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Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie

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Präsentation zum Thema: "Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie"—  Präsentation transkript:

1 Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie
Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Fünfzehnte und letzte Sitzung )

2 Fünfzehnter Termin (9.2.2010) Wiederholung – Ergänzungen – Fragen
Eurozentrismus-Kritik Was ist Geschichtsphilosophie? Was ist Fortschritt? Was kann man aus der Geschichte lernen? Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

3 André Gunter Frank 1927 geboren in Berlin als Sohn des Schriftsteller Leonhard Frank ( ) 1933 Emigration über die Schweiz in die USA dort Ökonomie-Studium später lange in Lateinamerika niemals eine akademische Stelle 1967 erstes Hauptwerk „Capitalism and Underdevelopment in Latin-America“ 1998 zweites Hauptwerk „ReOrient. Global Economy in the Asian Age“ 2005 gestorben in Luxemburg Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

4 Ein anderes Weltsystem
ca v.u.Z. Entwicklung eines „Weltsystems“ mit weitreichenden Handelsbeziehungen, das seinen Mittelpunkt in Asien hat ca. 500 v.u.Z. in den orientalischen Ländern erste „kapitalistische“ Regionen (mit Geldwirtschaft, Kaufmannskapital, Marktproduktion, Arbeitsteilung u.a.) verschiedene Zentren des Weltsystems: arabisch, indisch, chinesich 1500 n.u.Z. Integration Europas (das sich die Edelmetalle Südamerikas gewaltsam aneignen kann) als peripherer Region 1750 noch 80% des Weltsozialprodukts entstehen in Asien durch die Industrielle Revolution wird Europa kurzzeitig wettbewerbsfähig und sogar überlegen ca Rückkehr zu einem in Asien zentrierten Weltsystem Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

5 al-Farabi (ca ) Eine anti-europäische und zyklische Version der Philosophiegeschichte: Chaldäer (Zentrum: Babylon, v.u.Z.) Ägypter Griechen Zentrum: Athen Zentrum: Alexandria Zentrum (nur kurzzeitig und eher als Sackgasse): Rom Syrer Moslems (Zentrum: Bagdad) Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

6 Moderne Anti-Eurozentristen
Frantz Fanon (Martinique  Frankreich  Algerien), „Die Verdammten dieser Erde“ (frz. 1961) Sayyid Qutb (Ägypten), „Meilensteine“ (arab. 1964) Edward Said (Palästina/Ägypten  USA), „Orientalismus“ (engl. 1978) Dipesh Chakrabarty (Indien  USA), „Europa provinzialisieren“ (engl. 2000) Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

7 Was ist Geschichtsphilosophie?
meta-theoretisch: Klärung der geschichtswissen- schaftlichen Grundbegriffe z. B. „Geschichte“, „Gesellschaft“, „Kultur“, „Fortschritt“, „Staat“, „Revolution“ … methodologisch: Erkenntnis- und Wissenschafts- theorie der Geschichtswissenschaften z.B. Verhältnis Empirie-Theorie, Rolle des Sinnverstehens … substanziell: Aussagen zum Verlauf der Geschichte Leitfrage: Was dürfen wir (innerweltlich) hoffen? Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

8 Zur innerphilosophischen Stellung der Geschichtsphilosophie
abhängig von den philosophischen Basisdisziplinen (Logik/Argumentationstheorie, Erkenntnistheorie, Ethik) genauer: Anhang zur Politischen Philosophie nicht ohne empirische Wissenschaften vor allem eine empirisch-theoretisch gestützte Universalgeschichte vergleichbar mit Anthropologie, Sozial- und Naturphilosophie also anderen integrativ-interdisziplinären Disziplinen aber mit normativen Anteilen  das kollektive (politische) Projekt der Gegenwart Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

9 Zwei Merkmale einer substanziellen Geschichtsphilosophie
(1) holistisch synchron: bezogen auf Gesellschaften und „Kulturen“ letztlich auf die Menschheit diachron: die ganze Geschichte? vgl. die Abfolge von Zeitaltern bei Hegel und Marx Referenzepochen klassische Antike  Achsenzeit Nationalsozialismus  totalitäre Regime Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

10 Zwei Merkmale einer substanziellen Geschichtsphilosophie
(2) Vermittlung von Sein und Sollen 1. empirisch-theoretisch gestützte Zeitdiagnose (Gegenwart) 2. normativ-praktischer Entwurf einer realisierbaren Utopie (Zukunft) 3. unterstützende historische Tendenzen (Vergangenheit) d.h. Vergleich Referenzepoche(n) – Gegenwart „Fortschritt“ ist wie „Gesundheit“, „Leben“ oder „Recht“ ein Brückenbegriff, der sowohl deskriptive wie normative Konnotationen hat. Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

11 Was ist „Fortschritt“? Ein Subjekt X verbessert seine Situation
in der Dimension D nach dem Maßstab M von einer (exemplarischen) Vergangenheit über die Gegenwart bis zu einer (realisierbaren) Zukunft was ist X? – die Menschheit begriffsgeschichtlich: Übertragung des Wortes „Fortschreiten“ vom Individuum auf die Menschheit bei Kant inhaltlich seit Voltaire, ja seit Augustin allerdings kein Fortschritt in allen Dimensionen und Gesellschaften gleichermaßen und gleichzeitig („Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen“) Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

12 Die Menschheit als Subjekt der Geschichte
KANT: Völkerbund freier Republiken dagegen Friedrich SCHLEGEL: demokratische Weltrepublik HEGEL: Weltgeschichte MARX: Weltmarkt  Weltgemeinschaft vgl. ADORNO: die Menschheit als Subjekt TOYNBEE: Universalstaat und Universalkirche FUKUYAMA: weltweiter Liberalismus (Marktwirtschaft und Demokratie) HUNTINGTON: minimaler Universalismus in einer im „Kampf der Kulturen“ zerrissenen Menschheit Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

13 Fortschrittsdimensionen
(1) Wissen Summe empirischen Wissens  Fortschritte der Wissenschaften? größere „Bildung“? (2) Wohlstand Lebensstandard  Weltproduktion an materiellen Gütern („Bruttoweltprodukt“) plus Lebenserwartung und Alphabetisierungsgrad (minimale Lebensqualität) „Lebenssicherheit“: Zurückdrängung der alten Geißeln ‚Pest, Hunger und Krieg‘ subjektives Wohlbefinden (objektives) Glück (3) Freiheit mehr Optionen? mehr Lebenschancen? mehr Autonomie? Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

14 Fortschrittsdimensionen (2)
Moral Fortschritte im Bereich der Normenkonformität? Fortschritte im Bereich der Moralität? Recht  Gesellschaftsordnung Verhältnis der Gesellschaften zueinander  Ziel: Frieden! Fortschritte in der zwischenstaatlichen Konfliktregulierung? Rechtsgrundsätze innerhalb der Gesellschaften  Ziel: Gerechtigkeit! globale Gerechtigkeit Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

15 Eine Fortschrittsbilanz der Menschheitsgeschichte
Herrschaft (Technik i.w.S., Effizienz) über die äußere Natur über unsere innere Natur über andere Menschen über den Bereich der Kommunikation (Sprache  Schrift  Buchdruck  elektronische Medien) Alle erreichten Fortschritte beruhen auf dem technischen Fortschritt! Kein Fortschritt: Glück Moralität Die zentrale Frage: Gesellschaftsordnung Gibt es einen Fortschritt des Rechts oder sogar der Gerechtigkeit? Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

16 Entwicklung des neuzeitlichen Staatsmodells im Westen
HOBBES: Gewaltmonopol  absoluter Staat LOCKE: Elementare Bürgerrechte  liberale Freiheitsrechte MONTESQUIEU: Gewaltenteilung horizontal (Legislative-Exekutive-Judikative) vertikal (Föderalismus, auch Subsidiaritätsprinzip) ROUSSEAU: Demokratie  demokratische Mitwirkungsrechte „soziale Frage“: Sozialstaat  soziale Leistungsrechte „ökologische Frage“: Ökologische Verfassung Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

17 Schlechte Modelle einer künftigen Weltgesellschaftsordnung
Imperium Weltreich (pax americana?) Hegemonie alles unter dem militärischen Mantel der USA aber warum die USA und nicht China? Gleichgewicht der Mächte Großraumordnungen, evtl. entlang kultureller Bruchlinien sich selbst regulierender Weltmarkt oder dessen „anarchische“ Aufhebung in einem dezentralisierten und deterritorialen „Empire“ (Negri/Haardt)? Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

18 Kriterien einer guten Gesellschaftsordnung
Frieden ökologische Nachhaltigkeit Achtung elementarer Menschenrechte Recht auf Subsistenz  Sozialstaat Recht auf Partizipation  Demokratie Recht auf Autonomie  liberale Gesellschaft Gewaltenteilung kultureller Pluralismus Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

19 Vom Partikularismus zum Universalismus
starker Partikularismus: Autonomie von ca Ethnien (Sprachgemeinschaften) mittlerer Partikularismus: Autonomie von ca. 200 Staaten schwacher Partikularismus: Autonomie von ca. 10 „Kulturen“ schwacher Universalismus: eine globale Rechtsordnung mit teil-autonomen Rechtsstaaten mittlerer Universalismus: eine globale Föderation starker Universalismus: eine demokratische Weltrepublik Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

20 Ablehnung der Partikularismen
Technik, Wissenschaft und Kapitalismus sind global (GEHLEN: Superstrukturen) die drängendsten Probleme lassen sich nur global lösen Gefahr eines verheerenden Krieges mit ABC-Waffen ökologische Probleme (Treibhauseffekt, Wasserknappheit, Artenvernichtung …) Krankheiten Terror, Kriminalität Migrationsbewegungen es gibt bereits globale Institutionen es gibt bereits in Ansätzen eine globale Zivilgesellschaft (Massenmedien, Nichtregierungsorganisationen, Kirchen usw.) Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

21 Skepsis gegenüber stärkeren Universalismen
Gefahr eines weltstaatlichen Despotismus es gibt verschiedene Wege in die Moderne Shmuel EISENSTADT: multiple Modernen, „Kapitalismus im Plural, auch verschiedene Demokratie- und Sozialstaatstypen minimaler Universalismus dünner Moral, aber kein maximaler Universalismus dicker Moral (WALZER) der globale Kapitalismus erfordert eine einheitliche Rechtsordnung, aber keine einheitliche Wertordnung Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

22 Das erstrebenswerte Modell
eine globale Rechtsordnung auf der Grundlage supranationaler Weltinstitutionen (UN) dichtes Netz transnationaler Vereinbarungen kontinentale (kulturkreisbezogene?) Staatenbünde am weitesten: EU Nationalstaaten als Rechtsstaaten regionale und lokale Institutionen Föderalismus, mit relativer Autonomie Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

23 Historische Tendenz? Nein! Ja!
viel mehr Staaten als vor wenigen Jahrzehnten stärkeres partikular-kulturelles Bewusstsein stärkere Diskrepanzen in den Wertorientierungen (zunehmender Pluralismus, schon in den einzelnen Gesellschaften) Ja! Globalisierung Entwicklung des modernen Staates transnationale politische Zusammenschlüsse Vereinigung Deutschlands 1830 bis 1870 Vereinigung Europas seit 1950 Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

24 Habermas‘ Idee eine begrenzte Homologie zwischen der Entwicklung
normativer Strukturen in Ontogenese und Phylogenese Einschränkungen: nur für Strukturen, nicht für Inhalte nur für die Logik, nicht die Dynamik der Entwicklung viele Individuen weichen vom Strukturniveau ab, viele eilen ihm voraus ( Legitimationskrise) frühe Stufen der Ontogenese haben kein phylogenetisches Pendant reflexive Rekonstruktion überwundener Strukturen  nicht-empirischer Kern der Geschichtsphilosophie Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

25 Sehr vereinfachte Darstellung des Stufenmodells
1 Dyade Mutter-Kind Gehorsam und Strafe 2 Kleingruppe Verwandtschafts-gruppen Bedürfnisbefriedigung 3 Gemeinschaft Stadtstaaten Loyalität 4 Gesellschaft Nationalstaaten Gesetze 5 Menschheit Weltordnung Prinzipien 6 plus künftige Generationen nachhaltige universale Verantwortung 7 transhuman pathozentrisch Leidensvermeidung Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

26 „Historia magistra vitae“
Wie und was kann man aus der Geschichte lernen? „exemplarisch“: Sammlung interessanter Beispiele menschlichen Lebens und Zusammenlebens „anthropologisch“, „monumentalistisch“ (Nietzsche) „identitätsstiftend“: Aneignung der eigenen Herkunftsgeschichte „hermeneutisch“, „antiquarisch“ (Nietzsche) „alternativ“: Kennenlernen fremder Perspektiven, untergegangener Welten und historischer Alternativen „Geschichte der Besiegten“ (Benjamin) „kritisch“: Wir lernen, was wir nicht tun sollten! Christian Thies Vorlesung WS 2009/10

27 Zum Abschluss Ich hoffe, dass Sie
in dieser Vorlesung etwas gelernt haben. Vielen Dank für die konstante Aufmerksamkeit! Christian Thies Vorlesung WS 2009/10


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