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Learning & Knowledge Stefan Konlechner / Hubert Lackner

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Präsentation zum Thema: "Learning & Knowledge Stefan Konlechner / Hubert Lackner"—  Präsentation transkript:

1 Learning & Knowledge Stefan Konlechner / Hubert Lackner
Institute for Human Resource and Change Management SS 2010

2 Einheit 1 Kick-off, wissenschaftliches Arbeiten und Grundlagen qualitativ-empirischer Methoden der Sozial- und Managementforschung

3 Administratives: Seminararbeit und Leistungsbeurteilung

4 1. Veranstaltungsüberblick
1. Einheit Administratives, Wahrnehmung und Konstruktion Wissenschaftliches Arbeiten, Grundlagen der qualitativen Forschungsmethodik 2. Einheit Lernen auf unterschiedlichen Ebenen (Individuum, Gruppe, Organisation) 3. Einheit Wissensmanagement, Wissenstransfer & organisationale Routinen 4. Einheit Personaleinführung, Sozialisation und organisationale Fortschreibung 5. Einheit Übung & offene Fragen 6. Einheit Ambidexterity (Wechselspiel zwischen Exploration & Exploitation) Dynamic Capabilities (Adaptionskompetenzen von Organisationen)

5 2. Zielsetzung der LV Ziel der LV ist es, wesentliche Aspekte des Themengebietes „strategic learning“ anwendungsorientiert zu vertiefen Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten und Grundzüge der qualitativ-empirischen Sozial- und Managementforschung Anwendungsorientierte Reflexion und Erweiterung des Wissens über „strategic learning“ Exemplarische Behandlung einzelner Themengebiete anhand praktischer Übungen und Fallstudien Aktives Lernen, Einsatz unterschiedlicher Lehrmethoden

6 3. Leistungsbeurteilung
Mitarbeit und Anwesenheit (vorausgesetzt) 2. Rezension eines aktuellen wissenschaftlichen Artikels (25%) der Artikel sollte einem renommierten Journal entnommen sein (z.B. Org. Sci, Org. Stud, AMJ, AMR, ASQ, SMJ, JoM, JMSt, ICC…  mindestens B-wertig nach VHB JourQual2-Ranking) Das Erscheinungsdatum des Artikels sollte nach Möglichkeit nicht länger als ein Jahr zurücklegen Grober Umfang der Arbeit: ca. 1 ½ - 3 Seiten pro Person (Synergieeffekte zur Seminararbeit sind erwünscht) 3. Seminararbeit (75%) Die Seminararbeit stellt eine Gruppenarbeit dar (4-5 Personen) Es gilt den state-of-the-field zu einem eng an „strategic learning“ angrenzenden Themengebiet aufzuarbeiten und eine vorab definierte Forschungsfrage empirisch zu behandeln Grober Richtwert zum Umfang der Arbeit: ca Seiten pro Person Die Seminararbeit stellt das zentrale Kriterium bei der Beurteilung dar

7 4. Themen für die Seminararbeit
1. Einführungsprozesse, strategischer Wandel und organisationale Fortschreibung Gestaltung von Personaleinführungsprozessen in einem Unternehmen (Interview) Wie sind Einführungsprozesse strukturiert? Wie werden Normen und Werte (und welche?) einer Organisation weitergegeben? Wie tragen Einführungsprozesse dazu bei, dass sich Unternehmen (nicht) ändern? Konzepte für die Analyse: Sozialisationstaktiken, organisationales Gedächtnis, Commitment, Routinen (ostensive vs. performative Aspekte), Regeln und Normen 2. Wissenstransfer zwischen unterschiedlichen Unternehmensbereichen Gestaltung von Wissenstransferprozessen in einem Unternehmen (Interview) Wie wird Wissen zwischen unterschiedlichen Unternehmensbereichen transferiert? Wodurch wird die Weitergabe von Wissen in Unternehmen unterstützt? Welche Problembereiche können bei solchen Wissenstransferprozessen auftreten? Konzepte für die Analyse: kausale Ambiguität, Anschlussfähigkeit (Absorptive Capacity), Ambidexterity, Referenzrahmen/Mindsets/Weltanschauungen

8 5. Verfassen einer Seminararbeit (1)
1. Herausschälen des Forschungsinteresses als erster Schritt: Journals als primäre Informationsquelle ! Versuchen Sie überwiegend Journal Beiträge aus renommierten Zeitschriften als Informationsquelle zu nutzen Abgesehen von wenigen Ausnahmen (abhängig von Thema bzw. Buch) stellen Bücher keine geeignete Grundlage dar Nutzen Sie die bereits vorhandenen Literaturzusammenfassungen, die sich ihnen im Literaturkapitel jedes Artikels bieten Sehen Sie sich nach bereits publizierten Literature Reviews um Machen Sie sich mit der elektronischen Bibliothek der JKU vertraut 2. Auf Wissenschaftlichkeit achten! Anleitungen zum wissenschaftlichen Arbeiten finden Sie auf der Institutshomepage bzw. auch auf den Homepages anderer Institute Kein Copy und Paste Sekundärzitate als solche kennzeichnen Bitte auf wikipedia verzichten Zwischen theoretischen Entwicklungen von Konzepten und empirischen Tests ebendieser unterscheiden

9 5. Verfassen einer Seminararbeit (2)
3. Sauberes empirisches Arbeiten! Nutzen Sie die Literaturempfehlungen Achten Sie auf die Regeln für Projektplanung, Datenerhebung und Datenauswertung Binden Sie Ihre Resultate an den Stand der Forschung zurück (Diskussion) Enden Sie mit Colclusio / Limitationen / praktische Implikationen / offene Fragestellungen 4. Bei Aufbau und Gliederung auf Nachvollziehbarkeit der Argumentation achten! Ist die Argumentationslinie stringent (schlüssig, logisch nachvollziehbar)? Hat die Arbeit einen roten Faden? Sind einzelne Subkapitel sinnvoll voneinander abgetrennt? Gibt es Überleitungen, Zwischenresümees und Schlussfolgerungen, die die Arbeit strukturieren? 5. So ausführlich wie nötig, so knapp wie möglich ! Der Umfang der Seminararbeit ist kein Leistungskriterium (Ausnahme: viel zu kurz) Vollständigkeit als (ideelles) Ziel

10 6. Kriterien zur Leistungsbeurteilung
State-of-the-field: Inhaltliche Ausführungen und verwendete Literatur (Wie) wird die relevante Literatur entdeckt & aufgearbeitet? Wird hochwertige Literatur verarbeitet? Stimmt all das, was in der Arbeit geschrieben wird? 2. Empirischer Teil: Datenerhebung und Analyse Wie wurden die Daten erhoben? Wie nachvollziehbar sind die Ergebnisse der Analyse? Wie werden die Ergebnisse an den Stand der Forschung zurückgebunden? 3. Insgesamt: Gliederung & Stringenz der Argumentation Ist die Arbeit logisch aufgebaut? Gibt es Überleitungen, (wie) werden Schlussfolgerungen gezogen? 4. Insgesamt: Formales Einheitliches Erscheinungsbild und Zitierweise

11 Konstruktion der Weltsicht
Wahrnehmung: Die Konstruktion der Weltsicht

12 1. „Wahr“nehmung ist beobachterabhängig (1)

13 1. „Wahr“nehmung ist beobachterabhängig (2)
x

14 . . . x x 1. „Wahr“nehmung ist beobachterabhängig (3) Natürlicher
blinder Fleck “Objektive” Wahr- nehmung mit einem geschlossenen Auge” Wahrnehmung mit beiden Augen “Konstruierte” Wirklichkeit . . . x x “Fehl- konstruktion” Quelle: v. Förster, H. (1994): Das Konstruieren einer Wirklichkeit. In: Watzlawick, P. (Hg.): Die erfundene Wirklichkeit, München/Zürich, Piper:

15 2. Wie wirklich ist die Wirklichkeit? (1)
Die Umwelt als Konstruktion Kernaussage: Die Realität ist im direkten Weg unzugänglich. Das Gehirn bildet die Umwelt nicht ab, sondern bringt eine eigene „Wirklichkeit“ hervor. Sinnesorgane sind „Hardware“; die Verarbeitung der Sinneseindrücke ist kulturell geprägt („Software“ bzw. „Programme“) Verhältnis Wahrnehmungszellen : Verarbeitungszellen = 1 :

16 2. Wie wirklich ist die Wirklichkeit? (2)
Konstruktivismus als Umbrella-Theorie Neurobiologie („Blindflug“) Kommunikationstheorie („Axiome“) Systemtheorie („Trivialmaschine“) Zentrales Kriterium: Nicht Wirklichkeit, sondern Viabilität (Gangbarkeit) „Match“ (naturgetreue Abbildung) vs. „fit“ (Passung) Verlust an Viabilität durch relevante Störungen (Perturbationen) führen zu Rekonstruktionen Soziale Konstruktionen. Unser Referenzrahmen bestimmt ... Grundannahmen über Zeit und Raum Urteile und Bewertungen Werte und Verhaltensnormen

17 2. Wie wirklich ist die Wirklichkeit? (3)
Attribution Attribution = Zuschreibung Fundamentaler Attributionsfehler, bezeichnet die Tendenz von Beobachtern, dispositionale Faktoren (z.B. Eigenschaften) zu überschätzen und situative Faktoren (Umwektbedingungen) zu unterschätzen Wirklichkeit 1. Ordnung vs. Wirklichkeit 2. Ordnung Wirklichkeit 1. Ordnung ist messbar und beweisbar (z.B. physische Eigenschaften von Perlen, Gold, etc.) Wirklichkeit 2. Ordnung umfasst den subjektiven Wert, der Objekten zugeschrieben wird (Wert von Perlen? Wert von Gold?) Pygmalion-Effekt / self-fulfilling prophecy: Wirklichkeit 2. Ordnung beginnt Wirklichkeit 1. Ordnung zu determinieren Vgl. zu selbsterfüllenden Prophezeiungen: Watzlawick, P. (1994): Selbsterfüllende Prophezeiungen. In: Watzlawick, P. (Hg.): Die erfundene Wirklichkeit, München/Zürich, Piper:

18 2. Wie wirklich ist die Wirklichkeit? (4)
H. v. Förster stellt dem Modell der Trivialmaschine das Modell der Nicht-Trivialmaschine gegenüber F X f Y X Z Y Z Triviale Maschine ignoriert Systemzustand linear kausal geschichtsunabhängig vorhersagbar Nicht-triviale Maschine berücksichtigt Systemzustand zirkulär kausal (Selbstreferenz) geschichtsabhängig unvorhersagbar

19 3. Experimente: der fundamentale Attributionsfehler
Storms (1973) erforschte die Ursachen für den fundamentalen Attributionsfehler in einer experimentellen Untersuchung Storms (1973): Akteurs-Beobachter Differenz Storms fand, dass sich die Attributionen von Handelnden und Beobachtern „umkehrten“, wenn den Versuchspersonen eine neue Perspektive vorgeführt wurde Video von A wird vorgeführt B, Beobachter von A  gleiche Orientierung A, Beobachter von B  neue Orientierung Handelnde weniger situativ, Beobachter stärker situativ Kamera für B Kamera Für A Akteur A Akteur B Beobachter für B Beobachter für A Vgl. zu Attributionen: Fincham, F. & Hewstone, M. (2001). Attributionstheorie und -anwendung. In: Stroebe, W., Jonas, K. & Hewstone, M. (Hg.), Sozialpsychologie, 4. Aufl., Berlin, Springer:

20 3. Experimente: Gesund in kranker Umgebung
Rosenhan und Kollegen (1973) untersuchten den Umgang mit „Scheinpatienten“ in US-amerikanischen psychiatrischen Kliniken. Scheinpatienten (tw. selbst Psychiater und Psychologen) simulieren Symptome und lassen sich in eine Anstalt einweisen Sofort nach Aufnahme hören sie auf die Symptome zu zeigen Das Klinikpersonal führt allerdings jede gesetzte Handlung (z.B. Beteuern der eigenen geistigen Gesundheit) auf die Geisteskrankheit zurück Ankündigung weitere Scheinpatienten zu schicken: 19 von 193 Patienten wurden von Ärzten (2 unabhängige Einschätzungen) als Scheinpatienten eingeordnet. Es wurden allerdings gar keine Scheinpatienten mehr geschickt. Quelle: Rosenhan, D. (1994): Gesund in kranker Umgebung. In: Watzlawick, P. (Hg.): Die erfundene Wirklichkeit, München/Zürich, Piper:

21 3. Experimente: Reframing (Umdeuten)
„Reframing“ bezeichnet das Betrachten einer Situation aus unterschiedlichem Blick-winkeln, was oft mit einem Wechsel des aktuellen Referenzrahmens verbunden ist Stellen sie sich vor, dass sich die USA auf den Ausbruch einer ungewöhnlichen asiatischen Krankheit vorbereiten, von der erwartet wird, dass 600 Personen daran sterben werden. Es wurden zwei verschiedene Pläne vorgeschlagen, die Krankheit zu bekämpfen. Nehmen sie an, dass die Folgen der beiden Pläne genau bekannt sind: Wenn Plan A umgesetzt wird, werden 200 Personen gerettet. Wenn Plan C umgesetzt wird, werden 400 Personen sterben. A C Wenn Plan B umgesetzt wird, besteht eine Wahrscheinlichkeit von einem Drittel (1/3), dass 600 Personen gerettet werden, und eine Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln (2/3), dass niemand gerettet wird. Wenn Plan D umgesetzt wird, besteht eine Wahrscheinlichkeit von einem Drittel (1/3), dass niemand sterben wird, und eine Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln (2/3), dass 600 Menschen sterben werden. B D Quelle: Kahneman, D., & Tversky, A. (1979). Prospect theory: An analysis of decisions under risk. Econometrica, 47:

22 3. Experimente: selektive Informationssuche
Menschen neigen eher dazu Information zu suchen, um getätigte (Vor-)annahmen und (Vor-)urteile zu bestätigen als nach Information die diese Annahmen widerlegen Regel: Wenn auf einer Seite der Karte ein Vokal steht, steht auf der anderen Karte eine gerade Zahl. Welche Karten muss man wenden, um die Regel zu überprüfen E T 4 7 Quelle: Wason, P. (1968): Reasoning about a rule. Quarterly Journal of Experimental Psychology, 20: 273–281.

23 4. Wie kocht man einen Frosch?
Wie kocht man einen Frosch? Ins heiße Wasser werfen  Sofortiges Entkommen. Ins lauwarme Wasser legen und langsam erhitzen  kein Entkommen Gut sichtbare Gefahren und drastische Veränderungen der Umweltbedingungen werden rasch erkannt. Geringfügige oder versteckte Veränderungen werden oft lange Zeit nicht erkannt …

24 Wissenschaftliches Arbeiten und Scientific Communities

25 1. Allgemeines Von der Buch- zur Paperlogik
Aufsätze in wissenschaftlichen Fachzeitschriften statt Monografien als zentrales Verbreitungsmedium neuer, wissenschaftlicher Erkenntnisse Einzelne „Scientific Communities“ behandeln Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln Jede Community hat ihre eigenen bevorzugten Journals (in denen somit der Diskurs abgehalten wird) und Konferenzen/Tagungen Hohe Standardisierung in der Form Zeitschriftenaufsätze sind grundsätzlich sehr ähnlich aufgebaut und müssen über verschiedene konstitutive Merkmale verfügen um angenommen zu werden Publikationen als Leistungsindikator im Wissenschaftssystem Der Platz in (hochwertigen) Fachzeitschriften ist rar. Einzelne Beiträge konkurrieren somit um Publikation (teilweise Ablehnquoten von 95%)

26 2. Die Paperlogik Abstract
Kurzzusammenfassung der Problemstellung, der verwendeten Methode, der zentralen Befunde und des Beitrags zum Forschungsstand Problemaufriss, Forschungsfrage/Forschungsziel & state-of-the-field Zusammenfassung des relevanten Forschungsstandes und Ableiten einer Forschungslücke (evtl. Formulierung einer Forschungsfrage) Methodik Abklären des methodischen Vorgehens zur Beantwortung der Forschungsfrage (quantitative vs. qualitative Forschungsmethoden) Ergebnisse Darstellung zentraler Befunde der empirischen Untersuchung Diskussion Rückbinden der zentralen Ergebnisse an den Forschungsstand, vergleich mit der bisherigen Literatur Conclusio Schlussfolgerungen, Beantwortung der Forschungsfrage, Beitrag der Arbeit zum Forschungsstand, weiterführender Forschungsbedarf, Forschungsläcken bzw. offene Forschungsfragen, Schwächen & Limitationen,Implikationen für die Praxis

27 3. Scientific Communities und Journal-Rankings
Einzelne „Scientific Communities“ behandeln unterschiedliche Themenbereiche Besondere Journals, Tagungen, etc. Journals sind von unterschiedlicher Qualität Qualitätsindikator 1: Peer-Rankings Beispiel: VHB-Ranking - Qualitätsindikator 2: Zitationen in anderen Journals (Impact-Factor) Beispiel: SSCI-Ranking Streitpunkt der Diskussion: Rigor versus Relevance

28 4. Das VHB JourQual2-Ranking

29 5. Das SSCI Ranking

30 6. Wissenschaftliches Arbeiten: Wissenschaftlichkeit ist...
Ein wissenschaftlicher Text... ... zeichnet sich durch logisches und analytisches Vorgehen aus (bedient sich wissenschaftlicher Methoden) ... fokussiert auf neues Wissen und erweitert den aktuellen Forschungsstand ... trifft Aussagen, die über Anekdoten hinausgehen (berücksichtigt mehrere Analyseebenen, die über die reine Deskription der Empirie hinausgehen) ... baut auf einschlägiger Literatur auf (berücksichtigt den Forschungsstand des gewählten Forschungsbereichs)  Vorsicht vor populärwissenschaftlichr Literatur ... behandelt definierte Begriffe oder definiert Begriffe selbst (im Anschluss an die bestehende Diskussion) ... ist sachlich im Stil und präzise in der Sprache ... bemüht sich um eine Annäherung an „Objektivität“ (Versuch, Meinungen und Werturteile möglichst beiseite zu lassen) ... Ist kein „Sampler“ (im Sinne einer themenspezifischen, nicht problembezogenen, Literaturkompilation) Vgl. weiterführend: Rössl, D. (2008): Die Diplomarbeit in der Betriebs-wirtschaftslehre, 4. Aufl., Facultas, Wien. bzw .die darin enthaltenen Beiträge.

31 7. Wie verfasse ich eine Rezension?
Inhaltlicher Überblick: kurze Zusammenfassung des Textes,werden bestimmte Passagen kritisiert evtl. auch wörtliche Zitate. Information darüber, wo und wann der Text erschienen ist und zu welcher Textgattung er gehört. Kontextualisierung: Einordnung in den Forschungszusammenhang. An welche Diskussion knüpft die Arbeit an, aus welcher Tradition / Perspektive argumentiert der Autor. Auf welches Problem antwortet die Studie? Wo liegt der Neuigkeitswert? Eigene Stellungnahme: Bezieht sich nicht auf persönliche Vorlieben, sondern auf den Sachverhalt und die Art der Darstellung. Hilfreiche Fragestellungen: Wo liegen die Grenzen der Arbeit? Welche Befunde sind besonders diskussionsbedürftig? Werden die Argumente schlüssig präsentiert? Limitationen (Grenzen) und Stärken der Arbeit?

32 8. Themen für die Seminararbeit
1. Einführungsprozesse, strategischer Wandel und organisationale Fortschreibung Gestaltung von Personaleinführungsprozessen in einem Unternehmen (Interview) Wie sind Einführungsprozesse strukturiert? Wie werden Normen und Werte (und welche?) einer Organisation weitergegeben? Wie tragen Einführungsprozesse dazu bei, dass sich Unternehmen (nicht) ändern? Konzepte für die Analyse: Sozialisationstaktiken, organisationales Gedächtnis, Commitment, Routinen (ostensive vs. performative Aspekte), Regeln und Normen 2. Wissenstransfer zwischen unterschiedlichen Unternehmensbereichen Gestaltung von Wissenstransferprozessen in einem Unternehmen (Interview) Wie wird Wissen zwischen unterschiedlichen Unternehmensbereichen transferiert? Wodurch wird die Weitergabe von Wissen in Unternehmen unterstützt? Welche Problembereiche können bei solchen Wissenstransferprozessen auftreten? Konzepte für die Analyse: kausale Ambiguität, Anschlussfähigkeit (Absorptive Capacity), Ambidexterity, Referenzrahmen/Mindsets/Weltanschauungen

33 9. Verfassen einer Seminararbeit (1)
1. Herausschälen des Forschungsinteresses als erster Schritt: Journals als primäre Informationsquelle ! Versuchen Sie überwiegend Journal Beiträge aus renommierten Zeitschriften als Informationsquelle zu nutzen Abgesehen von wenigen Ausnahmen (abhängig von Thema bzw. Buch) stellen Bücher keine geeignete Grundlage dar Nutzen Sie die bereits vorhandenen Literaturzusammenfassungen, die sich ihnen im Literaturkapitel jedes Artikels bieten Sehen Sie sich nach bereits publizierten Literature Reviews um Machen Sie sich mit der elektronischen Bibliothek der JKU vertraut 2. Auf Wissenschaftlichkeit achten! Anleitungen zum wissenschaftlichen Arbeiten finden Sie in Kürze auf der Institutshomepage bzw. auch auf den Homepages anderer Institute Kein Copy und Paste Sekundärzitate als solche kennzeichnen Bitte auf wikipedia verzichten

34 9. Verfassen einer Seminararbeit (2)
3. Sauberes empirisches Arbeiten! Nutzen Sie die Literaturempfehlungen Achten Sie auf die Regeln für Projektplanung und -durchführung (sowie Datenerhebung und Datenauswertung) Binden Sie Ihre Resultate an den Stand der Forschung zurück (Diskussion) Enden Sie mit Colclusio / Limitationen / praktische Implikationen / offenen Fragestellungen 4. Bei Aufbau und Gliederung auf Nachvollziehbarkeit der Argumentation achten! Ist die Argumentationslinie stringent (schlüssig, logisch nachvollziehbar)? Hat die Arbeit einen roten Faden? Sind einzelne Subkapitel sinnvoll voneinander abgetrennt? Gibt es Überleitungen, Zwischenresümees und Schlussfolgerungen, die die Arbeit strukturieren? 5. So ausführlich wie nötig, so knapp wie möglich ! Der Umfang der Seminararbeit ist kein Leistungskriterium (Ausnahme: viel zu kurz) Vollständigkeit als (ideelles) Ziel

35 10. Kriterien zur Leistungsbeurteilung
State-of-the-field: Inhaltliche Ausführungen und verwendete Literatur (Wie) wird die relevante Literatur entdeckt & aufgearbeitet? Wird hochwertige Literatur verarbeitet? Stimmt all das, was in der Arbeit geschrieben wird? 2. Empirischer Teil: Datenerhebung und Analyse Wie wurden die Daten erhoben? Wie nachvollziehbar sind die Ergebnisse der Analyse? Wie werden die Ergebnisse an den Stand der Forschung zurückgebunden? 3. Insgesamt: Gliederung & Stringenz der Argumentation Ist die Arbeit logisch aufgebaut? Gibt es Überleitungen, (wie) werden Schlussfolgerungen gezogen? 4. Insgesamt: Formales Einheitliches Erscheinungsbild und Zitierweise

36 Grundlagen der qualitativ-empirischen Sozial- und Managementforschung

37 1. Qualitative vs. quantitative Forschungsansätze
Qualitative Forschung Quantitative Forschung Konstruktivistische Perspektive Weltsicht Positivistische Perspektive Theoriebildung, Typisierung, Verstehen (interne Logik) Zielsetzung Theoriebildung, Generalisierung, Erklären (Regelmäßigkeiten) Offene Verfahren, induktiv, kontextabhängig Forschungs-prozess Standardisierte Verfahren, deduktiv, kontextunabhängig Steuerung durch die Dynamik und Relevanzen des Feldes Steuerung des Prozesses Steuerung ex ante durch den Forscher festgelegt Wissen über den Gegenstand beeinflusst die Methoden-entwicklung und -anwendung Verhältnis: Methoden und Forschungs-objekt Für die Methoden gelten allgemeine Regeln. Ergebnisse beanspruchen Gültigkeit unabhängig von den Methoden

38 2. Der Forschungsprozess: Planungsphase
Klarheit über potenzielle Abhängigkeiten muss hergestellt werden Teamarbeit kann Forschungsergebnisse zuverlässiger machen Heterogene Teams können den Feldzugang erleichtern Heterogene Sichtweisen erhöhen den Legitimationsbedarf unterschiedlicher Auslegungen Heterogene Teams ermöglichen Arbeitsteilung und Supervision Eignung qualitativer Methoden zur Untersuchung (bzw. Reichweite) Beschreibungen: Dicht vs. Dünn Typ von Erkenntnis: Fallstudien vs. Typenrekonstruktionen Einstiegsanalyse zur Abgrenzung des Feldes Ein maximaler Spielraum zur Bewegung im Feld soll generiert/behalten werden Quelle: Lueger, M. (2000): Grundlagen qualitativer Feldforschung. Wien, UTB

39 2. Der Forschungsprozess: Orientierungsphase
Regulierung der internen Arbeitsbeziehungen/Teamorganisation Bewusst reflektierter Zugang ins Feld (Gatekeeper, Abhängigkeit) Erste Interaktionen von besonderer Bedeutung, schaffen den Rahmen für Folgekontakte Rollen des Forschers im Feld Periphere Mitgliedschaft: neutrale Distanz zum Feld Aktive Mitgliedschaft: Teilnahme, aber Reflexionsmöglichkeiten Vollständige Mitgliedschaft: „going native“ Übernahme der Terminologie des Feldes Auch Fehlschläge im Rahmen des Feldzugangs sind Analyse-relevant, in jedem Fall: Analyse der Resonanz des Feldes Theoretisches Sampling anstelle von statistischem Sampling

40 2. Der Forschungsprozess: zyklische Hauptforschungsphase
Zyklus von Datenerhebung und -interpretation Trade-off: Auseinandersetzung mit der Logik des Feldes vs. kritische Reflexion Je vertrauter die Forschungsumgebung, desto wichtiger ist die kritische Hinterfragung fester Überzeugungen („Normalität“) Variation der angewandten Verfahren, Erweiterung des Möglichkeitshorizonts für Sinnauslegungen Protokollieren vorläufiger Untersuchungsergebnisse Zwischenbilanzen als Hilfsinstrument zur Kontrolle Memos (erinnern an Anregungen, Ideen, dienen zur Vorbereitung) Kontrastschemata (fixiert Unterscheidungskriterien, Gegensätzlichkeiten) Literaturvergleich (greifen Erklärungsansätze aus der Literatur auf) Datenmaterial ist Ergebnis vielfacher Selektionsmechanismen Zentrale Materialdimensionen Entstehungsdynamik: Emergentes Material (kein Forschereinfluss) vs. forciertes Material (z.B. Interviews) Verfügbarkeit: flüchtiges Material vs. Aufzeichnungen vs. Artefakte

41 2. Der Forschungsprozess: Ergebnisdarstellung
Zentraler Aspekt: Herstellen von Anschlussfähigkeit Drei Adressatengruppen Wissenschaft: Erkenntnisinteresse, hohe Ansprüche an die Vertrauenswürdigkeit der Daten Gesellschaft: Feedback an das Untersuchungsfeld als „Gegenleistung“ Auftraggeber: Studienergebnisse haben oft instrumentellen Charakter (Problemlösungen, Handlungsempfehlungen, Legitimationsbedarf) Kommunikative Funktion von Berichten als dreifache Selektion Verstehen: Anschlussfähigkeit an das jeweilige System Mitteilung: Beachtung des Kontexts der Erscheinung Information: Selektion der Relevanz einzelner Informationen Für Publikationen existiert ein Trade-off zwischen Reduktion der Komplexität der interpretativen Analyse und Sichern der Plausibilität der Analyse

42 3. Die Fallstudienforschungsstrategie: Design und Vorüberlegungen
Eignung von Fallstudien: Theoriebildung statt Theorieprüfung Identifikation der geeigneten Analyseeinheit (Individuum, Gruppe, Organisation, Gesellschaft, Entscheidungen, Projekte, Beziehungen, etc.) Rolle der Theorie: Leitet an und kann einen Rahmen bieten (Aufarbeitung ist notwendig) Sampling: Theoretisches statt statistisches Sampling Generalisierbarkeit: analytische statt statistische Generalisierung Einzelfallstudie vs. multiple Fallstudie Einzelfallstudie: ein Experiment Multiple Fallstudie: viele Experimente und Replikationslogik („literal replication“: gleiche Befunde werden in ähnlichen Fällen erzielt, „theoretical replication“: abweichende Befunde werden erzielt, allerdings aus bekannten Gründen) Vgl. für einen Überblick über die Theoriebildung aus Fallstudien: Yin, R. (2009): Case Study Research: Design and Methods, 4. Aufl. CA, Sage Publ., sowie, Eisenhardt, K. & Graebner, M. (2007): Theory building from cases: Opportunities and challenges. Academy of Management Journal 50:

43 3. Die Fallstudienforschungsstrategie: 3 Phasen
Cross case analysis Design Data collection and analysis Draw Cross- Case Conclusions Write Individual Case Report Conduct 1st Case Study Select Cases Modify Theory Write Individual Case Report Develop Theory Conduct 2nd Case Study Design Data Collection Protocol Develop policy Implications Write Individual Case Report Conduct 3rd Case Study Write Cross Case Report

44 3. Die Fallstudienforschungsstrategie: Datensammlung und -analyse
Interaktion zwischen Datensammlung und –analyse (welche Daten werden benötigt, um getätigte Annahmen zu überprüfen/widerlegen) Datenquellen Dokumente und Aufzeichnungen (Berichte/Reports, Broschüren, Organigramme, Protokollevon Sitzungen, Artikel aus den Medien, Ergebnisse aus quantitativen Untersuchungen, Zahlen und Daten der Organisation, etc.) Interviews (selbst geführt, narrativ vs. problemzentriert) Beobachtung (von außen vs. teilnehmend) Artefaktanalyse (Gebäude, Kalender, Werkzeuge, etc.) Sichern der Plausibilität der Ergebnisse Forschungsvariation (Triangulation – Datentriangulation, Methodenvariation, Perspektivenvariation, Diskurs der Analytiker) Literaturvergleich (bei Einzelfallstudien) Replikationslogik (bei multiplen Fallstudien) Beweiskette etablieren (nachvollziehbare Logik) Aufarbeitung und Darstellung: linear-analytisch, komparativ, chronologisch, Theoriebildend

45 4. Grundlagen der Datenerhebung: Das qualitative Interview (1)
Strukturierungsgrad abhängig vom Erkenntnisinteresse Narratives Interview (freie Erzählung, Zugzwänge des Erzählens) vs. problemzentriertes Interview (semi-strukturiert, leitfadengestützt) Auswahl der Gesprächspartner bereits als Eingriff Einzelinterviews vs. Mehrparteieninterviews Ein Interviewer vs. mehrere Interviewer Variierender Fokus in unterschiedlichen Phasen Interviewplanung Kontaktaufnahme Gesprächseinstieg Erzähl- und Nachfragephase Gesprächsabschluss Fragen als zentraler Steuerungsmechanismus Zeitliche Fragen Sachliche Fragen Soziale Fragen Quelle: Froschauer, U. & Lueger, M. (2003): Das qualitative Interview. Wien, Facultas.

46 4. Grundlagen der Datenerhebung: Das qualitative Interview (2)
Zeitlich (Kontinuität, Diskontinuität) Sachlich (Kompatibilität, Inkompatibilität) Sozial (Konsens, Dissens) Ereignisse und Faktoren Wann ist etwas zum ersten Mal aufgetaucht? Was würde ein Ereignis verhindern? Welche Gruppe hat kooperiert? Zusammenhänge Wie lange hat eine Beziehung gehalten? Was setzt eine Strategie voraus? Wer koaliert mit wem in einer Sache? Funktionen Seit wann wirkt etwas nicht mehr? Was ermöglichte ein Ereignis? Wer ist in einer Sache federführend? Meinungen, Interpretationen Warum dauert etwas so lange? Was könnte eine Änderung bewirken? Wer ist gleicher oder anderer Meinung? Hypothetische Fragen Wie lange könnte etwas dauern? Was könnte etwas verhindern? Wer könnte hier in Konkurrenz treten?

47 5. Grundlagen der Textanalyse: unterschiedliche Verfahren
Primäres Objekt der Analyse: Textprotokoll Je nach Erkenntnisinteresse sind unterschiedliche Methoden einzusetzen Qualitative Inhaltsanalyse Feinstrukturanalyse (objektive Hermeneutik) Eher qualitativ orientiert Eher quantitativ orientiert Analyse latenter Bedeutungen (liegen im verborgenen) Bedeutung Analyse manifester Bedeutungen (sind direkt zugänglich) Verstehen der Textproduktion im konkreten Kontext Verwendung Analyse der inhaltlichen Struktur von Begrifflichkeiten Interpretation fokussiert auf die textliche Feinstruktur Fokus Interpretation fokussiert auf die angesprochene Themenstruktur Gesprächsführung eher den befragten Personen überlassen Anforderung an Interviews Eher vergleichbar halten (Leitfaden) Feinstrukturanalyse, objektive Hermeneutik Zentrales Verfahren Themenzentrierung, Inhaltsanalyse

48 5. Grundlagen der Textanalyse: Qualitative Inhaltsanalyse (1)
Die qualitative Inhaltsanalyse ist eine Technik zur Auswertung von Interviewdaten (eher quantitativ orientiert) Fokus auf Sachthemen, ideal zur Auswertung leitfadengestützter, problemzentrierter Interviews Ziel ist die Strukturierung des Materials nach inhaltlichen Komponenten bzw. das Bilden von Mustern und Typen Im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse werden Aussagen bestimmten Kategorien zugeordnet, hierzu bedarf es einer Entschiedung hinsichtlich... Kategorisierungsdimensionen (welche Aspekte entscheiden darüber in welche Kategorie ein Textbaustein fällt?) Abstraktionsniveau (Wie eng oder breit sind Kategorien gefasst?) Selektionskriterien (Wann fällt ein Textbaustein in eine bestimmte Kategorie?) Kodierregeln (und Ankerbeispiele) legen fest, welchen Kategorien bestimmte Aussagen zuzuornden sind

49 5. Grundlagen der Textanalyse: Qualitative Inhaltsanalyse (2a)
Kategorie Definition Ankerbeispiele Kodierregeln K1: guter Info-fluss Das Rektorat unterrichtet den Betriebsrat regelmäßig über relevante Angelegenheiten. Die Information geht oftmals über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. „Information, also wir kriegen Informationen, im Prinzip alles. Verschiede Sachen sind eine Holschuld, aber häufig versteht es das Rektorat als Bringschuld.“ Informationsfluss wird als positiv und aktiv eingeschätzt; Initiative von beiden Seiten K2: mittlerer Info-fluss Die Information entspricht im Wesentlichen den gesetzlichen Anforderungen. „die Information ist nicht schlecht.“ Der Informations-fluss kann weder eindeutig als gut noch als schlecht bezeichnet werden. K3: schlechter Info-fluss Das Rektorat unterrichtet den Betriebsrat kaum über relevante Angelegen-heiten. Die Information bleibt regelmäßig hinter den gesetzlichen Anforderungen zurück. „Mangelhaft. Mangelhaft.“ „Man muss drängen, man muss Druck ausüben, man muss drohen, aber mit allen möglichen Facetten spielen.“ Informationsfluss als mangelhaft und unzureichend eingeschätzt; Der Betriebsrat muss immer wieder nachfragen.

50 5. Grundlagen der Textanalyse: Qualitative Inhaltsanalyse (2b)
Kategorie Definition Ankerbeispiele Kodierregeln K3a: gezielte Nicht-Infor-mation K3b: Nicht-Infor-mation aufgrund noch nicht einge-spielten Info-flusses Der mangelhafte Informationsfluss zwischen Leitung und Betriebsrat wird darauf zurückgeführt, dass aus (mikro)-politischen Gründen eine Nicht-Information des Betriebsrats erfolgt. Der mangelhafte Informationsfluss zwischen Leitung und Betriebsrat wird darauf zurückgeführt, dass sich noch keine Informationsübermittl-ungsroutinen eingespielt haben. „Entscheidungen, was ich auch gerade genannt habe, wo der Rektor dann schon einen gewissen Plan hat, und wo er uns dann einfach überfährt und auch im Zweifel nicht informiert.“ „Der Umgang mit den Informationspflichten ist ja im Arbeits-verfassungsrecht festgelegt und hat sich einfach noch nicht wirklich eingespielt.“ Attribution der schlechten Informationsbeziehung auf gezieltes Nicht-Informieren (aus politischem Kalkül). Attribution der schlechten Informationsbeziehung auf eine noch nicht eingespielte Situation.

51 Sichtbar, aber interpretationsbedürftig
Exkurs. Organisationskultur (1) In Bezug auf die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens kommt der Organisationskultur als kollektiver Wissensspeicher (Regeln) die zentrale Rolle zu. Symbole, Zeichen (z.B. Sprache, Rituale, Kleidung, Umgangsformen, Strukturen, Ziele, Fähigkeiten und Fertigkeiten) Sichtbar, aber interpretationsbedürftig Werte und Normen (z.B. Verhaltensrichtlinien, „Ideologien“, Maximen, Verbote, Gruppennormen) teils sichtbar, teils unbewusst Basisannahmen (über Umweltbezug, Wahrheit/Zeit, Wesen des Menschen, Wesen menschlicher Handlungen, soziale Beziehungen) unsichtbar, meist unbewusst Quelle: Vgl. Schein (1984), French & Bell (1994)

52 ? Exkurs. Organisationskultur (2)
Die Analyse der Unternehmenskultur folgt einem interpretativen Prozess mit Hypothesenbildung. Analyse- und Interpretationsprozess: Analyse der Symbole und Ableitung eines „runden“ Bildes (Hypothesenbildung 1) über die Normen und Werte. Analyse der Basisannahmen (Hypothesenbildung 2). Beschreibung des Paradigmas der Organisation (Hypothesenbildung 3). Symbole, Zeichen ? Werte und Normen Basisannahmen Zur Analyse eigenen sich besonders die qualitativen Methoden der objektiven Hermeneutik.

53 5. Grundlagen der Textanalyse: Feinstrukturanalyse (1)
Ziel ist die Hypothesengenerierung und nachfolgende -überprüfung zur Analyse sozialer Systeme (z.B. einer Organisation). Die Feinstrukturanalyse ermöglicht die „Erfassung von Sinngehalten“ des sozialen Systems (Kommunikationssysteme). Es werden damit die Wirklichkeitskonstruktionen bzw. die Strukturen von sozialen Systemen erschließbar. Durch die Interpretation der Sinneinheiten (Textauszüge) wird vor allem auf die latenten Strukturen des sozialen Systems geschlossen. Basis der Feinstrukturanalyse sind narrative Interviews, die penibel genau transkribiert werden müssen (d.h. inkl. Umgangssprache, ähs, Grammatikfehler und Versprecher). Die Sequenz sollte max. 4-8 Textzeilen umfassen (Zeitafwand: mind. 4 Stunden). Das Interpretationsverfahren ist zu Beginn für eine Vielzahl von Lesearten offen. Vgl. für eine Einführung in die objektive Hermeneutik: Froschauer, U. & Lueger, M. (2003): Das qualitative Interview. Wien, Facultas.

54 5. Grundlagen der Textanalyse: Feinstrukturanalyse (2)
Die Sinneinheit (Satzteil) ist so zu wählen, dass die Einheit „gerade noch“ Sinn ergibt. Für jede Sinneinheit sind folgende Interpretationsschritte einzuhalten: Welche vordergründige Informationen liegt der Sinneinheit zu Grunde? (Wie könnte man noch dazu sagen?) Wofür hat sich die befragte Person inhaltlich entschieden? Wie lässt sich der Inhalt der Sinneinheit nach dem Alltagsverständnis charakterisieren? Welcher Anschluss ergibt sich dabei aus den vorangegangenen Sinneinheiten? Welche Funktion könnte die Äußerung für die befragte Person haben bzw. welche Intentionen könnten dazu geführt haben? Was will die befragte Person mit dieser Aussage bei der interviewenden Person erreichen? Worauf will die befragte Person hinweisen? Wie könnte die befragte Person die Gesprächssituation auslegen?

55 5. Grundlagen der Textanalyse: Feinstrukturanalyse (3)
Welche latenten Momente könnten der Sinneinheit zugrunde liegen und welche objektiven Konsequenzen für Handlungs- und Denkweisen (bzw. ein spezifisches System) könnten sich daraus ergeben? (Kernstück der Interpretation) – Ziel ist das Finden möglichst unterschiedlicher Lesarten. Hier ist besonders auf die Bedeutung von vagen Begriffen, spezifischen Wortverwendungen, Differenzierungen, emotionalen Affekten (Umgangssprache), Strukturen und sich andeutenden Umweltbeziehungen zu achten. Welche unterschiedlichen Bedeutungen könnten sich ergeben, wenn man die Sinneinheit mit verschiedener Wortbetonung liest? Was könnten Selbstverständlichkeiten oder Generalisierungen bedeuten (man, es, Leute, alle etc.)? Erklären die Zeitwörter genug (wer, wem, was)? Warum sind welche grammatikalischen Konstruktionen verwendet (Aktiv, Passiv, Konditionalform etc.)? Fallen bestimmte sprachliche Besonderheiten auf und was können sie bedeuten (Wortverwendungen, Wiederholungen, Satzabbrüche, Versprecher etc.)? Wie kommen Annahmen über Themenstellungen oder erwähnte Personen zustande? Was kann die Aussage in anderen sozialen Zusammenhängen bedeuten? Worauf kann sich der Sinn der Aussage noch beziehen?

56 5. Grundlagen der Textanalyse: Feinstrukturanalyse (4a)
Sinneinheit: „Also wir sind äußerst ausgelastet...“ Paraphrase Intention / Funktion Latente Bedeutung Rollen-verteilung Anschluss-option Wir haben mehr als genug zu tun Mehr als jetzt geht nicht Es ist die Menge nicht die Qualität der Arbeit Ich möchte mich nicht als überlastet definieren Die Anwesenden sollen wissen, dass man uns nicht mehr zumuten kann Kollektiveffekt, indem von „uns“ gesprochen wird Es handelt sich nicht um ein persönliches, sondern um ein strukturelles Problem Die Aussage soll nicht als persönlich abgestempelt werden Andere sind möglicherweise nicht ausgelastet Begründung, weshalb die Arbeit ein Problem darstellt Im System könnte es den Vorwurf der Inkompetenz geben Möglicher-weise Solidaritäts-aufforderung an die Gruppe Potenzielle Abgrenzung gegen andere (Unterneh-mensleitung, Mitarbeiter anderer Unterneh-mens-bereiche) Präzisierung der Auslastung Zuschrei-bungen bzgl. der Auslas-tung

57 5. Grundlagen der Textanalyse: Feinstrukturanalyse (4b)
Sinneinheit: „...Überstunden ohne Ende...“ Paraphrase Intention / Funktion Latente Bedeutung Rollen-verteilung Anschluss-option Das Problem sind viele Überstunden Wir können nicht einmal mehr ver-schnaufen Wir werden mit Arbeit zugedeckt Wir machen mehr als wir müssten Permanente Belastung, kein Horizont; extrem: Hoffnungs-losigkeit Kein Ende absehbar, keine Höhen und Tiefen mehr, Alle arbeiten am Limit Es wird Engagement für das Unternehmen bekundet, Unter-ton: Ausbeutung durch das U. Sprache im Telegrammstil: sogar Sprache wird rationalisiert, was den Inhalt bestätigt Das System bietet keine Per-spektive, sondern frisst einen auf Die Mitarbeiter sind den Anfor-derungen ausgeliefert Präzisierung woher kommen die Überstunden und welche Folgen ergeben sich aus ihnen Einleitung einer negativen Darstellung der Arbeits-situation

58 5. Grundlagen der Textanalyse: Feinstrukturanalyse (4c)
Sinneinheit: „...es hat sich natürlich viel getan...“ Paraphrase Intention / Funktion Latente Bedeutung Rollen-verteilung Anschluss-option Es gab Ver-änderungen in letzter Zeit Hinweis, dass sich viel geändert hat könnte Erklärung für die Auslastung sein Nicht Inkompetenz, sondern Änderungen führen zur Auslastung Sollen die Änderungen gestoppt werden? „Es“ ist unpersönlich und unspezifisch. In welcher Hinsicht hat sich was getan? Passive Formulierung: kein eigener Beitrag, keine Schuld Die Änderungen sind so vielfältig, dass man sie schon gar nicht mehr im Detail beschreiben kann Die Veränderungen sind naturgegeben, keiner ist dafür verantwortlich Die Veränderungen liegen in der Vergangenheit, wirken noch nach Veränderungen werden intern betrieben, wobei die sprechende Person passiv ist Personen sind an Veränderungen unbeteiligt, sie sind von externen Bedingungen getrieben Wenn Personen beteiligt sind werden sie nicht genannt (starke Hierarchie?) Präzisierung des „es“ und „getan“ Hinweise auf interne oder externe Zu-schreibung

59 5. Grundlagen der Textanalyse: Feinstrukturanalyse (4d)
Sinneinheit: „...viele neue Arbeitsgebiete im letzten halben Jahr...“ Paraphrase Intention / Funktion Latente Bedeutung Rollen-verteilung Anschluss-option Es hat Um-strukturier-ungen gegeben, die neue Arbeits-felder schufen Die Veränderungen beziehen sich auf einen kurzen Zeitraum Es gab massive Ver-änderungen der Arbeits-struktur Die Ver-änderungen haben rasant stattgefunden Die Organisation hat sich verändert und ist damit nicht mehr mit der alten Organisation zu vergleichen Die Veränderungen führten offenbar zu einer internen Differenzierung Neue Arbeitsgebiete haben mit veränderten Aufgaben im Unternehmen zu tun (Kompetenzverteilungen und Positionskämpfe sorgen für Unruhe) Die Wirkungen der Veränderungen sind noch nicht klar abschätzbar Arbeitsauf-teilungen schaffen neue Kompetenz-felder und betreffen damit auch Neupositio-nierungen der Beteiligten Weitere Hinweise auf die neuen Arbeits-gebiete Weitere Hinweise auf die Zeit-struktur der Veränderungen

60 5. Grundlagen der Textanalyse: Feinstrukturanalyse (4e)
Sinneinheit: „... (Pause) ...sage ich jetzt einfach einmal...“ Paraphrase Intention / Funktion Latente Bedeutung Rollen-verteilung Anschluss-option Das ist sehr locker formuliert Das ist jetzt meine Privat-meinung Die Worte sollen nicht auf die Goldwaage gelegt werden Nicht alle sind möglicher-weise gleicher Meinung Ich möchte mir einen Rückzug offenhalten Appell an andere sich zu melden Damit erfolgt ein Rückzieher von der eher verständnisvollen Sicht, die sich offenbar von der kollek-tiven Einschätzung unterscheidet Es gibt Unterschiede in der Beurteilung der Situation Es gibt eine potenzielle Konfliktlinie innerhalb der Belegschaft (Verständnis vs. Ablehnung) Man muss vorsichtig mit solchen Aussagen sein Dass niemand in die Pause ein-springt deutet auf eine potenzielle Isolierung des Sprechers Möglicher-weise sind andere anderer Meinung Das ich übernimmt eine andere Position als das Wir Differenzen zwischen unter-schiedlichen Beteiligten Dies könnte ein Signal für einen Sprecher-wechsel sein Es folgt eine Begründung für die Dis-tanzierung

61 5. Grundlagen der Textanalyse: Feinstrukturanalyse (4f)
Sinneinheit: „...was natürlich durch den Markt, durch den Wettbewerb kommt“ Paraphrase Intention / Funktion Latente Bedeutung Rollen-verteilung Anschluss-option Es sind Umwelt-ursachen Es liegt nicht an den Handelnden Diese Erklärung muss doch einleuchtend sein Die Veränderungen sind intern nicht begründet Das Unternehmen ist dem Wettbewerb ausgesetzt Bislang hat das Unternehmen offenbar in einem geschützten Rahmen agiert Marktveränderungen sind nicht aktiv gestaltbar Die Mitarbeiter im Unternehmen können hier keine wirksamen Maßnahmen ergreifen und sind damit nur beschränkt handlungs-fähig Akteure werden zu passiv reagierenden gemacht Der Führung kann man Veränderungen nicht vorwerfen Wenn der Begrün-dungsdruck sehr hoch ist, müsste eine genaue Erläuterung folgen

62 5. Grundlagen der Textanalyse: Feinstrukturanalyse (4g)
Zusammenfassende Analyse Die Organisation ist von Veränderungen betroffen, die nicht als von innen heraus, sondern als von außen aufgedrängt empfunden werden Die Umwelt bestimmt die Vorgänge in der Organisation. Aktivitäten der Mitarbeiter sind Anpassungsstrategien Schuld an der Situation trägt kein Organisationsmitglied, sondern die Umwelt Dennoch ist die Belastung der Umstellungen nicht zu ignorieren; die Bereitschaft die Belastungen zu erdulden sinkt Es bestehen Hinweise auf einen Konflikt zwischen Belegschaft und Unternehmensleitung (noch nicht ausgebrochen) Im Zetrum des Konflikts stehen Umstrukturierungen im Unternehmen. Es besteht die zunehmende Erwartung nach Strukturierung Von außen aufgezwungene Maßnahmen werden als Notwendigkeit hingenommen; intern provozierte Neuerungen finden kaum Folgebereitschschaft In der Belegschaft gibt es hierzu keine einhellige Meinung. Einig ist man sich, dass die Belastungsgrenze erreicht ist. Uneinig ist man hinsichtlich der Verantwortung der Führung


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