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„Die Zeitbombe tickt – wohin treibt die Finanzkrise

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Präsentation zum Thema: "„Die Zeitbombe tickt – wohin treibt die Finanzkrise"—  Präsentation transkript:

1 „Die Zeitbombe tickt – wohin treibt die Finanzkrise
„Die Zeitbombe tickt – wohin treibt die Finanzkrise?“ Vortrag Rotary Club Kreuzlingen-Konstanz Inselhotel Konstanz, 30. November Professor Dr. Manfred Pollanz Wirtschaftsprüfer | Steuerberater HTWG Konstanz © Alle Rechte vorbehalten

2 Die Ihnen als Begleitmaterial überlassenen Unterlagen basieren auf Einschätzungen, Trendaussagen und rechtlichen Überlegungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Die Unterlagen sind damit nicht geeignet, eine Beurteilung im Einzelfall abzuleiten oder sie zur Grundlage vertraglicher Regelungen zu machen. Durch die Überlassung der Unterlagen wird eine Haftung gegenüber dem Empfänger (Teilnehmer) oder Dritten nicht begründet. Die Inhalte dieser Präsentation sind das geistige Eigentum von Prof. Dr. Manfred Pollanz. Jede weitere Verwendung sowie die Weitergabe an Dritte im Original, als Kopie, in Auszügen, elektronischer Form oder durch eine inhaltsähnliche Darstellung bedürfen der vorherigen Zustimmung von Prof. Dr. Manfred Pollanz. Prof. Dr. Manfred Pollanz Wirtschaftsprüfung | Steuerberatung | Unternehmensberatung Kaiserpfalzstraße Bodman-Ludwigshafen Tel.: Fax:

3 Zum Einstieg ein paar ausgewählte Zitate…
„Die Probleme*, die wir geschaffen haben, können nicht auf der Grundlage des Denkens gelöst werden, die sie hervorgebracht haben.“ (Albert Einstein, Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren) * auf die Gegenwart bezogen: noch nie war die Verschuldung weltweit so hoch und noch nie waren die Zinsen so niedrig wie aktuell!

4 (Baron Brock, Denkerei Berlin, in den 1990er Jahren)
Zum Einstieg ein paar ausgewählte Zitate… „Das Einzige, was Menschen in Zukunft gemeinsam haben werden, ist die Konfrontation mit prinzipiell unlösbaren Problemen.“ (Baron Brock, Denkerei Berlin, in den 1990er Jahren)

5 Zum Einstieg ein paar ausgewählte Zitate…
„Das Bedenkliche an unserer Zeit ist, dass wir noch nicht denken. Das Denken denkt, wenn es dem Bedenklichsten entspricht.“ (Martin Heidegger, dt. Philosoph ) Rechnendes Denken Besinnliches Nachdenken

6 Zum Einstieg ein paar ausgewählte Zitate…
„Ein Physiker, der nur Physiker ist, kann durchaus ein erstklassiger Physiker und ein hochgeschätztes Mitglied der Gesellschaft sein. Aber gewiss kann niemand ein großer Ökonom sein, der nur Ökonom ist – und ich bin sogar versucht hinzuzufügen, dass der Ökonom, der nur Ökonom ist, leicht zum Ärgernis, wenn nicht gar zu einer regelrechten Gefahr wird…. .“ (F. A. von Hayek, , österreichischer Nobelpreisträger für Ökonomie)

7 Unser mangelhaftes und gefährliches „Verständnis“ von Ökonomie …
… ist typischerweise begrenzt, weil kontext-, interessens- und situationsabhängig. Was fehlt, ist der kritische Blick aufs Ganze Wie beobachten und messen Ökonomen Ergebnisse ökonomisches Handelns? Mikroökonomisch durch buchhalterische Ermittlung von Gewinnen und makroökonomisch durch hoch aggregierte und abstrakte Größen wie z.B. BIP, also rein quantitativ anhand von Wachstumsraten. Zunahme quantitativer Parameter wird einfach gleichgesetzt mit Zunahme des Wohlstands Auf dieser Grundlage ist es schlechterdings nicht möglich wahrzunehmen, wie sich unsere Ökonomie qualitativ, d.h. in ihrem Wesen, verändert.

8 Unser mangelhaftes und gefährliches „Verständnis“ von Ökonomie …
„Too much of a good thing can become a bad thing…“ Aktuelle Situation in China: Wachstumsraten sinken kontinuierlich Sind die Raten überhaupt verlässlich? Und was wird da überhaupt gemessen? (Qualität vs. Quantität) Ca. 2,6 Mrd. Wohnungen bei ca. 1,4 Mrd. Chinesen Zementverbrauch Chinas in drei Jahren ( ) höher als in den USA im gesamten 20. Jhdt.! Chines. Markt ist voll mit „schlechten“ Risiken

9 Wenn Wachstum nicht (mehr) gleich Wachstum ist…
Produktivitätsbasiertes Wachstum Schuldenbasiertes Wachstum „real“ Ende Fordismus (Aufgabe Goldbindung) „fiktional“ Konsumausgaben übersteigen Löhne/Gehälter, die Lücke steigt drastisch an! Wie wurde die Lücke gedeckt? Durch Reduktion der Sparleistung und Extraktion von Finanzprofiten, das Verhältnis von Schulden zum BIP explodiert in den USA von 160% (1980) auf 370% (2009) Bis Mitte der 1980er Jahre haben Löhne/Gehälter überwiegend Konsumausgaben finanziert Realsektor und Finanzsektor wachsen analog

10 Folgen des Referenzverlustes: wenn Wachstum nicht gleich Wachstum ist
Die Instabilität der Ökonomie nimmt seit Jahrzehnten dramatisch zu…. Erste Symptome: Der Oktober 1987 Crash (Black Monday) Sparkassenzusammenbruch in den USA in den 1980 er Jahren Zusammenbruch der japanischen Immobilien- und Aktienblase in den frühen 1990er Jahren Crashs an den Emerging Markets in 1994 und 1997 LTCM-Krise in 1998 Platzen der Dotcom-Blase in 2000 Kollaps der Geldmärkte durch Lehman-Insolvenz 2007 Weltweite Great Recession (Finanzkrise) ab 2008 Euro- und Staatsschuldenkrise ab 2009 Weitere „Nachbeben“ werden folgen!

11 Finanzierungen Erwartungen Vernetzung Komplexität
Wodurch entsteht eigentlich Instabilität? Finanzierungen Erwartungen Vernetzung Komplexität

12 Finanzierungen Wodurch entsteht eigentlich Instabilität?
H. Minsky unterscheidet folgende Finanzierungsstrukturen in der ökonomischen Praxis: Abgesichert finanzierte wirtschaftliche Einheiten Spekulativ finanzierte Einheiten Ponzi-finanzierte Einheiten

13 Wodurch entsteht eigentlich Instabilität?
Instabilität und Komplexität erzeugen Widersprüche Inflation oder Deflation? Verstetigung der Krise Erhöhung der Ungewissheit erfordert das Vorhalten von Redundanzen Aber: Effizienz und Redundanz stehen in einem inversen Verhältnis zueinander!

14 Wodurch entsteht eigentlich Instabilität?
FB! Fallbeispiel: Leverage-Effekte im Kontext deflationärer Entwicklungen* Annahmen: Immobilienkaufpreis , Kreditzins 4%, EK-Anteil Wert der Immobilie Wertentwicklung Hypothekenschuld Eigenkapital RoE + 15% 64.200 114% +5% 34.200 14% 19.200 -36% -5% 4.200 -86% Annahmen: Immobilienkaufpreis , Kreditzins 4%, EK-Anteil Wert der Immobilie Wertentwicklung Hypothekenschuld Eigenkapital RoE + 15% 95.400 59% +5% 65.400 9% 50.400 -16% -5% 35.400 -41% *Fallbeispiel entnommen aus Admati/Hellwig, 2013, S. 118.

15 Wodurch entsteht eigentlich Instabilität?
Vermögen und Kapital folgen unterschiedlichen Prinzipien… AKTIVA PASSIVA Vermögen unterliegt dem Naturprinzip der Verrottung (Entropie) (Fremd-)Kapital unterliegt mathematischen Prinzipien, (Naturprinzip suspendiert!) 2. Satz der Thermodynamik: Materie/Energie kann nicht vermehrt, sondern nur umgewandelt werden Eine kapitalistische Ökonomie steht somit strenggenommen im Widerspruch zur Thermodynamik, d.h. sie kämpft gegen Naturprinzipien an ….

16 Wodurch entsteht eigentlich Instabilität?
Fiktionale Erwartungen prägen die moderne Ökonomie - Realitätsverdopplung Wir müssen uns von der traditionellen Vorstellung verabschieden, nach welcher das Fiktive als Gegenbegriff zur Realität aufgefasst wird. Fiktionen erweisen sich als Bedingungen für das Herstellen von Welten. Sie haben die Funktion, Lücken zu schließen. „Der springende Punkt ist nicht, was real ist und was nicht, sondern wie sich die verschiedenen Realitäten konstituieren und in welchem Verhältnis sie stehen.“ (Elena Esposito, Die Fiktion der wahrscheinlichen Realität, S. 74) „Die Realität, in der wir leben, ist deshalb so komplex, weil die Verwicklungen und wechselseitigen Spiegelungen von realer und fiktiver Realität längst ein Teil von ihr geworden sind“ (ebd. S. 78) „Man kann Realität nicht verstehen, wenn man Formen und Bedeutung der Fiktion nicht kennt. Fiktion ist etwas anderes als reine Phantasie, weil sie eine eigene Realität entwirft und die fiktive Realität reale Auswirkungen hat.“ (Ebd., S. 120)

17 = Fiktionale Komponente = Zinssatz (Zeitkosten)
Wodurch entsteht eigentlich Instabilität? Die realen ökonomischen Auswirkungen fiktionaler Erwartungen Wer Ökonomie verstehen will, muss die Zeit zum zentralen Thema machen. Das Barwert-Modell holt die Zukunft und damit künftige Zeit in die Gegenwart und zwar durch eine einfache finanzmathematische Operation (Abzinsung): G = Erwarteter Gewinn = Fiktionale Komponente i = Zinssatz (Zeitkosten) = Reale Komponente Ändert sich der Zinssatz und der erwartete Gewinn nicht, so bleibt der Barwert mit Fortschreiten der Zeit immer gleich, obwohl jedes Jahr der Gewinn konsumiert wird. Aus der unendlichen Zukunft wachsen stets neue – erwartete Gewinne – hinzu. Die Zeit kann dem Barwert somit nichts anhaben. Das perfekte „perpetuum mobile“! Geht i wie aktuell gegen Null steigt der Barwert (= Wert einer Aktie) an, obwohl sich die Gewinnerwartungen nicht ändern! Eine Zinssenkung durch die EZB macht Aktienbesitzer über Nacht reicher, ohne dass sich die ökonomischen Aussichten verbessert hätten.

18 = Fiktionale Komponente = Zinssatz (Zeitkosten)
Wodurch entsteht eigentlich Instabilität? Referenzverlust (II): reale ökonomischen Auswirkungen fiktionaler Erwartungen G = Erwarteter Gewinn = Fiktionale Komponente i = Zinssatz (Zeitkosten) = Reale Komponente Der Zinssatz steht als Referenz für die Kosten einer Opportunität (sogen. Opportunitätskostenansatz). Wenn der Zinssatz gegen Null tendiert, gibt es folglich immer weniger Alternativanlagen. Der Zinssatz verliert seine Bedeutung als Risikomaß. Das System verliert seine Referenz und damit den Bezug zur Realität. Es euphorisiert sich an seiner eigenen Dynamik, weil die Kurse sich nicht im Wechselspiel mit der Umwelt, sondern selbstreferentiell verändern.

19 Vernetzung Wodurch entsteht eigentlich Instabilität?
Zunehmende Vernetzung führt nicht etwa zu robuster Systemstruktur, sondern das Gegenteil ist der Fall: das Gesamtsystem wird anfälliger für Schocks, die Flächenbrände erzeugen können. Zunehmende Vernetzung erschwert zudem die Steuerung und Kontrolle des Gesamtsystems, externe Eingriffe erzeugen kaum abschätzbare Folgen. Seit Beginn dieses Jahrhunderts hat sich die Finanzintermediationskette durch vielfältige Finanzinnovationen dramatisch verlängert! Gleiches gilt für Wertschöpfungsketten. Zunehmende Vernetzung befördert Orientierungs- und Verantwortungslosigkeit

20 Wodurch entsteht eigentlich Instabilität?
Zunehmende Vernetzung von Banken erzeugt Systemrisiken Wir stellen uns ein Netzwerk mit 100 Banken vor. Bank 1 verwendet Sichteinlagen von 100, um sie Bank 2 für 1 Monat zu leihen. Bank 2 wiederum verleiht für 2 Monate an Bank 3 usw. bis zu Bank 100. Wir haben eine klassische Kredit-Intermediationskette, die auf den ersten Blick sehr robust erscheint, jede Bank hat eine Laufzeit-Inkongruenz von einem Monat und im Durchschnitt aller Banken beträgt die Netto-Verschuldung gerade einmal 1! Bei genauer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass das Gesamtsystem eine Laufzeit-Inkongruenz von n-1 (=99) aufweist. Zudem beträgt die Brutto-Gesamtverschuldung im System (n-1) x 100 = 9.900! Die Fragilität des Gesamtsystems wird deutlich, wenn wir uns einen Run auf Bank 1 vorstellen: es stellen sich systembedrohliche Dominoeffekte ein, weil die vernetzten Banken gleichzeitig versuchen, ihre Assets (=Forderungen ggüber anderen Banken) fällig zu stellen, um liquide zu bleiben. Das System wird zur Geisel seines schwächsten Glieds; wenn dieses Glied zerbricht, zerbricht das gesamte System.

21 Wodurch entsteht eigentlich Instabilität?
Ökonomie als adaptives, komplexes Netzwerk „Nichts ist ohn Gift, allein die Dosis machts… (Paracelsus) Wir müssen uns den gegenwärtigen Zustand der Ökonomie als „Vergiftung“, als eine Art „Störung des ökonomischen Immunsystems“ vorstellen, verursacht durch einen Risk overload….

22 Flüchten (Verkauf toxischer Assets)
Wodurch entsteht eigentlich Instabilität? Ökonomie als adaptives, komplexes Netzwerk Verhalten eines komplexen, adaptiven Netzwerk unter Stress SARS 2002 Guangdong/China Lehman-Bankrott 2008 New York/USA Flüchten Verstecken Flüchten (Verkauf toxischer Assets) Verstecken (Geldhortung) Austrocknen des Geldmarktes Lokale Infektion globale Infektion

23 Wodurch entsteht eigentlich Instabilität?
Qualität der Ökonomie ändert sich: Finanzialisierung der Ökonomie (Emergenz) Das veränderte Finanzsystem führt zum Phänomen der Finanzialisierung des produktiven Sektors, d.h. Ressourcen werden wegen höherer Margen zunehmend in den Finanzsektor verlagert; realwirtschaftliche Investitionen gehen zurück, weil Investoren eher an kurzfristigen Gewinnen orientiert sind. Explodierende Gewinnausschüttungen: in den USA wurden zwischen den 1950er und 1970er Jahren ungefähr 35-45% der Gewinne ausgeschüttet; zwischen 2001 und 2010 schütteten die größten US-Firmen 94% aus, UK ca. 89%! Dadurch wird die wichtigste Quelle für realwirtschaftliche Investitionen quasi zum Versiegen gebracht. Auch der Anteil von Finanzgewinnen am Gesamtgewinn nimmt im produktiven Sektor dramatisch zu: z.B. General Electric %; 2004 GM 80% und bei Ford kamen zwischen 2001 und 2003 sämtliche Gewinne ausschließlich aus dem Finanzgeschäft! In ihrem Beitrag „Reassessing the impact of finance on growth“ aus dem Jahre 2012 kommen die IWF-Autoren Stephen G Cechetti und Enisse Kharroubi zu dem Schluss, dass ein schnell wachsender Finanzsektor schädlich für das produktive Wachstum ist.

24 Wodurch entsteht eigentlich Instabilität?
Komplexität und Instabilität erzeugen bösartige Probleme („wicked problems“) Jay Rosen, Professor für Publizistik an der New York University beschreibt Verwickelte Probleme („wicked problems“): „Es lässt sich schwer sagen, worin das Problem besteht, wo seine Grenzen liegen oder wo es anfängt oder endet. Es gibt keine „richtige“ Sicht des Problems, keine endgültige Formulierung. Die Art und Weise, wie es konzeptualisiert wird, ändert die Gestalt der Lösung. Irgendjemand kann immer sagen, dass das Problem nur ein Symptom für ein anderes Problem ist, und diese Person wird nicht falsch liegen. Es gibt viele Leute mit jeweils eigenen Interessen, die alle ihre eigenen Rahmenvorstellungen haben, die sie in der Regel als die alleinig richtigen auffassen. … Das Problem ist mit einer Menge anderer Probleme verknüpft; und es ist nahezu unmöglich, sie voneinander zu trennen“

25 Wodurch entsteht eigentlich Instabilität?
Wie reagieren die Ökonomen? Mainstream-Ökonomik betreibt weitestgehend „business as usual“, obwohl Geldpolitik der Zentralbanken offenkundig nicht zum erhofften Resultat (=Inflation) führt. Nullzinspolitik hält Ökonomie in einer Art „Wachkoma“ Mögliche Szenarien: Balance Sheet Recession mit deflationären Tendenzen Säkulare Stagnation vgl.bar zu Japan seit den 1990er Jahren

26 Wodurch entsteht eigentlich Instabilität?
Komplexität und Instabilität erzeugen bösartige Probleme („wicked problems“) „Zentrifugalkräfte der Verwicklung“: Fragmentierung Soziale und technische Komplexität Zeitkompression Integration Zunehmende Durchsetzung des Realen mit fiktionalen Elementen Konsequenz: Verlust von Kohärenz und Einsicht, Verlust der Problemlösungskompetenz, Zunahme der Kritikalität sozio-ökonomischer Systeme

27 Wodurch entsteht eigentlich Instabilität?
Komplexität und Instabilität erzeugen bösartige Probleme („wicked problems“) „Zentrifugalkräfte der Verwicklung“: Fragmentierung Fragmentierung ist oftmals nicht direkt ersichtlich, ein recht zuverlässiger Indikator ist jedoch Schuldzuweisung! Anstatt die „Wickedness“ von Problemen zu erkennen, neigen wir eher dazu ein mehr oder weniger großes Chaos wahrzunehmen, als Resultat von Inkompetenz Wir tendieren dazu, wicked problems „persönlich“ zu nehmen, anstatt den Problemcharakter zu hinterfragen

28 Wodurch entsteht eigentlich Instabilität?
Wenn man „bösartige“ in „zahme“ Probleme uminterpretiert… Probleme der unbelebten Welt =beobachterunabhängig! Probleme der belebten Welt =beobachterabhängig! = konvergierende Probleme, d.h. sie sind lösbar, Therapie: Problemlösung = divergierende Probleme, d.h. sie sind nicht lösbar, Therapie: Problemfindung z.B. Physik, Mathematik, Chemie z.B. Ökonomie, Politik Die Mainstream-Ökonomik betrachtet ökonomische Probleme als konvergierende Probleme, also als Probleme, die sich durch Formalisierung und Mathematik (Optimierungsansatz) einer Lösung zuführen lassen. Beispiel: Konvergenzkriterien der EU, die zwischenzeitlich zu „Divergenzkriterien“ mutiert sind, weil sich eben am Ende die divergierenden ökonomischen Kräfte durchsetzen

29 „more risk no fun?“ – politisches System kann Risiken nicht mehr absorbieren
Wirtschaftssystem als ein Riesenumschlagsplatz für Risiken Während das politische System Risiken aus allen Bereichen der Gesellschaft anzieht, um sie teils als politische Risiken der Überreaktion oder der Nichtberücksichtigung zu absorbieren und teils wieder in die Gesellschaft zurückzuleiten, dient das Wirtschaftssystem eher als letzter Sammelplatz von Risiken, die von überall dort hinströmen (N. Luhmann) Geld operiert ohne Gedächtnis. Es vergisst also auch die Risiken, auf die man sich beim Erwerben oder beim Ausgeben von Geld eingelassen hatte, im nächsten Schritt. Mit den Eigenschaften des Geldmediums kann die Wirtschaft als ein Riesenumschlags-platz für Risiken angesehen werden.

30 Riskante Instrumente führen zur Zunahme des Systemrisikos
Derivate – Riskante Instrumente zur Risikovernichtung und Risikosteigerung Derivate dienen der Risikovernichtung („Hedging“) als auch der Erhöhung der Risikobereitschaft („Trading“) Kreditderivate Zinsderivate Rohstoffderivate Währungsderivate Wetterderivate Weltweites Derivatevolumen: ca. 700 Bio. USD! (globales BIP ca. 60 Bio. USD) Derivate werden überwiegend als OTC-Produkte („over the counter“) gehandelt. Der Markt ist kaum transparent und weitestgehend unreguliert

31 Riskante Instrumente führen zur Zunahme des Systemrisikos
Die Erhöhung der Risikobereitschaft im Gesamtsystem Die Orientierung am Markt verlagert sich von klassischen Rationalitätsvorstellungen ins Testen von Risikobereitschaften, man befürchtet Marktanteilsverluste als Konsequenz von Risikoaversion. Spekulation orientiert sich an Spekulation, das Finanzsystem euphorisiert sich an seiner eigenen Dynamik, verliert zunehmend die Referenz zum produktiven Sektor Nullzinspolitik der EZB ist insofern eine Aufforderung zur Erhöhung der Risikobereitschaft Finanzsektor unterscheidet sich vom produktiven Sektor u.a. darin, dass auch mit Verlusten Gewinne gemacht werden können! Das System zeigt nicht-lineares Verhalten und ändert seine Qualität („Emergenz“): Bumerang-Effekt (NASA-Hangars)

32 Riskante Instrumente führen zur Zunahme des Systemrisikos
Ein Drahtseil-Akt – freier Fall inklusive Die Möglichkeit an den Finanzmärkten, nicht nur mit Gewinnen, sondern auch mit Verlusten Profit machen zu können, führt zu interessanten Konsequenzen: Am Auf und Ab der Märkte kann man im Prinzip schneller Geld verdienen als an einem kontinuierlichem Wachstum. Die Gewinnchancen erhöhen sich also mit der Variabilität der Märkte, was folglich zur Volatilität der Kurse führen kann. Die Marktstrukturen sind also nicht so konstruiert, dass sie zu stabilen Kursen führen. Vielmehr handelt es sich, wie bei einem Seiltänzer, um das Phänomen einer Instabilität, der ständig gegengesteuert wird. Gelingt dies nicht, so kann das Ergebnis quasi der „freie Fall“ sein. Diese systemische Instabilität wirkt dabei umso gefährlicher, je geringer die finanzielle Absicherung und gegenseitige Vernetzung der Akteure sind.

33 Ein gefährlicher Cocktail, der süchtig macht….
Goethes „Zauberlehrling“: Die Geister, die ich rief, werd ich nun nicht mehr los… Von welchen Geistern reden wir? Ungedecktes Papiergeld Fraktionales Mindestreservesystem, d.h. Möglichkeit für Banken nahezu unbegrenzt Giralkredite, also Geld zu schöpfen Deregulierter Finanzsektor

34 Ein gefährlicher Cocktail, der süchtig macht….
Deregulierungswirkungen am Beispiel von Kreditverbriefungen Asset Backed Securities (ABS) oder Residential Mortgage Backed Securities (RMBS) Idee: aus illiquiden Kreditforderungen liquide Wertpapiere zu generieren Strukturierung: Collateralized Debt Obligations (CDOs): ABSs/RMBSs werden zu unterschiedlichen Tranchen mit unterschiedlichen Kreditrisiken strukturiert (nach dem Gesetz der großen Zahl) Aber: Verbriefung bzw. Strukturierung führt nicht zur besseren Verteilung von Risiken gem. Mainstream-Denken, sondern zur Risikokonzentration bzw. zum Verstecken der Risiken. Andy Haldane: um Risiken von sogen. Squared CDOs beurteilen zu können, müsste ein Investor ca. 1 Mrd. Seiten an Dokumentationen lesen!

35 Ein gefährlicher Cocktail, der süchtig macht….
Deregulierungswirkungen am Beispiel von Derivaten Derivate waren schon in der Antike bekannt Derivate sind im Grunde Wetten auf den künftigen Verlauf von Ereignissen Einfachstes Beispiel: Forward (Weizenbauer sichert Abnahme durch Weizenhändler) Derivate waren jahrhundertelang auf Commodities (Weizen, Reis, Öl etc.) begrenzt; heutzutage können Derivate auf Finanzwerte (Aktien, Währungen), Preise (Börsenindices) oder sogar auf das Wetter bezogen werden. OTC-Derivate vs. standardisierte Derivate (Futures) Derivate erlauben Hedging, aber auch Trading (Spekulation)

36 Ein gefährlicher Cocktail, der süchtig macht….
Deregulierungswirkungen am Beispiel von Derivaten Historisches Datum: 1982; Deregulierung in den USA durch SEC (Securities and Exchange Commission) und CFTC (Commodity Future Trading Commission): Statt Kontrakterfüllung durch physische Lieferung wird Settlement durch Cash zugelassen; dadurch werden Kontrakte möglich, denen Basiswerte zugrunde gelegt werden können, die physisch gar nicht lieferbar sind (z.B. Indices) Entgrenzung: von nun an sind der Imagination von unterschiedlichsten Derivatformen keine (natürlichen) Grenzen mehr gesetzt. Folge: Derivateproduktion und –handel explodiert (IWF-Schätzung 2011: ca. 700 Bio. USD!!) Der Anteil von Finanzwerten am BSP explodiert in den USA von % zwischen den 1950er und 1970er Jahren auf 900% in 2000.

37 „realwirtschaftlicher Kapitalismus“
Die nach wie vor vorherrschende naive Sichtweise des Finanzsektors „realwirtschaftlicher Kapitalismus“ *Geschäftsbanken, Einlagen-banken und Investmentbanken Banken* (finanzieren) Unternehmen (produzieren) Haushalte (konsumieren) Kapitalmärkte

38 „finanzialisierter Kapitalismus“
Die Realität zeigt jedoch ein völlig anderes Bild „finanzialisierter Kapitalismus“ Unternehmen Kapitalmärkte Haushalte Derivate Banken* *Geschäftsbanken, Einlagen-banken und Investmentbanken

39 Die weitgehend unverstandene ökonomische Realität: finanzialisierte Ökonomie
In einer finanzialisierten Ökonomie nehmen die Kapitalmärkte nun die zentrale Position ein. Unternehmen haben wachsende Gewinne, aber abnehmende Investment-möglichkeiten Es kommt zu Aktienrückkäufen und Käufen anderer Wertpapiere; Realwirtschaft „imitiert“ Finanzsektor Banken bedienen die steigende Nachfrage der Unternehmen nach Wertpapieren und Derivaten Der Unternehmenssektor als Ganzes bleibt ein Netto-Kapitalnachfrager, finanziert sich langfristig zunehmend über Bonds und nur kurzfristig über Bankkredite Die Bedeutung der Haushalte als Kapitalbereitsteller wächst durch die Akkumulation von Vermögen bei wohlhabenden Haushalten; das Asset Management gewinnt rapide an Volumen und an Bedeutung.

40 Die weitgehend unverstandene ökonomische Realität: finanzialisierte Ökonomie
Ein entscheidender Aspekt der Finanzialisierung besteht darin, dass die persönlichen Finanzbeziehungen zwischen zwei Parteien in unpersönliche Tauschrelationen verwandelt werden. Um dieses Phänomen zu verstehen, darf man nicht wie der Mainstream fragen, was die einzelnen Sektoren unterscheidet, sondern -im Gegenteil- wir müssen fragen, was sie verbindet: sie sind alle Verkäufer von Commodities (Güter). Berücksichtigt man die Funktionen von Geld: Preisbestimmung, Austauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel, so wird deutlich, dass in einer modernen Ökonomie ein Bankkredit nur (noch) mit den letzten beiden Funktionen in Einklang zu bringen ist, während die erste nur noch durch das Geld erbracht werden kann, dass der Staat bzw. die Notenbanken in Umlauf bringen.

41 Emergenter Finanzsektor als tickende Zeitbombe
Produktiver Sektor Finanzsektor Banking Asset Management Asset Management ist eine wichtige Brücke zwischen Sparern und Kreditnehmern und zwischen dem produktiven und dem finanzwirtschaftlichen Sektor. Asset Management stellt eine Agency-Funktion dar, d.h. die Vermögenswerte werden individuell bzw. institutionell verwaltet.

42 Emergenter Finanzsektor als tickende Zeitbombe
Explosionsartiges Wachstum des Asset Managements Gegenwärtiges Volumen: weltweit ca. 90 Bio USD, entspricht ungefähr 75% der Vermögenswerte des globalen Bankensektors Welt-Sozialprodukt: ca. 60 Bio. USD Das Volumen hat sich in den letzten 10 Jahren verdoppelt! USA: 1946: ca. 50% des BIP; 2013: ca. 240% des BIP, in GB ähnliche Entwicklung, aber in einem viel kürzeren Zeitraum (seit 1980er Jahre!), in anderen westlichen Industrieländern ähnliche Entwicklung. Die Treiber dieser Entwicklung: der globale Pool von Sparern wird größer, älter und wohlhabender, seit 1950 hat sich die Lebenserwartung um fast 50% erhöht.

43 Emergenter Finanzsektor als tickende Zeitbombe
Die Komposition des Asset Managements Sehr starkes und schnelles Wachstum (seit 2008 jährlich +40%!) insbes. in Spezial-Fonds, die oft in weniger liquiden Assets investieren: Hedge Fonds Private Equity Immobilien Infrastruktur Rohstoffe Dramatischer Anstieg passiv gemanagter Fonds (ETFs und andere Index-Tracking-Fonds) von 2 Bio. USD in 2003 auf ca. 8 Bio. USD in ETFs jährlich +30%! Spiegel dieser Entwicklung: starker Rückgang bei Aktien-Fonds und Staatsanleihen-Fonds Ursache: Jagd nach höheren Renditen, Minimierung der Kosten der Vermögens-verwaltung

44 Emergenter Finanzsektor als tickende Zeitbombe
Die Komposition des Asset Managements Die sich dynamisch ändernde Komposition des AM birgt Risiken sowohl für End-Investoren als auch für das Finanzsystem im Ganzen: Der Trend Richtung illiquide Assets erhöht das Marktrisiko für Investoren Die Zunahme von passiven bzw. index-tracking-Strategien erhöht die Gefahr von „Herding“ und korrelierten Marktbewegungen Vergleichbarer Konzentrationsgrad im Banken- und AM-Sektor: auf Top10- Asset Manager entfallen ca. 30% des Volumens (25 Bio. USD Assetwert), Top10-Banken etwas mehr als 20% (20 Bio. USD Assetwert) Der weltweit größte AM (Blackrock) ist ca. 1/3 größer als die größte Bank (ICBC)

45 Emergenter Finanzsektor als tickende Zeitbombe
Die Komposition des Asset Managements Während die Bilanzen des Banking- und AM-Sektors nicht unähnlich sind, unterscheiden sie sich ganz wesentlich bzgl. des Exposure: In ihrer Agency-Funktion tragen die Portfolios der Asset Manager weder Kredit-noch Markt-, noch Liquiditätsrisiken! Diese bleiben bei den End-Investoren hängen. Blackrock verwaltet ca. 4,5 Bio. USD Vermögen, besitzt aber selbst nur 9 Mrd. USD eigene Assets! D.h. Fluktuationen bei Asset-Werten stellen für AM – im Gegensatz zu einer Bank - insofern kein Insolvenzrisiko dar. Sie sind gewissermaßen insolvenzresistent, aber nicht insolvenzimmun.

46 Emergenter Finanzsektor als tickende Zeitbombe
Bankenregulierung erhöht (paradoxerweise) Instabilität Asset Manager erzeugen adverse Marktdynamiken, weil sie mit einem ähnlichen Set an Bedingungen und Stressoren konfrontiert werden: Marktkonventionen: wenn sich das Marktverhalten annähert werden Aufwärts- und Abwärtsbewegungen der Assetpreise prozyklisch verstärkt. Erhöhung des Risikos eines „Mis-Pricing“, wenn der Markt dreht, sind Risikoprämien zuerst zu dünn und danach zu fett. Insbesondere ETFs und Index-tracking-Assets erzeugen solche Effekte

47 Emergenter Finanzsektor als tickende Zeitbombe
Ökonomie als ein selbst-organisiertes kritikales System „Sandhaufen-Metapher“ Ökonomie als selbst-organisiertes kritikales System hat eine Reihe interessanter Eigenschaften: Skaleninvarianz (Nicht-Linearität): im ökonomischen System wirken „power laws“ (Potenzgesetze), d.h. Crashs (wie Erdbeben, Lawinenabgänge) können nicht vorhergesagt werden, es ist nicht absehbar, ob ein kleiner oder großer Crash ansteht, große und kleine Crashs haben ein- und dieselbe Ursache: Zufuhr von Energie! um einen Crash auszulösen bedarf es keines Mega-Events

48 Emergenter Finanzsektor als tickende Zeitbombe
Komplexität wird mit Komplexität bekämpft… Reaktion auf Weltwirtschaftskrise 1930er Jahre: Glass-Steagall-Act : ca. 80 Seiten Reaktion auf Finanzkrise 2010: Dodd-Frank-Act: ca. 800 Seiten AGB von Paypal: mehr als Wörter ….

49 Ausblick und Diskussion…
Bezüglich der Erforschung des Systemrisikos des Finanzsektors stehen wir noch ganz am Anfang. Aktuelle Arbeiten zeigen allerdings, dass gegenwärtig praktizierte Risikomodelle das tatsächliche Systemrisiko dramatisch unterschätzen!

50 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. WP/StB Professor Dr
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! WP/StB Professor Dr. Manfred Pollanz HTWG Konstanz D Bodman-Ludwigshafen, Kaiserpfalzstraße 13 Tel.: Fax:


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