VO GEDICHTE 1: Was ist ein Gedicht?

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Sprüche 1 ( Vers 1-33 ).
Advertisements

Der Spinnerin Nachtlied
1.
wer die Bäume, wer die Flüsse, die in das Meer fliessen, Wer schuf die Berge, wer die Bäume, wer die Flüsse, die in das Meer fliessen, und wer schickt.
Mit richtigen Erwartungen leben
Spricht etwas dagegen, dass ich getauft werde?
Das Himmelreich ist wie eine grossartige Entdeckung
Wer sucht, der wird gefunden!
Wo bleibt Dein Glaube? Gedanken zum neuen Jahr
Die wichtigste Frage des Lebens!
Gott ist ein Produkt unserer Gedanken
Mit grossem Glauben leben – wie mach ich das?
Relativpronomen Fill in Rel.pron. Kombiniert! Konjunktiv Fill.
1.
Unsere Werte: - großzügig weitergeben - Jesus folgen - offen für Veränderung - missionarisch leben - Gottes Geist erleben - Anbetung Gottes - echte.
Herzlich willkommen!. Halli, Hallo Halli, Hallo, herzlich willkommen! Halli, Hallo, jetzt geht es los! Halli, Hallo, herzlich willkommen, Vorhang auf.
Einleitung in das Johannes-Evangelium
Gott ist da.
Neun Wege, wie Sie der Heiligkeit Gottes begegnen können!
Was kann mir Gewissheit im Glauben geben?
Training im Christentum
Das Leben des geistes in uns
Wort des Lebens Februar 2010.
Manuelle Übergänge 8 Juni 2003 Der Pfingsttag. Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein.
Wort des Lebens November 2009.
Leben wie es Gott gefällt Sind wir auf dem richtigen Weg?
Wort des Lebens September 2010.
Die erste Liebe. «Wer liebt,wird immer starker».
1. Der Planet Erde ist Gottes Schöpfung
Sprechen – 2 Minutes to review your notes
Vorbilder in der Bibel - 16
Johannes „Der Jünger, den Jesus liebte“
Leben – Sterben – Tod.
Vergleich Isaak - Jesus
„All in“ – ganzer Einsatz!
Gelassen in der Souveränität Gottes leben
Was kann mir Gewissheit im Glauben geben?
Metrik Die Metrik (von griech. Metron=Maß) ist die Lehre von der Gliederung des Verses (allgemeiner, von der Dichtkunst)
Jünger sind entschieden!
Malcolm – 1. Teil Malcolm interpretiert Descartes mit Blick auf die Frage nach der Natur des Denkens (dem cogito) folgendermaßen: Jeder mentale oder bewusste.
Jahresleitvers
Arten der Nachfolge.
Word des Lebens Mai 2010.
MODAL-PARTIKELN.
Während dieser Zeit sprach Jesus mit seinen Jüngern zum ersten Mal von seinem Tod: "Wir müssen nach Jerusalem gehen. Dort werden mich die führenden Männer.
Heute zählt! Gewinne durch Freigiebigkeit
Wer bin ich? Wie soll ich sein? Darf Gott antworten?
Weshalb Worship mit Kids? 1a
Hintergründe Zusammenhänge Zurechtfinden Verstehen
Ich bin die Auferstehung und das Leben!
Taufgottesdienst. Taufgottesdienst Markus 16 Hfa 15 Dann sagte er zu ihnen: "Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet allen Menschen die rettende.
In der Siegesmacht Jesu leben.
Die Bremer Stadtmusikanten
Bibelkurs vom 12. September 2014
Willst du mit in den Himmel? Teil 1: Willst du mit in den Himmel?
Geschichte über das Leben
Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden
Sprüche 15: (Einheitsübersetzung)
V Dativ - Präpositionen - Verben
Gott wird Mensch, für deine ewige Rettung
Haribo Von: Katarina Jerman Forschungsprojekt für German 202.
1Lukas-Code © KKlaus D. Wachlin 2007 Hören und Sehen Die Botschaft von Lukas im Bild Treffpunkt Clausthal Neukirchen 2007 Klaus Dietrich Wachlin Pfarrer.
Advent/Weihnachten: schöne Zeit, enttäuschende Zeit!
Jesus Lieblingsthema: - ?. Was der weiseste Lehrer sagt, ist wichtig und wahr. Jesus Lieblingsthema: - ?
DIE GATTUNGEN.
Warum musste Jesus sterben? 3. Alpha-Abend.
Wenn Männer Angst vor Gespenstern haben. Angst ist normal Angst kann vor gefährlichen Situationen warnen Angst kann entstehen durch das Gefühl, dass Bedürfnisse.
Die Geschichte der Firma
IMPORTANT! Those who missed the last sessions: Please make sure you copy the notes from your classmates! I have office hours from 2-4 today feel free to.
 Präsentation transkript:

VO GEDICHTE 1: Was ist ein Gedicht? Ilse Aichinger (* 1921): Durch und durch (1976/78)

Lyrik: literarische Gattung neben Epik und Dramatik; „Gedichte“ Metrik: Lehre von den Versen

Firma Hans Riegel, Bonn [Akronym]

Haribo a [Paarreim] macht Kinder froh a

macht Kinder froh a [seit 1935] und Erwachs’ne ebenso a [seit 1962] Haribo a macht Kinder froh a [seit 1935] und Erwachs’ne ebenso a [seit 1962] Das Reimschema wird durch kleine Buchstaben dargestellt. Beliebtester Werbespruch Deutschlands; engl.: Kids and grown-ups love it so a [Paarreim] the happy world of Haribo a frz.: Haribo, c’est beau la vie a pour les grands et les petits a

Im Falle eines Falles [Paronomasie] klebt UHU wirklich alles [Palindrom] [seit 1948]

froh/ebenso, vie/petits, Falles/alles, door/more: Reim = Gleichklang eines betonten Vokals und der ihm folgenden Laute [unabhängig von der Schreibung]

Ich bin so schön, ich bin so doll a Ich bin der Anton aus Tirol a Meine gigaschlanken Wadeln b San der Wahnsinn für die Madeln b Mei Figur a Wunder der Natur c Binnenreim DJ Ötzi, Anton aus Tirol 1999

You just slip out the back, Jack Make a new plan, Stan You don't need to be coy, Roy Just listen to me Hop on the bus, Gus You don't need to discuss much Just drop off the key, Lee And get yourself free Schlagreim Paul Simon, Fifty Ways to Leave your Lover 1975

Reime: mnemotechnische Effekte War die Tochter brav, bleibt ihr Bauch konkav; ( hatte die Tochter Sex, wird ihr Bauch konvex. )

Arthur Schnitzler, Zur Physiologie des Schaffens (1904) Unter allen Künsten wird die Dichtkunst mit der geringsten Achtung behandelt. […] Daran scheint das Material schuld zu sein, mit dem zu arbeiten sie gezwungen ist. Das Material der Dichtkunst ist ausschließlich Wort – scheinbar dasselbe also, das als Verständigungsmittel jedermann zur Verfügung steht. Aber das Wort innerhalb der Dichtkunst ist nicht mit dem Wort der Verständigung zu vergleichen […]

Arthur Schnitzler, Zur Physiologie des Schaffens (1904) Unter allen Künsten wird die Dichtkunst mit der geringsten Achtung behandelt. […] Daran scheint das Material schuld zu sein, mit dem zu arbeiten sie gezwungen ist. Das Material der Dichtkunst ist ausschließlich das Wort – scheinbar dasselbe also, das als Verständigungsmittel jedermann zur Verfügung steht. Aber das Wort innerhalb der Dichtkunst ist nicht mit dem Wort der Verständigung zu vergleichen […]

Arthur Schnitzler, Zur Physiologie des Schaffens (1904) Unter allen Künsten wird die Dichtkunst mit der geringsten Achtung behandelt. […] Daran scheint das Material schuld zu sein, mit dem zu arbeiten sie gezwungen ist. Das Material der Dichtkunst ist ausschließlich das Wort – scheinbar dasselbe also, das als Verständigungsmittel jedermann zur Verfügung steht. Aber das Wort innerhalb der Dichtkunst ist nicht mit dem Wort der Verständigung zu vergleichen […]

Sprache: kommunikative Funktion poetische Funktion „in ihrer formalen Erscheinung eine besondere Art Information“ (Roman Jakobson) Prosa - Poesie

Arthur Schnitzler, Zur Physiologie des Schaffens (1904) […] jedes Wort innerhalb des Dichtwerkes [hat] seinen spezifischen Schwingungswert, je nach der Beziehung, in die es zu den früheren Worten und den früheren Wortbeziehungen des betreffenden Dichtwerks tritt. Gleichklang der Worte, wie sie durch die Armut unserer Ausdrucksmittel und die Notwendigkeit rascher Verständigung bedingt ist, bedeutet nicht Identität. zu vergleichen […]

Ilse Aichinger (* 1921)

Durch und durch Wir sind alle nur für kurz hier eingefädelt, aber das Öhr hält man uns seither fern, uns Kamelen. [entst.1976, erschienen 1978 im Band Verschenkter Rat]

„Zwillingsformeln“: Mann und Maus, Kind und Kegel, Tag und Nacht, nackt und bloß,… „durch und durch“: DWB: „durchaus, gänzlich, von anfang bis ende, omnino, per totum“ Verein „Durch!“ (gegr. 1886, Berlin)

„Wenn ein Wort, wie identisch auch immer, in einem Text wiederholt wird, ist es nicht mehr dasselbe Wort.“ „Die Wiederholung ist das Urbild des Anfangs von jeder Rede.“ Wolfram Groddeck, Reden über Rhetorik, 1995

| — U — | Kretikus (Pl. Kretizi)  Durch und durch — = lange / betonte Silbe U = kurze / unbetonte Silbe  

|— U | — U | Wir sind alle |— U | — U | — U|— U | nur für kurz hier eingefädelt | — U | Trochäus (Pl. Trochäen)

Hans Baldung Grien, Die drei Parzen (1513) Klotho, Lachesis, Atropos

Metapher Metonymie

Durch und durch Wir sind alle nur für kurz hier eingefädelt, aber das Öhr hält man uns seither fern, uns Kamelen.

[wir sind] alle: „aufgebraucht“, „erschöpft“, „zu Ende“, „durch“ DWB: eine „merkwürdige, dem anschein nach uralte eigenheit unsrer sprache“: Vorstellung der Gänze ist auch mit dem gänzlich Zu-Ende-Gehen assoziiert

|— U U —| Chorjambus aber das Öhr

| — U U | Daktylus (Pl. Daktylen) | — U — | Kretikus hält man uns | U — — | Bacchius | — U — | Kretikus seither fern

| — U — | Durch und durch Wir sind alle nur für kurz hier eingefädelt, aber das Öhr | — U — | — U — | hält man uns seither fern, uns Kamelen.

Durch und durch Wir sind alle nur für kurz hier eingefädelt, aber das Öhr hält man uns seither fern, [Anadiplose] uns Kamelen. [Apposition]

|— U| — U| Trochäen uns Kamelen.

| — U — | Kretikus Durch und durch |— U| — U| 2 Trochäen Wir sind alle |— U| — U |— U|— U| 4 Trochäen nur für kurz hier eingefädelt, |— U U —| Chorjambus aber das Öhr | — U — | — U — | 2 Kretizi hält man uns seither fern, uns Kamelen.

Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen! Die Jünger waren über seine Worte bestürzt. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen: Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen! Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. Sie aber erschraken noch mehr und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden? (Mk 10,25, vgl. Lk 18,25; Mt 19,24)

griech. κάμηλος [kamelos] = Kamel griech griech. κάμηλος [kamelos] = Kamel griech. κάμιλος [kamilos] = Schiffstau

Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen! Die Jünger waren über seine Worte bestürzt. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen: Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen! Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. Sie aber erschraken noch mehr und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden? (Mk 10,23-26)

[Dem Kamel] gegenüber ist ein Ochse ein achtungswerthes Geschöpf, ein Maulthier [...] ein überaus gesittetes, ein Schaf ein sehr kluges ein Esel ein entschieden liebenswürdiges Thier. Dummheit und Bosheit sind gewöhnlich Gemeingut; wenn aber zu ihnen auch noch Feigheit, Störrigkeit, ewig schlechte Laune, Starr- und Murrköpfigkeit, entschiedner Widerwille gegen alles Vernünftige, Gehässigkeit oder Gleichgültigkeit gegen den Pfleger und Wohlthäter und noch hundert andere Untugenden kommen [...]: kann der Mensch, welcher mit solchem Vieh zu thun hat, schließlich rasend werden. [...] Dies begreift man, nachdem man selbst vom Kamel abgeworfen, mit Füßen getreten, gebissen, in der Steppe verlassen und verhöhnt worden ist, nachdem Einen das Tier tage- und wochenlang stündlich mit bewundernswerther Beharrlichkeit und Ausdauer geärgert, nachdem man alle Besserungs- und Zuchtmittel sowie Bekehrungsversuche aller Art vergeblich verbraucht [...] hat. Alfred Edmund Brehm, Thier-Charaktere (1860)

|— U| — U| uns Kamelen.