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[28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache [I]: totalitäre Ausdrucksmittel in Politik und Medien aus der Sicht der Kritischen Diskursanalyse.

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1 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache [I]: totalitäre Ausdrucksmittel in Politik und Medien aus der Sicht der Kritischen Diskursanalyse Vorlesung, 2 SWS Modul: MSW_2/1 Kommunikationslinguistik der russischen/polnischen Sprache [Kommunikationslinguistik I] Prof. Dr. Peter Kosta Mi

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Die Vorlesung beschäftigt sich mit dem Verhältnis von institutioneller Macht und den sprachlichen Mitteln, durch welche Macht in der Kommunikation ausgeübt werden kann.

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Ausgehend von der Textsorte „Schauprozess“ wie er in der Zeit des stalinistischen Totalitarismus gegen den sog. antisowjetischen „Block der Rechten und Trotzkisten“ im Jahre 1938 (vgl. Freidhof 1996:95) manifestiert und durchexerziert worden ist und unter Einbeziehung weiterer Korpora des totalitären Diskurses (etwa Slánský-Prozesse in den 50er Jahren in der Tschechoslowakei), werden wir uns mit Fragen der forensischen Linguistik auseinandersetzen.

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Neben der direkten Machtausübung durch Sprache (in der Sprache der Politik, der Medien, der Werbung) werden wir uns mit einschlägigen Bereichen der alltäglichen (Alltagsdiskurs, Partygespräche) und institutionellen Kommunikation (Arzt-Patient-Gespräche, Behörden- und Amtssprache, Polizeiver-höre, Auskunftsgespräche) beschäftigen, in der Be-einflussung durch Sprache auf äußerst subtile und in-direkte Weise, quasi unbemerkt von den Kommuni-kationsteilnehmern, vor sich geht.

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Wir stützen uns u. a. auf Theorien und Methoden, die in der Frankfurter und Potsdamer Schule der Diskursanalyse und Sprechhandlungsmusteranalyse entwickelt worden sind (vgl. Freidhof 1995, 1996; Kosta 1995, 1996, 1998; Kuße 1998, 2004; Mann 2000), beziehen dabei aber vor allem auch die Arbeiten der sog. Kritischen Diskursanalyse ein (Wodak ed. 1989, Wodak/Meyer eds. 2003, Wodak/Chilton eds. 2005).

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Die Lehrveranstaltung richtet sich an alle Studiengänge. Gäste aus den Nachbardisziplinen, die die geplanten Masterstudiengänge Fremdsprachen- und Kommunikationslinguistik besuchen, sind willkommen. Leistungsnachweis: regelmäßige Teilnahme, Kurzreferat oder Klausur Leistungsbewertung: 2 LP + 2 LP prüfungsrelevante Leistungen

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Gliederung und Ablauf der Lehrveranstaltung Womit beschäftigt sich die forensische Linguistik? Theoretische Grundlagen Grundlage der Kritischen Diskursanalyse Grundlagen der Sprechhandlungsmusteranalyse (SHMA) Synthese: Forensische Linguistik, Kritische Diskursanalyse und SHMA

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5. Textsorte Schauprozess/Polizeiverhör 6. Zur Sprache der Politik 7. Analyse der Sprache der Medien und der Werbung 8. Analyse von Arzt-Patient-Gespräch 9. Amtssprache, Behördensprache 10. Beeinflussung in der Alltagssprache

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Womit beschäftigt sich die forensische Linguistik? Theoretische Grundlagen Definitionen:

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Forensik aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie Der Begriff der Forensik stammt vom lat. forum = der Marktplatz, das Forum, da vormals Gerichtsverfahren, Untersuchungen, Urteilsverkündungen sowie der Strafvollzug öffentlich und meist auf dem Marktplatz durchgeführt wurden. Daher bezeichnet das Attribut forensisch alles, was gerichtlichen oder kriminologischen Charakter hat. Der Begriff beschränkt sich damit nicht nur auf die Bereiche des Strafrechtes (z.B. die Rechtsmedizin und die forensische Psychiatrie), sondern umfasst jede berufliche Tätigkeit innerhalb eines jeden Gerichtsverfahrens.

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Die forensische Linguistik (eher forensische Phonetik) untersucht Sprache auf einen kriminologischen Aspekt hin, z.B. bei der Feststellung des Urhebers eines Erpres-serbriefes.

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Schauprozess Als Schauprozesse werden im Allgemeinen öffentliche Gerichtsverfahren bezeichnet, bei den die Verurteilung des Beklagten bereits im Vorhinein feststeht. Das verbleibende Ziel ist, die Gründe der Bestrafung in die Öffentlichkeit zu bringen. Typisch werden Schauprozesse als Mittel zur Verfolgung politischer Gegner oder anderer unerwünschter Personen eingesetzt.

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Schauprozesse werden besonders häufig in diktatorischen Systemen verwendet, um missliebige Personen auszuschalten. Sie finden dann oft unter Missachtung aller rechtsstaatlicher Prinzipien statt und dienen zur Eliminierung, Entwürdigung und Zurschaustellung der Beklagten in der Öffentlichkeit. Daher werden sie oft als große Medienspektakel inszeniert und dienen der Abschreckung und Disziplinierung Andersdenkender.

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Im Wesen dieser Prozesse liegt die Aufbauschung vermeintlicher oder unwesentlicher Vergehen zu staats- oder gesellschaftszersetzenden Verbrechen. So wird z. B. Kritik an der gegenwärtigen Regierung zu Hochverrat, Spionage oder ähnlichem hochstilisiert. Die andere Variante ist die Erfindung von irgendwelchen Delikten, die die Angeklagten begangen haben sollen.

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Die Angeklagten haben praktisch keine Möglichkeit der Verteidigung und die Geständnisse werden meist im Prozessvorfeld erpresst oder unter Folter gemacht. Die Urteile stehen in den meisten Fällen schon vorher fest. Die Anklage wird in polemischer Form vorgetragen und das Urteil ist unverhältnismäßig hart.

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Die bekanntesten historischen Schauprozesse sind: Die Verfahren gegen die politischen Gegner Stalins während der Stalinschen Säuberungen in der Sowjetunion in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, wobei fast alle vorherigen Kampfgenossen, insbesondere die Verbündeten Lenins, große Teile der Parteiprominenz sowie Millionen Menschen entweder hingerichtet oder in den Straflagern des Gulag zugrundegerichtet wurden.

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Nach dem Vorbild der Moskauer Schauprozesse ließ Stalin später ähnliche Prozesse in den Satellitenstaaten inszenieren. Diese Prozesse dienten als Kampf- und Propagandainstrument in der Auseinandersetzung mit Tito. Die Angeklagten wurden meist des Hochverrats und der Spionage im Dienste Jugoslawiens beschuldigt. Auch diese Prozesse endeten teilweise mit Todesurteilen oder langjährigen Zuchthausstrafen. Diese Prozesse fanden gerade in der Hochzeit des Kalten Krieges Ende der 1940er und in den 1950er Jahren: Ungarn (József Mindszenty, Laszlo Rajk), CSSR (Rudolf Slansky), Bulgarien (Kostoff). Ähnlich drakonische Strafen wurden in Geheimprozessen wie den Waldheimer Prozessen in der DDR verhängt.

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Die Verfahren gegen die Hitler-Attentäter und Verschwörer des 20. Juli Es fand beim Volksgerichtshof unter dessen Präsidenten Roland Freisler statt. Die Prozesse wurden für Hitler und die Wochenschau heimlich gefilmt, kamen jedoch nicht in die Kinos, weil der unter wütendem Geschrei Freislers geführte Prozess der NS-Propaganda als nicht öffentlichkeitswirksam empfunden wurde.

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Auch Kriegsverbrecherprozesse werden regelmäßig als Siegerjustiz kritisiert. Im Gefolge der demonstrativen juristischen Aufarbeitung wird besonders von Anhängern des besiegten Regimes jede Unregelmäßigkeit im Verfahren als Indiz einer Farce im Sinne eines Schauprozesses gewürdigt. Dies trifft selbst geschichtlich respektierte Vorgänge wie den Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher. Die Stalinschen Schauprozesse wurden literarisch von Arthur Koestler in seinem Roman "Sonnenfinsternis" verarbeitet.

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Stalinsche Säuberungen aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie Stalinsche Säuberungen (Чистки,Tschistki) ist ein Euphemismus für politische Verfolgungen unter Josef W. Stalin in der Sowjetunion. Diese Säuberungen hatten ihren Höhepunkt in der sogenannten Großen Säuberung von 1936 bis Damit ist der systematische Terror gegen angeblich gegen Stalin konspirierende Unschuldige gemeint, der oft als gerichtliche Verfolgung getarnt und durch unter Folter erpresste Geständnisse begründet (Schauprozess), Hunderttausenden den Tod brachte.

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Inhaltsverzeichnis [Verbergen] 1 Hintergrund 2 Opfer 3 Straflager 4 Einige der prominenten Opfer 5 Anzahl der Opfer 6 Stalins Propaganda 7 Literatur 8 Verwandte Themen

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Hintergrund Hintergrund waren verschiedene, einander ablösende Verschwörungstheorien, unter anderem gegen Trotzkisten, Titoisten und die der Ärzteverschwörung bezichtigten jüdischen Mediziner. Ebenso wie ein großer Teil der Gründer der III. Internationale wurden nahezu alle bedeutenden Theoretiker der KPdSU(B) während der Revolutionsjahre Opfer dieser Säuberungen. Chefankläger von 1936 bis 1938 war der Generalstaatsanwalt der Sowjetunion Andrej Januarjewitsch Wyschinski.

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Außerdem wurde ein Großteil der militärischen Führungsspitze um Marschall Michail Nikolajewitsch Tuchatschewski - unter Mithilfe der Gestapo - einer Verschwörung bezichtigt und ausgelöscht. Auch viele Kommunisten anderer Herkunft, die in die Sowjetunion emigriert waren, fielen den Verfolgungen zum Opfer. Im Jahre 1940 wurde der Hauptverantwortliche für die Durchführung der Säuberungen Nikolai Iwanowitsch Jeschow ( ) (nach ihm auch Jeschowtschina genannt), der von 1936 bis 1938 Chef des NKWD (Volkskommissariat für innere Angelegenheiten) und Mitglied des Zentralkomitees der KPDSU(B) gewesen war, ebenso wie bereits sein Vorgänger Genrich Grigorewitsch Jagoda ( ), selbst zum Opfer des stalinistischen Terrors.

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Opfer Stalin ließ nicht nur seine vermeintlichen politischen Gegner, darunter zahlreiche ausländische Kommunisten, die in der Sowjetunion lebten oder vor Verfolgung dorthin emigriert waren, in Schauprozessen aburteilen, sondern es wurden ganze Völker der Sowjetunion, ethnische Minderheiten, in Lager (Gulag) deportiert. "Kulaken" (Großbauern) und willkürlich als solche Deklarierte, Priester und Mönche sowie kirchliche Laien fielen den Säuberungen zum Opfer. Selbst die Angehörigen der Verhafteten blieben nicht verschont. So wurden regelmäßig selbst unpolitische Menschen verhaftet, um das dafür vorgegebene Plansoll zu erfüllen und damit Gefängnisse sowie Straflager zu füllen.

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Straflager Die Opfer von Stalins Willkür wurden in Arbeitslager (Gulag) gebracht, wo sie unter unmenschlichen Bedingungen Waldarbeiten, Straßenbau, Kanalbau, Eisenbahnbau, Städtebau, Arbeit in Bergwerken, sowie Erdarbeiten verrichten mussten. Beispielsweise wurde der Weißmeer-Ostsee-Kanal, Teile der Transsibirischen Eisenbahn sowie Teile der Baikal-Amur-Magistrale von Häftlingen gebaut. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen waren äußerst schlecht. Teilweise erhielten die Häftlinge lediglich 300 Gramm und zudem feuchtes Schwarzbrot und einen Teller Brennnesselsuppe am Tag, verfügten auch im Winter nur über leichte Sommerbekleidung und lebten in hölzernen Baracken. Das Plansoll entschied über die Länge des Arbeitstages, der oft mehr als 12 Stunden betrug. Viele Menschen wurden nach Folterungen exekutiert: Während der Großen Säuberung wurden im Mittel tausend Menschen am Tag ermordet.

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Einige der prominenten Opfer Den Säuberungen fielen 40 Mitglieder oder ehemalige Mitglieder des Zentralkomitees der KPdSU(B) 9 frühere Mitglieder des Politbüros der KPdSU(B) 3 von 5 Marschällen der Sowjetunion 13 von 15 Armeekommandeuren alle 16 Politkommissare der Armeen 25 von 28 Korpskommissaren alle elf Stellvertreter des Volkskommissars für Verteidigung 98 von 108 Mitgliedern des Obersten Militärrats zum Opfer.

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2. Doppelstunde: Grundlagen der Kritischen Diskursanalyse „Wir wollen übrigens das Wort nicht verachten. Es ist doch ein mächtiges Instrument, es ist das Mittel, durch das wir einander unsere Gefühle kundtun, der Weg, auf den anderen Einfluss zu nehmen. Worte können unsagbar wohl tun und fürchterliche Verletzungen zufügen. Gewiss, zu allem Anfang war die Tat, das Wort kam später, es war unter manchen Verhältnissen ein kultureller Fortschritt, wenn sich die Tat zum Wort ermäßigte. Aber das Wort war ursprünglich ein Zauber, ein magischer Akt, und es hat noch viel von seiner alten Kraft bewahrt“ (Freud, 1976, XIV, S. 214).

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In diesem Zitat unterstreicht Freud die Macht des Wortes, der Sprache, gleichzeitig dessen Bedeutung für den „Fortschritt“ der Menschheit und der Kultur: Von zunächst wortlosen, stummen Handlungen habe sich der Mensch weiterentwickelt, sei über Sprache und Kommunikation in der Lage, Taten zu planen und nachher zu reflektieren. Worte können zwar Schmerzen zufügen, aber nicht sogleich töten… Freud relativierte jedoch seine Aussage: Nur unter manchen Verhältnissen kann dieser Fortschritt als positiv angesehen werden. Es kommt natürlich darauf an, wer zu wem, wann, wo, mit welchen Motiven, welchen Mitteln und mit welcher Macht ausgestattet spricht.

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Kritische Diskursanalyse, inspiriert von den Schriften Michel Foucaults und orientiert an kultur- und literaturwissenschaftlichen Analyse- und Interpretationsverfahren, erfreut sich zunehmender Beliebtheit in allen Disziplinen, die mit Texten zu tun haben. Sowohl Pädagogen wie Psychologen, Sozial-, Sprach- und Literaturwissenschaftler, Medien- und Kommunikationswissenschaftler haben inzwischen erfolgreich mit den Vorschlägen, die die Kritische Diskursanalyse enthält, Diskurse analysiert und interpretiert. Das kritische Potential, das dieses Verfahren enthält, macht dieses besonders geeignet, gesellschaftlich brisante Themen zu analysieren, ihre Formen und Inhalte zu problematisieren und zu kritisieren, ungerechtfertigte Wahrheitsansprüche offen zu legen, Widersprüche aufzudecken und die suggestiven Mittel diskursiver Ansprache aufzuzeigen.

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Die Kritische Diskursanalyse (CDA) knüpft an Untersuchungen der frühen 70er Jahre des 20. Jh. an. Die CDA geht von den folgenden kritischen sozio- und textlinguistischen Fragen aus, die man bei Brecht (Darstellung von Sätzen in einer neuen Enzyklopädie, Werke 20:14) wie folgt vorfindet: 1. What is the use of the sentence? 2. To whom does it pretend to be useful? 3. What is its challenge? 4. What is its practical purpose? 5. Which sentence follows which sentence? What sentences support it? 6. In which situation is it spoken? By whom? (Bertold Brecht, Darstellung von Sätzen in einer neuen Enzyklopädie, Werke 20:14)

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Die CDA stellt sich ebenfalls die folgenden Fragen, wobei sie nicht wie Brecht von Sätzen, sondern von Sprechhandlungen bzw. Diskurs/Texten ausgeht: Wie sieht die Sprecherabsicht (Intention) einer Sprechhandlung aus? Was passiert danach? Welche anderen Handlungsziele konstituieren die sog. illokutionäre Kraft der Äußerung/des Sprechakts? Wie sehen die sozialen und politischen Praktiken solcher Äußerungen aus? Daneben sind folgende Fragen der Rederechtvergabe und Rederechtsteuerung von immanenter Bedeutung: „Who takes the floor? Who controls? Who chooses? Who defines what is good or bad (language) behaviour?

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CDA ist im Gegensatz zu anderen Forschungsrichtungen der pragmatisch orientierten Linguistik (z. B. Konversationsanalyse der US-Ethnolinguistik: Sacks/Schegloff; oder die klassische SA-Theorie) nicht rein deskriptiv und keinesfalls neutral angelegt. Die Leitidee der CDA (cf. Habermas 1971) besteht darin, Ungerechtigkeit und Ungleichheit offensiv und „parteiisch“ aufzudecken, zu entblößen, zu enttarnen, eindeutige Stellung zu beziehen, sich für die Machtlosen und Unterdrückten einzusetzen. Damit soll nicht unterstellt werden, dass diese Forschungsrichtung „einseitig“ oder gar unwissenschaftlich sei. Die CDA geht nach dem Leitmotiv vor: „diagnosis first and therapy to follow.“ (cf. Wodak et al. 1985, 1986ab; Wodak/Quasthoff eds. 1985; Wodak ed. 1989, xiv).

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Summary Critical Linguistics (CDA) The most important characteristics of critical research are: A. Research interests: Uncovering inequality and injustice. B. Object under investigation: Language behaviour in natural speech situations of social relevance (institutions, media, minority problems, racism etc.) is to be investigated. All situations which are threatening or involve power play between individuals are of interest. C. Interdisciplinary research: Social phenomena are too complex to be dealt with adequately in only one field. D. Empirical research: Data from natural speech situations are to be analyzed. Nevertheless, theory and methodology, values and aims are to be discussed explicitly.

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Summary Critical Linguistics (CDA) E. Inclusion of the historical perspective: Social processes are dynamic, not static. This has to be reflected in the theory and in the methodology. F. “Leitmotif” of critical research: “Diagnosis” first, interpretation and “therapy” to follow! G. Researchers are forced to take sides: Especially in empirical research, the “subjects under investigation” cannot be treated as objects any longer. Research includes the “researched” and, eventually, ought to help them (if possible). H. Social and political practice is aimed at: Results of research not only imply success in the academic field, but they should also include proposals for practical implementation.

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Summary Critical Linguistics (CDA) I. Necessity for new notions and extensions of traditional concepts of “language behaviour” and “meaning”: Social phenomena are very complex, irrational and rational. Many different and ambivalent, conscious and subconscious motives are relevant. Thus multiple methods, manifest and latent meanings, cognitive and affective aspects are important. Finally, the historical and social context should not be neglected. Quellen: Wodak, Ruth. (ed.) Language, power, and ideology: studies in political discourse. Amsterdam, Philadelphia: Benjamins. (Critical Theory, 7). [ES 155 LAN].

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Jäger, Siegfried Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung. ISBN:  Ausstattung: br., 404 Seiten Preis: 24.00 Euro. Inhalt: Soziolinguistik und Qualitative Sozialforschung · Die Tätigkeitstheorie A.N. Leontjew · Vom Text zum Diskurs – diskurstheoretische Ansätze im Überblick – Die Diskurstheorie Michel Foucaults – Kollektivsymbolik – Die Macht der Diskurse – Zum Verhältnis von Diskurs und „Wirklichkeit“ – Diskurs, Wissen, Macht, Subjekt – Wirkung von Diskursen auf individuelles und kollektives Bewusstsein - Analyseverfahren · Kritische Diskursanalyse Ethisch begründete Kritik – Kritik gegen Herrschaft – Relativität von Kritik · Musteranalysen

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3. Grundlagen der Sprechhandlungsmusteranalyse (SHMA) 3.1 Ausgangsthesen der klassischen Sprechakttheorie Der englische Philosoph John Langshaw Austin ( ) hat in seinen berühmten Harvard-Vorlesungen von 1955, die erst nach seinem Tode im Jahre 1962 (siehe Literaturliste, Position 1.) veröffentlicht wurden, die Frage gestellt, wie wir etwas mit Worten tun.

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Diese Frage hat seitdem viele Philosophen und Sprachwissenschaftler zu einem Umdenken ihrer bisherigen Vorstellungen über Sprache geführt; fast wie selbstverständlich reden wir heute von Sprachhandlungen und Sprechakten. Dennoch ist der theoretische und praktische Kontext, in dem wir diese Begriffe sinnvoll gebrauchen können, noch relativ unklar und ungeklärt.

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Welche Arten von Sprachhandlungen lassen sich unterscheiden? Was ist die Funktion von Sprachhandlungen für die Weiterführung von Kommunikation, für die Entwicklung sozialer Beziehungen, für die gesellschaftliche Praxis im allgemeinen? Welche Wörter, Ausdrücke und Konstruktionen müssen wir gebrauchen, um bestimmte Sprachhandlungen auszuführen und den mit diesen Sprachhandlungen intendierten Effekt beim Hörer zu erzielen?

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Diese und ähnliche Fragen sollen im Mittelpunkt der heutigen Vorlesung stehen. Seit einigen Jahren befasse ich mich mit den von Austin zu Bewusstsein gebrachten Problemen. Einen wesentlichen Einfluss hatten auf meine Arbeit zum einen die philosophischen Schriften von Paul Grice (siehe Position 4. der Literaturliste) und John Searle (siehe Position 2. und 3.); sie haben auf einige Probleme bei Austin hingewiesen, andere jedoch hinzugefügt, andere wiederum vernachlässigt.

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Diese philosophischen Arbeiten versuchen, teils logische, teils sprachpsychologische Klärungen vorzubereiten, sie stehen aber leider in keiner direkten Beziehung zu empirischen Untersuchungen und haben auch keine Methodik dafür entwickelt. Um den Abfolgezusammenhang von Sprachhandlungen in der menschlichen Interaktion und den Bezug auf soziale Bedürfnisse, wie er uns vorschwebt, hat sich keiner der genannten Philosophen gekümmert.

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Diese Sichtweise rückt gerade heute wieder stärker ins Blickfeld, nicht zuletzt unter dem Einfluss der Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas. Einen dritten wichtigen Einfluss hatten auf meine Arbeit die interaktionssoziologischen Untersuchungen, besonders von Harvey Sacks, Emanuel Schegloff und John Gumperz. Sie haben vor allem die interaktionale Ausarbeitung von sozialen Situationen hervorgehoben und eine sehr diffizile Methodik empirischer Untersuchungen entwickelt, besonders im Hinblick auf die formalen Aspekte der Interaktion.

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Der zweite Teil der Lehrveranstaltung ist - wie schon der Titel verrät - der sprachwissenschaftlichen Analyse von Gesprächen gewidmet. Seit mehr als 20 Jahren lässt sich in der Linguistik eine deutliche Abkehr von Sprache als System und eine gleichzeitige Hinwendung zur Sprache in ihrem natürlichsten Vorkommen: im Dia- bzw. Polylog beobachten. Die Beschäftigung mit Sprache in Verwendung hat mehrere konkurrierende Richtungen hervorgerufen, so u. a.:

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- die Konversationsanalyse - die Diskursanalyse - die Dialoganalyse - die Gesprächsanalyse

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Diese Variation der Begriffe und Termini darf nicht täuschen: Was sich nämlich unter wechselndem Namen versteckt, reflektiert in Wirklichkeit eine Rezeption der amerikanischen "conversational analysis" dar oder ist doch im wesentlichen durch diese ins Leben gerufen worden.

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Am Ende dieser Lehrveranstaltung soll der Versuch unternommen werden, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Sprechakttheorie und der Gesprächsanalyse herauszuarbeiten Literaturverweise siehe:

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Die Distinktion konstativ vs. performativ Ich möchte zunächst einige wichtige Begrifflichkeiten einführen, die für das allgemeine Verständnis der späteren Ausführungen zur "Bewertung als Sprachhandlung" eine unbedingte Voraussetzung bilden.

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1. Die erste wichtige Dichotomie in der SA-Theorie Austins ist das Paar performativ vs. konstativ. Zunächst möchte ich kurz auf den sprachphilosophischen "background" zu sprechen kommen, der den Ausgangspunkt dieser Unterscheidung bildet: Seit GOTTLOB FREGELS (1892) Unterscheidung von Sinn und Bedeutung einer Aussage wird die Bedeutung einer Satzaussage durch den Wahrheitswert bestimmt:

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Der Satz: "Die Katze ist kleiner als die Maus." stimmt entweder mit der Wirklichkeit überein, und ergo der Satz ist wahr oder nicht und ergo der Satz ist falsch: Ich zitiere: "So werden wir dahin gedrängt, den Wahrheitswert eines Satzes als seine Bedeutung anzuerkennen. Ich verstehe unter dem Wahrheitswert eines Satzes den Umstand, dass er war oder falsch ist. Weitere Wahrheitswerte gibt es nicht." (Zitiert nach der Ausgabe von G. PATZIG (ed.), Funktion, Begriff, Bedeutung. Göttingen 1969, S. 48.)

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Problematisch an dieser Bestimmung ist die Tatsache, dass von dieser Definition nur die assertorischen Sätze erfasst werden. Diese logisch-positivistische Satzbedeutungstheorie betrifft ausschließlich Sätze mit dem Modus der "Assertion", d. h. Aussagen, Behauptungen, Beschreibungen etc. oder eben Propositionen, die ohne Modus sind. Insofern werden auch Fragen bzw. Befehle aus dem Begriff ausgeklammert.

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Interessierte sich der Logische Positivismus (z. B. Wiener Kreis um Wittgenstein) nur für Sätze, die die Aussagen (Assertionen) beinhalten, so interessierten J. L. AUSTIN gerade die nicht-assertorischen Sätze. Er "persiflierte" den logisch-positivistischen "statemental-approach" - auch bekannt in der deutschen SA-Forschung unter dem Begriff "deskriptiver Fehlschluss" mit folgenden Worten:

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"Natürlich waren es die Philosophen gewohnt so zu reden, als ginge ich oder irgend jemand anderer herum und sagte alles über alles aus, und das wäre vollkommen in Ordnung, und es gäbe nur die kleine Frage: ist das wahr oder falsch." (Zitiert nach BRAUROTH/SEYFERT et al. (ed.), Performative Utterences, in: Phil. Papers 236, 1978, S. 138.)

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Selbstverständlich war es schon immer bekannt, dass es neben Assertionen (w/f) auch nicht-assertorische Sätze in natürlichen Sprachen gibt. Aufgabe 1:

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Novum an der Austinschen Feststellung ist, dass auch ein großer Teil der Sätze im Präsens Indikativ keine Assertionen (Aussagen) in dem Sinne darstellen, dass sie etwas beschreiben, berichten oder behaupten. Vielmehr stellt ihre Lokution (Äußerung) ein HANDELN dar, und Handlungen kann man nicht als wahr (w) oder falsch (f) klassifizieren.

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Sätze dieser Klasse sind z. B.: (1) Ich taufe dieses Schiff auf den Namen "Queen Elizabeth". (2) Ich vermache meine Uhr meinem Bruder. (3) Ich wette einen Fünfziger, dass es morgen nicht regnet.

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Mit den Äußerungen der Sätze (1) bis (3) beschreibt man nicht etwa, was man tut (nämlich "taufen", "eine Uhr vermachen", "wetten"), man macht auch keinen "Bericht" über Schiffstaufen, Geschenke oder Wetten; es handelt sich bei (1) bis (3)auch um keine "Feststellung" (man kann z. B. nicht mit "Das ist nicht wahr" darauf reagieren). Die Äußerung der Sätze (1) bis (3) stellt die Handlung selbst dar, denn mit ihrer Äußerung führt man gewissermaßen die Handlung aus!

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In dieser Hinsicht sind diese Äußerungen verschieden von den Äußerungen (4) bis (6): (4) Ich fahre mit der "Queen Elizabeth". (5) Ich blicke auf meine Uhr. (6) Ich habe einen Fünfziger bei mir.

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Aufgabe 2:

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Sätze des Typs (1) bis (3) wollen wir fortan als performative Sätze bzw. Äußerungen bezeichnen, da man mit ihnen zugleich eine Handlung (performance) ausführt. Sätze des Typs (4) bis (6) werden zunächst als konstative Sätze bzw. konstative Äußerungen bezeichnet (im Anschluss an Austin).

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Die beiden Typen von Äußerungen lassen sich durch folgendes Merkmalbündel (vorläufig) charakterisieren: 7) Wahrheitswert Vollzug der Handlung performative Äußerungen   konstative Äußerungen  

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Um präzise zu sein, sollten wir den Begriff "Satz" vermeiden, denn Sätze selbst können nicht wahr oder falsch sein, insbesondere wenn sie anaphorische oder deiktische Formen nicht enthalten. Der Satz (5) Ich blicke auf meine Uhr. ist nicht verifizierbar, da aus der Form des Satzes nicht hervorgeht, auf welchen empirischen Tatbestand er sich bezieht, z. B.: wer ist der "Ich" dieses Satzes, wann (zu welchem Zeitpunkt) gilt die Aussage (5).

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Man sollte daher bei den konstativen "Sätzen" des Typs (4) bis (6) lieber von "Äußerungen" sprechen, wie dies auch Austin getan hat, bzw. von Sprechakten, obwohl es natürlich auch Sätze gibt, deren Wahrheitswert unabhängig von der Äußerungssituation (Deixis) ist, z. B. generische, universelle, definitorische, deontische oder logische Sätze des Typs (8) bis (14).

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(8) Die Zahl "3" ist eine Primzahl. (w) (9) Der Mond besteht aus grünem Käse. (f) (10) poln.: W Anglii jeździ się lewą stroną ulicy. "In England fährt man links." (w) (11) russ.: Jaguary v Južnoj Amerike vymirajut. "Der Jaguar (gen. prox.) stirbt in Südamerika aus." (w) (12) russ.: Cypljat po oseni sčitajut. "Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben." (13) čech.: Na začátku věty se píše velké písmeno. "Am Satzanfang schreibt man (gen. univ.) groß." (w) (14) čech.: Zákony musí být dodržovány (všemi). "Gesetze müssen (von allen/generell) befolgt werden." (w)

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Der Satz "Der Mond besteht aus grünem Käse" ist nur insofern ohne Kontext als wahr oder falsch zu beurteilen, insofern man weiß, worauf sich das Nomen "Mond" bezieht, d. h. auf welches Objekt der außersprachlichen Wirklichkeit es sich konkret bezieht/worauf es "referiert". Ich will dies anhand der folgenden Skizze zeigen: Mond1 = „Begleiter der Erde”, d. h. Satz (9a) ist falsch Mond2 = „Attrappe (Nachbildung)”, vielleicht als Werbegag der Lebensmittelbranche , d. h. Satz (9b) ist wahr.

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Daraus folgt: die pragmatisch ausgerichtete Satzanalyse untersucht die Satzsemantik gerade im HANDLUNGSKONTEXT! Ihre kleinste Einheit ist die Äußerung, nicht aber der isolierte Satz oder das isolierte Wort.

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Zwischenfazit: Für uns ist die Erkenntnis wichtig, dass eine semantische Theorie, die pragmatische Faktoren wie Weltwissen der Kommunikationspartner einbezieht, den Bereich der Erkenntnistheorie, der so genannten "ordinary language philosophy" berührt und in die von Hintikka begründete Richtung der "Semantik der möglichen Welten" mündet. Austin nennt Äußerungen wie "Ich taufe dieses Schiff auf den Namen "Queen Elizabeth"." performative Äußerungen (aus engl. perform = handeln, vollziehen). Performative Äußerungen sind solche, mittels denen man Handlungen vollzieht oder vollbringt. Die Unterscheidung zwischen performativ - konstativ bestimmt Austin als "die Unterscheidung zwischen Tun und Sagen" (Austin, Theorie: 63).

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Handlungen, die mit Hilfe von performativen Äußerungen vollzogen werden können, kann man auch nonverbal vollbringen. Statt zu sagen: "Hiermit schenke ich Dir eine Mark", kann man die Handlung so ausführen (z. B. die Mark in die Hand des Dialogpartners drücken).

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Performative Äußerungen erfordern immer auch die Reaktion des Hörers. Wenn man z. B. jemandem eine Mark schenkt, zieht dieser Akt der Schenkung nicht nur Besitzerwechsel nach sich, sondern setzt voraus, dass der Beschenkte die Mark annimmt! Tut er das - aus welchen Gründen auch immer - nicht, dann ist zwar meine Äußerung "Ich schenke Dir eine Mark" nicht "Falsch" (also keine konstative Äußerung), aber da die Handlung nicht zustande gekommen ist, sie "verunglückt" ("unhappy", wie Austin das nennt).

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Performative Sprechakte können, wie alle anderen Handlungen auch, glücken oder misslingen. Dem "Wahrheitskriterium" der konstativen Äußerungen entspricht das "Erfolgskriterium" der performativen Äußerungen. Zu fragen wäre hier, wie die Struktur des Gelingens oder Misslingens eines SAs von Austin im einzelnen klassifiziert werden. Die Lehre von den „Unglücksfällen" (infelicities) bestimmt diese Determinanten, die den Handlungscharakter der Äußerungen verbürgen.

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Ich will diese Unglücksfälle hier zunächst noch ausklammern. Wichtiger erscheint mir die Unterscheidung zwischen expliziten performativen Äußerungen des Typs: (1) // "Hiermit spreche ich Dir ein Lob aus." und den primären performativen Äußerungen wie: (2) // "Das hast Du schön gemacht." Beide Sätze bzw. Äußerungen stellen den Sprechakt (performative Äußerung) des "Lobes" dar.

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Aber im ersten Satz steht die so genannte performative Formel obligatorisch als Form 1. Ps. Sg./Pl. Präsens Indikativ Aktiv von einem Handlungsverb wie LOBEN, TADELN, TAUFEN, WETTEN etc. und durch das Modalwort "hiermit", "hierdurch" modifiziert werden. Die performative Formel verdeutlicht den Handlungscharakter durch das Benennen der Handlung direkte Handlungsreferenz. Steht das performative Verb dagegen nicht im Präsens und/oder nicht in der 1. Ps., dann bedeutet seine Verwendung nicht gleichzeitig den Handlungsvollzug selber, sondern einen bloßen Bericht über eine Handlung, z. B.: (1) a. "Damals habe ich ihn gelobt." (1) b. "An Pfingsten wurde Anja getauft." Diese Äußerungen (1a-b) sind verifizierbar oder falsifizierbar, also wahrheitsfähig/bzw. wahrheitswertfähig, und somit als konstative Äußerungen zu bezeichnen!

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Die so genannten Handlungsäußerungen enthalten keine performative Formel. Sie gelten daher als primär, weil Austin der Überzeugung ist, dass die expliziten die implizit-primären voraussetzen! Hausaufgabe: Lesen Sie im Internet unter der folgenden Adresse die Begriffserklärung zu den Termini Lokution, Illokution und Perlokution:

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Die grundlegenden Aussagen der klassischen SA-Theorie (unter Vernachlässigung der Unterschiede zwischen Austin (1961, dt. 1989) und Searle (1969, dt. 1992)) lassen sich in folgenden Thesen zusammenfassen: 1. Sprachtheorie ist Teil einer allgemeinen Handlungstheorie 2. Das Sprechen einer Sprache ist Regel geleitetes intentionales Verhalten 3. Die Grundeinheit der sprachlichen Kommunikation ist der illokutive Sprechakt 4. Für den Vollzug von Sprechhandlungen lassen sich notwendige und hinreichende Bedingungen aufstellen

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5. Sprechhandlungen setzen sich aus mehreren simultan vollzogenen, nicht voneinander isolierbaren Teilakten zusammen: aus Äußerungsakten, die die Artikulation von Morphemen, Wörtern und Sätzen beinhalten; aus propositionalen Akten, die einen Sachverhalt einführen und durch die Sprechakte der Referenz und Prädikation konstituiert werden; aus illokutionären Akten, die die kommunikative Funktion der Sprechhandlung bezeichnen; m. a. W.: Indem man etwas sagt, realisiert man eine BEHAUPTUNG, AUFFORDERUNG, WARNUNG usw.

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6. Der illokutionäre Akt kann eventuell einen perlokutionären Effekt, d. h. eine nicht konventionelle Wirkung des illokutionären Akts, beim Rezipienten hervorrufen. 7. Sprachliche Äußerungen erfüllen bestimmte kommunikative Funktionen, sog. illokutionäre Rollen, die sich durch den Gebrauch entsprechender sprachlicher Mittel, der Indikatoren der illokutionären Rolle, bestimmen lassen (illokutive Indikatoren für eine AUFFORDERUNG sind im Dt. etwa bitte und gefälligst. In Imperativsätzen kooperieren die beiden Lexeme mit dem Satztyp und spezifizieren die AUFFORDERUNG im Fall von bitte als BITTE (vgl. Gib mir bitte das Buch!) und im Fall von gefälligst als FORDERUNG (vgl. Mach gefälligst die Tür zu!). Im Russ. wird z. B. durch die Konstruktion ne + Imperativ des Verbs im perf. Aspekt eine WARNUNG indiziert (vgl. Ne opozdaj! Ne upadi! Ne poterjaj!), während dieselbe Konstruktion mit dem ipf. Aspekt das neutrale VERBOT indiziert, vgl. Ne opazdyvajte na uroki!

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Die illokutionäre Rolle oder der kommunikative Sinn einer Äußerung ergibt sich aus dem Interaktionszusammenhang. Zum Beispiel kann die Äußerung Morgen komme ich in Abhängigkeit von dem spezifischen Kommunikationskontext als BEHAUPTUNG, VERSPRECHEN, WARNUNG oder DROHUNG aufgefasst werden.

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Durch die explizit performative Formel (Verb in der 1. Pers. Sg./Plur., Aktiv, Präsens, Indikativ oder 2./3. Pers. Sg. Oder Plural, Passiv, Präsens, Indikativ) kann die illokutionäre Rolle einer Sprechhandlung verbal expliziert werden. Das obige Beispiel könnte also u. a. folgendermaßen paraphrasiert werden: 1. VERSPRECHEN: Ich verspreche dir (hiermit), dass ich morgen komme oder 2. WARNUNG: Ich warne dich (hiermit): Morgen komme ich

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Die explizit performative Formel kann auch so ausgedrückt werden: (1) Ich danke/Wir danken Euch, dass ihr Susi geholfen habt. (2) Ich verspreche dir/Wir versprechen dir hiermit, morgen zu kommen. (3) Die Patienten werden gebeten, ihre Chipkarte mitzubringen. (4) Sie werden ermahnt, Ihre Bücher in der Bibliothek abzugeben. (5) Es wird empfohlen, nicht zu rauchen.

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Wichtig: Nicht alle Sprechhandlungen können in die explizit performative Formel transformiert werden, z. B.: *Ich drohe dir (hiermit), dass ich morgen komme. Dasselbe gilt für persuasive Sprechhandlungen oder für Sprechhandlungen, die mit verdeckter Strategie arbeiten (in denen also die illokutionäre Rolle nicht direkt erschließbar ist), vgl.: *Ich überzeuge dich (hiermit), dass du es für mich machst. *Ich überrede dich (hiermit), es für mich zu machen.

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Vollzieht ein Sprecher einen illokutionären Akt, so kann er unter Umständen beim Rezipienten einen perlokutiven Effekt auslösen. Dieser Effekt tritt dann ein, wenn der Textproduzent mit seiner Äußerung praktische, emotionale oder primäre kognitive Wirkungen beim Rezipienten hervorgerufen hat: Der Adressat kann eine bestimmte Handlung ausführen bzw. unterlassen, verärgert oder auch von etwas überzeugt sein. Weitere Beispiele: ÜBERREDEN, ERSCHRECKEN, ÜBERRASCHEN, TRÖSTEN, AUFHEITERN, BELEIDIGEN, IRREFÜHREN oder BEUNRUHIGEN.

81 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Illokution und Perlokution bedingen sich in der Regel nicht konventionell. Den Akt der Lokution unterteilt AUSTIN (1989:110) in drei Teilakte: 1. den phonetischen Akt (besteht im Äußern gewisser Geräusche bzw. Laute (phone)); 2. den phatischen Akt (besteht im Äußern gewisser Wörter, d. h. Geräusche bestimmter Gestalt, die zu einem bestimmten Vokabular gehören und einer gewissen Grammatik folgen); 3. den rhetischen Akt (besteht darin, dass die Wörter dazu benutzt werden, um über etwas zu reden).

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Wir betrachten die folgende Abfolge (Austin 1989:119): (1) Akt (A), Lokution Er hat zu mir gesagt: „Das kannst du nicht tun!“ Akt (B), Illokution Er hat dagegen protestiert, dass ich das täte. Akt (C), Perlokution (C. a) Er hat mir Einhalt geboten. (C. b) Er hat mich davon abgehalten, mich zur Besinnung gebracht, mich gestört. (Wie man sieht, ist die Beziehung zwischen Akt A und B konventionalisiert, zwischen B und C dagegen nicht)

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Dass der Akt C der Perlokution mit der Form der Äußerung (A) über die Illokution (B) nicht konventionell verbunden ist, sieht man auch daran, dass der illokutive Akt (i. d. R.) durch die explizit performative Formel vollzogen werden kann, während dies beim perlokutiven Akt nicht der Fall ist, vgl.: (2) *Ich beleidige dich hiermit (3) * Ich muntere dich hiermit auf (4) * Ich erfrage hiermit

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Handlungsbedingungen für den Vollzug einer Sprechhandlung nach SEARLE Zentrale Frage: Welche Bedingungen sind notwendig und hinreichend, damit ein bestimmter illokutionärer Akt mittels der Äußerung eines gegebenen Satzes vollständig vollzogen wird und gelingen kann?

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Zu den allgemeinen Voraussetzungen jeder Art menschlicher Kommunikation zählen folgende Bedingungen: 1. Es liegen Idealbedingungen für sinnvolles Sprechen und Hören ohne subjektive bzw. objektive, außersprachliche Störfaktoren vor, d. h. die Sprecher (= Sp) Sp1 und Sp2 sind nicht durch - psychische oder physische Behinderungen bzw. objektive Störungen (z. B. Lärm) daran gehindert, an der Kommunikation zu partizipieren; - die Kommunikationsteilnehmer sind bereit, an der Kommunikation teilzunehmen und sich mit den Äußerungen der Gesprächspartner auseinanderzusetzen, d. h. die Kommunikation wird durch niemanden blockiert; - die Sprechhandlung wird ernsthaft vollzogen (Äußerungen in Spielen, als Beispielsätze im Sprach- und Linguistikunterricht oder in scherzhafter Rede werden als nicht ernsthaft ausgeschlossen).

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2. Sp1 und Sp2 verständigen sich mit Hilfe eines gemeinsamen Codes. 3. Das Kooperationsprinzip (siehe Grice 1980:113ff.) wird von allen Gesprächsteilnehmern befolgt.

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Zu den spezifischen Handlungsbedingungen für das Gelingen einer Sprechhandlung rechnet SEARLE (1992) folgende: 1. Wesentliche Bedingungen (essential conditions): sie beinhalten die kommunikative Intention und das Handlungsziel des Sprechers und stellen eine notwendige Bedingung für den Vollzug einer Sprechhandlung dar; 2. Einleitungsbedingungen (preparatory conditions): sie schildern die situativen Rahmenbedingungen und in wessen Interesse die Sprechhandlung stattfindet; weiterhin besagen sie, dass die Sprechhandlung einen Sinn haben muss (z. B. kann man nicht jemanden zu etwas auffordern, wenn er dies bereits tut).

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3. Aufrichtigkeitsbedingungen (sincerity conditions): sie zeigen, dass der Sprecher aufrichtig und ernsthaft beabsichtigt, seine Intention zu erreichen (z. B. muss ein Sprecher, der einen Adressaten zu etwas auffordert, auch wünschen, dass dieser der Aufforderung nachkommt; ein Sprecher, der etwas behauptet, muss glauben, dass das, was er sagt, wahr ist; ein Sprecher, der einen Rat erteilt, muss glauben, dass dieser dem Adressaten nützt).

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4. Bedingungen des propositionalen Gehalts (propositional content condition): hierbei wird die Proposition von den übrigen Teilakten der Sprechhandlung isoliert; diese Bedingungen legen die Art der Proposition fest, d. h. sie stellen fest, ob für einen Illokutionstyp jede Proposition möglich ist oder nur eine bestimmte und welche Merkmale diese kennzeichnen.

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Die drei Hauptkriterien, nach denen Searle die Sprechhandlungen klassifiziert sind: 1. Der illokutionäre Zweck (illocutionary point): darunter sind die kommunikativen und praktischen Absichten, die ein Sprecher mit seiner Äußerung verfolgt, zu verstehen; der illokutionäre Zweck entspricht den wesentlichen Bedingungen; 2. die psychische Einstellung (psychological state), die der Sprecher mit der Sprechhandlung zum Ausdruck bringt (z. B. Überzeugung, Wunsch, Bedauern, Verärgerung usw.); 3. die Anpassungsrichtung (direction of fit) zwischen den Worten und der Welt als Folge des illokutionären Zwecks.

91 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Auf der Grundlage dieser drei Hauptkriterien unterscheidet SEARLE (1976) fünf Grundkategorien illokutiver Akte: ASSERTIVA Sp1 sagt, was der Fall ist und legt sich auf die Wahrheit der Proposition fest (BEHAUPTEN, FESTSTELLEN…)

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DIREKTIVA Sp1 sagt, was Sp2 tun soll und versucht damit zu erreichen, dass Sp2 diese Handlung ausführt (BITTEN, BEFEHLEN, AUFFORDERN…) KOMMISSIVA Sp1 sagt, was Sp1 tun wird und legt sich darauf fest (VERSPRECHEN, GELOBEN…) EXPRESSIVA Sp1 sagt, was Sp1 oder Sp2 fühlen (DANKEN, KLAGEN, LACHEN…) DEKLARATIVA Sp1 sagt, was sozial oder institutionell gelten soll (ERÖFFNEN, TAUFEN, VERURTEILEN …)

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Fortsetzung: Grundlagen der Sprechhandlungsmusteranalyse (SHMA) Das Gricesche Kooperationsprinzip und die Theorie der Konversationsimplikaturen SEARLE wies darauf hin, dass die wörtlich indizierte Illokution von der tatsächlich vollzogenen Illokution abweichen kann. Betrachten Sie dazu das folgende Beispiel: Sp1: „Herr Ober, ich bekam ein Bier.“

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In diesem Satz weicht die Bedeutung des Satztyps von der tatsächlich vollzogenen (intendierten) Illokution insofern ab, als dass die Tempusform auf ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis verweist. Mit dieser Äußerung stellt allerdings Sp1 nicht etwa fest, dass er ein Bier (tatsächlich) erhalten hat, sondern er vollzieht eine Sprechhandlung der MAHNUNG bzw. des INSISTIERENS, in der darauf verwiesen wird, dass er in der Vergangenheit eine direktive Sprechhandlung des BITTENS (etwa: ich bekomme ein Bier) vollzogen hat, der aber der Kellner immer noch nicht nachgekommen ist.

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Wenn eine illokutionäre Handlung X durch den Vollzug einer anderen illokutionären Handlung Y indirekt vollzogen wird, so wird erstere auch i n d i r e k t e Sprechhandlung genannt. Ein weiteres Beispiel für eine indirekte Sprechhandlung: Können Sie mir sagen, wie spät es ist? Formal (d. H. satztypisch) handelt es sich um einen Fragesatz. Dass Fragesätze aber nicht automatisch mit der Sprechhandlung FRAGEN zusammenfallen, sieht man an diesem Beispiel. Tatsächlich entspricht die Illokution der Sprechhandlung AUFFORDERUNG. Dies sieht man auch

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daran, dass die Antwort nicht mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden kann, sondern dass danach die Auskunft erfolgen muss, vgl.: Sp1 : Können Sie mir sagen, wie spät es ist? Sp2: *Ja. /*Nein. Sp2: 9:15h. (Natürlich kann ich mit „nein“ antworten, indem ich freilich dann darauf hinweise, dass ich leider keine Uhr habe).

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Eine Erklärung, wie der Vollzug indirekter Sprechhandlungen in der Kommunikation möglich ist, stützt sich vor allem auf das von GRICE (1968, dt. 1980) formulierte K o o p e r a t i o n s p r i n z i p und das darauf beruhende Modell der konversationellen Implikatur. Ausgehend davon, dass Sprechen einen besonderen Fall oder eine Variante Zweck gerichteten, also rationalen Handelns und Verhaltens darstellt und genuin kooperativ ist, postuliert der Logiker GRICE das Grundprinzip der Kommunikation, das er Kooperationsprinzip nennt.

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K o o p e r a t i o n s p r i n z i p (GRICE 1968, dt. 1980): „Gestalte deinen Gesprächsbeitrag so, dass er dort, wo er im Gespräch erscheint, dem anerkannten Zweck dient, den du gerade mit deinen Kommunikationspartnern verfolgst.“ (GRICE 1980:113) Das Kooperationsprinzip wird durch die vier Konversationsmaximen der Quantität, Qualität, Relation und Modalität konkretisiert, die folgendes besagen:

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Konversationsmaximen der Quantität, Qualität, Relation und Modalität (nach GRICE): A) Maxime der Q u a n t i t ä t (bezieht sich auf die Menge der gelieferten Information): 1. Mache deinen Gesprächsbeitrag so informativ wie (für die augenblicklichen Gesprächszwecke) nötig. 2. Mache deinen Gesprächsbeitrag nicht informativer als nötig.

100 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
B) Maxime der Q u a l i t ä t: Obermaxime: Versuche deinen Gesprächsbeitrag so zu gestalten, dass er wahr ist. 1. Behaupte nichts, von dessen Wahrheit du nicht überzeugt bist. 2. Behaupte nichts, wofür du keine hinreichenden Beweise hast. [Anm. Kosta: Der „Schauprozess“ ist ein typisches Beispiel eines SHM dafür, wie Wahrheit (und damit die Maxime der Qualität) manipuliert bzw. außer Kraft gesetzt werden kann.]

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C) Maxime der R e l a t i o n: sei relevant. D) Maxime der M o d a l i t ä t: Obermaxime: Sei klar. 1. Vermeide Unklarheit im Ausdruck. 2. Vermeide Mehrdeutigkeit. 3. Vermeide Weitschweifigkeit. 4. Vermeide Ungeordnetheit. Hausaufgabe zum : Geben Sie Beispiele für die Verletzung der vier Konversationsmaximen in verschiedenen Sprechhandlungen des analysierten Textes (Kosta 1998: ) an:

102 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
5. Textsorte Schauprozess/Polizeiverhör 5.1 Die Typologie der Textsorte/des Sprechhandlungs-musters <Schauprozess> Makrostruktureller Rahmen = Anklage – Verteidigung Mikrostrukturelle Sequenzen von Sprechhandlungen = Behauptung – Widerspruch – Eingestehen (Geständnis) Diese Entsprechungen sind feststellbar trotz – oder gerade wegen – der Tatsache, dass es bei den Voruntersuchungen, dem Prozess selbst und dem Prozessbericht um Inszenierung, Fälschung, Konstruktion u. a. m. geht.

103 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Die im vorliegenden Teil behandelte Problematik stellt den metakommunikativen Gesichtspunkt im Dialog vor Gericht in den Mittelpunkt. Der hohe Anteil solcher Einheiten (d. h. Metakommunikation, Metadialog, Master Speech Act) ist zwar keine Besonderheit des Schauprozesses als Subtyp der Textsorte <Prozess, Verhör, Vernehmung>. Wohl scheint es aber für den Prozess im Jahre 1938 (ebenso wie für die von 1936 und 1937) besonders charakteristisch, dass die „thematische“ Führung und Leitung des Prozesses/der Prozesse durch den Staatsanwalt Andrej Vyšinskij und weniger durch den Vorsitzenden Richter wahrgenommen wird.

104 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Hieraus resultieren gewisse Besonderheiten des Schauprozesses gegenüber anderen Prozessen, u. a. Der vergleichsweise hohe Anteil an solchen metakommunikativen Einheiten, die man nach FOTION (1971, 1978) als „Master Speech Act“ bezeichnet. Im forensischen Dialog liegt, was die Möglichkeit zur Ergreifung des Wortes angeht (sog. Rederechtvergabe, Rederechtsteuerung oder Rederechtorganisation), eine A s y m m e t r i e vor. Die leitende bzw. die vernehmende Instanz hat das Recht der Redevergabe bzw. der S t e u e r u n g von Themen und Problemen im Verhör.

105 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Diese Asymmetrie wird im untersuchten Schauprozess besonders deutlich, weil der Staatsanwalt in teilweise sehr aggressiver Weise seine Formulierungen wählt und den Angeklagten in seinem Argumentationsspielraum einzuengen versucht. Metakommunikation nach Freidhof (1996:96): „Unter Metakommunikation will ich im folgenden zunächst eine solche Kommunikation verstehen, bei der ein Kommunikat, das auf einen bestimmten Sachverhalt referiert, durch ein zweites oder drittes Kommunikat ersetzt wird, das auf denselben Sachverhalt referiert, und durch einen sprachlichen Indikator angezeigt wird.“

106 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
„Metakommunikation liegt dann vor, wenn ich Y für X benutze oder diesen Wechsel beim Partner akzeptiere und gleichzeitig voraussetze, dass sich beides auf den Bezugsrahmen Z bezieht. „ (Freidhof, a.a.O.) Eine zweite spezifische Art von Metakommunikation liegt dann vor, wenn Sprechakt bezeichnende Ausdrücke in metakommunikativen Sprechakten Verwendung finden, wenn Sp2 z. B. eine Äußerung von Sp1 in der Replik als <Behauptung> oder <Widerspruch> einstuft.

107 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Die Metakommunikation bietet einen Rahmen, um das Gelingen von Sprechakten in der Interaktion kurzfristig zu garantieren, im günstigsten Fall bereits mit der Folgereplik. Metakommunikation kommt sowohl in Alltagsdialogen als auch im i n s t i t u t i o n e l l e n R a h m e n vor. Beispiele für institutionelle Kommunikation: Bildungsanstalten (Schulen, Gymnasien, Hochschulen, Universitäten), soziale Einrichtungen und Gesundheitswesen (therapeutische Kommunikation Arzt-Patient) u. a.

108 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
In der forensischen Kommunikation (wie Prozess, Verhör, Vernehmung) nimmt die M e t a k o m m u n i – k a t i o n insofern eine Sonderstellung ein, als eine genaue Klärung von Sachverhalten qua institutionellem Auftrag erfolgen muss, zum anderen aber auch Motivationen und Gründe für eine Tat (wegen des Strafmaßes) genau einzuschätzen sind. Die Metakommunikation im forensischen Dialog und im Schauprozess im besonderen demonstriert sehr eingängig, wie die spezifischen Gesprächsnormen und Regeln des Verhörs funktionieren.

109 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Die prototypische Makrostruktur in einer Gerichtshauptverhandlung besteht aus den folgenden Kernphasen: Eröffnung der Verhandlung, Vernehmung des Angeklagten zur Person, Verlesung der Anklage, Entlastung/Belastung durch Vernehmung der Zeugen, Urteilsverkündung und ggf. Urteilsbegründung, Abschluss der Verhandlung (vgl. Hoffmann 1983:26).

110 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Eckard Rolf (1994:330) weist darauf hin, dass die „meisten Phasen monologisch realisiert werden“, der größte Anteil an dialogischen Strukturen finde sich aber bei der Vernehmung des Angeklagten zu seiner Person und zu der ihm zur Last gelegten Sache sowie bei der Zeugenvernehmung. Beim S c h a u p r o z e s s von kann dagegen zwischen Vernehmung von Angeklagten und Zeugen nicht immer genau unterschieden werden: Bei der Vernehmung der einzelnen Angeklagten werden immer wieder andere Angeklagte (sozusagen als Zeugen) befragt, die einen erhobenen Deliktvorwurf bestätigen sollen.

111 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Da dem Prozess aber letztlich eine Gesamtanklage zu Grunde liegt, nämlich die unzulässige Bildung eines „staatsfeindlichen“ Blocks der Rechten und Trotzkisten, wird eine Zeugenbelastung auch immer zu einer Selbstbelastung (resp. Entlastung). (Freidhof 1996:99) Die folgenden Sprechaktfolgen sind charakteristisch für den Schauprozess: A) Informationsfrage – reaktivischer Sprechakt Informieren und Feststellen B) Bestätigungsfrage – reaktivischer Sprechakt: Bestätigen und Feststellen bzw. Nichtbestätigen und Feststellen

112 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Mögliche Modifikationen: Angeklagte präzisiert, korrigiert oder vergewissert sich durch Rückfragen; Vernehmende fragt nach, präzisiert seine Informationsfrage oder verändert sie in der Zielsetzung. Die Bestandteile des K o o p e r a t i o n s p r i n z i p s nach Grice (1980) haben vor Gericht keine volle Gültigkeit, im Extremfall, nämlich der Aussageverweigerung, wird es gänzlich außer Kraft gesetzt. Dieser Fall ist in den Schauprozessen nicht belegt.

113 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Die inszenierte oder in Teilen vielleicht auch gewählte Verteidigungsstrategie zeigt eher gegenteilige Züge: nämlich die Bereitschaft zur Auskunft bis in kleinste (erdachte/belastende) Einzelheiten und zum „Geständnis von Taten“, die überhaupt nicht begangen worden sind – und dies alles möglicherweise in der Hoffnung, auf die Milde des Gerichtes setzen zu können (was aber nicht eingetreten ist).

114 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Die im folgenden gezeigten Belege beziehen sich auf die folgenden Teilbereiche der Metakommunikation: A) Paraphrasieren oder explizieren mit dem Ziel, Vagheit aufzulösen B) Präzisieren mit dem Ziel, zur Verständnissicherung beizutragen C) Zusammenfassen mit dem Ziel, einen Vernehmungsabschnitt abzuschließen ggf. auch zu bewerten

115 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
A) Paraphrasieren oder explizieren mit dem Ziel, Vagheit aufzulösen Die Auflösung der Vagheit ist für den forensischen Dialog eine unbedingte Voraussetzung und Bedingung, zu einem Urteil zu kommen. Davor muss jede Unklarheit beseitigt sein. Die Auflösung von Vagheit wird oft durch Nachfragen der vernehmenden Seite eingeleitet, kann aber auch durch den Angeklagten selbst bewirkt werden.

116 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Dass in den Schauprozessen Vagheit sehr häufig auftritt, hängt mit der paradoxen Situation zusammen, in der sich die Angeklagten befinden: sie lassen sich auf Beschuldigungen und „Geständnisse“ von Taten ein, die sie nicht begangen haben. Aus der Not heraus, einerseits erdachte Behauptungen zu bestätigen, also Unwahres zu sagen, andererseits sich aber nicht ganz „untreu“ zu werden, kommt es zu einer Konfrontation von zwei Strategien, die unvereinbar sind. Die Folge davon ist die – bewusst oder unbewusst gewählte – Unklarheit in der Aussage (Verstoß gegen die Maxime der Modalität nach Grice 1980). Diese Vagheit muss aber die vernehmende Seite in einem forensischen Dialog aufzulösen versuchen, ob es nun ein normales Polizeiverhör oder ein Schauprozess ist.

117 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Bei der Vernehmung von Sergej A. Bessonov kommt es zu dem folgenden Dialog zwischen dem Staatsanwalt und dem Angeklagten (Bsp. Nach Freidhof : 100f.) 1 Vyšinskij: Vaše otnošenie k Oktjabr‘skoj revoljucii? 2 Bessonov: Ésérovskoe. [éser = to že, čto socialist-revoljucioner] 3 Vyšinskij: To est‘? 4 Bessonov: Vmeste s drugimi éserami ja ne prinimal Oktjabr‘skoj revoljucii. V avguste 1918 goda ja porval s éserami i v oktjabre 1918 goda ob étom zajavil oficial‘no. 5 Vyšinskij: No do 1918 goda? 6 Bessonov: Do 1918 goda razdelil celikom i polnost‘ju Kommentar: Bessonovs Auskunft in Replik 2, die Einstellung eines Sozialrevolutionärs gehabt zu haben, ist natürlich vage, weil es in dieser Gruppe (Partei) unterschiedliche Gesinnungen, Einstellungen und politische Ziele gegeben hat, insbesondere in Bezug auf die Einstellung zu der Oktoberrevolution und zu der Kommunistischen Partei. Gerade dieses versucht der Staatsanwalt mit seiner Frage, die auf den sprachlichen Indikator reduziert ist (Replik 3: To est‘? Das heißt?) , zu erkunden. Die Auflösung der Vagheit ist, wie durch den Zitatausschnitt dokumentiert ist, natürlich nicht bereits mit der Folgereplik gegeben, sondern verteilt sich auf die Repliken 4,6 8, wobei die belastende Aussage erst durch nochmaliges Nachbohren des Staatsanwalts in 7:V étot period vremeni vaše otnošenie k Oktjabr‘skoj revoljucii, k Kommunističeskoj partii bylo kakoe? Položitel‘noe ili otricatel‘noe?) zum Vorschein kommt.

118 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
6 Bessonov ff.: ustanovki éserovskoj partii za isključeniem voennogo perioda, kogda ja byl poražencem. 7 Vyšinskij: V étot period vremeni vaše otnošenie k Oktjabr‘skoj revoljucii, k Kommunističeskoj partii bylo kakoe? Položitel‘noe ili otricatel‘noe? 8 Bessonov: Otricatel‘noe. [SO 1938, 40 = Sudebnyj otčet po delu antisovetskogo „pravo-trockistskogo bloka“ . Moskva 1938]. Kommentar: Bessonovs Auskunft in Replik 2, die Einstellung eines Sozialrevolutionärs gehabt zu haben, ist natürlich vage, weil es in dieser Gruppe (Partei) unterschiedliche Gesinnungen, Einstellungen und politische Ziele gegeben hat, insbesondere in Bezug auf die Einstellung zu der Oktoberrevolution und zu der Kommunistischen Partei. Gerade dieses versucht der Staatsanwalt mit seiner Frage, die auf den sprachlichen Indikator reduziert ist (Replik 3: To est‘? Das heißt?) , zu erkunden. Die Auflösung der Vagheit ist, wie durch den Zitatausschnitt dokumentiert ist, natürlich nicht bereits mit der Folgereplik gegeben, sondern verteilt sich auf die Repliken 4,6 8, wobei die belastende Aussage erst durch nochmaliges Nachbohren des Staatsanwalts in 7:V étot period vremeni vaše otnošenie k Oktjabr‘skoj revoljucii, k Kommunističeskoj partii bylo kakoe? Položitel‘noe ili otricatel‘noe?) zum Vorschein kommt.

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B) Präzisieren mit dem Ziel, zur Verständnis-sicherung beizutragen Die Präzisierung dient in dem Prozess vor allem der Verschärfung eines „belastenden“ Momentes (wird also vom Staatsanwalt entweder evoziert oder realisiert) oder der Verteidigung durch den Angeklagten, in dem ein solches Moment der Belastung entschärft wird. Die Präzisierung hat daher nicht selten auch die Funktion einer K o r r e k t u r.

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Vernehmung von Fajzulla Chodžaev, während der der Angeklagte auf „Veranlassung“ des Staatsanwalts („To est?“) eine Liste von Exempla aufführt, die den Ausgangsausdruck verständlicher, präziser machen: 1 Chodžaev: (...) Éti tri vešči vyzvali nedovol‘stvo Bucharina. 2 Vyšinskij: V čem éto vyrazilos‘? 3 Chodžaev: On skazal, čto plocho rabotaem, čto nel‘zja tak rabotat‘. Konečno, on menja ne rugal i ne mog rugat‘, a tak prosto govoril, čto éto plocho, čto éto nedostatočno, čto tak sojuzniki ne rabotajut. 4 Vyšinskij: Predlagal projavljat‘ bol‘še aktivnosti? 5 Chodžaev: Da, lučše, aktivnee rabotat‘... 6 Vyšinskij: To est‘? 7 Chodžaev: Po organizacii povstančeskich kadrov. 8 Vyšinskij: Éto raz.

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9 Chodžaev: Po organizacii terrorističeskich grupp. 10 Vyšinskij: Éto dva. 11 Chodžaev: I svjaz‘ s Angliej. 12 Vyšinskij: Čto u vas treboval Bucharin, govorja o svzai s Angliej? 13 Chodžaev: Ja chotel ob étom potom rasskazat‘, no mogu i sejčas éto sdelat‘. ( ) (SO 1938:208f.) (nach Freidhof 1996:101)

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Die Präzisierung in der Funktion der gerichtlichen Terminolo-gisierung: Verhör von Grigorij F. Grin‘ko (SO 1938:75) 1 Grin‘ko: (...) Stavilsja takže prjamo vopros o neobchodimosti ubrat‘ Ežova, kak čeloveka naibolee opasnogo dlja zagovórščikov. 2 Vyšinskij: Čto značit „ubrat‘“? 3 Grin‘ko: Ubrat‘ – éto značit ubit‘. 4 Vyšinskij: Tak i nado govorit‘. 5 Grin‘ko: Ja skazal „ubrat‘“ potomu, čto éto imelo dvojnoj smysl: s odnoj storony, diskreditacija Ežova vnutri partii, podryv ego avtoriteta, s drugoj storony, - ubrat‘ fizičeski. 6 Vyšinskij: Éto ja ponimaju, no mne takže nebezinteresno, čto ponimalos‘ pod slovom ubrat‘, v kriminal‘nom smysle. 7 Grin‘ko: Ubrat‘ – značit ubit‘. Zagovórščik / zágovor = Verschwörer / Verschwörung

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C) Zusammenfassen mit dem Ziel, einen Vernehmungsabschnitt abzuschließen ggf. auch zu bewerten Vernehmung von Vasilij F. Šarangovič wird sog. „Schädlingsarbeit“ auf unterschiedlichen Gebieten der Wirtschaft vorgeworfen. Während des Verhörs kommt es zu einer zwischenzeitlichen Zusammenfassung, die der Staatsanwalt Vyšinskij mit der Partikel značit „d. h.“ einleitet:

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1 Šarangovič: Ja zanimalsja vreditel‘stvom, glavnym obrazom, v oblasti sel‘skogo chozjajstva. V 1932 godu my, i ja lično, v étoj oblasti razvernuli bol‘šuju vreditel‘skuju rabotu. Pervoe – po sryvu tempov kollektivizacii. (...) 2 Šarangovič: Pozdnee neskol‘ko, po linii sel‘skogo chozjajstva byla provedena nami vreditel‘skaja rabota v oblasti nadelenija kolchoznikov prisadebnymi učastnikami (...) 3 Vyšinskij: I vse éto bylo pod vašim neposredstvennym ukazaniem?

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4 Šarangovič: Soveršenno pravil‘no. Dal‘še, po sel‘skomu chozjajstvu, ja choču skazat‘ otnositel‘no našej diversii v oblasti konevodstva. (...) (…) 5 Vyšinskij: A v oblasti promyšlennosti? 6 Šarangovič: V oblasti promyšlennosti vreditel‘stvo ochvatilo takie ob‘‘ekty kak torf. (...) (...) 7 Šarangovič: Da. I celyj rjad ešče vreditel‘stv, kotorye šli po linii promyšlennosti. Dal‘še, govorja o vreditel‘stve, ja dolžen ostanovit sja na kul turnom fronte, (...)

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8 Vyšinskij: Slovom, po všem linijam kul‘turnogo fronta, gde tol‘ko možno bylo vredit‘ ? 9 Šarangovič: Soveršenno pravil‘no. 10 Vyšinskij: Značit, podytoživaja vašu prestupnuju vreditel‘skuju dejatel‘nost‘, možno skazat‘, čto ni odna otrasl‘ socialističeskogo stroitel‘stva ne ostalas‘ vne vašej vreditel‘skoj dejatel‘nosti? Der eigentlichen Zusammenfassung in turn 10, die makrostrukturell ausgerichtet ist, geht eine weitere mikrostrukturelle Zusammenfassung in 8 voraus, eingeleitet durch das Signal „slovom“ („mit anderen Worten“, „anders ausgedrückt“) !

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In der Metakommunikation geht es auch darum, sprechaktbezeichnende Ausdrücke (d. h. Verben, aber auch nominale Derivationen und ggf. Sprechakt bezeichnende Phraseologismen oder analytische Konstruktionen) sprechaktklassifikatorisch festzulegen. Wenn ich sage: „Ich verstehe Ihre Behauptung in dem Sinne, dass…“, dann bewerte ich eine Replik des Dialogpartners als eine <Behauptung>, ohne dass dieser das Lexem BEHAUPTEN gebraucht haben muss.

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Metakommunikativer Sprechakt: „In einem metakommunikativen Sprechakt spricht Sp1 über Aspekte des Gesprächs, das er gerade mit Sp2 führt.“ Im Prozess von 1938 kommen metakommunikative Sprechakte häufig vor, z. B. in einem Dialog zwischen Bucharin und dem Staatsanwalt wird die Replik … Bucharins vom Staatsanwalt Vyšinskij als eine <Behauptung> eingestuft, die der Behauptung der Zeugin Jakovleva entgegensteht (im Gegensatz zur Feststellung gilt eine Behauptung als nicht erwiesen)

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1 Bucharin: Ja že govorju, čto predpolagalos‘, čto étot samyj akt možno sdelat‘ takim obrazom, čtoby on byl nasil‘stvennym, no ne krovavym (gemeint ist der (angebliche) Versuch der Inhaftnahme von Lenin, Stalin und Sverdlov – P.K.), i potomu ne možet byt‘.... 2 Vyšinskij: Nasil‘stvennym, no ne krovavym. 3 Bucharin: Vy menja arestovali, éto est‘ akt nasilija, no ja, odnako, ešče živ, ja možet byt‘ ne budu živ i daže počti v étom uveren, no ešče živ, čemu svidetelem služit to, čto ja govorju s étoj skam‘i podsudimych. 4 Vyšinskij: Éto naprasnoe otstuplenie ot doprosa. 5 Bucharin: Ja vam govorju, čto bylo. 6 Vyšinskij: Ja choču vyjasnit‘ tol‘ko, gde vy provodili liniju meždu nasil‘stvennym arestom v processe bor‘by i meždu ubijstvom, gde vy provodili? 7 Bucharin: Byli razgovory togda, čto nužno obespečit‘ i garantirovat‘

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7 Bucharin ff.: polnuju sochrannost‘ označennych lic. 8 Vyšinskij: Éto vy utverždaete, a Jakovleva govorit, čto govorilos‘ kak raz obratnoe (also die gegensätzliche Behauptung = P.K.) 9 Bucharin: Ja s étim ne soglasen i govorju, čto ona govorit nepravdu.

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Metakommunikativer Vorwurf an den Angeklagten, er provoziere Streit durch die Verwendung eines für einen forensischen Dialog unzulässigen „witzigen“ Ausdrucks: Vyšinskij: (...) Operacii, kotorye byli prodelany po ukazaniju vašego „pravo-trockistskogo bloka“, izvestny vam ili net? Zelenskij: Da, izvestny. Vyšinskij: V čem oni zaključalis‘? Zelenskij: Oni zaključalis‘ v sledujuščem: vse zagotovitel‘nye organizacii pri vyrabotke masla pol‘zovalis‘ mirovymi standartami, opredeljajuščimi sortnost‘ masla. Vyšinskij: Éto ne to. Zelenskij: Vot éto i est‘.

132 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Vyšinskij: Net. Zelenskij: Kak net? Éto proizvodilos‘… Predsedatel‘stvujuščij: Podsudimyj Zelenskij, ne prerekajtes‘ i otvečajte po suščestvu.

133 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Vyšinskij: Menja interesuet vaše prestuplenie. Bucharin: Chorošo, no prestuplenij étich tak mnogo, graždanin Prokuror, čto iz nich nužno vybirat‘ naibolee suščestvennye. Vyšinskij: Menja interesujut oni vse, ne na vyborku, a ot načala do konca. Predsedatel‘stvujuščij: Poka ešče vy chodite vokrug do okolo, ničego ne govorite o prestuplenijach. Bucharin: Značit, vy ne sčitaete nelegal‘nuju organizaciju prestupleniem, rjutinskuju platformu tože ne sčitaete prestupleniem? Vyšinskij: Ne v étom delo, no vam govorjat, čto vy chodite vokrug da okolo. Predsedatel‘stvujuščij: Podsudimyj Bucharin, ja vas prošu ne prerekat‘sja, a govorit‘, esli vy chotite govorit‘.

134 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Die Verwendung metakommunikativer Äußerungen in dem Bericht zum Prozess von 1938 ist von großer Produktivität. Die hier angeführten Belege zeigen zum Großteil reaktivischen Charakter, d. h. ein Sp1 (Sprecher) reagiert auf die Äußerung eines anderen Sp2: etwa mit der Einstufung als <BESTREITEN> (<WIDER-SPRECHEN>), als <BEHAUPTEN> oder <ERKLÄREN>, aber auch mehr spezifischer Natur: als <STREITEN> oder <SICH WITZIG ÄUßERN>.

135 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Bei der Vernehmung von Akmal‘ Ikramov kommt es zu einem „Zwischendialog“, in dem der Staatsanwalt eine mehrere Repliken vorher von Nikolaj I. Bucharin gemachte Äußerung als Widerspruch klassifiziert (SO 1938:313f.): 1 Vyšinskij: Ja Bucharina choču sprosit‘. U vas bylo svidanie s Ikramovym v 1933 godu? 2 Bucharin: Bylo, ja žil u nego v tečenie neskol‘kich dnej v 1933 godu. 3 Vyšinskij: Značit, on pravil‘no rasskazyvaet?

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4 Bucharin: Soveršenno pravil‘no. 5 Vyšinskij: Byli političeskie razgovory? 6 Bucharin: Byli. (...) 7 Vyšinskij: O vreditel‘stve tože s nim govorili? 8 Bucharin: Net, ne govoril. 9 Vyšinskij: Čto že on nepravil‘no pokazyvaet? 10 Bucharin: On, očevidno, sputal. 11 Vyšinskij: Možet byt‘, popozže govorili?

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12 Bucharin: Delo v tom, čto Ikramov na očnoj stavke otrical vsjakij razgovor političeskogo charaktera. Ja zastavil ego soznat‘sja. (...) 13 Vyšinskij: Otricaete, čto v étot raz govorili o vreditel‘stve i diversijach? 14 Bucharin: Éto byl pervyj razgovor. 15 Vyšinskij: Počemu vy ne otvečaete na vopros? 16 Bucharin: Ja motiviruju moj otricatel‘nyj otvet. 17 Vyšinskij: Mne motivirovka ne nužna. 18 Bucharin: Ja otvečaju otricatel‘no.

138 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Die von dem Staatsanwalt mit ‚otricaete‘ eingeleitete Replik in turn 13 nimmt Bezug auf die Äußerung Bucharins „net, ne govoril“ in turn 8 und hat die Funktion einer metakommunikativen Rückbestätigung, die für forensische Dialoge und insbesondere Gerichtsverfahren typisch ist, um Sachverhalte genau festzuhalten (für das Protokoll).

139 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Master Speech Act: Metakommunikativer Sprechakt, bei dem die gesprächssteuernde Person (in Interviews der Interviewer, in Talk Shows der Talk Master, in Gerichtsprozessen der Staatsanwalt oder der Richter) den Verlauf des Dialogs thematisch und/oder interaktionell festzulegen versucht, bzw. „Maximen für den weiteren Verlauf des Gesprächs aufzustellen“ (Hindelang 1983:36).

140 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Master Speech Act nach Fotion (1971:234): „Similarly when someone says „Let us pray“, his speech act suggests that those who are within earshot adopt a certain attitude, manner, or what have you, for a set period of time and, as a part of that attitude or manner, use language in a certain way or ways. In effect what we have here (…) are speech acts which cotroll other speech acts. Since these speech acts play this controlling or masterminding role I propose to call them master speech acts.“

141 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Im Schauprozess treten folgende metakommunikativen Äußerungen auf, die als Master Speech Act(s) (MSA) bezeichnet werden können, auf, die sich nach Freidhof (1996:118f.) in folgende grobe Klassen einteilen lassen: 1) MSA, die die prozedurale Steuerung des Dialogs, also den Ablauf der Sitzung oder eines Vernehmungsteils betreffen. Eine Äußerung wie „Sie sind jetzt nicht an der Reihe, antworten Sie, wenn ich Sie frage“ oder „Wir kommen nun zur Vernehmung des Angeklagten X“ sind hierzu zu zählen.

142 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
2) MSA, die die thematische Steuerung des Dialogs betreffen, etwa: „Sprechen Sie zum Thema/Problem X“, „Sprechen Sie zu dem Detail XYZ“ (Specifier nach Fotion 1979:621), „Beschränken Sie sich auf das Wesentliche“, „Kehren Sie zur Kernfrage, zum Ausgangspunkt zurück“ (Generalizer, nach ibidem). 3) MSA, die die modale Steuerung des Dialogs betreffen, so z. B.: „Sprechen Sie offen“, „Formulieren Sie präziser“, „Sprechen Sie verständlicher, nicht so poetisch, nicht so verworren, deutlicher usw.“ (vgl. Maxime der Modalität nach Grice 1980:114).

143 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
4) MSA, die die phatische Steuerung des Dialogs betreffen, d. h. es geht um solche metakommunikativen Äußerungen, die den Start oder erneuten Start der Partnerreede freigeben oder aber gerade diese beenden oder unterbrechen (vgl. Interrupter, Restarter nach Fotion 1979:621). Im Extremfall kommt es zur Blockade der Partnerrede (vgl. Freidhof 1979:621), zu der die leitende (im konkreten Fall wohl auch die vernehmende) Instanz im Schauprozesse legitimiert ist bzw. legitimiert wird.

144 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
1) MSA, die die prozedurale Steuerung des Dialogs, also den Ablauf der Sitzung oder eines Vernehmungsteils, betreffen. Richter: Perechodim k doprosu podsudimogo Bucharina (SO 1938: 331) Richter: Podsudimyj Bucharin, prodolžajte vaši pokazanija o vašej antisovetskoj dejatel‘nosti (ibidem: 351) – hier ist eine Überlappung zu der Klasse 4 der MSA erkennbar Richter: Pristupaem k doprosu obvinjaemogo Zubareva (ibidem:128).

145 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Metakommunikative Absprachen des Vorsitzenden Richters mit dem Staatsanwalt: Richter: Sadites‘. Zasedanie prodolžaetsja. Tovarišč Vyšinskij, u vas est‘ voprosy k Bessonovu? (ibidem: 66) Richter: U vas est‘ ešče voprosy k podsudimomu Grin‘ko? Stereotype prozedurale Abschlussformeln zum Ende einer Sitzung oder eines Sitzungsteils: Richter: Ob‘‘javljaetsja pereryv na dva časa (ibidem:65) Richter: Na étom segodnjašnee zasedanie zakančivaetsja. Zavtra prodolženie zasedanija v 11 časov (ibidem: 103)

146 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Prozedurale MSA bei der Vernehmung der Zeugen: Richter: Vy vyzvany svidetelem po delu Bucharina Nikolaja Ivanoviča. Predlagaetsja pokazyvat‘ pravdu. Tovarišč Prokuror, vy imeete voprosy k svidetelju Mancevu? (ibidem: 414) Reden der Verteidiger und die Erteilung des Schlusswortes des Angeklagten: Richter: Sadites‘, požalujsta. Zasedanie prodolžaetsja. Slovo imeet člen kollegii zaščitnikov tovarišč Braude (ibidem:615)

147 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Richter: Slovo imeet člen kollegii zaščitnikov tovarišč Kommodov (ibidem: 621) Richter: Sadites‘, požalujsta. Podsudimyj Bucharin, vam predostavljaetsja poslednee slovo (ibidem: 678). Richter: Podsudimyj Jagoda imeet poslednee slovo. (ibidem: 693)

148 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Prozedurale MSA, die das Rederecht steuern und dem Angeklagten das Rederecht entziehen können: Vyšinskij: Inače govorja, orientacija na poraženie SSSR? Bucharin: V obščem, summarno, povtorjaju – da. Predsedatel‘stvujuščij: Voprosov bol‘še net? Vyšinskij: Net. Bucharin: Možet byt‘, vy mne razrešite, graždanin predsedatel‘stvujuščij, skazat‘ paročku slov otnositel‘no teoretičeskich ékskursov? Predsedatel‘stvujuščij: Net, éto pri vašem doprose. Pristupaem k doprosu obvinjaemogo Zubareva. (...)

149 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
2) MSA, die die thematische Steuerung des Dialogs betreffen: Predsedatel‘stvujuščij: Kakie vorposy imejutsja u vas, tovarišč Prokuror? Vyšinskij: Podsudimyj Grin‘ko, rasskažite sudu o svoej prestupnoj dejatel‘nosti. (ibidem: 66) Bucharin: Ja znaju, čto Ikramov dostatočno ser‘eznyj čelovek. (...) Ja ne glup, tak rassuždat‘ ne mogu, kak pokazyvaet Ikramov. Razgovor načalsja... Vyšinskij: Ja ne interesujus‘, s čego načalsja razgovor. Ja vas sprašivaju, v 1935 godu vstreča na četvertom étaže byla? (ibidem: 314)

150 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
3) MSA, die die modale Steuerung des Dialogs betreffen: Hierbei geht es um Unklarheiten im phonetisch-akustischen Bereich ebenso wie im semantischen. Meist geht es um die Aufforderung zur Reformulierung (Paraphrase), weil der gewählte Ausdruck vom Rezipienten nicht verstanden wird oder dieser dies zum Zweck der „Überführung“ vortäuscht: ein gutes Beispiel für vorgetäuschte Unklarheit beim Rezipienten findet sich im Metadialog, als der Staatsanwalt dem Angeklagten Bucharin vorwirft, „philosophierend“, also unklar und vage zu antworten. Er fordert ihn auf, die „Philosophie“ beiseite zu lassen.

151 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Vyšinskij: Podsudimyj Bucharin – fakt ili ne fakt, čto gruppa vašich soobščnikov na Severnom Kavkaze byla svjazana s beloémigrantskimi kazackimi krugami za granicej? Fakt ili ne fakt? Rykov govorit ob étom, Slepkov govorit ob étom. Bucharin: Esli Rykov govorit ob étom, ja ne imeju osnovanija ne verit‘ emu. Vyšinskij: Možete mne otvetit‘ bez filozofii? Bucharin: Èto ne filozofija.

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4) MSA, die die phatische Steuerung des Dialogs betreffen: hierbei wird der Kontakt zum Gesprächspartner freigegeben, unterbrochen, beendet, erneut freigegeben oder auch blockiert. Die Produktivität solcher MSA hängt damit zusammen, dass beim forensischen Dialog und insbesondere beim Verhör in einem Schauprozess die leitende bzw. anklagende/venehmende Instanz legitimiert ist bzw. sich legitimiert sieht, den Gesprächsablauf in besonderer Weise asymmetrisch zu gestalten.

153 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Vyšinskij: Skažite, požalujsta, čto iz vsego étogo proizošlo? Levin: Dlja obyčnogo bol‘nogo sdelat‘ podarok trudno, poskol‘ku .... Vyšinskij: Izvinite, ja vas ešče raz pereb‘ju. Kogda vas osvoboždali ot vsjakogo roda tamožennych osmotrov, vy sčitali, čto éto estestvenno i zakonno?

154 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
6. Zur Sprache der Politik ( ) Politolinguistik aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie Wechseln zu: Navigation, Suche Politolinguistik (oder auch politische Kommunikation) ist die wissenschaftliche Untersuchung der Kommunikation in der Politik. Sie gehört zur Allgemeinen Sprachwissenschaft, wo sie einen Teil der Angewandten Linguistik ausmacht. Politolinguistik ist empirisch ausgerichetet und gehört zur linguistischen Pragmatik.

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Inhaltsverzeichnis [Verbergen] 1 Geschichte 2 Themen 2.1 Sprache und politisches System (Polity) 2.2 Sprache und der politische Prozess (Politics) 2.3 Sprache und Politikfelder (Policies) 3 Theorien 4 Literatur [Bearbeiten]

156 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Geschichte Politolinguistik ist im deutschsprachigen Raum erst seit dem Zweiten Weltkrieg ein Forschungsgebiet, obwohl die Rhetorik schon seit der Antike zur politischen Linguistik gehört und wird erst seit den fünfziger Jahren vorangetrieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Nazi-Sprache analysiert und seit der Gründung der DDR und der SED und deren Ideologie-Sprache wurde das Ideologie-Vokabular untersucht.

157 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Themen Politolinguistik befasst sich mit den folgenden drei Themen: Sprache und politisches System (polity), Sprache und der politische Prozess (politics) und Sprache und Politikfelder (policies): [Bearbeiten] Sprache und politisches System (Polity) Politiklinguistik befasst sich einerseits mit der Sprache und dem politischem System. In diesem Zusammenhang werden seit den 1950er Jahren zwei Fachgebiete untersucht: Einerseits handelt es sich um die Nazisprache und andererseits mit der Zwei-Staaten-Frage und somit mit der stark ideologisch geprägten Sprache der DDR, bzw. der SED. Es gehört dazu auch die linguistische Untersuchung von parlamentarischen Debatten (welche ein kommunikatives Grossereigniss darstellt) und in der Schweiz wird auch die Sprache der direkten Demokratie untersucht. Es handelt sich also um die Untersuchung von Meinungs- und Ideologiesprache.

158 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Sprache und der politische Prozess (Politics) Zweitens befasst sich Politolinguistik mit dem politischen Prozess, also mit der Untersuchung von Reden, Wahlkämpfen, Skandalen usw. Der politische Prozess wird völlig von Sprache bestimmt ("Stimmenfang"), in welchem verschiedene Stilmixe auftreten und Code-Switching geschieht. [Bearbeiten] Sprache und Politikfelder (Policies) Drittens befasst sich Politolinguistik mit verschiedenen Themenfeldern der Politik, beispielsweise der 68-er Generation, der ökologischen Bewegungen, Friedensbewegung, den Nato-Beschlüssen, Asyl- und Migrationsthema und der Europapolitik.

159 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Theorien Wichtige Schlagworter für die Theorie der politischen Kommunikation stellen Bedeutungskonkurrenz und Bezeichnungskonkurrenz dar. Unter Bedeutungskonkurrenz versteht man, wenn dasselbe Wort in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet wird, z.B. das Hochwertwort "Sozialismus" in einem sozialistischen Kontext mit den Merkmalen "Klassen" und "Kampf" und in einem nichtsozialistischen Kontext ohne diese Merkmale zu verwenden. Von Bezeichnungskonkurrenz spricht man, wenn dieselben Maßnahmen für die Befürworter "Umbau" und für die Gegner "Abbau" bedeuten. Bedeutungs- und Bezeichnungskonkurrenz sind die beiden wichtigsten Formen des semantischen Kampfes.

160 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Literatur Armin Burkhardt: Das Parlament und seine Sprache. Studien zu Theorie und Geschichte parlamentarischer Kommunikation. Tübingen. Niemeyer, 2003. Walther Dieckmann: Sprache in der Politik. Einführung in die Pragmatik und Semantik der politischen Sprache. Heidelberg. Carl Winter, 1969. Josef Klein: Politische Kommunikation - Sprachwissenschaftliche Perspektiven, in: Otfried Jarren,Ulrich Sarcinelli, Ulrich Saxer (Hrsg.): Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft Ein Handbuch mit Lexikonteil. Westdeutscher Verlag, Opladen, 1998, S Von „

161 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Путин: без правил хаоса не избежать (Pravda :53) "Россия никогда не ставила для себя вопрос о включении каких-либо территорий за ее пределами в состав российского государства", - сказал Владимир Путин на встрече с руководителями информагентств стран "восьмерки". Übers: Putin: ohne Regeln (Gesetze) kann man Chaos nicht vermeiden „Russland hat sich nie die Frage gestellt bezüglich der Einverleibung irgendwelcher Territorien jenseits seiner Grenze in den Bestand des russischen Staates“, sagte VP auf dem Treffen der Großen 8-Staaten.

162 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Президент РФ призвал международное сообщество выработать единые подходы к вопросам, связанным с решением проблем территориальной целостности государств: "Я считаю, что все мы должны и в состоянии выработать единые правила, нормы и подходы к событиям одного порядка, происходящим в различных регионах мира, иначе мы придем к хаосу", - подчеркнул президент. Übers: Der Präsident der Russischen Föderation lud die internationale Gemeinschaft dazu ein, einheitliche Methoden zu erarbeiten, die mit dem Problem der territorialen Einheit der Staaten verbunden sind: „Ich meine, dass wir alle müssen und dazu auch in der Lage sind, einheitliche Regeln, Normen und Herangehensweisen zu erarbeiten zu Ereignissen eines Ordnungssystems, die in den verschiedenen Regionen der Welt passieren.“, unterstrich der Präsident.

163 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Говоря о референдуме о независимости Черногории, президент признал важность принятого на нем решения. Вместе с тем он подчеркнул, что "мы должны определить, что мы ставим для себя приоритетом при решении проблем подобного рода - задачу сохранения территориальной целостности государства или некие трудно объяснимые понятия исторической справедливости и политической целесообразности", сообщает «Интерфакс». Übers.: Bezug nehmend auf das Referendum zur Unabhängigkeit von Monte Negro unterstrich der Präsident die Wichtigkeit der bei diesem Referendum getroffenen Entscheidung. Zugleich unterstrich er, (dass) „wir müssen definieren, was für uns Priorität bei der Lösung von ähnlichen Problemen ist – die Aufgabe der territorialen Einheit des Staates oder irgendwelche schwer erklärbaren Begriffe der historischen Gerechtigkeit und der politischen Vernunft,“ – berichtet Interfaks.

164 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Путин: Запад должен платить из собственного кармана за то, что происходит сейчас на Украине  Президент России Владимир Путин призвал Запад платить за то, что происходит на Украине из собственного кармана. "Россия 40 лет поставляла в Европу энергоносители, не останавливаясь ни на один день, ни на один час, и в начале этого года Россия в полном объеме обеспечила поставки для европейских потребителей", - отметил глава российского государства на встрече с руководителями ведущих информагентств "восьмерки".

165 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
"То, что страна транзитер - Украина - отбирала часть газовых ресурсов - это вопрос к ней", - сказал он. Путин призвал: "Давайте не будем наводить тень на плетень, давайте прямо и честно говорить о проблеме, наши западные друзья поддержали оранжевые события на Украине, то, что там сейчас происходит, мы все видим, там есть много проблем, если хотите это поддерживать, вы за это заплатите, почему за это должна платить Россия?" 

166 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
"На протяжении последних лет Россия ежегодно субсидировала украинскую экономику по 3-5 млрд долларов, и каждый год мы ставили вопрос, что нужно переходить на рыночное ценообразование", - напомнил Путин. "Давайте выходить на то, чтобы работать по единым правилам", - призвал он. "Почему потребители в ФРГ должны платить по 250 долларов, а на Украине - по 50? Если хотите - сделайте им подарок, возьмите, выньте эти деньги из карманов своих налогоплательщиков, мы ничего против не имеем, платите деньги", - сказал он. 

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 "Наши деловые партнеры, особенно европейские, никогда не сомневались и сейчас не сомневаются в надежности отношений с Россией на энергорынке", - убежден Путин. "А вопрос такого рода, сама постановка таких вопросов нами оценивается как способ побудить нас к принятию односторонних решений, которые удовлетворяли бы наших партнеров, но не учитывали интересы российской экономики", - сказал президент, отвечая на вопрос руководителя германского агентства ДПА Мальте фон Трота по поводу возможного конца партнерских отношений России и Европы в энергетике.  "Это способ конкурентной борьбы", - подчеркнул российский лидер. Об этом сообщает ИТАР-ТАСС.

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PRAHA 3. května 2006 | 15:25 Volným pokračováním Dálkového výslechu, který před dvaceti lety vedl z německého exilu s Václavem Havlem publicista Karel Hvížďala, je jejich knižní rozhovor doplněný dokumenty, úryvky osobních denních záznamů, poznámkami a instrukcemi prezidenta spolupracovníkům. Úryvky z nové knihy najdete v dnešním vydání Lidových novin. Übers: Prag, LN, 3. Mai 2006/ Eine lockere Fortsetzung der Fernvernehmung, die vor 20 Jahren aus dem deutschen Exil der Publizist K.H. mit VH führte, stellt ihr literarisches Gespräch dar, ergänzt mit Dokumenten, Ausschnitten von persönlichen Tagesnotizen, sowie durch Bemerkungen und Instruktionen des Präsidenten an die Mitarbeiter. Die Ausschnitte aus dem neuen Buch finden sich in der heutigen Ausgabe der Lidové Noviny.

169 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Nová kniha Karla Hvížďaly se jmenuje Václav Havel: Prosím stručně a dnes ji na knižní trh uvádí nakladatelství Gallery. Literární koláž střídá několik žánrových rovin a strukturou textů potvrzuje příklon zpovídaného k dramatické formě. Übers.: Das neue Buch von KH heißt Václav Havel: „Ich bitte bündig“. Und heute wird es durch den Verlag Gallery auf den Markt eingeführt. Die literarische Collage wechselt zwischen mehreren Genres und durch die Textstruktur bestätigt sie die Neigung des Befragten zur dramatischen Form.

170 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
V osmdesátých letech jste tvrdil, cituji: „Dávám přednost politice, která vychází ze srdce, nikoliv z nějakých tezí... Jeden elektrikář se srdcem na správném místě může ovlivnit dějiny celého národa.“ Začal jste si už tehdy uvědomovat, že všechny vaše poznámky o srdci jsou v přímém rozporu s praktickou politikou, která ve svých výstupech naopak musí být velmi pragmatická? Übers.: In den achtziger Jahren haben sie behauptet: „Ich gebe den Vortritt einer Politik, die vom Herzen ausgeht, und nicht von irgendwelchen Thesen. Ein Elektriker mit Herz am richtigen Ort kann die Geschichte eines ganzen Volkes beeinflussen.“ Sie fingen schon damals an zu begreifen, dass alle Ihren Bemerkungen von der (Politik des) Herzens in direktem Widerspruch mit der praktischen (Tages-) Politik sind, die in ihren Auftritten sehr pragmatisch sein muss?

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Každé vyjádření – slovo, věta či pojem – je povýtce situační a je třeba vnímat souvislosti, v nichž byly řečeny. To, co citujete, jsem psal v eseji zabývající se politickým významem mravních postojů v totalitních poměrech. V nich opravdu jedno statečné slovo Solženicynovo může mít větší politickou sílu než v demokratických poměrech hlasy milionu voličů. Ale to jen tak na okraj. Hlavní je, že za tím stojím vlastně dodnes. Übers.: Jeder Ausdruck – Wort, Satz bzw. Begriff – ist vor allem situationsgebunden und man muss die Zusammenhänge begreifen, in denen er gesagt wurde. Das, was Sie zitieren, habe ich in einem Essay geschrieben, das sich mit der politischen Bedeutung von moralischen Einstellungen unter totalitären Bedingungen befasst. In diesen kann wahrlich ein mutiges Wort Solzenicyns eine größere politische Macht haben als die Stimme von Millionen von Wählern unter demokratischen Bedingungen. Das Wichtigste ist, das ich dazu bis heute stehe.

172 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
V posledních patnácti letech jsem se totiž měl bezpočtukrát příležitost přesvědčit, jak je i v demokratických poměrech důležité, aby politika nebyla jen pouhou technologií moci, ale skutečnou službou občanům, službou pokud možno nezištnou, založenou na určitých ideálech, která dbá mravního řádu nad námi, pamatuje na dlouhodobé zájmy lidského rodu, nikoli tedy jen na to, co se líbí veřejnosti této chvíle, a odmítá se proměnit jen ve hru různých partikulárních zájmů či pragmatických cílů, za nimiž se nakonec skrývá jediné: snaha se za každou cenu udržet u vesla. Übers.: In den vergangenen 15 Jahren hatte ich nämlich unzählige Male die Gelegenheit mich davon zu überzeugen, wie es auch in demokratischen Verhältnissen wichtig ist, dass Politik nicht eine bloße Technologie der Macht ist, sondern echter Dienst am Bürger, ein möglichst uneigennütziger Dienst, der sich auf bestimmte Ideale gründet, die die sittliche Ordnung über uns berücksichtigt, die langfristigen Interessen des Menschengeschlechts einbezieht, also nicht nur auf das achtet, was der Öffentlichkeit in diesem Augenblick gefällt, und die es ablehnt, sich in ein Spiel von verschiedenen partikulären Interessen bzw. pragmatischen Zielen zu verwandeln, hinter denen letztendlich nur eines steht: das Bemühen, unter jedem Preis am Ruder zu bleiben.

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Samozřejmě: je něco jiného jen tak nezávisle filozofovat a skutečně něčeho konkrétního v politice dosáhnout. To uznávám. Ale to přece neznamená, že politika musí rezignovat na všechny ideály, zříci se „srdce“ a stát se jen jakýmsi technokratickým samopohybem. Übers.: Selbstverständlich: es ist etwas Anderes, nur so frei zu philosophieren und etwas Konkretes in der Politik zu erreichen. Das sehe ich ein. Aber das bedeutet nicht, dass Politik auf sämtliche Ideale verzichten müsste, dass sie das „Herz“ aufgeben und zu einem gewissen technokratischen Automat werden sollte.

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Sprache der Politik (Parlamentsdiskussionen) Beispiel des Ausdrucks des Kontrasts in parallelen syntaktischen Strukturen in der Rhetorik Václav Havels …definitivní tečku za naším prvním pokusem o demokratický stát udělal patnáctého března roku 1939 jistý šílenec v holínkách, když vtrhl do tohoto hradu, aby zvěstoval světu, že násilí vítězí nad svobodou a lidskou důstojností. Vtrhl sem posel války. Posel hrubosti. Posel lži. Posel pýchi a zla, bezpráví a krutosti. Vtrhl sem masový vrah. Vrah národů. Kdo sem tohoto člověka vpustil? Kdo mu dovolil znesvětit tyto starobylé sály? Především to byla část jeho spoluobčanů, která podlehla jeho primitivnímu apelu na zrádnou stránku jejich citů, archetypálních vidin a národních a sociálních tužeb.

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Dále to byla nekonečná krátkozrakost tehdejších vlád Francie a Anglie, které si myslely, že zachrání mír, když otevřou dveře poslu války. A posléze to byl strach našeho vlstního státního vedení vzepřít se přesile a riskovat velké nepochopení a velké oběti. Strach podbarvený možná i tušenou spoluodpovědností za přezíravý vztah našeho tehdejšího státu k právům národních menšin, který měl nepochybně vliv na to, že se tolik občanů německé národnosti spolčilo s oním šílencem proti svému státu. Jeho válka proti civilizovanému světu začala sice až druhého září, ale vyhlášena byla vlastně už patnáctého března. A to zde, na Pražském hradě. Dnes, kdy stojíme na počátku našeho druhého pokusu o demokracii a kdy si připomínáme to, co se stalo před jednapadesáti lety, vítáme na tomto hradě jiného hosta. Totiž představitele německé demokratie. Posla míru. Posla slušnosti. Posla pravdy. Posla lidskosti. Zvěstivatele zprávy, že násilí nesmí už nikdy zvítězit nad svobodou, lež nad pravdou a zlo nad lidským životem.

176 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Muže, který řekl, že nic nesmí být zapomenuto, mimo jiné i proto, že paměť je zdrojem víry ve vykoupení. Před jednapadesáti lety sem nepozván vtrhl nepřítel. Dnes je tu na naše pozvání přítel. Tehdejší návštěva přinášela smrt naší předválečné demokracii. Dnešní návštěva je pozdravem naší demokracie nové. Tehdejší návštěva byla začátkem našeho novodobého neštěstí. Dnešní návštěva se kryje s jeho koncem. Náš tehdejší host nám otevřel cestu k porobě. Náš dnešní host nám blahopřeje k naší čerstvě nabyté svobodě. (Auszug aus der Ansprache des Präsidenten Václav Havel anlässlich des Besuchs des Präsidenten der BRD Richard von Weizsäcker 1990 in Prag)

177 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Analyse: Der Kontrast zwischen zwei Persönlichkeiten, die im Abstand von mehr als 50 Jahren die Prager Burg besucht haben, dient VH als Ausgangspunkt der Reflexion auf das Thema totalitäre Diktatur vs. Demokratie, Krieg und Frieden. Die stilistische Wirkung der Ansprache (Begrüßungsrede) wird durch die Gegenüberstellung von zwei längeren kontrastierenden Parallelismen erzeugt, die durch stilistische Gradation der Schlüsselbegriffe posel „Bote“ – masový vrah „Massenmörder“ – zvěstovatel „Verkünder“ gesteigert wird.

178 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Parlamentssitzungen im Parlament der ČR (Video-Aufzeichnungen aus den Jahren ; Quelle Tschechisches Fernsehen; Hoffmanová 2003): Abgeordnetenkammer (30 Stunden) Ähnlich wie beim Gerichtsprozess treten in den Parlamentssitzungen vermehrt MSA auf, die in erster Linie die Funktion haben, die Abgeordneten zur Ordnung zu rufen, sie zu beruhigen. In den Aufzeichnungen werden akustische Störungen des Kanals in runden Klammern (šum v sále, v sále je velký hluk = Lärm im Saal) angegeben.

179 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Um diesen störenden Geräuschpegel zu überwinden, einzudämmen oder zu beseitigen, bedient sich der Parlamentspräsident in der Regel des MSA der prozeduralen Steuerung /Typ 1/: Zahajuji schůzi a věřím že i vy to vezmete jako motiv ke zklidnění a ztišení; jestli takhle hlučíme na začátku / tak nevím jak budeme hlučet na konci „Ich eröffne die Sitzung und gehe davon aus (wörtl. glaube fest), dass auch Sie dies als Anlass zur Beruhigung sehen; wenn wir so schon am Anfang laut sind / dann weiß ich (wirklich) nicht wie laut wir am Ende sein werden“

180 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Vom Tisch des Vorsitzenden lassen sich häufig SA der Aufforderung, der Bitte, der Ermahnung, des Rufens zur Ordnung in Form von metakommunikativen direktiven, persuasiven bzw. insistierenden SA vernehmen: prosím o klid ...ještě jednou prosím o klid ... já vážně prosím o klid ....ráda bych požádala velectěnou Sněmovnu zda by bylo možno trochu ztišit šum v tomto jednacím sále.... prosím o ztišení atmosfěry v jednacím sále protože v takovém hluku se skutečně jednat nedá... pokusím se zjednat trochu důstojnější prostředí.....prosím abychom méně pochodovali po Sněmovně „ich bitte um Ruhe… ich bitte noch einmal um Ruhe… ich bitte wirklich um Ruhe ….ich möchte gerne die Abgeordnetenkammer darum bitten, ob es möglich wäre, den Geräuschpegel in diesem Sitzungssaal zu senken…. Ich bitte um Beruhigung der Atmosphäre denn in einem solchen Lärm kann man wirklich nicht verhandeln… ich werde mich bemühen, eine würdigere Umgebung zu verschaffen… ich bitte darum, in der Kammer weniger spazieren zu gehen

181 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Oft werden die Ermahnungen an die Abgeordneten auch kausal begründet: ...abyste umožnili svým kolegům vystoupení v důstojné atmosféře ...abyste svým konáním umožnili této Sněmovně pokračovat ve své práci ... aby hladina hluku byla odpovídající vážnosti problémů které zde řešíme Längere Appelle: Promiňte paní poslankyně páni poslanci / já jsem v tuto chvíli obdržela i zprávu od stenografek že v tomto hluku není možno stenografovat / já doufám že alespoň s ohledem na toto budete ochotni poněkud snížit hladinu hluku v tomto sále... “Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete / ich erhielt in diesem Moment eine Nachricht von den Stenographinnen, dass man in diesem Lärm nicht stenographieren kann / ich hoffe, dass sie wenigstens unter Berücksichtigung dessen bereit sind, den Geräuschpegel in diesem Saal zu senken.“

182 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Wenn dies alles nicht hilft, kommen sogar Appelle in Form von SA des Drohens und der Warnens vor: Já opravdu nebudu dávat hlasovat nebude-li tady klid ve Sněmovně (...) „Ich lasse wirklich nicht abstimmen wenn hier in der Kammer keine Ruhe herrscht“ Vážení kolegové já prostě konstatuji / že nenastane-li klid ve Sněmovně já normálně se zdvihnu z této židle přestanu řídit schůzi přeruším jednání / já to říkám smrtelně vážně (...) já prostě oznamuji že já to předem oznamuji že budu používat tuto metodu aby náhodou někdo nebyl překvapen ... „Geehrte Kollegen ich konstatiere einfach / dass wenn keine Ruhe im Saal einkehrt stehe ich einfach vom Stuhl auf und höre auf diese Sitzung zu leiten ich unterbreche die Sitzung / ich sage es tot ernst (…) ich kündige einfach an dass ich es im voraus ankündige dass ich diese Methode benutzen werde damit keine nachher überrascht ist..“

183 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Manchmal kommt es vor, dass die Redner in Kooperation mit der Parlamentsvorsitzenden selbst für Ruhe sorgen. Es kommt dann zum turn-taking in Form folgender Repliken: DM nejprve vás požádám paní předsedající / abyste požádala ty kolegyně a kolegy kteří chtějí vykládat / aby vykládali venku / mě to ruší „ich bitte Sie, Frau Vorsitzende, die Kolleginnen und Kollegen, die sich unterhalten wollen, zu bitten, sich draußen unterhalten, mich stört es“ PB prosím o klid v jednacím sále „ich bitte um Ruhe im Sitzungssaal“ DM děkuji za snahu „ich danke für Ihre Bemühungen“ PB pane poslanče / víc z tohoto místa nemohu pro vás udělat „Herr Abgeordneter / mehr kann ich von dieser Stelle aus für Sie nicht machen“ DM ano / já jsem vám poděkoval za snahu ta byla rotomilá „ja / ich habe Ihnen für Ihre Bemühung gedankt, sie war niedlich“

184 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Wiederholt wird auch die Verletzung der Höflichkeitsmaxime eingeklagt; sie wird zum Gegenstand eines Konflikts: PD byl bych rád pane předsedající / kdyby pan K. za mými zády hlasitě nedělal poznámky na téma co říkám / je možné abyste ho napomenul pane předsedající? / napomeňte pana premiéra ať se naučí slušnému chování „ich wäre froh, Herr Vorsitzender / wenn Herr K. nicht laut hinter meinem Rücken Bemerkungen zum Thema, was ich sage, machen würde / ist es möglich, dass Sie ihn ermahnen, Herr Voristzender? / Ermahnen Sie Herrn Premier damit er anständiges Benehmen lernt“ JK dobře pane poslanče já požádám v případě poslance V.K. / protože jako na premiéra na něj samozřejmě nemám žádné páky / jako poslance ho samozřejmě požádám / aby se zdržel hlasitých projevů během vašeho příspěvku (....) „gut, Herr Abgeordneter, ich werde im Falle des Abgeordneten V.K. /denn in seiner Funktion als Premier habe ich natürlich keine Mittel / also als Abgeordneten werde ich ihn selbstverständlich bitten / laute Bemerkungen während Ihrer Rede zu unterlassen“

185 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Die bereits festgestellte mangelnde Disziplin der Abgeordneten als Resultat der oft langen und anstrengenden Diskussionen in den Parlamentssitzungen findet ihren Ausdruck in der häufig anzutreffenden Abwesenheit zahlreicher Abgeordneter. Dann lassen sich oft die Redner mit den folgenden Worten vernehmen: KM Vážená vládo či spíše vážené vládní torzo / protože při pohledu do lavice za mnou mě napadá otázka zda už náhodou neprobíhá restrukturace vlády „Verehrte Regierung oder eher Regierungstorso / denn beim Anblick der Bank hinter mir fällt mir die Frage ein ob nicht zufälligerweise die Restrukturierung der Regierung verläuft“ JL (místopředseda vlády) onomu vládnímu torzu odpovídá asi tak přesně poslanecké torzo „(Vizeprämier) Jenem Regierungstorso entspricht in etwa genau das Abgeordententorso“

186 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Konfliktsituationen Abgeordnete vs. Regierung, Rechte vs. Linke, die Regierungs- vs. Oppositionsparteien In den meisten Fällen wird dieser Antagonismus durch die unterschiedliche politische Einstellung, Ideologie und Zugehörigkeit zu unterschiedlichen politischen Lagern zum Ausdruck gebracht. Selten kommen Konfliktsituationen in Form von offenen direkten SA des <Kritisierens>, <Drohens>, <Beschimpfens> vor. Viel häufiger werden die Konflikte durch indirekte SA ausgedrückt, sie sind durch die Höflichkeitsmaxime und die Öffentlichkeit geprägt und entsprechend abgemildert. Im Unterschied zu anderen Parlamenten kommt es in dem tsch. Parlament sehr selten zu physischen Übergriffen. Drohungen dieser Art hört man nur ausnahmsweise:

187 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
AG V každé slušné a zavedené sněmovně se někdy přihodí že si poslanci dají pár facek / jestliže si ještě jednou vezmete do úst pro svou pokleslou argumentaci naše odbojové a popravené občany této země pak vám pane V. těch pár facek opravdu dám „In jedem anständigen Parlament kommt es manchmal vor dass sich die Abgeordneten ein Paar Ohrfeigen geben / wenn Sie noch einmal aufgrund Ihrer gesunkenen Argumentation unsere Bürger hingerichteten Widerstandskämpfer dieses unseren Landes nehmen dann werde ich Ihnen Herr V. wirklich ein Paar Ohrfeigen geben“

188 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Manchmal passiert die Androhung von physischer Gewalt indirekt: MF s panem poslancem G. bych si rád některé věci vysvětlil mezi čtyřma očima / a to fyzickým způsobem „mit dem Herrn Abgeordneten G. würde ich manche Sachen unter vier Augen regeln / und das auf physische Art und Weise“ Einige Abgeordnete nehmen wirklich kein Blatt vor Mund: JW musím reagovat na rozvášněnou řeč pana ministra V. / pane ministře nenadávejte ani svým kolegům ani opozici / protože vinen jste vy „Ich muss auf die leidenschaftlich erregte Rede von Herrn Minister V. reagieren/ Herr Minister beschimpfen Sie weder Ihre Kollegen noch die Opposition / denn schuld sind allein Sie“

189 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Bewertende Adjektive wie „demagogisch“, „populistisch“, „illegitim“ gehören zu den beliebtesten Aufklebern, mit denen Abgeordnete ihre Kollegen im Parlament häufig etikettieren: PŠ domnívám se že vystoupení exministra V. bylo demagogické a mírně řečeno populistické ty slzy které tu pan exministr roní (...) jsou nelegitimní a řekl bych krokodýlí „ich bin der Meinung dass der Auftritt von Ex-Minister V. demagogisch und milde gesagt populistisch war und die Tränen die Herr Exminister vergießt (…) sind illegitim, sozusagen Krokodilstränen“

190 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Humor und Komik in den Reden von Politikern Wie man in zahlreichen Publikationen zu Humor, Wortspiel, Ironie und Sprachwitz lesen kann (vgl. Kosta 1986, Nash 1985, Mulkay 1988, Chiaro 1992, Norrick 1993, Rosss 1998, Crystal 1998 u. a.), gründet sich Sprachwitz am häufigsten auf Kontrast, Überraschung und Inkongruenz:.man erwartet etwas und wird mit etwas ganz anderem konfrontiert, etwas, was die Konventionen und Regeln bzw. Tabus verletzt: in der Abgeordnetenkammer wird oft der Kontrast zwischen einem gewichtigen, ernsten Thema oder Problem und seiner grotesken trivialen Konkretisation bewirkt, z. B. wenn ein Abgeordneter vom institutionellen Dialog der Parlamentsrede zu seinen eigenen privaten Problemen des Alltags springt: es wirkt z. B. komisch und nicht allzu würdevoll, wenn der Präsident des höchsten Kontrollorgans, der im Parlament einen Tätigkeitsbericht seiner Institution gibt, immer wieder zum Thema zurückkehrt, dass das Parlament kein repräsentatives Gebäude besitzt, dass es zwischen Hafen und Bahnhof siedelt, und wie folgt fortsetzt:

191 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
stala se tam i taková příhoda že v pravé poledne sekretářku která vyšla ven rvali do auta nějací muži a když jim vytrhla říkali že je hloupá že mohla být bohatá kdyby s nimi jela na E 55 „es passierte dort auch so eine Geschichte, dass am Mittag irgendwelche Kerle meine Sekretärin, die herausging, in einen Wagen zerrten und als sie sich ihnen entriss sagten sie zu ihr, sie sei dumm, sie hätte reich werden können wenn sie mit ihnen auf die E 55 gefahren wäre“ (es geht hier um die Tätigkeit als Prostituierte auf der berühmt berüchtigten E 55 bei Dresden/Dubí)

192 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Eigenwillige Fälle der Konkretisierung lassen sich aus dem Munde der Abgeordneten vernehmen, wenn es um das Gesetz zum Schutz vor Alkohol und Drogen geht, z. B. der Abgeordnete P.Č.: nevadí mi když kolega B. kouří a neobtěžuje mě / a jsem dokonce ochoten ze soldárního zdravotního pojištění na jeho rakovinu připlácet // jen abych ji nedostal já dříve než on. „es macht mir nicht aus wenn der Kollege B. raucht und es belästigt mich auch nicht / ich bin sogar bereit vom dem Solidaritätsbeitrag zur KV hinzuzuzahlen für seinen Krebs // nur dass ich ihn nicht früher bekomme als er“

193 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Zu einem sehr anschaulichen Dialog zwischen zwei Abgeordneten kommt es im folgenden Beispiel, wo es ebenfalls um die Behandlung des Alkohol-/Drogengesetzes geht: EJ nejde mi o to že si někdo dá koňak v bufetu / ale o to aby si někdo nepřinesl flašku rumu do hlediště divadla kde dávají Prodanou nevěstu / a nezačal si přihýbat „ es geht mir nicht darum, dass jemand einen Cognac in einer Bar zu sich nimmt / sondern darum, dass er nicht auch noch eine Flasche Rum in den Zuschauerraum wo man (Oper von B. Smetana = P.K.) die Verkaufte Braut aufführt mitnimmt und anfängt ihn reinzukippen“

194 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
GM láhev rumu v divadle či láhev piva ve Sněmovně u nohy poslance mi až tolik nevadí pokud ovšem mi dotyčný po několika dalších lahvích nepadne do klína nebo mě nepozvrací „eine Flasche Rum im Theater oder eine Flasche Bier im Parlament am Bein eines Abgeordneten machen mir nicht allzu viel aus, solange mir der Betroffene nicht in den Schoß fällt oder mich voll kotzt“

195 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Die sprachlichen Mittel Die Sprache der Macht, wie sie in den Parlamentsreden in ihrer reinsten Form in Erscheinung tritt, zeichnet sich durch Figuren der klassischen Rhetorik wie z. B. syntaktische Parallelismen, Antithesen, Paradox, Ironie, Metapher, Phraseologismen, Vergleich usw. aus. Daneben kommen Zitate und bonmots, Anspielungen, Paraphrasen u.a. vor: J.K. Při čtení odpovědi ministra R. na moji interpelaci jaksi zdálky na mne dolehlo / známé Gottwaldovo kdo nejde s námi jde proti nám // jistě by bylo nejlepší kdyby všichni drželu ústa a krok a neodvážili se ani pípnout aby svými tendenčními interpretacemi nevnášeli zmatek do hlav pracujících a budování lepších zítřků „beim Lesen der Antwort des Ministers R. auf meine Eingabe erfasste mich gewissermaßen aus der Ferne das bekannte wer nicht mit uns geht, geht gegen uns Gottwalds // und sicherlich wäre es am besten wenn alle den Mund und Schritt halten würden und nicht mal wagen würden einen Pieps zu machen damit sie nicht durch ihre tendenziösen Interpretationen Chaos in die Köpfe der arbeitenden Bevölkerung hineintragen würden und das Bauen einer besseren Zukunft“

196 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Anekdoten: JK švýcarský důchodce posnídá švýcarský sýr / přečte si švýcarské noviny a jde se projít k Ženevskému jezeru // francouzský důchodce posnídá francouzský sýr / přečte si francouzské noviny a jde se projít do Buloňského lesíka / český důchodce posnídá švýcarský prášek /přečte si Němci vydávané noviny / vezme si francouzské hole a jde do práce „ein Schweizer Rentner frühstückt Schweizer Käse / liest Schweizer Zeitungen und geht spazieren am Genfer See // der französische Rentner isst zum Frühstück französischen Käse / liest französische Zeitungen und geht spazieren im Wald von Boulogne / der tschechische Rentner nimmt eine Schweizer Tablette / liest eine von Deutschen herausgegebene Zeitung / nimmt französische Stöcke und geht arbeiten“

197 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Mögliche Kontrollfragen (Klausur am ) 1. Frage: Womit beschäftigt sich die forensische Linguistik? Antwort: Die forensische Linguistik (eher forensische Phonetik) untersucht Sprache auf einen kriminologischen Aspekt hin, z.B. bei der Feststellung des Urhebers eines Erpresserbriefes. 2. Frage: Was ist ein Schauprozess? Antwort: Als Schauprozesse werden im Allgemeinen öffentliche Gerichtsverfahren bezeichnet, bei den die Verurteilung des Beklagten bereits im Vorhinein feststeht. Das verbleibende Ziel ist, die Gründe der Bestrafung in die Öffentlichkeit zu bringen. Typisch werden Schauprozesse als Mittel zur Verfolgung politischer Gegner oder anderer unerwünschter Personen eingesetzt.

198 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
3. Frage: Nennen Sie die wichtigsten Prinzipien der Kritischen Diskursanalyse Antwort: Summary Critical Linguistics (CDA) The most important characteristics of critical research are: A. Research interests: Uncovering inequality and injustice. B. Object under investigation: Language behaviour in natural speech situations of social relevance (institutions, media, minority problems, racism etc.) is to be investigated. All situations which are threatening or involve power play between individuals are of interest. C. Interdisciplinary research: Social phenomena are too complex to be dealt with adequately in only one field. D. Empirical research: Data from natural speech situations are to be analyzed. Nevertheless, theory and methodology, values and aims are to be discussed explicitly.

199 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Summary Critical Linguistics (CDA) E. Inclusion of the historical perspective: Social processes are dynamic, not static. This has to be reflected in the theory and in the methodology. F. “Leitmotif” of critical research: “Diagnosis” first, interpretation and “therapy” to follow! G. Researchers are forced to take sides: Especially in empirical research, the “subjects under investigation” cannot be treated as objects any longer. Research includes the “researched” and, eventually, ought to help them (if possible). H. Social and political practice is aimed at: Results of research not only imply success in the academic field, but they should also include proposals for practical implementation.

200 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Summary Critical Linguistics (CDA) I. Necessity for new notions and extensions of traditional concepts of “language behaviour” and “meaning”: Social phenomena are very complex, irrational and rational. Many different and ambivalent, conscious and subconscious motives are relevant. Thus multiple methods, manifest and latent meanings, cognitive and affective aspects are important. Finally, the historical and social context should not be neglected. Quellen: Wodak, Ruth. (ed.) Language, power, and ideology: studies in political discourse. Amsterdam, Philadelphia: Benjamins. (Critical Theory, 7). [ES 155 LAN].

201 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
4. Frage: Wodurch unterscheiden sich die folgenden Äußerungen? (1) Ich taufe dieses Schiff auf den Namen "Queen Elizabeth". (2) Ich vermache meine Uhr meinem Bruder. (3) Ich wette einen Fünfziger, dass es morgen nicht regnet. (4) Ich fahre mit der "Queen Elizabeth". (5) Ich blicke auf meine Uhr. (6) Ich habe einen Fünfziger bei mir. Antwort: Die beiden Typen von Äußerungen lassen sich durch folgendes Merkmalbündel (vorläufig) charakterisieren: Wahrheitswert Vollzug der Handlung (1)-(3) performative Äußerungen   (4)-(6) konstative Äußerungen  

202 5. Frage/Aufgabe: Betrachten Sie den folgenden Textausschnitt
1 Vyšinskij: Ja Bucharina choču sprosit‘. U vas bylo svidanie s Ikramovym v 1933 godu? Ich möchte B. fragen. Gab es ein Treffen mit I. im J. 1933? 2 Bucharin: Bylo, ja žil u nego v tečenie neskol‘kich dnej v 1933 godu. Ja, gab es, ich lebte/wohnte bei ihm im Verlaufe einiger Tage im J 3 Vyšinskij: Značit, on pravil‘no rasskazyvaet? Heißt es, er sagt die Wahrheit? 4 Bucharin: Soveršenno pravil‘no. Vollkommen richtig. 5 Vyšinskij: Byli političeskie razgovory? Gab es politische Gespräche? 6 Bucharin: Byli. Es gab sie. (...)

203 7 Vyšinskij: O vreditel‘stve tože s nim govorili
7 Vyšinskij: O vreditel‘stve tože s nim govorili? Haben Sie mit ihm über Schädlingsarbeit gesprochen? 8 Bucharin: Net, ne govoril. Nein, habe ich nicht. 9 Vyšinskij: Čto že on nepravil‘no pokazyvaet? Was nun, sagt er etwa die Unwahrheit? 10 Bucharin: On, očevidno, sputal. Er hat sich offensichtlich geirrt. 11 Vyšinskij: Možet byt‘, popozže govorili? Vielleicht haben Sie später gesprochen?

204 12 Bucharin: Delo v tom, čto Ikramov na očnoj stavke otrical vsjakij razgovor političeskogo charaktera. Ja zastavil ego soznat‘sja. Die Sache ist die, dass I. I. beim Augengespräch jede Art politischer Unterhaltung abgelehnt hatte. Ich zwang ihn, sich zu bekennen. 13 Vyšinskij: Otricaete, čto v étot raz govorili o vreditel‘stve i diversijach? Sie leugnen, dass Sie diesmal von Schädlingsarbeit und Untergrabung gesprochen haben? 14 Bucharin: Éto byl pervyj razgovor. Das war das erste Gespräch 15 Vyšinskij: Počemu vy ne otvečaete na vopros? Warum antworten Sie nicht auf (meine) Fragen? 16 Bucharin: Ja motiviruju moj otricatel‘nyj otvet. Ich motiviere meine negative Antwort 17 Vyšinskij: Mne motivirovka ne nužna. Ich brauche keine Motivation 18 Bucharin: Ja otvečaju otricatel‘no. Ich antworte negativ

205 5. Charakterisieren Sie die Textsorte Schauprozess vom Standpunkt der kritischen Diskursanalyse und der Sprechhandlungstheorie, indem Sie die folgenden Begriffe einbeziehen: a) makrostruktureller Rahmen, b) mikrostrukturelle Sequenzen von Sprechhandlungen, c) Rederechtsteuerung, d) Kooperationsprinzip (Konversationsmaximen), e) Paraphrasieren oder explizieren mit dem Ziel, Vagheit aufzulösen, f) Präzisieren mit dem Ziel, zur Verständnissicherung beizutragen, g) Zusammenfassen mit dem Ziel, einen Vernehmungsabschnitt abzuschließen ggf. auch zu bewerten; h) MSA, die die prozedurale Steuerung des Dialogs betreffen; i) MSA, die die thematische Steuerung des Dialogs betreffen; j) MSA, die die modale Steuerung des Dialogs betreffen, k) MSA, die die phatische Steuerung des Dialogs betreffen.

206 Frage 6: Welche Art von Sprechakt liegt hier vor?
Zahajuji schůzi a věřím že i vy to vezmete jako motiv ke zklidnění a ztišení; jestli takhle hlučíme na začátku / tak nevím jak budeme hlučet na konci „Ich eröffne die Sitzung und gehe davon aus (wörtl. glaube fest), dass auch Sie dies als Anlass zur Beruhigung sehen; wenn wir so schon am Anfang laut sind / dann weiß ich (wirklich) nicht wie laut wir am Ende sein werden“

207 Frage 7: Charakterisieren Sie die direktiven, die persuasiven und die insistierenden Sprechakte im folgenden Text (nach Searle und Kosta, Mann): prosím o klid ...ještě jednou prosím o klid ... já vážně prosím o klid ....ráda bych požádala velectěnou Sněmovnu zda by bylo možno trochu ztišit šum v tomto jednacím sále.... prosím o ztišení atmosfěry v jednacím sále protože v takovém hluku se skutečně jednat nedá... pokusím se zjednat trochu důstojnější prostředí.....prosím abychom méně pochodovali po Sněmovně „ich bitte um Ruhe… ich bitte noch einmal um Ruhe… ich bitte wirklich um Ruhe ….ich möchte gerne die Abgeordnetenkammer darum bitten, ob es möglich wäre, den Geräuschpegel in diesem Sitzungssaal zu senken…. Ich bitte um Beruhigung der Atmosphäre denn in einem solchen Lärm kann man wirklich nicht verhandeln… ich werde mich bemühen, eine würdigere Umgebung zu verschaffen… ich bitte darum, in der Kammer weniger spazieren zu gehen

208 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Literatur: Berwanger, Katrin/Kosta, Peter (eds.) Stereotyp und Geschichtsmythos in Kunst und Sprache. Frankfurt am Main: Peter Lang (Vergleichende Studien zu den slavischen Sprachen und Literaturen, Band 11). Burkhardt, Armin Das Parlament und seine Sprache. Studien zur Theorie und Geschichte parlamentarischer Kommunikation. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik, 241). [Signatur: GD 8840 BUR, ausgeliehen]. Chomsky, Noam Media Control. Wie die Medien uns manipulieren. Hamburg, Wien: Europa Verlag.

209 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Literatur: Carmichael, J Säuberung. Die Konsolidierung des Sowjetregimes unter Stalin 1934/1938. Frankfurt am Main u.a. Čmejrková, S., Hoffmanová, J. (ed.) Jazyk, média, politika. Ehlich, M Metakommunikation. In: Metzler Lexikon Sprache (ed. H. Glück). Stuttgart/Weimar 1993:386. Fotion, N Master Speech Acts. In: The Philosophical Quarterly 21 (1971):

210 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Literatur: Freidhof, Gerd Der Schauprozeß als Exemplum forensischer Linguistik. Teil 1: Einführung und Typologie von charakteristischen Sprechhandlungen. In: Slavische Sprachwissenschaft und Interdisziplinarität (eds. G. Freidhof u.a.). Nr. 1. München 1995, S (Specimina philologiae Slavicae 106). Freidhof, Gerd Der Schauprozeß als Exemplum forensischer Linguistik. Teil 2: Metakommunikation, Metadialog und Master Speech Act. In: Slavische Sprachwissenschaft und Interdisziplinarität (eds. G. Freidhof u.a.). Nr. 2. München 1996, S

211 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Literatur: Gibbons, John (ed.) Language and the Law. London/New York. Hoffmann, L Kommunikation vor Gericht. Tübingen. Hoffmanová, J Veřejné mluvené projevy v Poslanecké sněmovně: humorný konflikt a konfliktní humor. V: Čmejrková, S., Hoffmanová, J. (ed.) Jazyk, média, politika, Kosta, Peter Zur Modellierung persuasiver Sprechakte, in: ZfSl 40 (1995) 3, S Kosta, Peter Zur semantischen Struktur und illokutionären Kraft persuasiver Sprechakte, in: W. Girke (ed.), Slavistische Linguistik 1995: XXI. Konstanzer Slavistisches Arbeitstreffen, Mainz , München 1996, S

212 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Literatur: Kosta, Peter Argumentation, Persuasion und der turn-taking-Mechanismus, in: S. Čmejrková; J. Hoffmanová; O. Müllerová; J. Světlá (eds.), Dialoganalyse VI: Referate der 6. Arbeitstagung, Prag 1996, Tübingen: Niemeyer, 1998 (Beiträge zur Dialogforschung), S

213 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Literatur: Kosta, Peter Zum Tschechenbild bei den Polen und zum Polenbild bei den Tschechen aus der Sicht der Stereotypen- und Prototypensemantik. In: Berwanger, Katrin/Kosta, Peter (eds.) Stereotyp und Geschichtsmythos in Kunst und Sprache, a. a. O., S Kuße, Holger Konjunktionale Koordination in Predigten und politischen Reden. Dargestellt an Belegen aus dem Russischen. München: Sagner (Specimina philologiae Slavicae. Supplementband 61).

214 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Literatur: Kuße, Holger Metadiskursive Argumentation. Linguistische Untersuchungen zum russischen philosophischen Diskurs von Lomonosov bis Losev Leinen. XVIII, 592 S Euro. (ISBN ). Mann, Elke Persuasive Sprechhandlungen in Alltagsdialogen des Russischen : unter besonderer Berücksichtigung ihrer Handlungsbedingungen / Elke Mann. - München : Sagner, S. (Specimina philologiae Slavicae : Supplementband ; 68) Zugl.: Potsdam, Univ., Diss., 1999 (ISBN ISSN ).

215 [28101] Die Sprache der Macht und die Macht der Sprache
Literatur: Škljarevskaja, G. N./Tkaceva, I.O Davajte govorit’ pravil’no: političeskij jazyk sovremennoj Rossii. Kratkij slovar’-spravočnik. Moskva: Akademia [Sign. KC 1775 SKL (Präsenzbestand Golm)]. [SO 1938 = Sudebnyj otčet po delu antisovetskogo „pravo-trockistskogo bloka“ . Moskva 1938]. Jäger, Siegfried Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung. ISBN:  Ausstattung: br., 404 Seiten. Preis: 24.00 Euro.

216 Literatur: Wodak, Ruth. (ed.) Language, power, and ideology: studies in political discourse. Amsterdam, Philadelphia: Benjamins. (Critical Theory, 7). [ES 155 LAN]. Wodak, Ruth/Meyer, M. (eds.) Methods of critical discourse analysis. London u.a.: SAGE. [ET 760 MET] Wodak, Ruth/Paul A. Chilton (eds.) A new agenda in (critical) discourse analysis: theory, methodology and interdisciplinary. Amsterdam, Philadelphia: Benjamins.


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