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Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit

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Präsentation zum Thema: "Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit"—  Präsentation transkript:

1 Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit
Modul 2: Das Christentum in seiner Geschichte Kirche und Staat Erläuterung auf der folgende Folie T - Josephinismus Rechtliche und moralische Aspekte einer privilegierten Beziehung Universität Duisburg-Essen, Winter-Semester 2006/07

2 Kurfürst Johann Friedrich und die Wittenberger Reformatoren, ca. 1543
Lucas Cranach d. J., Holz 73 x 40 (Fragment), Toledo Museum of Arts von links nach rechts: Martin Luther Magister Georg Spalatin Kurfürst Johann Friedrich Lucas Cranach d. J., Johann Friedrich von Sachsen und die Wittenberger Reformatoren, ca. 1543 Holz 73 x 40 (Fragment), Toledo Museum of Arts Tafel war ursprünglich viel größer und durch eine weitere Komposition rechts ergänzt. identifizierbare Personen (v.l.n.r.): Martin Luther, Magister Georg Spalatin (enger kurfürstlicher Berater bereits unter Friedrich dem Weisen), Kf. Johann Friedrich, Kanzler Dr. Gregor Brück, Philipp Melanchthon. Lit. Glaube & Macht, 2004, Nr. 201, S. 148 Kanzler Dr. Gregor Brück Philipp Melanchthon KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

3 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat
Übersicht Vom advocatus ecclesiae zum landesherrlichen Kirchenregiment Obrigkeitsgehorsam und Widerstandsrecht Nationalkirchliche Bewegungen im Katholizismus ad 1) Seit es christliche Herrscher gibt, wird deren politische Würde sakral untermauert. Nie ist es jedoch gelungen, die priesterliche Würde völlig in die politische zu integrieren, also einen Cäsaropapismus zu realisieren. Das landesherrliche Kirchenregiment, wie es sich im Luthertum ausgebildet hat, das dies geschafft. ad 2) Der Blick von unten, vom Untertan, vom Bürger. Der religiöse Normalfall ist das Gehorsamsgebot der Obrigkeit gegenüber. Gibt es eine Grenze für diesen Gehorsam? ad 3) die FNZ ist die Zeit des fürstlichen Absolutismus. Für den Absolutismus ist es ein Dorn im Auge, dass es Bereiche in seinem Dominium gibt, die nicht seiner Hoheit unterstellt sind. Genau dies ist aber im Falle der römischen Religionszugehörigkeit gegeben: der Fürst sitzt nördlich der Alpen der Papst südlich. Von den Versuchen, ein nationales Kirchenregiment zu etablieren, handelt das 3. Kap. KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

4 1.1 der Fürst als advocatus ecclesiae
Zum ersten, daz wir in zeit solicher kuniglichen wirde, ambts und regierung die cristenheit und den stul zu Rom, auch bebstliche Heiligkeit und die kirchen | als derselben advocat in guetem bevelch [Verwaltung] und schirm haben, darzue in sonderheit in dem heiligen reiche friden, recht und ainigkeit phlanzen und aufrichten und verfugen sollen und wellen, daz die [Frieden, Recht] iren geburlichen gang | dem armen als dem reichen gewinnen und haben, … und denselben ordnungen,... und löblichem herkommen nach gericht gehalten werden sol Corpus Christianum Einen festen Platz in der mittelalterlichen Vorstellung vom Corpus Christianum, dies war die allgemeine Vorstellung von einer christlichen Weltgesellschaft, hatte die Idee von der Schutzverpflichtung der weltlichen Macht für die geistlichen Einrichtungen gegen die Bedrohungen durch die Glaubensfeinde. Ein Beispiel dafür aus dem Reformationsjahrhundert ist die Wahlkapitulation (1519) Kaiser Karls V., (GiQIII.109), in der sich der Kandidat für den Kaiserthron den Kurfürsten gegenüber verpflichten mußte. Der 1. Art. formuliert die kaiserliche Advokat- bzw. Vogtfunktion als Garant für Frieden und Rechtssicherheit. Bernaerd van Orley: Bildnis Kaiser Karl V. . Gemälde, Öl auf Holz, um 1525 (Paris, Louvre) NB der Artikel, der für die Vorladung Luthers die Rechtsgrundlage gebildet hat: [22] Wir sollen und wellen auch weiterhin kains wegs gestatten, daz nu hinfuro jemants, hoch oder nider stands, churfurst, furst oder ander, on ursach (hinreichenden Grund), auch unverhort in die acht und aberacht gethan wird .., sondern in solhem (gegen solche) ein ordentlicher process nach des heiligen Römischen reichs aufgerichte satzung gehalten und volzogen werden ... Karl V., Wahlkapitulation (1519) KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

5 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat
1.2 die Obrigkeit als höchste Autorität in Religionssachen – Der Reichstag zu Speyer, 1526 Es haben sich auch churfürsten und stende des reichs ... vereinigt, mit iren underthanen in mitlerzeit¹ des concilii .. also zu leben, zu regiren und zu halten, wie ein ieder solichs gegen gott und irer Mat.² hofft und getraut zu verantworten, uf das fried und einigkeit destobaß³ gehalten und sovil mentschlich und muglich kunftig ufrur und entborung4 im reich furkommen [vermieden] werde ... Die althergebrachte Schutzfunktion der weltlichen Hand für die kirchlichen Einrichtungen wird von den Fürsten in der FNZ gezielt ausgebaut, in den protestantischen Gebieten ungehemmter als in den altgläubigen. Der nun zitierte Reichtstagsabschied – der allerdings in Abwesenheit des Kaisers erfolgt ist – ist dafür ein guten Beleg. > Folie 1) in der Zwischenzeit bis zu einer Regelung durch ein Konzil 2) Majestät 3) umso besser 4)Empörung zitiert nach: Studienbuch Geschichte, 5.181 Der Bauernkrieg, die Gefährdung der fürstlichen Herrschaft durch die aufständischen Bauern hat den religiösen Dissens zwischen den Ständen verdrängt Reichstagsabschied von Speyer (1526) KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

6 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat
1.3 die geistliche Verantwortung der Obrigkeit – aus der Dogmatik Melanchthons ... damit Gott verherrlicht werde. Dieses Ziel sollte einem weisen Lenker des Staates vor allen Dingen vor Augen stehen, so wird das Gemeinwesen glücklich sein. Die Obrigkeit muss nämlich gottlose Formen des Gottesdienstes und ein Bekenntnis gottloser Dogmen verhindern und Häretiker bestrafen ... Denn auch die Obrigkeit ist ein Glied der Kirche, auf die sie ein sehr sorgfältiges Augenmerk haben sollte. Gott schmückt die Könige mit der Ehre seines Namens: Ich habe gesagt, Götter seid ihr (Ps. 82,6), d.h. sie sollen wissen, dass es ihres Amtes ist, die göttlichen Dinge zu beurteilen und in der Welt zu bewahren. Der Gedanke des allgemeinen Priestertums, den Luther in seiner Reformschrift: An den christlichen Adel von des christlichen Standes Besserung, 1520, entwickelt hat, hat es den protestantischen Theologen leicht gemacht, die obrigkeitlichen Kompetenzen in kirchlichen Angelegenheiten gezielt auszubauen. Der Theoretiker des Luthertums dazu einen entscheidenden Beitrag geleistet. Ich zitiere aus 2. Aufl. seiner Dogmatik, den Loci communes von 1533: Als Ziel politischen Handelns formuliert Melanchthon die Absicht: > … ---- Philipp Melanchthon, Loci theologici, 2. Aufl., 1533, CR ... ut Deus glorificetur. Hic fines praecipue sapienti gubernatori reipublicae propositus esse debet, ita vere erunt beatae respublicae. ... Debent igitur Magistratus prohibere impios cultus et impiorum dogmatum professionem, debent punire haereticos. ... Estque Ecclesiae membrum ipse etiam Magistratus, quem decet suis oculis maxime videre. Deus ornat reges honore nominis sui: Ego dixi, dii estis [Ps 81,6], videlicet ut sciant sui officio esse, ut res divinas intelligant et conservent in mundo ... Philipp Melanchthon, Loci theologici, 2. Aufl., 1533 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

7 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat
1.4 die religiöse Verantwortung des Fürsten – die politische Theorie Melanchthons Das Ziel einer menschlichen Gesellschaft ist eigentlich und letztlich: dass Gott bekannt wird. Die Obrigkeit ist der Hüter der menschlichen Gesellschaft; also muss er ein Hüter vor allem dieses Zweckes sein. ... Es irren also solche Obrigkeiten, die die Herrschaft dieser Zweckbestimmung entreißen und sich nur als Hüter des Friedens und des leiblichen Wohls verstehen. Sie haben ein anderes, höheres Amt, nämlich die Verteidigung des ganzen Gesetzes, der ersten und der zweiten Tafel [des Dekalogs], insoweit die äußere Verfassung betroffen ist. Deshalb lässt Gott ihnen die Gemeinschaft seines Namens zuteil werden1 ... In der 1538 veröffentlichten Ethikvorlesung (Philosophiae moralis epitomes – Handbuch der Moralphilosophie, Bd. 1) formuliert Melanchthon die kirchliche Leitungsfunktion der Obrigkeit noch entschiedener: > Zitat 1) vgl. oben Ps 82,6: Ihr seid Götter und allzumal Söhne des Höchsten; in anderen Psalmen wird der König auch von Gott als „mein Sohn“ angesprochen (Psalm 2; 86) --- Exkurs zu dem Begriff: die beiden Tafeln des Gesetzes Philipp Melanchthon, Philosophiae moralis epitomes I (1538) CR 16.92 das lateinische Original: Finis societatis humanae proprius et praecipuus est, ut Deus innotescat. Magistratus est custos societatis humanae: ergo multo magis custos illius praecipui finis esse debet, ... Errant igitur magistratus, qui divellunt gubernationem a fine, et se tantum pacis et ventris custodes esse existimant. Aliud habent maius officium, videlicet defensionem totius legis primae et secundae tabulae, quod ad externam disciplinam attinet. Propter hoc coeleste munus impertit eis Deus societatem sui nominis ... Philipp Melanchthon, Philosophiae moralis epitomes I (1538) KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

8 1.8.1 Glossar (1): die beiden Tafeln des Gesetzes
1) Buchillumination: Moses erhält die beiden Tafeln des Gesetzes 2) Rembrandt: Moses zerschmettert die Gesetzestafeln, 1659; 168,5x136,5, Gemäldegalerie Berlin KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

9 1.8.2 Glossar (1): die beiden Tafeln des Gesetzes
Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren ... Du sollst nicht töten. Du sollst nicht ehebrechen. Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat. 2. Tafel 1. Tafel Ich bin der Herr, dein Gott ... Du sollst keine anderen Götter haben neben mir Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen ... Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen ... Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest ... 1) die übliche Aufteilung in der Kunstgeschichte: 5 / 5 2) Simulation, entsprechend der theologischen Aufteilung: geistlich / weltlich 3) die theologische Aufteilung der beiden Tafeln des Gesetzes Wenn in der Theologie – wie eben von Melanchthon – von den beiden Tafeln des Gesetzes die Rede ist, dann ist genau diese Aufteilung in soziale und religiöse Gebote gemeint. Dass die Obrigkeit Wächter der Einhaltung der sozialen Gebote wie Du sollst nicht töten, Du sollst nicht stehlen etc. ist Allgemeingut. Melanchthon dehnt aber die obrigkeitliche Kompetenz ausdrücklich auf die geistlichen Gebote aus: Die Obrigkeit hat darüber zu wachen, dass Gott nicht beleidigt wird, Götzendienst (= Gottesdienst im Sinne einer anderen Konfeesion) abzustellen etc., wenn er die Wohlfahrt unter seinen Untertanen befördern will. KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

10 1.5 Der Augsburger Religionsfriede: ‚cuius regio, eius religio‘
[Wir] setzen [fest], ordnen [an], wollen und gebieten, dass künftig niemand ... um keinerlei Ursachen willen ... den anderen befehden, bekriegen, berauben ... soll. Und damit solcher Landfriede auch in bezug auf die Religionsspaltung ... desto ... beständiger ... aufgericht und gehalten werde, sollen die kaiserliche Majestät, ... auch Kurfürsten, Fürsten und Stände des Heiligen Reiches keinen Stand des Reiches der Augsburgischen Konfession wegen ... gewaltsam überziehen ... oder sonst gegen sein Gewissen, Wissen und Wollen von dieser Augsburgischen Konfession, Religion, Glaube, Kirchengebräuche, Ordnungen und Zeremonien ... in andere Wege drängen ..., sondern bei solcher Religion ... friedlich bleiben lassen ... Dagegen sollen die Stände, die der Augsburgischen Konfession zugehörig sind, jene Reichstände, die der alten Religion anhängen, Geistliche oder Weltliche, ... gleicherweise bei ihrer Religion ... unbehelligt bleiben ... lassen. Der Schritt, der 1526 nach dem Schock des Bauernkrieges von den Fürsten vollzogen wurde, die Religionssache der Verantwortung der Obrigkeit zu unterstellen, war trotz eines erfolgreichen Religionskrieg gegen die Protestanten vom Kaiser nicht mehr rückgängig zu machen. 1555 wurde die Konfessionsoption des Fürsten unter den Rechtsschutz des Reiches gestellt; die Kurzformel, die die Juristen für diesen Tatbestand fanden, lautet: … - wes des Landes, dessen ist die Religion, zu welchem Land jemand gehört, zu dessen Konfession hat sich der Bewohner zu halten im Bild: Exemplar des Wiener Reichs- und Hofarchivs > die berühmte konfessionelle Landfriedensformel in einer modernisierten Textfassung lautet: Folie Die Einheit des ehrwürdigen Corpus Christianum war damit zu Grabe getragen, der Kaiser trat – ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des Heiligen Römischen Reiches – als gescheiterter advocatus ecclesiae zurück. Abschied des Augsburger Reichstages, 1555, §§ 14; 16

11 1.6 das landesherrliche Kirchenregiment
Welcher Regent ... nun auch öffentliche, allgemeine Reichs- und Friedensschlüsse für sich hat, daß er Episcopus in externis sei und daß er auch die anderen jura Episcopalia, welche die Bischöfe sonst allein für sich oder durch ihre Officiales verrichtet, durch gewisse dazu bestellte ... Personen, die man Consistoriales oder Superintendentes (das ist eben so viel als Episcopi) nennt, zu führen habe, der wird ja daraus ... erkennen, daß es nicht zu verantworten sei, wenn er .. damit .. unordentlich umgeht Im Westfälischen Frieden von Münster/Osnabrück 1648 wurde der Augsburger Religionsfrieden ausdrücklich bestätigt und um die reformierte Konfession erweitert. Die Zentralgewalt des Kaisers wurde weiter geschwächt und die Reichsfürsten zu Quasi-souveräne erhoben. Die Juristen entwickelten im Anschluss daran das sog. Territorialprinzip: Fürst Souverän => auch über Kirche, also auch Bischof – Episkopalismus. Veit Ludwig von Seckendoff, luth. Staatsmann u. Historiker in der 2. Hälfte des 17. Jhs., ; Kanzler des Hzg. Ernst d. Frommen v. Sachsen-Gotha hat in seinem «Christenstaat» (1685) eine Apologie des christlichen Staatswesens geschrieben. Er vertritt darin die bischöfliche Fürsorgepflicht der Obrigkeit für sein Land («Epikopalismus»), das Bischofsamt ist Teil seiner territorialen Souveränität. > Zitat Dieser lutherische Konservatismus konnte allerdings nur in kleineren Territorien gepflegt werden. KTGQ 4/1, 42 Veit Ludwig von Seckendorff, Christenstaat (1685) KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

12 1.7 die Entkonfessionalisierung der obrigkeitlichen Religionsfürsorge
Ich bin gewissermaßen der Papst der Lutheraner und das kirchliche Haupt der Reformierten. Ich ernenne die Prediger und fordere von ihnen nichts als Sittenreinheit und Versöhnlichkeit. Ich erteile Ehedispense ..., da die Ehe im Grunde nur ein bürgerlicher Vertrag ist, … Alle anderen christlichen Sekten werden in Preußen geduldet. Dem ersten, der einen Bürgerkrieg entzünden will, schließt man den Mund, und die Lehrer der Neuerer werden der … Lächerlichkeit preisgegeben. Ich bin neutral zwischen Rom und Genf. In größeren Gebieten war die konfessionelle Geschlossenheit des Landes angesichts der politischen Dynamik nicht aufrecht zu erhalten. Das gilt insbesondere für das Land, das für die Physiognomie des neuzeitlichen Deutschland bestimmend werden sollte: das Kurfürstentum Brandenburg. Von Haus aus, wenn auch verhältnismäßig spät, gut lutherisch, integrierte es das zum weltlichen Herzogtum erhobene gut lutherische Preußen wie auch die reformierten und katholischen Gebiete am Niederrhein. Trotzdem galt in diesem konfessionspluralistischen Territorium weiterhin das reichrechtliche Prinzip des cuius regio, eius religio. Ähnliches gilt für andere Territorien: die Lutherische Kirche Sachsens, also die lutherische Kirche im Ursprungsland der Reformation, wird seit 1698 von einem Summus episcopus regiert, der, um König von Polen werden zu können, zum Katholizismus übergetreten ist. Wie ein aufgeklärter Fürst mit diesem Gegensatz von Recht und Wirklichkeit umgeht, zeigt das folgende Zitat: > Zitat Rom und Genf erläutern d. König versteht sein kirchl. Leitungsamt als Mittel zur Aufrechterhaltung der bürgerlichen Ordnung Friedrich II., Politisches Testament (1752) , - Zeeden 187 Friedrich II., Politisches Testament (1752) KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

13 1.9 Glossar (2): Zum landesherrlichen Kirchenregiment
Summus episcopus Bischofsamt einer weltlichen Obrigkeit in der Reformation nach Wegfall der bisherigen bischöflichen Jurisdiktion ausgebildet; bei Melanchthon als ‚membrum praecipuum’ (besonderes Mitglied [der an sich gleichen Gemeindeglieder])bezeichnet, dann als Notbischof, schließlich, seit dem Westfälischen Frieden als summus episcopus Konsistorium oberste Verwaltungsbehörde der Landes- bzw. Provinzialkirche übte im Namen des Landesherrn dessen kirchl. Regierungsrechte aus (Summepiskopat); Leitung: kollegiales Gremium aus Juristen und Theologen; nach 1918 in Landeskirchenamt umbenannt; im 19. Jh. wurde diese Kirchenstruktur um synodale Elemente erweitert Ius circa sacra Recht über äußeren kirchliche Angelegenheiten im Gegensatz zum ius in sacra (Predigt, Sakramentsverwaltiung) die juristische Kompetenz, in allen äußerlichen Fragen des kirchlichen Lebens zu entscheiden (Kult, Ordnung, Organisation etc.), wobei die Differenzierung problematisch bleibt Wiederholung (Amt) KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

14 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat
Übersicht Vom advocatus ecclesiae zum landesherrlichen Kirchenregiment Obrigkeitsgehorsam und Widerstandsrecht Nationalkirchliche Bewegungen Der Blick von unten, vom Untertan, vom Bürger. Der religiöse Normalfall ist das Gehorsamsgebot der Obrigkeit gegenüber. Gibt es eine Grenze für diesen Gehorsam? KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

15 2.1 die Confessio Augustana, Art. xvi, 1530 – Von der Obrigkeit
Von Polizei und weltlichem Regiment wird gelehret, daß alle Obrigkeit in der Welt und geordnete Regiment und Gesetze gute Ordnung, von Gott geschaffen und eingesetzt seind, und daß Christen mögen in Oberkeit, Fürsten= und Richter=Amt ohne Sunde sein, nach kaiserlichen und anderen ublichen Rechten Urteil und Recht sprechen, Ubeltäter mit dem Schwert strafen, rechte Kriege fuhren, streiten [Prozesse führen], kaufen und verkaufen, aufgelegte Eide tun, Eigenes haben, ehelich sein etc. Im schon häufiger herangezogen Grundgesetz der Lutheraner, in der CA, heißt es zum Thema Obrigkeit: > Zitat es folgt eine Verurteilung der Wiedertäufer, die streng nach den Geboten der Bergpredigt die Unvereinbarkeit von christlicher Vollkommenheit und politischem Amt lehren. KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

16 2.2 Apologie zur Confessio Augustana, Art. XVI
In Summa, ... wir lehren, daß Oberkeit und Regiment, item ihr Recht und Strafe und alles, was dazu gehört, sein gute Kreaturen Gottes und Gottes Ordnung, der ein Christ mit gutem Gewissen brauchen mag. ... Denn das Evangelium zureißet nicht weltlich Regiment, Haushaltung, Käufen, Verkäufen und ander weltliche Polizei, sondern bestätiget Oberkeit und Regiment, und befiehlt, denselbigen gehorsam zu sein als Gottes Ordnung, nicht allein um der Strafe willen, sondern auch um des Gewissens willen. In der Apologie (erweiterte Begründung der CA nach dem Scheitern der Ausgleichsverhandlungen) heißt es zu diesem Artikel: > Zitat Kursive von mir: politischer Gehorsam gibt ein gutes Gewissen Hier wird die Zwei-Reiche-Lehre Luthers bis zur Sakralisierung des Bestehenden strapaziert: 1.) weltliche Ordnung ist Gottes (Schöpfungs-) Ordnung; 2.) politischer Gehorsam wird zur Gewissenssache erhoben Melanchthon, Apologie (1531) Art. XVI. Von weltlichem Regiment KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

17 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat
2.3 Das vierte Gebot nach dem Kleinen und der Grossen Katechismus Martin Luthers, 1529 Kleiner Katechismus Du sollst Deinen Vater und Dein Mutter ehren. Was ist das? Antwort. Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unser Eltern und Herrn nicht verachten noch erzürnen, sondern sie in Ehren halten, ihn dienen, gehorchen, lieb und wert halten. Großer Katechismus Gehorsam allgemein, auch politischer Gehorsam, gehört zum christlichen Erziehungsprogramm > Zitat Ähnlich im Heidelberger Katechismus, 1563: Frage 104: Was will Gott im fünften [sic!] Gebot? Dass ich meinem Vater und meiner Mutter und allen, die mir vorgesetzt sind, alle Ehre, Liebe und Treue beweisen und mich aller guten lehre und Strafe mit gebührlichem Gehorsam unterwerfen und auch mit ihren Gebrechen Geduld haben soll, dieweil uns Gott durch ihre Hand regieren will. Desgleichen ist auch zu reden von Gehorsam weltlicher Oberkeit, welche ...alle in den Vaterstand gehöret ... Darümb, weil sie solchen Namen und Titel [Landesvater] als ihren hohisten Preis mit allen Ehren führen, sind wir auch schuldig, daß wir sie ehren und groß achten fur den teuersten Schatz und köstlichste Kleinod auf Erden. (BSLK, 6. Aufl., 598f) KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

18 2.4 Religion als Gehorsamsdisziplinierung
Die Religion ist von solcher zwingender Kraft für die Regierungen, dass ohne sie jegliches Fundament des Staates ins Wanken gerät ... Denn von allen Gesetzen gibt es keine, die dem Fürsten günstiger wären, als das christliche; denn dieses unterwirft ihnen nicht nur den Leib und die Arbeitskraft der Untertanen, wo es nötig ist, sondern auch die Seelen und die Gewissen; und es [das christliche Gesetz] bindet nicht nur die Hände, sondern auch die Affekte und die Gedanken; und es will, dass man den Fürsten gehorcht, auch den dreisten, nicht nur den moderaten; und das man alles erduldet, um nicht den Frieden zu gefährden. Religion als Sozialdisziplinierung ist kein Spezifikum der Lutheraner oder allgemein der Protestanten. Botero (um ), Priester, Poet, Diplomat, Theoretiker (Politologe) spricht die sozialdisziplinierende Eigenschaft des Christentums ganz unverholen aus: > … Zitat im Original: E' di tanta forza la Religione ne' governi, che senza essa, ogni altro fondamento di Stato vacilla: .... Ma tra tutte le leggi, non ve n'è alcuna più favorevole a' Prencipi, che la Christiana; perché questa sottomette loro, non solamente i corpi e le facoltà de' sudditi, dove conviene, ma gli animi ancora, e le conscienze; e lega non solamente le mani, ma gli affetti ancora, e i pensieri; e vuole, che si obedisca a' Prencipi discoli, non che a' moderati; e che si patisca ogni cosa, per non perturbar la pace (Giovanni Botero, Della Ragione di Stato, Venetia, appresso i Gioliti, 1589, p. 93). Giovanni Botero, Della Ragione di Stato, 1589 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

19 2.5 Widerstandsrecht bei Luther: Gehorsamsverweigerung
Wenn nun dein Fürst oder weltlicher Herr dir gebeut, mit dem Papst zu halten, so oder so zu glauben, oder gebeut dir, Bücher von dir zu tun, so sollst du also sagen: «Es gebürt Lucifer nicht, neben Gott zu sitzen. Lieber Herr, ich bin euch schuldig zu gehorchen mit Leib und Gut, gebietet mir nach eurer Gewalt Maß auf Erden, so will ich folgen. Heißt ihr aber mich glauben und Bücher von mir tun¹, so will ich nicht gehorchen. Denn da seid ihr ein Tyrann und greift zu hoch, ... » Was macht aber der Christ, wenn die Obrigkeit, der ich ja wie einem Vater Gehorsam schulde, von mir etwas verlangt, das meiner tiefen religiösen Überzeugung zu wider ist? Ein Beispiel aus der Geschichte. Georg von Sachsen … Lucas Cranach d. Ä., Bildnis Georgs des Bärtigen, Herzog von Sachsen, 1534, Öl auf Holz, 63,8 x 43,4, Museum der bildenden Künste Leipzig Luther gibt die Antwort im … II. Teil .. 1) gemeint ist die Konfiskation von Luthers Ausgabe des Neuen Testaments im herzoglichen (albertinischen) Sachsen (Martin Luther, Von weltlicher Obrigkeit, wie weit ... (1523) , - GiQIII.133 Lucas Cranach d. Ä., Bildnis Georgs des Bärtigen, Herzog von Sachsen, 1534 Martin Luther, Von weltlicher Obrigkeit, wie weit ..., Teil II, 1523 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

20 2.6 Widerstandsrecht bei Calvin
Wir aber sollen uns unterdessen nachdrücklich hüten, diese Autorität der Obrigkeit, die ... Gott durch die ernstesten Gebote bekräftigt hat, zu verachten oder zu schänden - selbst wenn sie bei ganz unwürdigen Menschen liegt ... Denn wenn auch die Züchtigung einer zügellosen Herrschaft Gottes Rache ist, so sollen wir deshalb doch nicht gleich meinen, solch göttliche Rache sei uns aufgetragen ... Dabei rede ich aber stets von amtlosen Leuten.¹ Anders steht nun die Sache, wo Volksbehörden eingesetzt sind ... Jean Calvin, Institutio religionis Christianae, IV, 20,31 Wo das also so ist [wo es populares magistratus (Amtsleute) gibt], da verbiete ich diesen Männern nicht etwa, der wilden Ungebundenheit der Könige entgegenzutreten, nein ich behaupte geradezu: wenn sie Königen, die maßlos wüten und das niedrige Volk quälen, durch die Finger sehen, so ist solch ihr absichtliches Übersehen immerhin nicht frei von schändlicher Treulosigkeit; denn sie verraten in schnödem Betrug die Freiheit des Volkes, zu deren Hütern sie, wie sie wohl wissen, durch Gottes Anordnung eingesetzt sind. Wie sieht es auf reformierter Seite aus. Zunächst scheint es so, als würden beide protestantischen Konfessionen hier übereinstimmen: > Zitat 1 1) Soweit stimmt Calvin mit Luther überein. Im Konfliktfall gibt es bestenfalls passiver Widerstand. Vgl. den zweiten Teil von Luthers Obrigkeitsschrift von 1523 Doch dann kommt die entscheidende Differenzierung zwischen einfachen Untertanen und Amtsleuten, die der reformierten Widerstandstheorie des 16. Jh. zugrunde liegt: Es gibt eine naturrechtliche Verpflichtung, die persönlichen Bindungen übergeordnet ist: > Zitat 2 ebd. KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

21 2.7 Widerstandsrecht und Widerstandspflicht im Calvinismus
In der Situation eines solchen Amtmannes, von denen Calvin gesprochen hatte, der zugleich durch die naturrechtliche Verpflichtung, dem Volk zu dienen wie durch die Loyalität dem legalen Herrscher gegenüber gebunden ist, befand sich die große Autoritätsperson der französischen Hugenotten: > Gaspard de Coligny, 1547 Generaloberst der Infanterie, 1552 Admiral von Frankreich, 1555 Gouverneur der Picardie, geriet 1557 bei der Verteidigung von St. Quentin in spanische Gefangenschaft, 1559 Übertritt zum Calvinismus, zusammen mit den Fürsten von Condé (Nebenlinie der Bourbonen), wurde Führer der Protestanten, Architekt einer protestantisch geprägten Front gegen Spanien. Im Komplott der Königsmutter Maria Medici und der Herzöge von Guise gegen die Hugenotten wurde er in der Bartholomäusnacht 1572 ermordet. Jean Calvin ( ), Reformator von Genf, Vater des westeuropäischen Protestantismus Gaspard de Coligny, Seigneur de Châtillion, Admiral von Frankreich (1552), Gouverneur der Picardie (1557) KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

22 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat
2.8 Widerstandspflicht Können Sie wirklich mit gutem Gewissen den Gebrauch dieser Gaben [eines Heerführers] seinen Kindern [Gottes Kindern = Calvinisten] vorenthalten? ... Tragen Sie den Degen eines Edelmannes, um die Bekümmerten zu unterdrücken, oder um sie den Krallen der Tyrannen zu entreißen? ... Mein Herr Gemahl, so viel vergossenes Blut der Unseren lastet auf meinem Herzen; all' dieses Blut und Ihre Gemahlin schreien gen Himmel zu Gott empor und auf diesem Lager gegen Sie, dass Sie der Mörder derer sein werden, die Sie nicht davor erretteten, gemordet zu werden. Nachdem trotz des königlichen Toleranzediktes 1562 blutige Überfälle auf die Protestanten und protestantische Gegenangriffe vorgekommen waren, entschloss sich Coligny zum bewaffneten Widerstand. Ein 36jähriger Religionskrieg folgte. Ein anonymer Chronist berichtet von einem nächtlichen Gespräch zwischen der Frau des Admirals und Coligny, das den Gewissenskonflikt des vornehmen Hugenotten sehr gut beschreibt: > … Frau von Cologny zu ihrem Gemahl, Admiral Gaspard de Coligny (1562), nach einem zeitgenössischen protestantischen Geschichtsschreiber, zit. nach: Joseph Chambon, Der französische Protestantismus, München 1938, S. 62f KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

23 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat
Übersicht Vom advocatus ecclesiae zum landesherrlichen Kirchenregiment Obrigkeitsgehorsam und Widerstandsrecht Nationalkirchliche Bewegungen die FNZ ist die Zeit des fürstlichen Absolutismus. Für den Absolutismus ist es ein Dorn im Auge, dass es Bereiche in seinem Dominium gibt, die nicht seiner Hoheit unterstellt sind. Genau dies ist aber im Falle der römischen Religionszugehörigkeit gegeben: der Fürst sitzt nördlich der Alpen, der Papst südlich. Von den Versuchen, ein nationales Kirchenregiment zu etablieren, das der Treue gegenüber dem eigenen Fürsten Rechnung trägt, handelt das folgende 3. Kap. KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

24 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat
3.1 Bossuet ( ) Theologe Kanzelredner Geschichtsphilosoph Prinzenerzieher Bischof von Meaux Dekor eines Repräsentationsbildes: Säule und Vorhang vor einer Hintergrundslandschaft. Hand ruht auf dem Buch wie auf einem Szepter der unordentliche Haufen von Büchern und Manuskripten auf dem Boden verweist auf die rastlose intellektuelle Tätigkeit des Helden Jacques Bénigne, französischer Theologe, Kanzelredner und Geschichtsphilosoph, *Dijon , † Paris ; Bischof von Meaux; verfasste 1681 den »Discours sur l'histoire universelle«, die letzte groß angelegte Deutung der Geschichte vom Standpunkt der christlichen Heilsgeschichte, formulierte 1682 die Erklärung der gallikanischen Freiheiten (Gallikanismus) und wandte sich seit 1697 gegen die Lehre Fénelons (Quietismus). Bossuets literarisches Werk gehört zur französischen Klassik. Hyacinthe RIGAUD, Jacques Bénigne Bossuet, évêque de Meaux, huile sur toile. Musée du Louvre, Paris. > Die Pose von Bossuet (Jacques Bénigne, ) ist analog derjenigen von Ludwig XIV. An Stelle der politischen Autorität tritt hier die doctrinale und religiöse Autorität, wie sie sich im Bischofsgewand, Bossuet war Bischof von Meaux, ausdrückt. Der Dekor entspricht dem aller Repräsentationsbildern: Säule und Vorhang vor einer Hintergrundslandschaft. Während der König sich auf sein Szepter stützt, ruht die Hand Bossuets auf dem Buch. Die Ansammlung von Büchern und Manuskriptseiten zeigt an, wo das Talent von Bossuet ruht, der einer der großen religiösen Schriftsteller seiner Zeit war. Die offensichtliche Unordnung will dem Bild einen eher informellen Charakter verleihen und spielt indirekt auf die pausenlose intellektuelle Arbeit Bossuets an. Hyacinthe RIGAUD, Jacques Bénigne Bossuet, Bischof von Meaux, Öl auf Leinen. Musée du Louvre, Paris. KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

25 3.2 die Gallikanischen Artikel, 1682
1. Dem hl. Petrus und seinen Nachfolgern .. ist von Gott übergeben die Gewalt über geistliche und auf das ewige Heil bezügliche Dinge, nicht aber über die bürgerlichen und zeitlichen... Die Könige und Fürsten sind also nach göttlicher Anordnung in weltlichen Dingen keiner kirchlichen Gewalt unterworfen, sie können durch die kirchliche Schlüsselgewalt weder unmittelbar noch mittelbar abgesetzt werden, ihre Untertanen können nicht von Treue und Gehorsam und dem geleisteten Treueeid entbunden werden 2. Dem apostolischen Stuhl und den Nachfolgern Petri als Christi Stellvertreter steht volle Gewalt über geistliche Dinge zu in der Weise, dass zugleich gelten und unerschüttert bleiben die vom hl. ökumenisch Konzil von Konstanz ... über die Autorität der allgemeinen Konzilien erlassenen Dekrete,*... 4. Auch in Fragen des Glaubens hat der Papst den Hauptanteil, und seine Dekrete betreffen .. sämtliche .. Kirchen, aber sein Urteil ist nicht unabänderlich, wenn nicht die Zustimmung der Kirche hinzugetreten ist Nun zu den Gallikanischen Artikeln, die den frz. Nationalkatholizismus formuliert. Der führende Kopf ist der eben vorstellte Theologe Bossuet. > … *) Anspielung auf „Haec sancta“, das die Oberhoheit des Konzils in der Christenheit festschreibt KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

26 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat
3.3 die Emser Punktation Der römische Papst ist und bleibt zwar immer der Oberaufseher und Primas der ganzen Kirche, der Mittelpunkt der Einigkeit, .. Allein alle anderen Vorzüge und Reservationen, die mit diesem Primate in den ersten Jahrhunderten nicht verbunden, sondern aus den nachherigen Isidorischen Dekretalen¹ zum offenbaren Nachteil der Bischöfe geflossen sind, können jetzt, wo die Unterschiebung und Falschheit derselben .. allgemein anerkannt ist, in den Umfang dieser [päpstl.] Iurisdiktion nicht gezogen werden Auch in Dtl. formuliert sich, weniger offen und weniger auftrumpfend ein nationalkirchlicher Katholizismus. Die Emser Punktation , das Abschlussprotokoll des Emser Kongress (1786), der von Deputierten der deutschen Metropoliten (Köln, Trier, Mainz, Salzburg) getragen wurde, formuliert in ihrer Einleitung: > … 1) Bezeichnung für eine um 850 entstandene Sammlung kirchlicher Rechtsquellen, deren wichtigster Teil, die Dekretalen (Papstbriefe mit Rechtsanspruch) von einem Isidorus Mercator (Anspielung auf den berühmten Kirchenlehrer Isidor von Sevilla († 636) zusammengestellt worden sein soll. Ihr Ziel war, gestützt auf die sog. konstantinische Schenkung, die Stärkung der Macht des Papstes. Seit dem Humanismus als Fälschung erkannt, deswegen als Pseudoisidorische Dekretalen bezeichnet. --- Mirbt 553 Emser Punktation (1786) KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

27 3.4 nationalkirchliche Bewegungen in Deutschland und Frankreich
Febronianismus nationalkirchliche Richtung in Deutschland nach dem Pseudonym Justinus Febronius (Johann Nikolaus von Hontheim)¹: "De statu ecclesiae et legitima potestate Romani Pontificis“²; Episkopalismus als Basis für Wiedervereinigung der Kirchen; von den Metropoliten (Erzbischöfe von Mainz, Köln, Trier, Salzburg), nicht jedoch von den Bischöfen gefördert Gallikanismus nationalkirchliche Bewegung in Frankreich französische Form des Episkopalismus; Eigenständigkeit gegenüber Rom, seit «Pragmatischer Sanktion von Bourges (1438) bis zur frz. Revolution verbindlich; kirchenrechtlich dem Konziliarismus verplichtet, Höhepunkt: «Vier gallikanischen Artikel» (1682) Gallikanische Artikel, 1682 formuliert die Freiheiten der frz. Nationalkirche a) die kirchliche Gewalt erstreckt sich nur auf den geistlichen Bereich; b) die Dekrete des Konstanzer Konzils über die Oberhoheit des Konzils sind verbindlich; c) die Gewohnheiten des französischen Königreichs und der gallikanischen Kirche müssen in Kraft bleiben; d) die Entscheidungen des Papstes bedürfen der Zustimmung der Gesamtkirche. In zwei Folien versuche ich die zentralen Begriffe dieses nationalkirchlichen Katholizismus zusammen zu stellen: >Folie 1) , Weihbischof von Trier 2) „Über die Verfassung der Kirche und die legitime Gewalt des Römischen Bischofs“ KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

28 3.5 Episkopalismus, Konziliarismus, Papalismus
Konzil als oberste Autorität in der Christenheit klassisch formuliert auf dem Konzil von Konstanz ( ); Dekret »Haec sancta synodus« (1415): das Konzil steht über dem Papst; Dekret »Frequens«: Verpflichtung zu regelmäßigen Konzilsversammlungen. Episkopalismus Leitung der Gesamtkirche beim Kollegium der Bischöfe nach dem kirchengeschichtlichen Vorbild der ersten Jahrhunderte, auf Cyprian von Karthago zurückgehend: Einbindung des päpstlichen Primates in das Kollegialsystem Papalismus oder Papalsystem System der päpstlichen Kirchenhoheit im Gegensatz zum Episkopalismus. Nach dem Zusammenbruch nationalkirchlicher Tendenzen in der napoleonischen Ära in der römischen Kirche vorherrschend Die übergreifenden Begriffe in diesem Zusammenhang lauten: > … KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat

29 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat
3.6 Joseph II. Josephinismus unterstellt die katholische Kirche staatlicher Hoheit 1781 Toleranzpatent: bürgerliche Rechte und private Religionsausübung für Andersgläubige (Lutheraner, Reformierte, Orthodoxe, Juden); Säkularisierung von Klöstern und Stiften zugunsten des Bildungssystems, Theologiestudium unter staatlicher Kontrolle, Reduzierung der Feiertage und Wallfahrten Am erfolgreichsten war die nationalkirchliche Bewegung in Österreich. Hier in Österreich war der politische Wille vorhanden, das kirchliche Reformprogramm auch zum Durchbruch zu verhelfen. Die Persönlichkeit, die diesen Willen aufbrachte, war Joseph II. Die Reformen, die er einleitete, trugen seinen Namen. Der Josephinismus ist zum Inbegriff einer aufgeklärten Kirchenreform geworden: > … ; seit 1765 Kaiser, tritt 1780 die Nachfolge seiner Mutter Maria Theresia an KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Kirche und Staat


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