Forschungsforum Soziale Arbeit

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 Präsentation transkript:

Forschungsforum Soziale Arbeit Die Ressourcentheorie als Fundierung von Ressourcenorientierung und als Theorie Sozialer Arbeit Forschungsforum Soziale Arbeit 9. Mai 2012, Wien von Alban Knecht, Lehrbeauftragter der Hochschule München

Amartya Sen: Diskrepanz zwischen Einkommen und Lebenserwartung Die schwarzen Balken geben das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in US-Dollar an, die weißen Balken die Lebens-erwartung. Nach Sen 1999: 47

Amartya Sen: intrinsischer Wert der Ressourcen füreinander Einkommen Gesundheit Bildung intrinsische Bedeutung der Ressourcen füreinander.

Bourdieu: Die Kapitalarten als Ressourcen Ökonomisches Kapital (Einkommen) Gesundheit Kulturelles Kapital (Bildung) Soziales Kapital

Psychologische Ressourcentheorien I Uneinheitlicher Ressourcenbegriff in der Psychologie Willutzki (2003): Ressourcen [sind] für die Bewältigung alltäglicher und besonderer Anforderungen bzw. Lebensaufgaben von zentraler Bedeutung und somit [sind] letztlich unsere psychische und physische Gesundheit sowie unser Wohlbefinden von ihrer Verfügbarkeit und ihrem Einsatz abhängig...“ Zu den psychischen Ressourcen können gezählt werden: Optimismus, Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl, Kontrollüberzeugung (Über- zeugung, das durch eigenes Handeln Veränderungen zu bewirken sind), Motivation … Hobfolls Ressourcenerhaltungstheorie ist eine Theorie der Stress- abwendung. Sie umfasst auch soziale und materielle Bereiche und weist auf mögliche Abwärtsspiralen hinweist (z. B. Hobfoll 1989, 1991, 1998)

Psychologische Ressourcentheorien II Heute: Häufig Verständnis von Ressourcen als bestehende Potentiale, die vorhanden sind, aber nicht unbedingt ausgeschöpft werden, gemäß dem Motto: „Jeder könnte…“ Damit geht teilweise die Negation der Bedeutung sozialer Ungleichverteilung (materieller und nicht-materieller) Ressourcen einher. Klar ist, dass Ressourcen erst subjektiv wahrgenommen, für wichtig genommen und eingesetzt werden müssen.

(ökonomisches Kapital) (kulturelles Kapital) Ressourcen und Ressourcentransformation: Sen, Bourdieu und psychologische Ressourcentheorien Einkommen (ökonomisches Kapital) Psychische Ressourcen Zeit Gesundheit Bildung (kulturelles Kapital) Soziales Kapital Siehe zu den psychologische Ressourcentheorien: Foa & Foa 1974, 1993; Hobfoll 1989; Hobfoll / Jackson 1991; Becker 2006; vgl. a. Schubert 2004

(ökonomisches Kapital) (kulturelles Kapital) Die Ressourcentransformationen im Einzelnen Einkommen (ökonomisches Kapital) Psychische Ressourcen Zeit Gesundheit Bildung (kulturelles Kapital) Soziales Kapital

(ökonomisches Kapital) (kulturelles Kapital) Einkommen und Gesundheit: Der sozialepidemiologische Zusammenhang Einkommen (ökonomisches Kapital) Psychische Ressourcen Shift Zeit Drift Gesundheit Bildung (kulturelles Kapital) Soziales Kapital

(ökonomisches Kapital) (kulturelles Kapital) Einkommen und Soziales Kapital: Nutzung des Sozialen Kapitals Einkommen (ökonomisches Kapital) Psychische Ressourcen Zeit Gesundheit Bildung (kulturelles Kapital) Netzwerke sind sehr wichtig für die Jobsuche. Ca. ein Viertel aller Jobs wird über Informationen aus dem Freundeskreis und über Beziehungen gefunden. Bourdieu weist auch auf die Bedeutung der anderen Wirkrichtung hin: Der- oder diejenige, die einen gutbezahlten Job hat, auch als Tauschpartnerin interessanter. Soziales Kapital

Einkommen und Bildung: Ungleicher Zugang zur Bildung und ungleiche Bildungsrenditen (ökonomisches Kapital) Ungleicher Zugang zur Bildung Psychische Ressourcen Zeit Ungleiche Bildungsrenditen Gesundheit Bildung (kulturelles Kapital) Soziales Kapital

(ökonomisches Kapital) (kulturelles Kapital) Psyche und körperliche Gesundheit: Psychosomatik und Stressmechanismus Einkommen (ökonomisches Kapital) Psychische Ressourcen Zeit Psychosomatik / Stressmechanismus Psychoimmunologie Psychoendokrinologie Gesundheit Bildung (kulturelles Kapital) Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen arm und reich betragen ca. 6 Jahre. Die Entstehung in erster Linie auf unterschiedlichen psycho-sozialen Stress zurückzuführen. Wenn wir es als Sozialarbeiter mit psychischen Belastungssituationen und psychischen Erkrankungen zu tun haben, dann sollten wir uns klar machen, dass wir es dabei zum Teil auch mit den psychischen und gesundheitlichen Folgen von sozialer Ungleichheit zu tun haben. Soziales Kapital

(ökonomisches Kapital) (kulturelles Kapital) Soziales Kapital und Gesundheit: Das Coping Einkommen (ökonomisches Kapital) Psychische Ressourcen Zeit Gesundheit Bildung (kulturelles Kapital) Coping Soziales Kapital z. B. Gerhardt (1999)

Ressourcentheorie wofür Ressourcentheorie wofür? Bedeutung für die Soziologie und andere Wissenschaften Multidimensionale Analyse von Deprivationen – sowie Darstellung der Entstehungszusammenhänge Der Zugang lässt die Beschreibung von Lebensverläufen mittels Ressourcen und der Transformation von Ressourcen zu (Betrachtung von Verursachungsketten). Interdisziplinäres Modell für Volkswirtschaft, Soziologie, Psychologie, Sozialepidemiologie, Gesundheitswissenschaften und Soziale Arbeit Beschreibung von Ungleichheit durch Kategorien, die nahe am Handeln / Alltagshandeln und den individuellen Handlungsmöglichkeiten sind.

Ressourcentheorie wofür? Sozialpolitische Bedeutung Vergleichbarkeit von Sozialpolitik verschiedener Länder durch die Art und Weise, wie sie Ressourcen (Bildung, Einkommen, psychische Ressourcen…) zuteilen (Thema der Doktorarbeit). Möglichkeit der lebensnahen Beschreibung und Analyse von Interventionen durch die Analyse der Ressourcenzuteilung

(ökonomisches Kapital) (kulturelles Kapital) Soziale Arbeit als Ressourcenarbeit Unterstützung bei der Organisation von (Transfer-)Einkommen, Schuldnerberatung Einkommen (ökonomisches Kapital) Unterstützung bei psychischen Prozessen, psych. Empowerment … Psychische Ressourcen Zeit Gesundheit Bildung (kulturelles Kapital) Viele Ressourcen kann man eine eigene Unterstützungsprofession zuordnen. Soziale Arbeit hat es meist mit komplexen Problemlagen, sprich mit mehrdimensionalen Ressourcenproblemen zu tun. Arbeit an der Ressource …. Klinische Sozialarbeit, Gesundheitsförderung, Gesundheitsbezogene Soziale Arbeit Bildungsarbeit, häufig eher die informelle Bildung betreffend Soziales Kapital Netzwerk-Arbeit / Paarberatung etc.

Sozialarbeiterische und -pädagogische Methoden, die sich auf den Ressourcenbegriff beziehen Ressourcenorientierung (anstelle von Defizitorientierung) Ressourcenorientierte Soziale Diagnose (z. B. Silke Gahleitner; Kasper Geiser (mit Bezug auf den Ressourcenbegriff von Staub-Bernasconi) Ressourcenberatung (Frank Nestmann) Ressourcenaktivierung (Günther Wüsten, Holger Schmid) Ressourcenorientiertes Empowerment (Norbert Herriger, Albert Lenz)

Ressourcenansätze wofür? Bedeutung für die Soziale Arbeit Lebens-, Handlungs- und Ursachen-nahe Beschreibung einer Lebens- situation, die gleichzeitig ungleichheitssensibel ist (anstelle von Lebenslagen, Milieus etc.) Klärung der bio-psycho-sozialen Zusammenhänge von Lebens- situationen „Theorie-Dach“ für die verschiedenen ressourcenbezogenen Methoden Darstellung der Sozialen Arbeit als helfender Beruf bei komplexen Lebenslagen Beschreibung des Zusammenhangs von Sozialarbeit / Sozialpädagogik als Teil einer ressourcenzuteilenden Sozialpolitik Sozial-ökologische bzw. bio-psycho-soziale Zusammenhänge können in der Unterscheidung zwischen internen und externen Ressourcen thematisiert werden „Umverteilungswirkung“ der Sozialen Arbeit kann sichtbar gemacht werden. Zu Punkt 1: Erlaubt eben auch die soziale Diagnose Zu Punkt 6: Unabhängigkeit der Sozialen Arbeit als eigene Disziplin

Knecht / Schubert (2012): Ressourcen im Sozialstaat und in der Sozialen Arbeit. Aktivierung – Förderung – Zuteilung. Kohlhammer

Forschungsforum Soziale Arbeit Die Ressourcentheorie als Fundierung von Ressourcenorientierung und als Theorie Sozialer Arbeit Forschungsforum Soziale Arbeit 9. Mai 2012, Wien von Alban Knecht, Lehrbeauftragter der Hochschule München aknecht@albanknecht.de

Kausation (Shift, Schicht schuld) und Selektion (Drift, Krankheit schuld) Sozio-ökon. Status der Eltern Sozio-ökon. Status des erwachsenen Kindes Shift Shift Drift Gesundheit des jungen Kindes Gesundheit des er- wachsenen Kindes Frei nach: Mackenbach et al. (1994), Mielck (2000: 266) mit Ergänzungen

Kausation (Shift, Schicht schuld) und Selektion (Drift, Krankheit schuld) Sozio-ökon. Status der Eltern Sozio-ökon. Status des erwachsenen Kindes soziale Hypothek Shift Shift Drift gesundheitliche Hypothek Gesundheit des jungen Kindes Gesundheit des er- wachsenen Kindes Frei nach: Mackenbach et al. (1994), Mielck (2000: 266) mit Ergänzungen

Wofür Ressourcentheorie? Mikroebene Mehrebenen-Modell der Ressourcen-zuteilung und -transformation Wofür Ressourcentheorie? Mikroebene Lebensqualitätskultur/-diskurse (polity) M a k r o Politische Konflikte (politics) Lebensqualitätspolitik (policy) Lebens- bedingungen Arbeitsbedingungen, Wohnbedingungen, Umweltqualität Institutionen des Bildungs- und Gesund-heitswesens, Soziale Dienste, Umverteilung Unternehmen Märkte: Lohnpolitik, Arbeitsschutz Beziehungen als Ressour-censpender: Familie / Freunde / Netzwerke M e s o M i k r o Einkommen Zeit Gesundheit Psych. Ress. Bildung Ohne Darstellung der Rückwirkun-gen Soz. Kapital

Ergänzung: Ressourcenprofile – Bildungsprofil quantitativ Bildungsindex 10 20 30 40 50

Dynamische Entwicklung I: Einkommen – Gesundheit – Bildung soziales Kapital t1 soziales Kapital t2 soziales Kapital t3

Dynamische Entwicklung II: Einkommen – Gesundheit – Bildung soziales Kapital t1 soziales Kapital t2 soziales Kapital t3

Bibliographie Becker, Peter (2006): Gesundheit durch Bedürfnisbefriedigung. Göttingen u. a.: Hogrefe Foa, Uriel G. / Foa, Edna B. (1974): Societal structures of the mind. Springfield (Illinois): Thomas Foa, Uriel G. / Converse Jr., John / Törnblom, Kjell Y. / Foa, Edna B. (Hrsg.) (1993): Resource theory: Explorations and applications. San Diego u. a.: Academic Press Gerhardt, Uta (1999): Herz und Handlungsrationalität. Biographische Verläufe nach koronarer Bypass- Operation. Frankfurt/M.: Suhrkamp Hobfoll, St. E. (1989): Conservation of resources: A new attempt at conzeptionalizing stress. American Psychologist, 44, 513–524 Hobfoll, St. E. / Jackson, A. P. (1991): Conservation of resources in Community Intervention. In: American Journal of Community Psychology, Vol. 19, No. 1 Schubert, Franz-Christian (2004): Lebensführung als Balance zwischen Belastung und Bewältigung – Beiträge aus der Gesundheitsforschung zu einer psychosozialen Beratung. In: ders. / Busch, Herbert (Hrsg.): Lebensorientierung und Beratung. Sinnfindung und weltanschauliche Orientierungskonflikte in der (Post-)Moderne. Schriftenreihe des Fachbereiches Sozialwesen der Hochschule Niederrhein, 39. Mönchengladbach: Eigenverlag. S. 137–213 Mackenbach, Johan P. / van de Mheen, H. / Stronks, Karien (1994): A prospective cohort study investigating the explanation of socio-economic inequalities in health in the Netherlands. In: Social Science & Medicine, 38, 2, S. 299–308 Mielck, Andreas (2000): Soziale Ungleichheit und Gesundheit. Empirische Ergebnisse, Erklärungsansätze, Interventionsmöglichkeiten. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Verlag Hans Huber Sen, Amartya (1999): Development as Freedom. New York: Alfred A. Knopf (dt. Ausgabe: Sen, Amartya (2000): Ökonomie für den Menschen. Wege zu Gerechtigkeit und Solidarität in der Marktwirtschaft. München, Wien: Carl Hanser Verlag)

Permalink dieser Präsentation: www.albanknecht.de/vortraege/ Ressourcenorientierung_Soziale_Arbeit.pdf