Klassische Konditionierung: Lernen zu reagieren

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 Präsentation transkript:

Klassische Konditionierung: Lernen zu reagieren

Übersicht 1. Grundprinzip des Klassischen Konditionierens Zeitliche Aufeinanderfolge von CS und UCS Generalisierung und Diskrimination Erklärungsansätze 5. Biologische Lernbereitschaft

IWAN PETROWITSCH PAWLOW 1849-1936 1904 Nobelpreis für Physiologie und Medizin

1. Grundprinzip des Klassischen Konditionierens Reflex Unkonditionierter Reiz – unkonditionierte Reaktion Konditionierter Reiz – Konditionierte Reaktion Assoziation durch Kontiguität chemisch-biologische Änderung der Nervenzelle => Änderung der Erregbarkeit wg LTP (LongTermPotential)

Reflex unwillkürliche, nicht bewusst gesteuerte Reaktion auf einen bestimmten Reiz „unausbleibliche, gesetzmäßige Reaktion des Organismus auf ein äußeres Agens hin, eine Reaktion, die mit Hilfe bestimmter Teile des Nervensystems zustande kommt“ (Pawlow, 1955, 147)

Reflexe Nahrung, milde Säure => Speichelsekretion Luftstoß => Lidschluss Schreckreiz => Pulsfrequenz Helligkeitsveränderung => Pupillenkontraktion Schlag gegen Patellarsehne => Streckung des Beins Berühren der Wange (beim Säugling) => Saug-bewegung Körperdrehung => Augenbewegung Schreckreiz => Veränderung der Atmung Veränderung der Reizsituation => Orientierungsr.

Beliebiger Reiz S und beliebige Reaktion R Reflex oder gut gelernte S-R Verbindung

Assoziation von UCS und S durch UCR Auslösung von CR (UCR) durch CS (S)

Kontiguitätsprinzip Assoziation zweier Ereignisse durch räumliche und zeitliche Nähe ihres Auftretens

2. Zeitliche Aufeinanderfolge von bedingtem (CS) und unbedingtem Reiz (UCS) CS vor UCS Verzögerte Konditionierung Spurenreflex-Konditionierung optimale Lerneffekte CS gleichzeitig oder später als UCS Simultan-Konditionierung Rückwirkende Konditionierung geringe Lerneffekte

++ +/- S S

Lernkurve

Löschung Tritt der konditionierte Reiz wiederholt ohne den unkonditionierten Reiz auf, wird die Konditionierung allmählich wieder gelöscht. Je häufiger der konditionierte Reiz ohne den unkonditionierten Reiz auftritt, desto schneller verläuft der Prozess der Löschung (Extinktion).

Extinktions-Lernkurve

Löschung = Lernen einer Hemmung Kein Abbau der Spuren der Verbindung sondern neuer Lernprozess. Der konditionierte Reiz signalisiert das Nichterscheinen des unkonditionierten Reizes => konditionierter Reiz hemmt das Auftreten der konditionierten Reaktion

3. Generalisierung und Diskrimination Generalisierung: reaktionsauslösende Funktion geht ohne weiteren Lernprozess auf ähnliche Reize über - abnehmende Ähnlichkeit des Reizes => abnehmende Intensität der Reaktion - entlang aller denkbaren Merkmalsdimen-sionen des konditionierten Reizes möglich Semantische Generalisierung: bedeutungsähnliche Worte, Bilder etc.

Diskrimination Diskriminationslernen: Lernprozess, bei dem Reize, die dem konditionierten Reiz ähnlich sind, explizit dargeboten werden, aber der unkonditionierte Reiz nicht auftritt  ähnliche Reize hemmen die Reaktionsauslösung Je ähnlicher die Reize dem ursprünglichen konditionierten Reiz sind, desto länger dauert der Lernprozess (Kreis – Ellipse; Kreis – Quadrat).

4. Erklärungsansätze Auslösefunktion für Verhalten Hinweisfunktion auf Reize Kognitive Erklärung: Lernen „um zu wissen“

Auslösefunktion für Verhalten (Reizsubstitution) „Neuer“ Reiz wird mit „altem“ Verhalten verknüpft (1.) vorher in bezug auf dieses Verhalten bedeutungslose Reize erhalten die Funktion (bereits vorhandenes) Verhalten auszulösen Lernen = Reizsubstitution Anzahl der Reize, die für den Organismus dieselbe oder ähnliche Bedeutung haben, wird verändert => zunehmende Strukturierung der Umwelt

Hinweisfunktion auf Reize (Signallernen) „Neuer“ Reiz wird mit „altem“ Reiz verknüpft (2.) vorher bedeutungsloser Reiz erhält die Funktion auf bereits bekannten Reiz hinzuweisen Lernen = Signallernen Anzahl der Reize, die für den Organismus Bedeutung haben, wird erhöht => zunehmende Bedeutungshaltigkeit der Umwelt

Kognitive Erklärung: Lernen „um zu wissen“ Klassische Konditionierung besteht im Aufbau von Erwartungen (Typ S-S, Bolles, 1972) Aufmerksamkeit des Organismus wird durch das Auftreten des bedingten Reizes (CS) auf die Erwartung des unbedingten Reizes (UCS) gelenkt => Typ S-S Erwartung (Irrelevanten Reizen wird die Aufmerksamkeit entzogen, Mackintosh, 1975, 1983)

5. Biologische Lernbereitschaft Lernbereitschaft: Fähigkeit einen bedingten und einen unbedingten Reiz zu assoziieren Organismen haben für die Etablierung von Assoziationen Disposition bzw. Gegendisposition (Seligman, 1970) Konditionierungsgesetze gelten für diejenigen Assoziationen, für die weder eine spezielle Disposition noch eine Gegendisposition besteht

Beispiel: Disposition Erworbene Geschmacksaversion Mit unangenehmen Geschmacksstoffen versehe-nes Wasser wird auch dann gemieden, wenn das Gefühl der Übelkeit erst Stunden später auftritt; zeitliches Intervall zwischen CS und UCS ist so lang, dass das Prinzip der räumlich-zeitlichen Kontiguität keine ausreichende Erklärung darstellt. Organismen sind darauf eingerichtet, Krankheits-empfindungen mit biologisch relevanten Futter-reizen zu assoziieren

Beispiel: Gegendisposition Lichtreiz und Übelkeit Licht- oder Tonreize und Krankheitsempfin-dungen (z.B. Übelkeit) lassen sich nur schwer assoziieren  Gegendisposition

Evolutionäres Gedächtnis? (Mineka, 1992) Objekt- und Situationsklassen, die beim Menschen häufig mit Angst verknüpft werden: Spinnen, Schlangen, enge Räume, große Plätze, große Höhen aber nicht: Messer, Küchenherde, Autos

Differenzierung der Assoziationstheorie des Lernens Die Annahme artspezifischer Grundlagen von Lernbereitschaften erfordert eine Differenzierung der Assoziationstheorie des Lernens. Lernmechanismen müssen durch Annahmen ergänzt werden, die bestimmte Ausgangs-bedingungen der jeweiligen Lernsituation (z.B. Vorliegen einer Disposition oder Gegen-disposition) mit berücksichtigen.

Literaturhinweise Alkon, D.L. (1990). Eine Meeresschnecke als Lernmodell. In W. Singer (Hrsg.), Gehirn und Kognition (72-83). Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag. Lachnit, H. (1993). Assoziatives Lernen und Kognition. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag. Menzel, R. & Roth, G. (1996). Verhaltensbiologische und neuronale Grundlagen des Lernens und des Gedächtnisses. In G. Roth & W. Prinz (Hrsg.), Kopf-Arbeit. Gehirnfunktion und kognitive Leistungen (239-277). Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag. Roth, G. (2001). Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert. Frankfurt: Suhrkamp. Pospeschill, M. (2004). Konnektionismus und Kognition. Stuttgart: Kohlhammer.

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