbarer Gegensatz zwischen zwei gleichsam polaren Begriffen oder Konzepten. In der Logik versteht man unter Dichotomie eine Einteilung nach zwei Gesichtspunkten. Dabei wird ein Gegenstandsbereich in zwei Teile zerlegt, die im Verhältnis der Disjunktion stehen. Jeder Gegenstand muss entweder zu dem einen oder zu dem anderen Teil gehören. Disjunktion ist ebenfalls ein Begriff der Logik. Man versteht darunter die Zusammensetzung zweier Aussagen zu einer neuen Aussage mit Hilfe der Verknüpfung „entweder ... oder“ (ausschließendes „oder“): „X ist entweder Kultur oder Natur“. Beides gleichzeitig kann nicht wahr sein. René DESCARTES: Unterscheidung von „res extensa“ und „res cogitans“. !Notiz! SWG/01/01/05

Das traditionelle Verständnis von Wissenschaft Wissenschaftliche Disziplinen sind ein Abbild oder Spiegelbild der ontologi- schen Struktur der Wirklichkeit. Dementsprechend sind auch die Wissen- schaftshauptgruppen (Naturwissenschaften versus Sozial/Kulturwissenschaften) als Re- flexion der Realitätsstruktur anzusehen. SWG/01/01/06

Ein modifizierte Verständnis: das „Perspektivenkonzept“ Die Gegenstände einer Wissenschaft sind nicht durch die Struktur der Reali- tät vorgegeben, sondern werden durch die Betrachtungsperspektive der be- treffenden Disziplin konstituiert. SWG/01/01/07

Vorzüge des Perspektivenkonzepts Problemlos Behandlung hybrider Phäno- mene, keine Vorannahmen über die onto- logische Struktur der Realität erforderlich; Widersprüche der traditionellen Wissen- schaftssystematik werden aufgelöst; Konkurrenzsituationen zwischen Nachbar- disziplinen werden entschärft. SWG/01/01/08

Naturwissenschaften Zu den Naturwissenschaften zählen all jene Disziplinen, die beliebige Ge- genstände der Realität unter der Fra- gestellung betrachten, welche phy- sisch-materiellen Strukturen sie auf- weisen und durch welche physisch- materielle Prozesse sie entstehen oder verändert werden. SWG/01/01/09

Sozialwissenschaften Zu den Sozialwissenschaften zählen all jene Disziplinen, die beliebige Ge- genstände der Realität unter der Fra- gestellung betrachten, ob und auf welche Weise sie Elemente der sozi- alen Wirklichkeit darstellen. „Soziale Wirklichkeit meint ... jenen Teil der erfahrba- ren Wirklichkeit, der sich im Zusammenleben der Men- schen ausdrückt oder durch dieses Zusammenleben und Zusammenhandeln hervorgebracht wird“ (H. L. GUKENBIEHL, 2002 a, S. 12). SWG/01/01/10

Kulturwissenschaften Zu den Kulturwissenschaften zählen all jene Disziplinen, welche die sozi- ale Welt unter der Fragestellung be- trachten, welche Praktiken der Zu- schreibung und Konstitution von Sinn angewandt werden. SWG/01/01/11

Erfahrungswissenschaften Erfahrungswissenschaften beschäftigen sich mit Gegenständen unserer Erfahrung. Sie machen Aussagen über die Realität. Ihr Ziel ist es, Erklärungen aufzustellen. Dazu werden Beobachtungssätze (Protokollsätze) aus All- aussagen und anderen Beobachtungssätzen in Form einer Deduktion logisch abgeleitet. SWG/01/01/12

Normative Disziplinen Normative Disziplinen beschäftigen sich mit Normen und Werten. Sie machen Aussagen über die Gültigkeit von Normen und Wertur- teilen. Ihr Ziel ist es, Normen und Werte zu begründen. Dazu werden Einzelnormen und -werte aus übergeordneten Normen und Werten sowie verschiedenen Rahmenbedin- gungen in Form einer Deduktion logisch ab- geleitet. Unter „Normen“ versteht man Regeln, Richtlinien, Vorschriften bzw. „Sollensforderungen“. „Du sollst nicht töten“ ist eine Norm. Werte sind Inhalte oder Sachverhalte, die etwas Angestrebtes, allgemein Anerkanntes ausdrücken, und die eine lebensorientierende und handlungsleitende Funktion haben (vergl. A. ULFIG, 1993, S. 481). !Notiz! SWG/01/01/13

Normen und Werte in den Erfahrungswissenschaften I Normen und Werte kommen auch in den Er- fahrungswissenschaften vor: bei der Bestimmung der Ziele und der methodologischen Regeln der betreffen- den Disziplin (gilt für alle Wissenschaften); in den Sozial-, Kultur- und Wirtschafts- wissenschaften sind Normen und Werte wichtige Bestandteile der Untersuchungs- objekte. SWG/01/01/14

Normen und Werte in den Erfahrungswissenschaften II Normen und Werte können in den Er- fahrungswissenschaften aber niemals begründet werden. Sie können auch nicht aus empirischen Fakten abge- leitet werden („naturalistischer Fehl- schluss“). SWG/01/01/15

Disziplinen, die traditionellerweise zu den Sozialwissenschaften gerechnet werden Soziologie Erziehungswissenschaften Politische Wissenschaften Psychologie (Sozialpsychologie) Wirtschaftswissenschaften Geographie (Humangeographie) Kommunikationswissenschaften Kulturanthropologie SWG/01/01/16

Soziologie Erste Lehrstühle 1892 in den USA, 1896 in Frank- reich, 1914 in Deutschland (G. SIMMEL). Die Soziologie kann als Wissenschaft von der so- zialen Wirklichkeit bezeichnet werden. Die Soziologie ist eine empirisch-rationale Sozial- wissenschaft. Ihre Vorgangsweise zur Erfassung der sozialen Wirklichkeit ist systematisch-methodisch, ihre Er- klärungsversuche sind rational-logisch. Das Wort „Soziologie“ wurde von Auguste COMTE (1798-1857) zu Beginn des 19. Jh. eingeführt. Die Soziologie weist eine multiparadigmatische Struktur auf. (Nach H. L. GUKENBIEHL, 2002 a, S. 12-13.) !Notiz! SWG/01/01/17

Einige paradigmenübergreifende Grund-vorstellungen in der Soziologie I Die Soziologie hat sich mit dem Zusammen- leben und dem Zusammenhandeln der Men- schen zu befassen; Soziologie ist eine empirisch-rationale Wis- senschaft, in der dogmatische Glaubensauf- fassungen und spekulatives Denken keinen Platz haben. SWG/01/01/18

Einige paradigmenübergreifende Grund-vorstellungen in der Soziologie II Menschen leben nicht isoliert und allein, sondern sind immer in einen interaktiven Zu- sammenhang mit anderen Menschen einge- bunden. Jede Person ist auf ein Zusammen- leben mit anderen angewiesen, könnte ohne diesen sozialen Zusammenhalt gar nicht existieren und wird durch dieses Zusammen- leben grundlegend beeinflusst. SWG/01/01/19

Einige paradigmenübergreifende Grund-vorstellungen in der Soziologie III „Menschen schaffen in ihrem Zusammen- leben eine zweite, eine kulturelle Welt. Die- ses geistige und soziale Produkt von Men- schen ist aber ... aufs engste mit der sinn- lich wahrnehmbaren materiellen Welt ver- flochten. Beides zusammen bildet für sie die Realität ...“ H. L. GUKENBIEHL, 2002 a, S. 16 SWG/01/01/20