Rechtliche Rahmenbedingungen für die Ausschreibung von sozialen Dienstleistungen des SGB II und des SGB XII (am Beispiel der Schuldnerberatung) Prof. Dr. iur. Stephan Rixen Universität Kassel Bad Honnef, 13.11.2008
Gliederung OLG Hamburg – Vergaberecht/Sozialrecht Beschaffung von sozialen Dienstleistungen der Schuldnerberatung in SGB II und SGB XII Integrierte Schuldnerberatung trotz Vergaberechts?
OLG Hamburg (NDV-RD 2008, 30 = Sozialrecht aktuell 2008, 112) Für den Rechtsschutz durch Vergabe-kammer und -senate reicht das Faktum eines begonnenen Vergabeverfahrens aus OLG Düsseldorf, NZBau 2002, 634 (635); OLG Koblenz, NZBau 2002, 699 (703); Rixen, VSSR 2006, 333 (347); Brünner, NDV 2008, 285 (286 f.)
OLG Hamburg (NDV-RD 2008, 30 = Sozialrecht aktuell 2008, 112) Vergabesenate überprüfen nicht, ob der Leistungsträger den Weg der Leistungs-beschaffung durch Auftragsvergabe wäh-len durfte, dazu sind nur die Sozialgerich-te befugt Rixen, VSSR 2006, 333 (346 f.); Brünner, NDV 2008, 285 (286 f.)
Grundsatz des Beschaffungsermessens (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 SGB I) „Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß … die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen … zur Verfügung stehen.“ „daß“ – das „Wie“ der Beschaffung wird hier nicht vorgegeben!
Beschaffung Beschaffung = Deckung eines Bedarfs an Güter oder Dienstleistungen zur Aufgabenerfüllung der öffentlichen Hand Beschaffung: Selbstbeschaffung Fremdbeschaffung: inklusive Einschaltung Dritter exklusive Einschaltung Dritter (Auftragsvergabe)
Beschaffung von Sozialleistungen sozialleistungsermöglichende Beschaffung Bauen, Architekten, IT-Anlagen etc. sozialleistungsbezogene Beschaffung beschafft werden die Sozialleistungen selbst, ggf. durch Auftragsvergabe
Beschaffungsermessen modifiziert? Spezialgesetzliche Regelung entscheidet sich für exklusive Einschaltung Dritter (§ 37c Abs. 2 S. 2 SGB III a.F., § 421i SGB III) Spezialgesetzliche Regelung entscheidet sich für inklusive Einschaltung Dritter (§§ 75 ff. SGB XII) Spezialgesetzliche Regelung entscheidet sich für beides: in- u. exklusive Einschaltung Dritter (SGB II) (§ 17 SGB II)
SGB II ≠ SGB XII Schuldnerberatung im SGB XII = nur inklusive Beschaffung (Münder, LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 75 Rn. 20; Rixen, VSSR 2006, 333, 340 f.) Schuldnerberatung im SGB II = in- u. exklusive Beschaffung (Münder, LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 17 Rn. 19; Rixen, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 17 Rn. 13 f.; Rixen, VSSR 2005, 225, 248 f.;a.A. Brünner, NDV 2008, S. 287 Fn. 18)
Integriertes Beschaffungskonzept, das … entweder Beschaffung ohne Auftragsvergabe favorisiert oder Beschaffung mit und ohne Auftragsvergabe kombiniert
„Kombinierte Beschaffung“ Lassen sich Bedarfe nach Schuldnerberatung – und damit fachliche Leistungsprofile – möglichst eindeutig SGB II und SGB XII zuordnen? Kann die SGB II-Leistung so ausgeschrieben werden, dass die Anschlussfähigkeit für Leistungen der Sozialhilfe zum Gesichtspunkt der Auftragsvergabe wird?
SGB XII-sensible SGB II-Ausschreibung Leistungsbeschreibung (§ 8 VOL/A) (vgl. Rixen, VSSR 2005, 225, 242) Eignungskriterien Zuschlags-/Wertungskriterien (vgl. Burgi, NZS 2008, 480, 481 f.)
arbeitsmarktpolitischen Instrumente“ Ausweg? „Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente“ Bundesrats-Drucksache 755/08 vom 17.10.2008
Resümee Die Ausschreibung von Schuldnerberatungs-Dienstleistun-gen ist nicht durchweg verboten. Es muss zwischen SGB XII und SGB II unterschieden werden. Die unzulässige Beschaffung durch Auftragsvergabe im SGB XII ist vor den Sozialgerichten zu bekämpfen. Verga-bekammern und -senate sind insoweit nicht zuständig. Notwendig ist die Entwicklung integrierter Beschaffungs-konzepte für die Schuldnerberatung. Insbesondere die Ausschreibung von SGB II-Schuldnerberatung muss sozial-rechtlich informiert erfolgen, d.h. vor allem sensibel für die Schuldnerberatungsangebote nach SGB XII.