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Präsentation zum Thema: "Hinweis Diese Powerpoint-Präsentation enthält Notizen, die in der „Normal“-Ansicht eingesehen werden können."—  Präsentation transkript:

1 Hinweis Diese Powerpoint-Präsentation enthält Notizen, die in der „Normal“-Ansicht eingesehen werden können.

2 Dr. Katy Teubener Bild Dir Deine Meinung Vom Umgang mit Texten und Bildern im Zeitalter des Internet

3 Ein Vortrag anlässlich der Konferenz "The Unifying Aspects of Cultures" des Instituts zur Erforschung und Förderung österreichischer und internationaler Literaturprozesse (INST) vom 7. bis 9. November 2003 in Wien, Sektion "Kulturelle Aspekte der Visualisierung in den Sozial- und Geisteswissenschaften". „Lernprozesse mit tödlichem Ausgang“, so lautet der Titel eines Buches des Filmemachers, Fernsehautors und Schriftstellers Alexander Kluge. Auch meinem Vortrag liegt ein Lernprozess zugrunde, der glücklicherweise jedoch rechtzeitig eingesetzt hat und dessen wichtigste Stationen ich im Folgenden gerne beschreiben möchte.

4 Hinter diesem (Zeit-)Fenster müssen Sie sich eine dem Papier nach durchaus sehr erfolgreiche, gemessen an ihren eigenen Ansprüchen jedoch ziemlich enttäuschte Hochschulabsolventin vorstellen, nämlich mich vor ungefähr 10 Jahren. Was hatte diese, wenn Sie so wollen, wissenschaftliche Krise in mir ausgelöst? Ich hatte mir mit dem Thema Sponsoring ein Examensthema gewählt, das bis dahin fest in der Hand der Betriebswirtschaftslehre war. Erst langsam begann auch meine Disziplin, die Soziologie, die Bedeutung dieser Entwicklung zu erkennen und kritisch zu reflektieren. Mein Denken pendelte somit ständig zwischen zwei verschiedenen Disziplinen und innerhalb der Disziplinen zwischen fünf verschiedenen Sponsoring-Bereichen (Sport, Kunst, Umwelt, Soziales und Medien) hin- und her. Hinzu kam, das ich mich mit dem Thema Sponsoring für ein an und für sich grenzüberschreitendes Phänomen entschieden hatte. Wissenschaft und Wirtschaft, Kunst und Kommerz, Werbung und Programm, alles schien sich auf unheilvolle Weise miteinander zu vermischen.

5 Nichts, aber auch gar nichts von dieser fluiden, hinsichtlich ihres Ausganges damals noch völlig offenen Situation und der zuvor beschriebenen Notwendigkeit interdisziplinären Denkens spiegelte sich am Ende in der Form meiner Arbeit wieder. Dort hatte alles seine im Vorfeld festgelegte Ordnung. Noch größer als mein Unbehagen gegenüber hierarchischem Denken, das sich in solchen Baumstrukturen manifestiert, war allerdings mein Erstaunen darüber, dass niemand außer mir dieses Unbehagen zu teilen schien. Erst viel später bin auf die französischen Wissenschaftler Deleuze/Guattari gestoßen, die bereits 1976 von einem epochalen Wandel des Buches sprachen und im Protest gegen das Denken in Kausalketten das Wort Rhizom propagierten. Anders als zentrierte Systeme mit hierarchischer Kommunikation und feststehenden Beziehungen ist ein Rhizom ein azentrisches, nicht hierarchisches und asignifikantes System ohne General, das einzig und allein durch eine Zirkulation von Zuständen definiert wird. »Wir sind des Baumes überdrüssig geworden. (...) wir haben zu sehr darunter gelitten.« Gilles Deleuze/Felix Guattari, Rhizom (1976)

6 Ungeachtet der Bemühungen nicht nur von Deleuze/Guattari neue Formen der Organisation und Kommunikation wissenschaftlicher Inhalte zu entwickeln, ist das Erscheinungsbild von Examensarbeiten – hier eine Doppelseite aus meiner Arbeit - seit Jahrzehnten … »Ein trauriges Bild des Denkens« Gilles Deleuze/Felix Guattari, Rhizom (1976)

7 … im Großen und Ganzen dasselbe.
»Ein trauriges Bild des Denkens« Gilles Deleuze/Felix Guattari, Rhizom (1976)

8 Geburtsstunde des (modernen) Hypertextes
Daran hat sich erstaunlicherweise auch seit Einführung der Windows-Oberfläche und des World Wide Web nichts geändert. Obwohl insbesondere das Surfen im Internet und damit verbunden das Hin- und Herspringen zwischen verschiedenen Informationseinheiten aus dem Alltag vieler Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen kaum mehr wegzudenken ist, dominiert nach wie vor die Vorstellung vom Buch als, wie Deleuze/Guattari es formuliert haben „schöner organischer Totalität“. Doch nicht nur die Tradition des Denkens in Baumstrukturen rief meinen Unmut hervor. Noch heute ist es so, dass ich mit dem Thema Sponsoring zunächst Bilder verbinde. Da ist zum Beispiel die Vorstellung einer riesigen Krake, die mit ihren Saugnäpfen an alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens anzudocken versucht oder, weniger abstrakt, … Geburtsstunde des (modernen) Hypertextes

9 ... das Siegerlächeln eines Michael Schumachers, das nur noch von der Buntheit der unzähligen Logos auf seinem Rennanzug überstrahlt wird. Wenn Erinnerungen wesentlich bildlich organisiert sind - ich selbst habe erst wenige Male in meinem Leben wissentlich Text geträumt, d.h. im Schlaf gelesen - dann stellt sich mir die Frage, wieso Bilder in der Wissenschaft oder präziser in der Hochschullehre immer noch einen so geringen Stellenwert haben, zumal ja nicht nur das Erinnern, sondern mentale Prozesse überhaupt, so auch das Lernen, in hohem Maße visuell funktionieren. Nun tauchen zwar in letzter Zeit immer mehr Examensarbeiten mit hübschen, farbigen Bildern auf, die Art und Weise, wie die Bilder eingesetzt werden und was für welche, erinnert jedoch eher an Deko-Material als an den Versuch, Wissenschaft, wissenschaftliche Theorien zu visualisieren. Freizeitangebote

10 Dass auf diesem Gebiet ein großer Bedarf besteht, haben die Amerikaner bereits Mitte der 1980er Jahre erkannt und die Wissenschaft vom Bild - Imaging Science - ins Leben gerufen, einen Wissenschaftszweig, der mittlerweile auch in Deutschland unter dem Namen Visualistik Einzug gehalten hat. Die Visualistik analysiert wie das Verhältnis von Wissen und Macht bei der Bilderproduktion zu bestimmen ist, was ein gutes Bild ist, was ein schlechtes, wie die in einem Bild enthaltene Information wissenschaftlich zu ermitteln ist. Leider beschränkt sich diese Disziplin in der praktischen Anwendung zur Zeit noch auf die Ingenieur- und Naturwissenschaften, die in den letzten Jahren mit einer Reihe wahrlich faszinierender Bilder auf sich und ihre Forschung aufmerksam gemacht haben, so etwa mit diesem hier: Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts war es Anfang der 1990er Jahre zum ersten Mal gelungen auf einem Silizium-Chip planvoll Verbindungen zwischen einzelnen Nervenzellen zu züchten. Dieses Aufnahme dokumentierte in gewisser Hinsicht die Geburtsstunde des Cyborg. Während die Leistung etwa der Biophysik in der Produktion neuen, noch nie dagewesenen Materials besteht, geht es bei der soeben postulierten Einbindung von Bildern in geistes- und sozialwissenschaftlichen Kontexten vielmehr um einen mündigen Umgang mit bereits vorhandenem. Imaging Science

11 Bild Dir ein, Du hättest eine Meinung
Denn das ist doch die eigentliche, da alltägliche Herausforderung. Wie etwa verhalte ich mich gegenüber dem Informationsangebot dieser Zeitung, einem Giganten in der Produktion von Bildern ohne Referenz. Es sei in diesem Zusammenhang an das Vorwort von Ruth Berlau in Brechts Kriegsfibel von 1955 erinnert, das heute aktueller ist denn je. Dort schreibt sie: „(...) es ist dem Nichtgeschulten ebenso schwer, ein Bild zu lesen wie irgendwelche Hieroglyphen. Die große Ungewissheit über gesellschaftliche Zusammenhänge, die der Kapitalismus sorgsam und brutal aufrechterhält, macht die Tausende von Fotos in den Illustrierten zu wahren Hieroglyphentafeln, unentzifferbar dem nichtsahnenden Leser.“ Bild Dir ein, Du hättest eine Meinung

12 Wenn ich von einem mündigen Umgang mit Bildern sprechen, geht es mir jedoch nicht so sehr darum, möglichen Manipulationen auf die Schliche zu kommen. Nur in den seltensten Fällen wird so offensichtlich und für jeden nachvollziehbar getrickst wie etwa in der Hollywood Produktion Forest Gump … Digital Compositing

13 Bild Dir ein, Du hättest eine Meinung
… oder so plump gefälscht wie in diesen Boulevardblättern, wo eine Schwangere auch schon mal vor der Geburt als glückliche Mutter präsentiert wird und ihr vermeintliches Kind noch dazu jedes mal völlig anders aussieht. Bild Dir ein, Du hättest eine Meinung

14 Der manipulierte Blick
Manipulationen fangen nicht erst da an, wo, wie in diesem historischen Fall, politische Weggenossen, die in Ungnade gefallen sind, ... Der manipulierte Blick

15 Der manipulierte Blick
… rückwirkend ausgelöscht, retuschiert werden. Der manipulierte Blick

16 »Von der demütigen, bescheidenen Frau zur selbstbewußten Herrin – allein dadurch, daß man ihr den zur Seite geneigten Kopf gerade rückt.« (Frey 1999) Manchmal reicht es, ein Bild einfach ein wenig zu kippen, um eine völlig andere Aussage zu erzielen, und wer wollte diese subtilen, aber, wie wir hier eindrucksvoll sehen, überaus wirkungsvollen Manipulationen durchschauen?

17 Und dass selbst Bilder, die um ein Höchstmaß an Authentizität bemüht sind, nicht immer leicht zu lesen sind, beweist das Nachrichtenmaterial, das EuroNews unter dem Titel ‚No comment‘ sendet. In der englischsprachigen Beschreibung zu diesem Sendeformat heißt es präziser noch als in der deutschsprachigen: „Images speak for themselves: the most striking pictures from around the world, unedited, with original sound: draw your own conclusion.“ Diese Absicht ist im besten Falle als naiv bezeichnen. Denn spätestens seit Brecht wissen wir, „dass weniger denn je eine einfache Widergabe der Realität etwas über die Realität aussagt“.

18 Ein Bild sagt mehr als tausend Worte?
Weil ein Bild eben nicht mehr sagt als tausend Worte – versuchen Sie beispielsweise einmal dieses Photo, das Ende letzten Jahres aufgenommen und publiziert worden ist, zu ‚lesen‘ - hat der Spiegel vor noch nicht allzu langer Zeit eine Rubrik eingeführt, die ich vom Ansatz her sehr begrüßenswert finde. Sie steht unter dem Motto: Was haben Sie da gedacht? Ein Bild sagt mehr als tausend Worte?

19 Ein Bild sagt mehr als tausend Worte?
Es ist der Versuch, zumindest ein paar der unzähligen Bilder, die tagtäglich als stumme Diener durch die Medienlandschaften geistern, Authentizität zu verleihen, indem man sie nicht von Journalisten, sondern von den Menschen, die auf ihnen abgebildet sind, kommentieren lässt. Und so erfährt der Leser mehr, als nur die Tatsache, dass es sich hier um den Menschenrechtler Mohammed Ahsan Untoo handelt, der mit seiner Aktion gegen die Regierung im indischen Bundesstaat Kaschmir protestiert hat. Er erfährt darüber hinaus, warum Untoo überlebt hat und das er es für den Fall, dass sich politisch nichts ändert, beim nächsten Mal ‚besser‘ machen werde. Wenn wir mit Brecht der Auffassung sind, dass „weniger denn je eine einfache Widergabe der Realität etwas über die Realität aussagt“, dann stellt sich allerdings die Frage, wie denn dann der Realität beizukommen ist. Im Vergleich zum Spiegel, wo der Text in Ergänzung zum Bild gedacht ist, geht Brecht noch einen Schritt weiter und sagt, dass etwas aufzubauen sei, etwas Künstliches, Gestelltes, das das Bild als Bild, d.h. als mediales Konstrukt sichtbar macht. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte?

20 Bertolt Brecht, Die Kriegsfibel (1955)
Wie dies aussehen könnte, hat er eindrucksvoll mit seinen Bild-Text-Montagen in der Kriegsfibel demonstriert. Bertolt Brecht, Die Kriegsfibel (1955)

21 Seht diese Hüte von Besiegten
Seht diese Hüte von Besiegten? Und Nicht als man sie vom Kopf uns schlug zuletzt War unser bittern Niederlage Stund. Sie war, als wir sie folgsam aufgesetzt. Bertolt Brecht, Die Kriegsfibel (1955)

22 »Deutschland, Deutschland über alles« Kurt Tucholsky (1929)
Ein Meister der Montage-Technik war ohne jeden Zweifel auch Kurt Tucholsky. In der Vorrede zu seinem Buch „Deutschland Deutschland über alles“ schreibt er: „Dieses Buch will versuchen, aus Zufallsbildern, aus gestellten Bildern, aus allerhand Photos das Typische herauszuholen, soweit das möglich ist. Aus allen Bildern zusammen wird sich dann Deutschland ergeben – ein Querschnitt durch Deutschland. Weil aber die offiziellen Bildwerke den Schnitt durch den Käse stets so legen, dass sich die Maden nicht getroffen fühlen, wollen wir es einmal anders machen. Was sich beim Schnitt krümmt - : das sind die Maden. Auch sie sind Deutschland.“ »Deutschland, Deutschland über alles« Kurt Tucholsky (1929)

23 »Deutschland, Deutschland über alles« Kurt Tucholsky (1929)
»Diese Pfandleihe nimmt 45% Zinsen im Jahr.« »Deutschland, Deutschland über alles« Kurt Tucholsky (1929)

24 »Der Reichstag- abgeordnete«
»Deutschland, Deutschland über alles« Kurt Tucholsky (1929)

25 European Popular Science Information Project
»Making Science 'cool' for the New Generation.« (European Commission, ISPO) Da stand ich also: fasziniert von der Idee eines gezielten Einsatzes von Bildern in der Vermittlung wissenschaftlicher, insbesondere sozial- und geisteswissenschaftlicher Inhalte. Da mir jedoch völlig unklar war, wie sich letzteres nicht nur konzeptionell, sondern auch technisch realisieren lassen könnte, war das Projekt, in dem ich 1997, die Chance bekam mitzuarbeiten, ein ungeheurer Glücksfall. Das ‚European Popular Science Information Project‘, das am Institut für Soziologie der Universität Münster angesiedelt war, diente - auf einen Satz gebracht - der Entwicklung neuer Formen der Präsentation wissenschaftlicher Inhalte in der Phase des Zusammenwachsens von TV und Internet. Das heißt, wir waren zunächst einmal interessiert an der Produktion von Sendeformaten, die ein junges, massenkulturell gebildetes Publikum ansprechen sollten. „Making Science 'cool' for the New Generation“ betitelte damals unser Geldgeber, die EU, unsere Bemühungen durchaus sehr zutreffend.

26 Was uns anfänglich vorschwebte, war ein Wissenschaftsfernsehen im Stile von MTV, denn mit dessen Welterfolg hatte sich nicht nur Anzahl der Bildschnitte in Film, Fernsehen und Werbung zum Teil drastisch erhöht, sondern auch die in den Köpfen der Zuschauer und eben besonders der jungen Zuschauer. Es schien uns wichtig, dieser Entwicklung auch im Wissenschaftsbereich Rechnung zu tragen. »128 Cuts per Minute«

27 Wir haben am Ende des Projektes einige Sendungen u. a
Wir haben am Ende des Projektes einige Sendungen u.a. in Zusammenarbeit mit Spiegel TV produziert, die - und das war der zweite Schwerpunkt unserer Arbeit –von Websites begleitet worden sind, über die die Zuschauer weitere Informationen zur Sendung abrufen konnten. Hier zum Beispiel sehen Sie einen Ausschnitt des Online-Angebotes zu der Sendung „Tod und Sterben“. Wir sind das Thema damals aus vier verschiedenen Perspektiven angegangen. Zu jedem Beitrag, der sich daraus entwickelt hat, haben wir ein signifikantes Bild gewählt, hinter dem dann das entsprechende Informationsangebot abrufbar war. Ich habe in diesem Projekt - und deshalb habe ich es eingangs als einen ungeheuren Glücksfall bezeichnet – lernen müssen, Themen aus unterschiedlichsten Fachbereichen, und seien sie auch noch so vielschichtig und schwierig, kurz und präzise aufzubereiten und Dritten zu vermitteln. Dieser Prozess der Verdichtung von Informationen bis hin zur Reduzierung eines wissenschaftlichen Sachverhaltens auf ein Bild, war anfangs ziemlich schmerzlich. Denn konkret bedeutete dies, dass viel von dem mühsam recherchierten Material am Ende unter den Tisch fiel, weil es die Sendezeit gesprengt hätte oder aber nicht in interessante Bilder zu übersetzen war. Und dabei hatten wir es noch mit vergleichsweise einfach zu visualisierenden, da populärwissenschaftlichen Themen zu tun. Wie schwierig würde es erst sein, etwa einen Klassiker der Soziologie bildlich umzusetzen.

28 Da ich zu dieser Zeit gerade ein Seminar anbot, das sich mit den Arbeiten Alexander Kluges beschäftigte und ich mich wunderte, dass die Studierenden so gar keinen Zugang zu dessen Buch „Öffentlichkeit und Erfahrung“ finden wollten, schien mir die Gelegenheit günstig, einen ersten Versuch der Visualisierung wissenschaftlicher Theorien zu wagen. Und so fing ich an, zentrale Aussagen des Buches in Bilder zu übersetzen, in der Hoffnung, den Studierenden so deren Aktualität verdeutlichen zu können. Frankfurt, 1972

29 »Bundestageswahlen, Feierstunden der Olympiade, Aktionen eines Scharfschützenkommandos, eine Uraufführung im großen Schauspielhaus gelten als öffentlich. Ereignisse von überragender öffentlicher Bedeutung wie Kindererziehung, Arbeit im Betrieb, Fernsehen in den eigenen vier Wänden gelten als privat. Die im Lebens- und Produktionszusammenhang wirklich produzierten kollektiven Erfahrungen der Menschen liegen quer zu diesen Einteilungen.« Oskar Negt/Alexander Kluge (1972) Nehmen wir gleich den ersten Satz aus dem Vorwort. Dort heißt es: „Bundestageswahlen, Feierstunden der Olympiade, Aktionen eines Scharfschützenkommandos, eine Uraufführung im großen Schauspielhaus gelten als öffentlich. Ereignisse von überragender öffentlicher Bedeutung wie Kindererziehung, Arbeit im Betrieb, Fernsehen in den eigenen vier Wänden gelten als privat. Die im Lebens- und Produktionszusammenhang wirklich produzierten kollektiven Erfahrungen der Menschen liegen quer zu diesen Einteilungen.“

30 »Öffentlich ist das Unwesentliche« Alexander Kluge (1995)
Wenn ich heute noch einmal in Negt/Kluges Buch „Öffentlichkeit und Erfahrung“ einführen müsste, würde ich es wahrscheinlich so tun ... »Öffentlich ist das Unwesentliche« Alexander Kluge (1995)

31 »Öffentlich ist das Unwesentliche« Alexander Kluge (1995)
… oder besser noch so, weil es der Erfahrungswelt der heutigen Studierenden noch mehr entspricht. Über niemanden haben wir in den letzten Jahren so viel erfahren wie über dieses Paares hier. Millionen von Sendeminuten und Presseartikel wurden ihm gewidmet und haben es zum Inbegriff öffentlichen Lebens werden lassen. »Öffentlich ist das Unwesentliche« Alexander Kluge (1995)

32 Obwohl der absoluten Mehrheit aller Menschen das Schicksal dieser Frau hier, nämlich in entfremdeten Arbeitsverhältnissen leben zu müssen, weitaus näher ist, wissen wir nichts über sie. Ich würde mir wünschen, der Spiegel nähme dieses Bild in seine „Was haben sie da gedacht?- Rubrik auf. Denn das würde mich wirklich interessieren. Wie hält jemand so etwas aus? »Am Anfang einer jeden kritischen Arbeit steht ein (...) Perspektivwechsel« Oskar Negt/Alexander Kluge (1980)

33 »Die neuen Massenmedien sind in der Lage die Ebene des Pluralismus zu verlassen und ihre Programmproduktion unmittelbar zu den einzelnen Individuen und Haushalten vorzutragen.« Oskar Negt/Alexander Kluge (1972) Nehmen wir eine andere Stelle des Buches. Dort steht geschrieben: „Die neuen Massenmedien sind in der Lage die Ebene des Pluralismus zu verlassen und ihre Programmproduktion unmittelbar zu den einzelnen Individuen und Haushalten vorzutragen.“

34 Bereits 1956 nämlich hat Richard Hamilton die von Negt/Kluge 1972 angesprochene Thematik, wie ich finde, meisterlich umgesetzt. „Just what is that makes today‘s homes so different, so appealing?“ Mit dem ironischen Titel seiner Collage geht Hamilton sogar noch über Negt/Kluge hinausgeht. Die Haushalte, in die TV, Werbung usw. vordringen, unterscheiden sich eben nur scheinbar von einander, sind in Wahrheit aber alle einem normierten Konsumverhalten unterworfen. »Just what is that makes today‘s homes so different, so appealing?« Richard Hamilton (1956)

35 Oskar Negt/Alexander Kluge (1972)
Die proletarische Kleinfamilie [...] ist durch eine besonders starke Verhaltenstypik und die Unmöglichkeit, ein variierendes Suchverhalten zu entwickeln, bestimmt. Emanzipatorische Erfahrung wird, soweit sie in diesem Umkreis entsteht, sogleich wieder aufgezehrt.« Oskar Negt/Alexander Kluge (1972) Oder hier meine Lieblingsstelle. Dort heißt es: „Die proletarische Kleinfamilie [...] ist durch eine besonders starke Verhaltenstypik und die Unmöglichkeit, ein variierendes Suchverhalten zu entwickeln, bestimmt. Emanzipatorische Erfahrung wird, soweit sie in diesem Umkreis entsteht, sogleich wieder aufgezehrt.“ Negt/Kluge sprechen auch vom „Terrorzusammenhang der modernen Kleinfamillie“, der sich dadurch auszeichne, das in der Familie einerseits Bedürfnisse befriedigt und andererseits Bedürfnisse eingebracht werden, die in der Familie eben nicht realisierbar sind.

36 Ich kenne kein Bild, das die von Negt/Kluge beschriebene Atmosphäre so treffend wiederzugeben versteht, wie das von Harald Duwe. »Terrorzusammenhang der modernen Kleinfamilie« Oskar Negt/Alexander Kluge (1972)

37 »Die Triebphantasien der Menschen, Hoffnungen, Wünsche, Bedürfnisse, sind nicht mehr freigesetzt, können sich nicht nach zufälligen Interessen entfalten, sondern werden mit Gebrauchswerten, mit Waren konkret besetzt.« Oskar Negt/Alexander Kluge (1972) Hier ein weiteres Beispiel, das thematisch an das vorherige anschließt: „Die Triebphantasien der Menschen, Hoffnungen, Wünsche, Bedürfnisse, sind nicht mehr freigesetzt, können sich nicht nach zufälligen Interessen entfalten, sondern werden mit Gebrauchswerten, mit Waren konkret besetzt.“

38 Einen wahrhaft zynischen Beweis für die Richtigkeit dieser These liefert diese Werbekampagne aus den 1970er Jahren: „Viele Frauen werden zum Muttertag mit Konfekt abgespeist. Dabei warten sie auf etwas Liebe. Gold ist Liebe.“ Und wenn Liebe Gold ist, was ist dann Liebe ohne Gold... »Transformation der Waren in Phantasiewerte« Oskar Negt/Alexander Kluge (1972)

39 …genau: Lüge. »Transformation der Waren in Phantasiewerte« Oskar Negt/Alexander Kluge (1972)

40 »Die neuen Medien produzieren Kaufhäuser, entmischte Städte, betonierte Straßen für Großfahrzeuge der symbolischen Zeichensetzung. Sie verhalten sich gegenüber klassischen Öffentlichkeiten und den Repräsentanten dieser Öffentlichkeiten, in den Hirnen von Menschen wie Stadtsanierer.« Alexander Kluge (1985) Ein letztes Beispiel, das zwar nicht aus ‚Öffentlichkeit und Erfahrung‘ stammt, aufgrund seiner Aktualität aber nicht unerwähnt bleiben soll, ist folgendes: „Die neuen Medien produzieren Kaufhäuser, entmischte Städte, betonierte Straßen für Großfahrzeuge der symbolischen Zeichensetzung. Sie verhalten sich gegenüber klassischen Öffentlichkeiten und den Repräsentanten dieser Öffentlichkeiten, in den Hirnen von Menschen wie Stadtsanierer.“ Sie können sich sicher sein, dass die wenigsten Studierenden auch nur eine ungefähre Vorstellung davon haben, was denn wohl „Großfahrzeuge der symbolischen Zeichensetzung“ sein könnten.

41 Es wird ihnen sicherlich verständlicher, wenn sie dem Zitat diese Karikatur vorausschicken. Microsoft ist ebenso ein „Großfahrzeug der symbolischen Zeichensetzung“ …

42 … wie beispielsweise AOL.

43 (W)elt (W)eiter (W)iderstand
Auf den Spuren des Eigensinns im Zeitalter des Internet »Das Buch hat aufgehört, ein Mikrokosmos nach klassischer und abendländischer Art zu sein. (...) Das Buch ist kein Wurzelbaum, sondern Plateau eines Rhizoms für den Leser, zu dem es paßt« Gilles Deleuze/Felix Guattari, Rhizom (1976)  Diese vereinzelten, für mich überaus spannenden Versuche, theoretische Zusammenhänge in Bilder zu übersetzen und mein anfangs formuliertes Unbehagen gegenüber Baumstrukturen bildeten am Ende die Grundlage meiner Dissertation zum Thema „(W)elt (W)eiter (W)iderstand - Auf den Spuren des Eigensinns im Zeitalter des Internet“. Diese Arbeit, mit der ich 1999 begann, sollte zeigen, das bislang allenfalls in der Privatsphäre geduldeter Eigensinn im Zuge fortschreitender Computertechnologie immer häufiger auch öffentlich gelebt wird und als solcher Rückwirkungen auf die herrschenden Produktionsverhältnisse ausübt. Diese Arbeit war zugleich der Versuch, ihren Inhalten eine angemessene Form zu verleihen.

44 Gemäß der Forderung von Deleuze/Guattari - „Lasst keinen General in Euch aufkommen! Macht Karten! - gestaltete ich das Inhaltsverzeichnis meiner Arbeit als Mind Map ...

45 und die Arbeit an sich wie ein Blätterwerk. D. h
... und die Arbeit an sich wie ein Blätterwerk. D.h. Sie können die Arbeit ‚lesen‘, indem Sie sich von dem ununterbrochenen Bilderstrom treiben lassen.

46 Sie können aber auch bei einem beliebigen Bild ihres Interesses halt machen und in die Textebene überwechseln. Innerhalb der Textebene wiederum können Sie unterschiedlichen Verläufen folgen. Auch wenn das Buch ohne den Einsatz eines vernetzten Rechners, eines Scanners, einer Digitalkamera, eines TV-Gerätes, eines Videorekorders und zahlreicher Software-Programme nicht herzustellen gewesen wäre, so liefert es gleichwohl einen Beweis dafür, dass selbst Hypertexte in Form von Printpublikationen zu realisieren sind.


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