Rechtsprobleme im Operationssaal

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 Präsentation transkript:

Rechtsprobleme im Operationssaal Kongress O2, 17. November 2007 Marc A. Elmiger, lic.iur. AO Jahrestagung 2005 / M. Elmiger

Inhaltsübersicht Einführung Recht Rechtsverhältnis Patient - Pflegepersonal Haftpflichtrechtliche Aspekte Strafrechtliche Aspekte Entwicklungen im Medizinalhaftpflichtrecht Fragen

Einführung

Einführung

Einführung Ein eigentliches "Patientenrecht“ oder „Arztrecht“ gibt es nicht, es beruht auf verschiedenen rechtlichen Grundlagen: Verfassung(en) Bundesgesetze (ZGB, OR, StGB, KVG) Kantonale Gesetze (Gesundheits-, Spital- und Haftungsgesetze) Verordnungen SRK, SBV TOA, LOPS ? Cave: Gesundheitswesen ist kantonale Aufgabe!

Rechtsverhältnis Patient - Pflegepersonal Öffentliches Spital: Das Rechtsverhältnis richtet sich nach öffentlichem Recht. Es liegt ein öffentliches Behandlungsverhältnis vor (Anstaltsverhältnis) Grundsatz des Gesetzmässigkeitsprinzips: Staat darf nur im Rahmen einer gesetzlichen Grundlage handeln Einseitige Festlegung der Leistungsbedingungen durch den Staat mittels Spitalaufnahmevertrag Wenn eine Regelung im kantonalen Gesundheitsgesetz fehlt, kann das Privatrecht herangezogen werden Der Patient steht nur einem Partner (Staat) gegenüber

Rechtsverhältnis Patient - Pflegepersonal Privates Spital: Das Rechtsverhältnis richtet sich nach Privatrecht, insbesondere nach dem Obligationenrecht (OR). Es liegt ein privates Vertragsverhältnis (Auftragsrecht) vor. Grundsatz der Privatautonomie: Formalitäten des Spitalaufenthaltes können beidseitig abgeändert werden. Der Patient steht verschiedenen Partnern gegenüber (Operateur, Spitalträger)

Rechtsverhältnis Patient - Pflegepersonal Zentrale Patientenrechte Selbstbestimmungsrecht Einwilligung in die Behandlung Aufklärung Dokumentation

Rechtsverhältnis Patient - Pflegepersonal Selbstbestimmungsrecht des Patienten Garantiert in Art. 10 BV und Art 28 ZGB Integrität des menschlichen Körpers und persönliche Freiheit als absolut zentrale Rechtsgüter Ein Eingriff in die körperliche und psychische Integrität des Menschen ist ohne seine Einwilligung nicht erlaubt!

Rechtsverhältnis Patient - Pflegepersonal Einwilligung in die Behandlung Selbstbestimmungsrecht garantiert freie Entscheidung Behandlung ohne Einwilligung verletzt das Selbstbestimmungsrecht des Patienten! Voraussetzung: Handlungsfähigkeit mündig (Art 14 ZGB) urteilsfähig (Art. 16 ZGB)

Rechtsverhältnis Patient - Pflegepersonal Aufklärung Ist Grundlage der Einwilligung Ziel und Zweck der Aufklärung: Information Haftungsbefreiung Wie detailliert muss die Aufklärung sein ? Der Patient muss sich ein Bild machen können, was man mit ihm vorhat Wer klärt worüber auf ? Arzt Eingriff Pflegepersonal  Pflegerische Aspekte?

Rechtsverhältnis Patient - Pflegepersonal Dokumentation Pflicht zur Führung einer KG ergibt sich aus Art. 400 Abs. 1 OR und z.T. kantonalen Gesetzen Aspekte einer KG Medizinisch: Gibt Auskunft über Sachverhalt, für zukünftige Behandlungen massgebend Juristisch: Beweismittel im Prozess

Rechtsverhältnis Patient - Pflegepersonal Stellung Pflegepersonal Pflegepersonal ist Hilfspersonal des Arztes (siehe z.B. Art. 321 StGB) Nicht erfasst im Medizinalberufegesetz Originäre Kompetenzbereiche von Ärzten mit Delegationsverbot an Pflegepersonal (z.B. Medikamentenverschreibung, Diagnosestellung, Operationen)

Rechtsverhältnis Patient - Pflegepersonal Aber: Pflege als anerkannte Leistungserbringer im KVG (Spitex, Pflegeheime) Emanzipation der Pflege mit Zunahme der selbständig durchgeführten Aufgaben Originäre Kompetenzbereiche des Pflegepersonals (z.B. Verbandswechsel, Injektionen/Infusionen, Lagerung) Zunahme der Selbständigkeit = Zunahme der Verantwortung ? Stellung TOA / OP-Pflegepersonal ?

Haftpflichtrechtliche Aspekte Begriff „Haftpflicht“ Das Haftpflichtrecht beantwortet die Frage, wer für den finanziellen Schaden aufkommt, wenn eine Person durch die fehlerhafte Handlung oder Unterlassung einer Handlung einer anderen Person zu Schaden kommt. Es geht nur um eine vermögensrechtliche Verantwortung.

Haftpflichtrechtliche Aspekte Fehlerbegriff Ein Fehler beinhaltet sowohl eine objektive, als auch eine subjektive Komponente. Objektive Komponente: Verstoss gegen anerkannten Regeln der Medizin und der geforderten Sorgfalt Subjektive Seite: Berücksichtigung der Person und der konkreten Umstände

Haftpflichtrechtliche Aspekte Zur Durchsetzung eines Schadenersatz-anspruches müssen gegeben sein: Schaden Sorgfaltspflichtverletzung / Widerrechtlichkeit Kausalzusammenhang zwischen schädigender Handlung und Schaden Ev. Verschulden (im Privatrecht) Die Beweislast dafür liegt beim Patienten! Cave: Der Beweis der Aufklärung liegt beim Spital!  Dokumentation wichtig!

Haftpflichtrechtliche Aspekte Wer haftet, wenn mehrere Personen am Patient tätig waren? Faustregel: Der Arzt haftet für die korrekte Auswahl, Instruktion und Überwachung seiner Mitarbeitenden und für die korrekte Anordnung einer medizinischen Massnahme (Anordnungsverantwortung) das Pflegepersonal für die korrekte Durchführung derselben (Durchführungsverantwortung)

Haftpflichtrechtliche Aspekte Effektive Haftung in der (heutigen!) Praxis Rechtlich gesehen gilt das Pflegepersonal immer noch Hilfspersonal des Arztes öffentliches Recht: Staatshaftung, der Patient kann und darf nicht direkt gegen das Pflegepersonal klagen. Achtung: Regress möglich bei grobem Verschulden! Privatrecht: Haftung des Spitalträgers aber ev. auch persönliche Haftung des Pflegepersonals (gestützt auf OR 41).

Strafrechtliche Aspekte Ein Verhalten des Medizinalpersonals kann auch strafrechtliche Folgen haben Zentraler Unterschied zur zivilrechtlichen Verantwortung: das Medizinalpersonal haftet persönlich für ein Fehlverhalten  Die strafrechtliche Verantwortung trifft nie den Arbeitgeber, Spital oder Vorgesetzten!

Strafrechtliche Aspekte Damit jemand strafrechtlich verurteilt werden kann, müssen bei jedem Delikt folgende drei Punkte überprüft werden: Tatbestandsmässigkeit Rechtswidrigkeit Schuldfähigkeit Zudem Kausalitätserfordernis: Hat das Verhalten (Handlung oder Unterlassung) von X zum Schaden von Y geführt oder nicht?

Strafrechtliche Aspekte Mögliche Straftatbestände Art. 125 StGB: Fahrlässige Körperverletzung Art. 117 StGB: Fahrlässige Tötung Art. 251 StGB: Urkundenfälschung Art. 321 StGB: Verletzung des Berufsgeheimnisses

Entwicklungen im Medizinalhaftpflichtrecht Beweislasterleichterungen zu Gunsten des Patienten durch: Haftung für Dokumentationsmängel Bundesgerichtsurteil vom 23.11.04 (4C.378/1999): Ein verschuldeter Dokumentationsmangel kann eine Herabsetzung des Beweismasses bis hin zur Beweislastumkehr rechtfertigen. Was nicht dokumentiert ist und nicht bewiesen werden kann, gilt als nicht oder nicht so wie beschrieben durchgeführt! Haftung für Organisationsmängel ? Bundesgerichtsurteil vom 6.2.2006 (4P.244/2005): Der Spitalträger haftet für den Schaden (tödlicher Fenstersturz eines Patienten in einem postoperativen Durchgangssyndrom), weil es unterlassen wurde, eine Sitznachtwache zu stellen. Die Kosten für eine solche Massnahme können nicht als Rechtfertigung herangezogen werden.

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