Funktion der Narrative in Thilo Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab". Eine diskursanalytische Studie. Charlotta Seiler Brylla Institutionen för.

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 Präsentation transkript:

Funktion der Narrative in Thilo Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab". Eine diskursanalytische Studie. Charlotta Seiler Brylla Institutionen för baltiska språk, finska och tyska charlotta.brylla@tyska.su.se

Erschienen am 30. August 2010 bei der Deutschen Verlags-Anstalt 1,2 Millionen Exemplare ausgeliefert Projektidee der DVA: ein kritischer Text über den deutschen Sozialstaat Präsentation am NGBT in Bergen 15.6.2012

Finanzsenator in Berlin 2002-2009 Thilo Sarrazin, geb. 1945, promovierter Volkswirt, SPD-Mitglied seit 1974 Finanzsenator in Berlin 2002-2009 Mitglied des Vorstands der deutschen Bundesbank 2009-2010 Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15. 6

Thesen des Buchs: ein demographischer Wandel Alterung und Schrumpfung der deutschen Bevölkerung Dafür aber eine kontinuierliche Zunahme der weniger Stabilen, weniger Intelligenten und weniger Tüchtigen Der Anteil von Menschen mit muslimischen Migrationshintergrund nimmt in Deutschland zu Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Zusammenfassung von Sarrazin „Fassen wir zusammen: Unsere Gesellschaft schrumpft, sie wird älter, heterogener und gemessen an Bildungsindikatoren weniger leistungsfähig. Dass in Deutschland überdurchschnittlich viele Kinder in sogenannten bildungsfernen Schichten mit häufig unterdurchschnittlicher Intelligenz aufwachsen, lässt uns schon aus rein demographischen Gründen durchschnittlich dümmer werden.„ (S. 100) Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Sarrazin zu seiner Argumentation Ich stütze mich in meinen Ausführungen auf empirische Erhebungen, argumentiere aber direkt und schnörkellos. Es geht mir vor allem um Klarheit und Genauigkeit, die Zeichnung ist daher kräftig, nicht unentschlossen oder krakelig. (S. 11) Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Quellen des Wissens Statistik Umfragen Narrative / persönliche Erfahrungen Beobachtungen 1. und 2. Hand Gar keine Belege Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Definition von „Narrativ“ (nach Wodak 2008) A narrative can be defined as the telling of a series of two or more interconnected events, normally involving one or more agents/participants. A narrative has a ´point´or is ´tellable´in the context within which it occurs. Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Narrative Buschkowsky erläutert: „Wir haben Schulen, wo 90 % der Eltern von der Zuzahlung für Lernmittel befreit sind, das heißt, es geht so gut wie kein Elternteil arbeiten. Der Satz, ich möchte werden wie mein Vater, der ist Feuerwehrmann und rettet Menschen, kann gar nicht fallen, weil ein Erwerbsleben in dieser Sozialisation nicht stattfindet-[---] Wenn man Jugendliche fragt, was sie werden wollen, antworten sie: Ich werde Hartz IV.“ (S. 305) Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Narrative Necla Kelek berichtet von einer norddeutschen Kleinstadt: Türkisch-muslimische Parallelgesellschaft „Diese Mentalität herrscht in weiten Kreisen der muslimischen Bevölkerung.“ (S. 295) Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Narrative Liu, Jahrgang 1970, aus Shanghai vergleicht die Schule in Shanghai mit der in Deutschland ausgehend von seinen Kindern und den gleichaltrigen Kindern seiner Schwester. (S. 205) „Die Kinder seiner Schwester hätten in den 40 Ferientagen Hausaufgaben zu erledigen, die für 50 Tage reichen.“ Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Narrative Der Bildungskanon als hierarchische Struktur oder Wie ich lesen lernte (S. 192) Der eigene Werdegang mit dem Fazit: „Lesefähigkeit, Textverständnis und das dadurch ermöglichte Generalwissen ist die Kernkompetenz der Wissensvermittlung.“ (S. 194) Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Funktion der Narrative Strukturieren/ Kohärenz schaffen Vereinfachen Erklären Überzeugen Unterhalten Realität suggerieren Identität/Gemeinschaft konstruieren Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Abschließende Reflexionen Genreanalyse / pragmatische Stilanalyse Narrative als Argumentation hinterfragen Intertextualität/Interdiskursivität der Narrative Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Beispiel Schlüsselwort: Armut „‘Arm‘ sind Empfänger von Grundsicherung in Deutschland nur, wenn man Armut als politischen Begriff auffasst, der sich inhaltlich von seiner ursprünglichen und historisch überkommenen Bedeutung gelöst hat.“ (S. 85) Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Argumentationsstrategien Verallgemeinerung Argumentation der Autorität Delegitimierung des Gegners Implikate Relativierung Glaubwürdigkeit durch suggerierte Objektivität Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Verallgemeinerung „Der Mensch am Steuerpult des Hochregallagers benötigt eher Hirn als Muskelkraft und ist ganz sicher kein Hauptschulabsolvent, der bei einfachen Additionsaufgaben Schwierigkeiten hat.“ (S. 55) „Aus den männlichen arabischen Kindern dieser Grundschule werden die jugendlichen Gewalttäter von morgen, während die jungen Mädchen früh heiraten.“ (S. 323f.) Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Delegitimierung des Gegners „Aber mit der Linkspartei, die vor allem verbohrte Ideologen und ewig zu kurz Gekommene repräsentiert, ist ein strukturell weiterführendes Politikangebot nicht denkbar – insbesondere eines, das ein Rezept enthält gegen die Verfestigung einer leistungsabgewandten und zunehmend auf Wirtschaftskreisläufen ausgeschlossene Unterschicht.“ (S. 81) „Das sind die Vertreter des Multikultifeuilletons, die eine transnationale Menschheitszukunft erträumen und heimlich Trauer tragen, dass sie überhaupt als Deutsche geboren wurden.“ (S. 346) Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Implikate „Die USA, die ihre Einwanderer nicht materiell unterstützen, bekommen dagegen die besseren Einwanderer, die sich zudem schneller integrieren.“ (S. 321) „Wer in Deutschland aufgewachsen ist, merkt spätestens in der Türkei, dass er jetzt „Deutschländer“ ist und kein richtiger Türke mehr ist. Schlimm nur, das viele „Deutschländer“ am Ende weder richtige Türken noch richtige Deutsche sind.“ (S. 313) Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Relativierung „In Deutschland arbeiten ein Heer von Integrationsbeauftragten, Islamforschern, Soziologen, Politologen, Verbandsvertretern und eine Schar von naiven Politikern Hand in Hand und intensiv an Verharmlosung, Selbsttäuschung und Problemleugnung. Mir wurde beispielsweise ‚Rassismus‘ vorgeworfen, als ich mich in einem Interview kritisch mit der mangelhaften Bereitschaft vieler muslimischer Migranten zur Eingliederung in Deutschland auseinandersetzte. Kritiker betrieben sogar meinen Ausschluss aus der SPD, der ich seit 1973 angehörte. (S. 279, Hervorhebung von CB) Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Provokation „Insbesondere unter den Arabern in Deutschland ist die Neigung weit verbreitet, Kinder zu zeugen, um mehr Sozialtransfers zu bekommen, und die in der Familie oft eingesperrten Frauen haben im Grunde ja kaum etwas anderes zu tun.“ (S. 150) Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Glaubwürdigkeit durch suggerierte Objektivität „Immer wieder habe ich die Erfahrung gemacht, dass es in verantwortlicher politischer Position zwar nicht unmöglich ist, aber sehr schwierig und auch nicht üblich ist, unangenehme Wahrheiten auszusprechen.“ (S. 12) Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Glaubwürdigkeit durch suggerierte Objektivität „Unter seriösen Wissenschaftlern besteht heute zudem kein Zweifel mehr, dass die menschliche Intelligenz zu 50 bis 80 erblich ist.“ (S. 93) Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

Ohne Beleg „Kinder gedeihen in einer nicht so gut funktionierenden vollständigen Familie aber oft besser als bei einem Elternteil, wo sich Partnerbindungs- und Partnerfindungsversuche miterleben.“ (S. 378) „Bei keiner anderer Religion [Islam, CB] ist der Übergang zu Gewalt, Diktatur und Terrorismus so fließend.“ (S. 292) Präsentation am Nordisch-baltischen Germanistentreffen in Bergen 15.6.2012

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